꧁ 64 ꧂
Hätte ich geahnt, dass Ethan und ich bis zum Abend keine Zeit mehr finden würden, alleine miteinander zu sprechen, so hätte ich vielleicht auf die – zugegeben – extrem heiße Dusche mit ihm am Morgen verzichtet. Doch da es Samstag war, hatten alle frei. Keine Vorlesungen, kein Training, und so war ständig irgendjemand in unserem Dunstkreis.
Ich nahm mir fest vor, mit Ethan zu sprechen, sobald wir von der Cheerleader-Party zurück kämen, auf deren Weg wir gerade waren.
Als wir ankamen, klatschten die Basketballer unsere Jungs alle freundschaftlich ab. Ich musste schmunzeln. Obwohl alle trainierte Sportler waren, so kam doch keiner an die Statur meiner Wolfswandler ran.
Dies schien auch die ein oder andere Cheerleaderinnen zu bemerken. Mit großen Augen blickten sie immer wieder zu unser Truppe herüber und kicherten aufgeregt. Ich wollte nur zu gerne hören, über was und wen sie sich unterhielten, doch die Musik dröhnte so laut, dass mir mein bisschen Wolfsgehör leider nicht weiter half. Dennoch verrieten mir ihre Blicke schon eine Menge. Denn die meisten ernteten wohl Chris und Ethan. Zurecht.
Die Stimmung war nach kurzer Zeit schon ziemlich passabel, was wohl in erster Linie an Jake lag, der immer wieder seine Runden mit einer Tequila-Flasche drehte. Ethan legte, wie fast zu erwarten, immer wieder dankend ab, aber den ein oder anderen gönnte ich mir schon. Erst nach der vierten Runde wurde es Ethan zu viel, und er verweigerte mir mit einem bösen Blick den fünften. Da ich unbedingt eine gute Stimmung zwischen uns als Grundlage für das nächtliche Gespräch haben musste, gab ich seinem Wunsch nach.
Dafür hatte ich kurz darauf ein ganz nette Unterhaltung mit Lenny. Er hatte sich zu mir auf die Couch gesetzt, als Hope neue Getränke besorgte. Erst jetzt bemerkte ich seine leicht veränderte Frisur. Wo üblicherweise ein grader Scheitel seinen Kopf zierte und die Haare glatt nach rechts und links gebügelt lagen, hatte er nun einige Haare an der Stirn mit Gel keck in die Höhe gestylt.
Anerkennend sah ich mir seine Frisur an. „Wer bist du und was hast du mit Lenny gemacht?", zog ich ihn auf und stieß mit dem Ellenbogen in seine Seite.
Lenny gluckste und verdrehte seine Augen hinter den dicken Gläsern seiner Hornbrille. „Das ist wohl Hopes Schuld. Wir ... wir haben uns diese Woche gegenseitig viel beigebracht."
„Ich verstehe." Ich schmunzelte.
„Sie wollte mich sogar komplett umstylen", klagte Lenny.
„Ehrlich?"
Das Muttersöhnchen lächelte verlegen und schob seine Hornbrille hoch. Dann glitt sein Blick an mir vorbei in die Richtung, in die Hope gegangen war. Lenny rutschte nervös auf seinem Hintern herum. Dann verstand ich plötzlich.
„Hope ... sie ... sie ist ziemlich glücklich mit Jake, weißt du?", sagte ich und schaute ihn wie so oft mitleidig an. Das war nach Hades dann wohl der zweite Kerl in dieser Woche, den ich für Hope korben musste. Sie hatte echt einen Lauf, so viel war sicher.
„Schon okay", antwortete Lenny in gestochen höflicher Sprache. „Ich hatte auch nicht erwartet, dass so eine wie sie, jemanden wie mich ... na ja, du weißt schon."
Gerade als ich antworten wollte, räusperte sich Lenny und kurz darauf war mir der Grund klar. Hope war wieder da und sie hatte bereits eine neue Beschäftigungsidee in Petto – Lenny das Tanzen beibringen.
Um ehrlich zu sein, tat er mir mal wieder ein wenig leid, denn da ich von seiner heimlichen Schwärmerei für Hope wusste, war es sicher nicht einfach für ihn, dass sie ihn ständig anfasste, um ihn in eine andere Position zu drücken, oder ihm im Allgemeinen sehr Nahe zu kommen. Lenny war nicht der Typ Kerl, der körperliche Nähe zu Frauen – außer vielleicht zu seiner Mutter – gewöhnt war.
Doch tatsächlich schlug er sich nach einer halben Stunde schon ganz gut und forderte sogar eine Cheerleaderin zum Tanzen auf. Ob sein neu gewonnenes Selbstbewusstsein daran lag, dass unsere Gruppe ihn echt nett aufnahm, oder daran, dass Hope versuchte, ihn ein wenig abzufüllen, wusste ich nicht. Aber es war auch egal. Denn wir hatten Spaß.
„Gibst du mir noch einen?", fragte ich Jake heimlich, als er mit der Flasche und seinen Pinnchen wieder bei uns ankam.
Jake warf einen kurzen, prüfenden Blick über seine Schulter. Ethan hatte nichts mitbekommen. Verschwörerisch machte Jake mir erneut mein Pinnchen voll. „Aber verrat mich nicht, klar?" Jake zwinkerte mir grinsend zu.
„Niemals." Ich exte mein Glas.
Jake sah mich mit großen Augen an. „Respekt."
„Noch einen."
Er machte mir das Glas erneut voll. „Das ist aber der letzte. Echt kein Bock auf Streß mit Ethan."
Ich trank das Glas wieder in einem Zug leer.
„Danke, Jake", sagte ich lächelnd und reichte ihm das Glas. „Bist ein Schatz."
„Erzähl mir was neues, Süße." Er lachte, ehe er seine Runde weiter drehte.
Warum ich in gewisser Weise heimlich weiter trank, wusste ich selber nicht genau. Wahrscheinlich lag es daran, dass ich mir ein kleines bisschen Mut antrinken wollte. Das Gespräch mit Ethan würde kein leichtes werden, das war mir klar ... deshalb kam mir mein immer betrunken werdender Geist ganz gelegen.
Nach einer weiteren halben Stunde hatte sich der Alkohol in allen noch so kleinen Zellen meines Körpers verteilt und sorgte vor allem wieder für eins – Enthemmung.
Obwohl Ethan nicht begeistert schien, schnappte ich mir Hope und gemeinsam mit Sue und Claire tanzten wir in der Mitte der Couches zum Takt der Housemusik. Ich warf Chris dabei einen kurzen, vielsagenden Blick zu ... Goldener Käfig ... so ein Blödsinn.
Zum Glück ließ Ethan mich auch tatsächlich machen, was sicher an seinem Bier und der kompletten Anwesenheit des Rudels lag. Jedenfalls beinahe kompletten Anwesenheit... denn Samira war nicht da.
Nach einiger Zeit beschlossen Claire, Sue und Hope, Lenny mit einer Kommilitonin aus einem unserer Kurse bekannt zu machen. Lenny wusste gar nicht, wie ihm geschah, aber er ließ die Mädels gewähren. Ich nahm mir aber fest vor, morgen mit Hope über Lenny zu sprechen. So lange er so sehr für Hope schwärmte, würde er wohl jeden Spaß mitmachen, nur um bei ihr Eindruck zu machen.
Als sie gingen, nutze ich die Zeit und warf mich meinem Riesen unvermittelt an den Hals. Ethan war weit und breit der heißeste Mann auf der ganzen Party. Und es war höchste Eisenbahn allen sabbelnden Cheerleaderinnen zu zeigen, dass dieser Kerl mir gehörte.
„Hey Babe", begrüßte ich ihn und küsste ihn unvermittelt.
„Wieviel hast du getrunken, Kleines?", war das Erste, das Ethan wissen wollte, als ich mich wieder von ihm löste.
„Ist doch egal ... ich hab dich vermisst."
„Das ist es nicht." Seine ozeanblauen Augen musterten mich kompromisslos. „Du schmeckst wie ein Schnapsladen."
„Sei kein Spielverderber!" Ich legte mein Finger an sein starkes Kinn und zog ihn wieder an mein Gesicht. Als ich ihn erneut küsste, erwiderte Ethan meinen Kuss jedoch nicht. Seine Lippen ließen mich abprallen.
„Ivy, das ist kein Spaß. Wenn du die Kontrolle verlierst, dann ist das nicht gut", raunte er stattdessen an meinen Lippen, doch ich dachte nicht daran, aufzuhören – und ich wusste auch genau, wie ich ihn rumkriegen würde.
Forsch legte ich einen weiteren Kuss nach, ehe ich mit meiner Zunge über Ethans volle Lippen leckte und auf Einlass hoffte. Sein Widerstand hielt genau eine lächerliche Sekunde.
Kaum, dass er meine Annäherung erwiderte, versuchte er auch schon, die Oberhand über den Kuss zurück zu erlangen, doch ich ließ ihn nicht. Ein sinnlicher Kampf unserer Zungen entfachte und ich schmolz unter Ethans Leidenschaft, wie das warme Wachs einer glühenden Kerze.
Doch eine grelle Stimme riss mich plötzlich mit aller Macht von meiner Wolke Sieben herunter. „Sucht euch ein Zimmer", hörte ich Samira rufen. „Das ist einfach ekelhaft mit anzusehen."
Dass ich dasselbe mal über sie und Ethan gedacht hatte, als er sie damals im Flur vernascht hatte, war fast schon ironisch.
Als ich mich von Ethan löste, entdecke ich sie neben Chris auf der Couch. Als unsere Blicke sich trafen, zog sie wie mittlerweile üblich, abschätzig eine Braue in die Höhe.
Sie sah, dass musste ich ihr trotz allem lassen, wahnsinnig gut aus. Ihre herbstfarbenen Locken fielen wunderschön um ihr hübsches, ebenmäßiges Gesicht und ihr ebenfalls rotes Kleid stand ihr ausgezeichnet. Sexy und elegant zugleich.
Alleine bei dem Gedanken daran, dass Ethan sie auch gerade so sah, ließ jedoch Wut in mir aufsteigen. Und die Vorstellung, dass er mit ihr und ihrem Körper Dinge getan hatte, die er nun auch mit mir tat, trieb meine Wut auf sie nur noch mehr an.
„Auch schön, dich zu sehen, Samira ... hatte dich gar nicht bemerkt." Nun war ich es, die eine Augenbraue in die Höhe schnellen ließ, und der Alkohol in mir gab mir den dafür benötigten Mut.
Ethan drückte meine Hand, ein Zeichen, mich nicht von ihr provozieren zu lassen und ihr für den Spruch nicht einfach an die Gurgel zu gehen, ganz so, wie sie es nur zu gerne würde, seit dem Tag auf der Lichtung.
„Abseits vom Campus gibt es übrigens Stundenhotels", legte Samira nach und warf ihre Haare abschätzig über ihre Schulter. „So wie du heute Abend aussiehst, wäre das wohl der perfekte Ort für dich."
Als würde Ethan meine Wut spürte, wurde sein Druck auch um meine Taille strenger. Mir war sofort klar, dass er nicht wollte, dass ich weiteres Aufsehen erregte.
Aber diese innere, seit längerem aufgestaute Wut auf Samira und ihr herablassendes Verhalten, gepaart mit dem Alkohol, der durch meine Venen schoß, und der Tatsache, dass sie mein Geburtstagsgeschenk von Hope damit meinte, legte ganz plötzlich einen Schalter in mir um.
„Vielleicht nehme ich mir dort wirklich ein Zimmer", zische ich ihr entgegen. „Um mit meinem Freund dort weiter zu machen, wo wir grade aufhören mussten, weil du dazwischen gequatscht hast ... Bitch!"
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