꧁ 54 ꧂
Am frühen Abend saß ich neben Hope auf meinem Bett. Wir hatten den ganzen Nachmittag zusammen für ihren Professor Sexy gelernt und für Professor Brings die Hausarbeit ausgearbeitet.
Ethan hatte uns kurz etwas zu Essen vorbei gebracht, doch ich wusste, dass er eigentlich nur nach dem Rechten sehen wollte. Trotzdem... er war kaum aus der Tür raus, da vermisste ich ihn wieder.
„Bring es einfach hinter dich", riet mir Hope, während ich aufgeregt mein Handy in der Hand hin und her drehte. „Sie wird dir schon nicht den Kopf abreißen."
Die Rede war von Mum. Ich hatte sie nun seit drei Wochen nicht gesprochen, doch lag es nicht daran, dass sie nicht mit mir hätte sprechen wollen. Ganz im Gegenteil. Sie hatte beinahe alle zwei Tage angerufen, selbst in der Zeit, als ich bei Caitlyn oder, wie Hope dachte, in Bangor war. Da ich ja mein Handy hier vergessen hatte, war es eigentlich nur Hopes Geistesgegenwart zu verdanken, dass sie mich jedes Mal, sobald Mum anrief, mit guten Ausreden verleumdete.
Doch so konnte es nicht weiter gehen. Sie wusste das genau so gut wie ich.
Ich atmete tief ein und rief Mum an.
Nach nur zwei Wartezeichen ging sie dran. „Ivy, endlich!", hörte ich sie erleichtert in den Hörer kreischen.
„Hi Mum", antwortet ich mit belegter, schuldbewusster Stimme.
„Dass du bei all deinen Beschäftigungen endlich mal Zeit findest, mich anzurufen, grenzt ja fast an ein Wunder."
„Sorry", murmelte ich leise.
„Du bist ja schwerer zu erreichen als der Papst höchst persönlich."
Weil ich die meiste Zeit damit beschäftigt bin, es mit einem als Vermisst geltenden zu treiben ...Innerlich verdrehte ich die Augen und entschied mich für eine andere Antwort.
„Ich wollte schon längst anrufe, ganz ehrlich ... aber es kam irgendwie immer etwas dazwischen", zerknirscht biss ich mir auf die Unterlippe. Hope zwinkerte mir aufmunternd zu, stand auf und setze sich an ihren Schminktisch, um sich für ein abendliches Date mit Jake zurecht zu machen.
„Ach Schatz, mach dir keine Sorgen. Ich weiß doch, dass das eine spannende Zeit für euch Mädchen ist und da hast du sicher besseres zu tun, als mit deiner alten Mutter zu telefonieren. Aber melden könntest du dich schon mal zwischendurch. Und wenn es nur ein Foto bei WhatsApp oder eine kurze Nachricht ist."
Ich nickte bestätigend. „Ja, Mum. Ich gelobe Besserung, versprochen."
„Wie geht es Eve?"
„Eve vermisst dich sehr", antwortet Mum.
„Sie fehlt mir auch."
„Und Ryan?"
Mum schnaubte. „Du kennst ihn ja."
Sofort wusste ich, was sie meinte. Mein Bruder war eher Typ Eigenbrötler. Jedenfalls seitdem sein bester Freund vor sechs Jahren einfach so aus seinem Leben verschwand, und er seitdem denkt, dass er tot sei ... doch den Gedanken an diese schwere Zeit schob ich so gut es ging beiseite.
Mum und ich unterhielten uns noch fast eine Stunde. Ich erzählte ihr vom Campus, der Mensa, den Professoren, meinen Kursen und den unmöglich wirkenden Hausarbeiten und Mum hörte aufmerksam zu. Nur zu gerne hätte ich ihr auch von meinem Freund erzählt ... aber da hätte ich ihr auch gleich das Herz rausreißen, drauf rum trampeln und wieder einsetzen können.
„Und denk mal daran, Fotos zu schicken", erinnerte sie mich, kurz bevor wir auflegten.
„Das mache ich Mum, versprochen."
„Und grüß Hope von mir."
„Klar. Bye Mum. Hab dich lieb."
„Und ich dich erstmal, Spatz. Bye."
Ich drückte auf den roten Hörer auf meinem Display und legte erleichtert den Kopf in den Nacken.
Hope sah vom Spiegel auf und lächelte. „Siehst du, alles halb so wild. Wer könnte dir schon groß sauer sein."
„Trotzdem ... ich fühle mich elendig wegen der Sache mit Ethan."
„Sobald Semesterferien sind, könnt ihr doch gemeinsam zu ihr fahren."
Ich dachte an die Zeit bis dahin. Auch wenn meine Chancen, dem Wahnsinn wirklich nicht mehr zu verfallen gut zu stehen schien, die Primus waren immer noch eine Gefahr für mich, und ich konnte mir kaum vorstellen, dass Ethan eine Reise quer durch das Land gut heißen würde.
„Ja ... mal sehen", sagte ich leise, als es plötzlich klopfte, und sich nur eine Sekunde später die Tür öffnete.
Das Bild, was sich mir daraufhin bot, ließ meinen Inneres flattern und mein Herz schneller schlagen. Wie vor sechs Jahren schob Ethan seinen vollen, dunkelbraunen Kopf die Tür hinein, sein Blick flog durchs Zimmer, und als er fand was er suchte, lächelte er mich zufrieden an.
Ethan kam hinein, schloss die Tür und lehnte sich an sie an. Mit seinem breiten Kreuz verdeckte er nahezu die ganze Tür. „Fertig mit Lernen?"
Auch wenn ich wusste, dass die Frage eigentlich rhetorisch war, da er die Antwort längst kannte, nickte ich und spielte sein Spiel mit. Immerhin galt es meine beste Freundin, die mich mindestens so gut kannte wie Ethan selbst, keinen Verdacht schöpfen zu lassen, dass vielleicht doch etwas anders war, als ich es eigentlich behauptet hatte.
„Alles erledigt und fertig", sagte ich also lächelnd.
„Und ich bin auch fertig", ließ und Hope wissen, die fertig zurecht gemacht von unserem Schminktischchen aufstand und - ohne zu Übertreiben - mal wieder hinreißend gut aussah. In ihrem pinken Crop-Top, das den Blick auf ihren trainierten, schlanken Bauch freigab und ihrer engen Leder-Jeggings sah sie aus, als wären wir gerade frisch aus Florida eingetroffen, und ihr das Wetter hier in Orono gänzlich unbekannt.
„Bevor du was sagst ... ja, ich ziehe eine Jacke drüber, Mami", zog sie mich auf und ich streckte ihr die Zunge raus.
„Macht euch jedenfalls einen schönen Abend", sagte sie, während sie aus ihrem Kleiderschrank eine dicke Jacke und eine Umhängetasche zog. „Bei uns wird es wohl heute spät."
„Jake hat gesagt, du schläfst heute bei ihm", ließ Ethan uns wissen und irritiert sah Hope ihn an.
„Ach ... hat er das?" Auf ihrem Gesicht machte sich sowas wie Vorfreude breit.
Ethan nickte locker. „So sagte er es."
Hope blickte zu mir hinüber und schmunzelte mich breit an. „Na dann ... mi casa es su casa. Nutzt es weise, ihr Zwei." Kichernd kam Hope zu mir ans Bett und drückte mir einen Kuss auf meine Stirn. „Sei artig. Und tue nichts, was ich nicht auch tuen würde" , flüsterte sie an mein Ohr, während wir uns mit einer Umarmung verabschiedeten.
Als ich Hope dabei über die Schulter blickte, zog Ethan amüsiert eine Braue in die Höhe. Die Sache mit dem Wolfsgehör war lustig und lästig zugleich. So viel war sicher.
Ethan drückte sich von der Tür ab und öffnete Hope sie daraufhin galant.
„Danke, der Herr", sang sie beinahe und schenkte Ethan einen Augenaufschlag, der besser nicht hätte sein können.
Lächelnd schnaubte ich in mich hinein, während Ethan die Tür hinter meiner besten Freundin wieder schloss.
Endlich waren wir wieder alleine.
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