꧁ 31 ꧂
Ich wusste sofort, dass ich die Art, in der Caitlyn mich daraufhin ansah, niemals in meinem Leben vergessen würde. In ihren betagten, aufgerissenen Augen lag etwas, dass schlagartig Unbehagen in mir auslöste. Es war Schock, Schmerz, Trauer ... und es war noch etwas anderes, dass ich nicht so recht deuten konnte. Vielleicht so etwas wie ... wie Angst? Etwa vor mir?
Ich löste mich von ihrem Anblick und sah Ethan nun ebenfalls völlig verdutzt an.
„Ich ... ich bin was?", fragte ich mit zittriger Stimme.
„Ich hab es mir fast gedacht ... ihr Welpengeruch ist nicht gerade sehr stark, nicht wahr?" Ich spürten ihren Blick nach wie vor auf meinem Gesicht.
Ich roch nach Welpe?!
Ethan blickte an mir vorbei, rüber zu Caitlyn und presste daraufhin seine Kiefer aufeinander. Das nervöse Mahlen seiner Kiefermuskeln war Antwort genug. Seine und Caitlyns Reaktion zusammen genommen sagte mir schlagartig, dass Halbblut und ein geringer Welpengeruch offenbar nichts Gutes sein konnte.
„Und ich nehme an, es hat einen bestimmten Grund, warum du sie trotzdem zu mir bringst?", höre ich Caitlyn fragen.
Ethan nickte, als wolle er ihr damit eine unausgesprochene Frage beantworten, woraufhin Caitlyn scharf ausatmete.
„Was ... was ist hier los?", fragte ich unruhig in die Runde und sah abwechselnd Caitlyn und Ethan an.
Ethan räusperte sich, ehe er sich endlich mir zu wand. „Ich ... ich hatte gehofft, ich hätte ein bisschen mehr Zeit dafür."
„Wofür?", fragte ich.
„Es dir in Ruhe zu erklären." Ethan atmetet tief ein.
Ich spürte, dass es ihm schwer fiel, und doch wollte ich ihm die Zeit geben, die er offenbar brauchte.
Nach einigen Sekunden schien er die Worte zu finden, nach denen er gesucht hatte. „Es ist so, Kitz. Es ... es gibt reinblütrige Stämme, so wie Chris' Familie zum Beispiel. Sie haben einen blitzreinen Stammbaum, alle Familienmitglieder sind seit Generationen Wolfswandler, alle sind durch und durch reinblütrig." Ethan räusperte sich. „Dann gibt es Wolfswandler, allerdings ohne Familienanbindung, so wie ich. Ich kenne meine Eltern nicht und doch weiß ich, dass ich reinblütrig bin."
„Woher weißt du das?", frage ich leise nach.
Ethan presste erneut seine Kiefer aufeinander und blickte mich skeptisch an. „Reinblütrige können relativ schnell nach ihrem Fieber wandeln und es nach kurzer Zeit auch kontrollieren. Halbblüter können das nicht. Halbblüter so wie ... wie..."
„Ich", wisperte ich leise. Ich verstand noch nicht, worauf er hinauswollte, aber ich wusste bereits, dass dies kein guter Zustand sein konnte. Ich war nach meinem Fieber nicht gewandelt.
Ich spürte, wie Caitlyn unruhig auf ihrem Stuhl hin und her rutschte. „Und ich lese an eure Reaktion, dass das nicht gut ist?", wagte ich mich weiter vor.
Ethans Kehlkopf zuckte nervös. Er rang mit sich, es war eindeutig, doch ich wollte nicht so einfach nachgeben.
„Keine Geheimnisse mehr", erinnerte ich ihn leise.
Ethan funkelte mich an. Er nickte schweren Herzens. „Halbblüter bekommen eben kein vollständiges Wolfsfieber", fuhr er fort. „Deswegen hattest du dein Fieber auch nur so kurz und nicht in dieser starken Intensität, wie Reinblüter es durchleben. Es führt zwar dazu, dass sich deine Wolfssinne ein wenig entwickeln, aber nie voll und du wirst auch nie kontrolliert Wandeln können."
„Okay", sagte ich leise und nickte. „Aber unkontrolliert schon?"
Ethan seufzte, ehe er erneut nickte. „Das Wolfsgen von Halbblütern ist einfach zu schwach, um mit den menschlichen Genen im Einklang zu leben, aber es ist auch zu stark, um sich ihnen einfach zu unterwerfen."
„Was bedeutet das?" Verwirrt zog ich meine Brauen zusammen.
Caitlyn und Ethan tauschten Blicke aus. Vielsagende Blicke. Und doch sagte keiner ein Wort.
„Was bedeutet das, Ethan?", hakte ich erneut nach, diesmal mit deutlich mehr Nachdruck. Das Pochen meines Herzens war so stark und laut, man könnte meinen, es erfülle den ganzen kleinen Raum und doch war es mucksmäuschenstill.
„Es bedeutet, dass der Halbblütrige durchdreht, zerrissen am inneren Zwiespalt beider in ihm kämpfenden Welten. Er entwickelt einen Hass auf Wolfswandler wie auch auf Menschen, weil er in dem Zwiespalt gefangen ist. Seine Seele ... sie zerreißt nach einiger Zeit und er verfällt dem Wahnsinn. Er verwandelt sich unkontrolliert, ohne Sinn und Verstand ... und ... und richtet großen Schaden an. Jedenfalls wenn er nicht aufgehalten wird." Ethan wandte seinen Blick ab, es schien, als konnte er mir nicht länger in die Augen sehen.
Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Wortlos lehnte ich mich in meinem Stuhl zurück. Ich fühlte mich beinahe erschlagen, angesichts der Informationsflut, die da gerade auf mich einhämmert war. Klar, ich hatte es so gewollt, aber jetzt konnte mein Hirn das alles gar nicht so schnell verarbeiten.
„Okay", wisperte ich leise. „Was ... was heißt, aufgehalten wird?"
„Es reicht jetzt, Ethan!", mahnte Caitlyn mit fester Stimme. „Dein Mädchen ist schon kreidebleich."
„N-nein ... ich, ich will es gerne wissen", sagte ich rasch. „Immerhin geht es hier um mich, nicht wahr?"
Caitlyn presste ihre faltigen Lippen zu einer schmalen Linie, ehe sie sich ebenfalls im Stuhl zurücklehnte.
Ethan schaute nicht auf. Er ließ den Kopf hängen und fummelte am Rand seiner Teetasse herum. „Die Primus nehmen sich der Sache an. Sie machen kurzen Prozess mit Halbblütern."
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro