~Der dunkle Lord~
Asrans Herz pochte wie wild. Er hörte seinen eigenen Atem laut in seinen Ohren, der Helm verstärkte sein Geräusch zehnfach. Unruhe ergriff ihn, immer wieder prüfte er, ob sein Schwert richtig saß. Seine Hände wussten nicht, was sie tun sollten. Sie wollten das Schwert ergreifen, es endlich beenden. Als er in dem Schlaf gewesen war, der jemanden normalerweise mit sich auf die Reise zum Tod nimmt, hatte er alles ganz klar gesehen. Er hatte der Wahrheit ins Auge gesehen und gelernt sich damit abzufinden, dass er sterben würde. Egal was er tun würde. Der dunkle Lord war einfach zu mächtig, zu böse, um ihn leben zu lassen. Asran würde sterben. Für all jene, die auf der Welt verweilen würden. Für all jene, für die es sich lohnte, zu sterben. Ergons Körper wurde starr und augenblicklich wusste Asran, dass seine Zeit in dem Körper von Asran gezählt war. Er fürchtete den Tod nicht, er mochte ihn bloß nicht. Er mochte die Qualen nicht, aber er wusste, er würde wiederkehren. Als neuer Elf. Und seine Seele würde dieselbe sein.
Zwei Drachen zeichneten sich vor ihnen ab. Canad und Nadińe. Asran hatte den Namen der Drachendame in den Gesprächen der Heiler aufgeschnappt. Nadińe soll wohl, der Sage nach, alle Dracheneier ausgebrütet haben. Es gab nur sie, keinen männlichen Drachen, denn sonst wäre die Welt außer Kontrolle geraten. Es hieß: Wer in seinem Heim zwei Drachen hält, dem gehört schon bald die Welt. Nur ein Narr von einem Krieger ist letztendlich vielleicht der Sieger. Asran hielt sich nicht für einen Narr von einem Krieger. Er hielt sich für gar nichts. Nur für sich selbst. Canad und Nadińe kamen näher. Sie beide sahen prächtig aus.
Canad, beleibt von tiefschwarzen Schuppen, weißen Augen, Krallen und Dornen, und Nadińe, weiß und im Sternenlicht in den verschiedensten Farben schillernd. Etwa drei Schritt vor Asran verharrten die beiden Drachen. Auf dem Rücken von Nadińe zeichnete sich eine dunkle Gestalt ab, das Gesicht im Schatten einer Kapuze verborgen. Der dunkle Lord. Auch er war gekommen. Und das hieß, dass er sich seines Sieges so gut wie sicher war. Stumm musterten sich die beiden. Asran war froh, dass es Nacht war. Und dass er einen Helm trug. Was sollte man von ihm halten, wenn er verzweifelt und ängstlich seinem Feind gegenübertrat? Er musste lächeln. Sie hielten ihn für eine lebende Legende. Und doch war er das Gegenteil. Plötzlich spürte der Elf die Anwesenheit einer weiteren Person. Er drehte den Kopf und sah die schneeweißen Flügel von Navèst.
Der Kopf des dunklen Lords ruckte in ihre Richtung. Er erinnerte Asran an einen Vogel, denn genauso wie ein Adler bewegte der dunkle Herr seinen Kopf nur ruckartig. Navést blickte ihrem Feind gelassen in das verborgene Antlitz. „Drei gegen drei", sagte sie kühl und bestimmt. Er erwiderte nichts, aber Asran merkte sein Missfallen. Der dunkle Lord wandte sich wieder an Asran. „Ich habe gehört, du willst mit mir verhandeln", sagte er ohne allerlei Gefühl in der Stimme. Man hörte nicht, woher er kam, aus den südlichen Teilen oder den nördlichen Landen der Welt. Asran nahm das Amulett von seinem Hals und ließ es an der langen, silbernen Kette baumeln. Es schimmerte unheilbringend im hellen Sternenlicht.
„Warum beenden wir es nicht einfach?", fragte Asran und senkte seinen Kopf. „Warum bürden wir beide uns all diese Last auf? Wir sind verschieden, aber in einer Sache gleich. Wir beide haben die Bürde dieses Amulettes auf uns. Warum machen wir es nicht einfach so, wie es damals war, als mein Vater noch gelebt hat? Als er noch bei Sinnen war und die Amulette noch nicht erfunden hatte?", fügte er hinzu. „Dein Vater war immer bei Sinnen!", entgegnete der dunkle Lord seltsam heftig. Asran zuckte zusammen. „Er war immer bei Sinnen! Wage es nicht, anders von ihm zu sprechen!", fuhr sein Feind fort. Asran schluckte. Wie hatte er so etwas sagen können? Er hatte seinen Vater nicht gekannt. Konnte es sein, dass der dunkle Lord mit seinem Vater befreundet...? Erschrocken von seinen eigenen Gedanken erwiderte Asran: „Warum kannst du so gut über ihn urteilen? Hast du ihn etwa gekannt?"
Der dunkle Lord hob seine Arme und führte sie langsam zu seiner Kapuze. Vorsichtig zog er sie von seinem Haupt. Silbernes Haar blitzte im Zwielicht auf. Braune Augen sahen Asran traurig an, lange Elfenohren ragten aus dem sorgfältig geflochtenem Haar. Es war ein Anblick, schlimmer als ein Schwertstich. Asran sackte zusammen. Das konnte nicht sein! Das durfte nicht sein! „Ich kann wohl am Besten über mich urteilen", sagte der Lord und sah Asran so an, wie ein Vater seinen Sohn ansah, wenn dieser etwas verbockt hatte. „Das ist ein Trugbild! Glaube ihm nicht!", sagte Ergon aber Asran mochte ihm nicht glauben. Er sah ihm einfach zu ähnlich, sah dem Asren zu ähnlich, den er bei Navést in der anderen Welt gesehen hatte. Auch Navést war merkwürdig still geworden, doch jetzt ergriff sie wieder das Wort.
„Das ist also die Erklärung für dein Verschwinden, Asren", sagte sie und Traurigkeit schwang in ihrer Stimme mit. Asren nickte. „Laurentius wurde gewählt, nicht ich! Ich bin der König der Elfen! Ich! Und nicht Laurentius!", erwiderte er heftig. Seine Augen blitzten. „So oft habe ich nachts nicht schlafen können, weil ich mir vorgestellt habe, wie ich ihm eine Klinge in sein Herz ramme! All dies soll nun vergolten werden!", fuhr er fort. „Und deswegen hast du alles zurückgelassen? Mich? Deine Frau? Wie konntest du damit leben, mich in Unwissenheit zu lassen? Wie konntest du damit leben, dass ich nicht wusste, wer meine Eltern sind? Warum hast du mich nicht mitgenommen?", fragte Asran, den Tränen nahe. Er konnte es immer noch nicht glauben. Asren sah ihn traurig an. „Du warst so jung. So unwissend. So unschuldig wie ein kleines Lamm. Aber jetzt ist er auch bei dir da. Der Fleck!", die letzten Worte hauchte Asren heiser.
„Welcher Fleck?", fragte Asran, der Wahn war aus Asrens Augen gewichen. Er wirkte wieder wie ein Vater, der sein verlorenes Kind wiedersah. „Öffne dein geheimes Auge", sagte er traurig und Asran tat es. Obwohl Ergon ihn warnte, dass das womöglich ein Fehler war. „Sie dir meine Aura an", erklang Asrens Stimme und Asran tat wie geheißen. Anstatt hell zu leuchten, wie bei jeder anderen Aura, wirkte Asrens Aura verblasst, eingenommen von einem tiefen Schwarz. „Und nun sieh dir deine Aura an", fuhr Asren fort und Asran sah einen tiefschwarzen Fleck an der Stelle, an der sein Herz saß. Schrecken erfasste ihn. Was war das? Voller Abscheu schloss Asran sein geheimes Auge. „Das ist er! Mein Vater! Du kannst es nicht verstehen, mein Sohn, du musst es sehen...", Asrens Gesicht verzog sich, als würde er verletzt werden. „Was meinst du?", entgegnete Asran kühl. Asrens Kopf zuckte wieder in seine Richtung, so ruckartig wie ein Vogel es tat.
„Hör nicht auf mich! Ich bin vom Wahn befallen", sagte Asren und versuchte dabei zu lächeln, doch das warme Gefühl, dass Asran eben begegnet war, als sein Vater ihm zugelächelt hatte, blieb fort. Asrens Mund zuckte. „Gib mir jetzt das Amulett!", sagte er und streckte seine Hand aus. Seine Finger zitterten. Asran wich im Sattel zurück. Er packte sich an den Hals, dort, wo das Amulett hing. Er schüttelte den Kopf. „Nein!", erwiderte er bestimmt. „Los! Gib mir es!", fuhr Asren ihn an und Nadińe kam einen Flügelschlag auf sie zu. „Nein!", sagte Asran erneut und Navést warf ihm einen warnenden Blick zu. „Holt es mir", befahl der dunkle Lord kühl und Canad stürzte vor. Mit kraftvollen Flügelschlägen ging er auf Ergon los. Navést zog ihr Schwert und griff Canad von der Seite an. Er schwang seinen Hals zur Seite und Navést verlor das Gleichgewicht. Eine Kralle grub sich in die Brust der Göttin und sie trudelte herab.
Canad schlug seine Vorderbeine in Richtung von Ergons Brustkorb, doch der Grüne wich aus. Der Schwarze setzte sofort nach. Sein Schwanz verfehlte Asran nur knapp, der Hieb hätte ihn aus dem Sattel gehauen. Asren lachte. „Nein, der noch nicht. Den brauche ich noch", sagte er und warf Asran einen vielsagenden Blick zu.
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