Kapitel 8 | Das Welpenformular III
„Das hat diesmal aber lange gedauert", bemerkte der Fuchs, der noch immer zusammengekugelt neben seinem Skateboard im angrenzenden Raum lag. Miles ging nicht auf ihn ein, sondern widmete sich dem Formular. Bedauern keimte in ihm auf, denn er hätte die süße Blonde wirklich gerne näher kennengelernt. Warum musste dies auch ein weltweites Magieramt sein? Da traf er einmal ein heißes Mädel, kam mit ihr sogar ins Gespräch und dann wohnte sie vermutlich am Arsche Deutschlands. Na vermutlich nicht ganz so weit weg, denn sie war ja zu verstehen gewesen.
Er schüttelte den Kopf, um klarer denken zu können. Ein Fehler und er landete erneut in der Warteschlange. Schweigsam füllte er Zeile für Zeile. Die nächste Frage allerdings ließ ihn den Stift innehalten.
„Die wollen wissen, ob ich eine Katzenhaarallergie habe", teilte Miles dem Fuchs stirnrunzelnd mit.
„Das ist eine Fangfrage."
„Ach, sowas gibt's auch?"
„Ja. Du scheinst im letzten Teil angekommen zu sein, die Fragen wirken da vielleicht ein wenig ... merkwürdig. Mach dir keine Gedanken darüber, sondern beantworte sie einfach. Yolanda meinte, in ‚keine Gedanken machen' seist du ganz gut."
Miles ließ den Bogen sinken und warf seinem Vertrauten einen resignierten Blick zu. „Witzig. Jetzt sag schon, warum ist das eine Fangfrage?"
Sein tierischer Begleiter öffnete ein Auge und schielte zu ihm hinüber. „Katzen sind Lichtsammler. Wenn Menschen allergisch auf diese Tiere reagieren, dann tun sie das in Wirklichkeit, weil sie die Energie nicht vertragen. Diese Energie setzt sich natürlich auch in ihrem Fell fest, wodurch die heutigen Mediziner natürlich denken, die Menschen seien auf die Haare allergisch. Das ist nicht weiter tragisch, aber wenn du als Magier empfindlich auf einen Lichtsammler reagierst, ist das kein gutes Zeichen."
Miles grinste spöttisch. „Vorurteile sind wohl auch in der magischen Gesellschaft nicht abgeschafft worden, was? Stempeln die damit etwa alle Allergiger als potentiell böse ab?"
Blacky lächelte nicht. „Leider ja. Ich rate dir trotzdem, diese Fragen alle wahrheitsgemäß zu beantworten. Wenn du lügst, ist das schlimmer als allergisch gegen Lichtsammler zu sein. Außerdem zielen nicht alle Fragen darauf ab, potenziell böse Magier zu erkennen."
Der mahnende Ernst, der anstelle der Sticheleien seines Vertrauten getreten war, beunruhigte den jungen Magier.
„Wie gut, dass ich kein Problem mit Katzen habe", sagte er trocken und kreuzte das Kästchen bei ‚Nein' an. Anschließend beantwortete er auch die nächsten Fragen wahrheitsgemäß, egal wie merkwürdig sie klangen. Nein, ich wurde noch nicht von einer Schlange gebissen, Ja, ich hab schon einmal Alkohol getrunken, Nein, ich habe keine Sommersprossen ...
Abermals hielt der Stift inne.
„Also, das ist jetzt nicht deren Ernst!", rief er aus. „‚Wurden Sie in Ihrem Leben von Gänsen, Schafen oder anderen Tieren gejagt, mit der Folge, dass sie in ein Gewässer fielen?' Was soll das denn?"
„Es ist die häufigste Ursache für eine tödliche, magische Krankheit namens Faarp. Sie bricht erst später aus, weswegen sie vorher behandelt werden kann. Wenn dir das schon mal passiert ist, wirst du sehr schnell einen Bescheid bekommen, dich zur Behandlung zu melden, damit du nicht jämmerlich an einem geplatzen Dickdarm stirbst."
„Sowas gibt es?"
„Ja."
„Warum?"
„Frag mich nicht warum. Wenn du etwas nicht erklären kannst, dann ist es Magie. So einfach."
Miles zuckte die Achseln. Das klang einleuchtend.
„Als Nächstes erfragen die meine Lieblingsfarbe."
„Da hab ich auch keinen Schimmer wozu. Schreib sie einfach hin."
„Die Fragen sind echt bescheuert", grummelte Miles. „Gleich wollen die noch wissen, wie lang mein Schwanz ist."
„So formuliert steht es da nicht, aber ja, das wollen sie."
Der Teen ließ den Bogen sinken. „Nicht dein Ernst. Das ist doch wohl ... Die können mich mal!"
„Das ist nicht optional. Diese Information zählt zu deinen äußerlichen Merkmalen."
„Das ist kein äußerliches Merkmal", widersprach Miles erregt.
„Seit Etherion der Verrückte im Jahre 1388 nackt durch die Straßen rannte und wahllos andere Menschen in Flammen aufgehen ließ schon."
„Haben die damals etwa eine Fahndung rausgegeben? Hätte da ‚das Zielobjekt ist unbekleidet' nicht ausgereicht?"
„An einem FKK-Strand etwas lasch die Beschreibung, findest du nicht?"
„1388 gab es FKK-Strände?"
„Nein, aber heute. Schreib's einfach hin, oder hast du was zu verbergen?" Blacky grinste. „Wenn du es nicht weißt, musst du dich eben noch mal anstellen und ein Lineal beantragen."
„Du verarscht mich", erkannte Miles, der den Rest des Fragebogens durchgescrollt hatte. „Das steht hier nirgends."
„In der Tat, aber Etherion den Verrückten gab's wirklich."
Sein Vertrauter kicherte. Das Geräusch war derart hämisch, dass Miles dem Impuls widerstehen musste, dem schwarzen Knäuel einen Tritt zu verpassen.
Blacky blieb das nicht verborgen. „Ganz ruhig, Kleiner. Das war doch nur ein Spaß. Ich wollte nur ein wenig die Stimmung lockern."
„Pass auf, sonst lockert sich noch meine Faust."
Der Fuchs hob entrüstet den Kopf. „Oh ja, prügel in einem öffentlichen Amt auf deinen kleinen und wehrlosen Vertrauten ein. Los, trau dich ruhig. Na los, zeig's mir! Nur keine Hemmungen. Kommt bestimmt gut an."
Miles beschloss, den schwarzen Fuchs zu ignorieren. Er machte ihn aggressiv und das war für Miles eine unangenehme Empfindung. Normalerweise ging er mit Stress viel gelassener um. Ein cooler Spruch und ein wenig Blödelei und alles war viel einfacher. Doch wenn man gerade erst suspendiert worden war und düstere Schattenwesen einen umbringen wollten, dann war das eine andere Sache.
Miles wusste zwar noch nicht, wie er mit der Tatsache umgehen sollte, ab jetzt ein Magier zu sein, aber er wusste sehr wohl, dass sein tierischer Vertrauter ihn eher reizte, als dass er ihn auf das vor ihm Liegende vorbereitete. Warum hat das nicht Frau Wasabi übernommen?, fragte er sich. Ist sie immer noch sauer auf mich wegen der Autoreifen? Die ich noch nicht mal kaputt gemacht habe? Sie ist es doch gewesen, die meine Gabe entdeckt hat. Apropos Gabe ...
„‚Welche spezielle/n magische/n Befähigung/en beherrschen Sie?'", las er vor. „Soll ich da hinschreiben, dass ich Schatten sehen kann?"
Blacky schüttelte den Kopf. „Das ist keine spezielle Begabung."
„Und was ist meine Gabe?"
Teilnahmelos hob der Fuchs eine Hinterpfote und kratzte sich am Ohr. „Woher soll ich das wissen? Das musst du doch in dir fühlen."
„Soll ich mich jetzt hinsetzen und meditieren, um meine Begabung zu ertasten?", fragte Miles spöttisch.
„Das macht nicht viel Sinn – bei jemandem wie dir schon gar nicht. Ich denke, du bist einfach einer jener unbegabten Fälle."
„Unbegabt?" Miles ließ den Stift sinken.
„Oder es zeigt sich nur später. Lass die Zeile einfach frei."
Unbegabt!, tönte es in seinem Schädel wider und er erinnerte sich an Frau Wasabis Worte: Du bist einer unter vielen, wirklich. Aber jetzt war er ein Unbegabter unter Begabten. Damit bist du etwas Besonderes.
„Ja, besonders schlecht", antwortete Miles der Stimme in seinem Kopf.
„Was murmelst du da?"
Miles sah auf. „Ich sagte: Das ist aber keine der optionalen Zeilen. Die kann ich nicht freilassen."
„Doch, diese schon. Dafür ist ja der Schein, den du hier gerade mit dem Welpenformular beantragst. Wenn sich deine Begabung plötzlich bei dir zeigt, wird das als Unfall und nicht als Verbrechen gewertet, wenn du es bei dir trägst. Sollte sich bei dir also eine Begabung zeigen, kommen wir einfach noch mal wieder."
„Noch mal hierher?", stöhnte Miles bei dem Gedanken, sich erneut in die Warteschlange einzureihen.
„Ja, das geht ganz einfach, du holst dir dann einen Antrag auf Überarbeitung und wartest anschließend, bis man dir den lila Überarbeitungsbogen gibt. Dann füllst du das alles ein weiteres Mal aus ..."
„Ich soll für eine kleine Information noch mal hierherkommen? Haben die hier kein Internet?"
„Ich war noch nicht fertig", mahnte der Fuchs. „Damit wir so etwas überhaupt machen dürfen, müssen wir gleich noch eine Genehmigung beantragen und warten, bis diese bearbeitet und bestätigt ..."
„Die wollen dafür eine Genehmigung, dass ich ein weiteres Mal hierherkommen muss?", rief Miles verärgert. Blacky legte die Ohren an und hob eine Pfote, um sein Gesicht vor umherfliegendem Speichel zu schützen.
„So sind nun einmal die Regeln. Das ..."
„Dieses Amt ist eine beschissene Verarsche!", rief Miles aufgebracht. „Am liebsten würde ich einfach ..." Er stockte und ließ die erhobene linke Faust sinken. „Ach was, es hat ja doch keinen Zweck. Wenn man sich wehrt, bekommt man nur wieder einen auf den Deckel, hab ich nicht recht?"
Blacky hob den Kopf. „Was erwartest du eigentlich? Das wir ankommen und sagen „oh fein, du bist als Magier geboren das hast du aber fein gemacht, jetzt darfst du als Belohnung tun und lassen was du willst? Die Regeln sind so und je eher du sie lernst, desto besser ist das für dich. Pass dich endlich an!"
„Ein wenig mehr Verständnis würde schon reichen!", schrie Miles seinen Vertrauten an. „Ich bin es echt leid, von allen wie Abfall behandelt zu werden und so zu funktionieren, wie andere das von mir erwarten! Ich will nicht, dass ..."
Ein brennendes Anmeldeformular in seinen Händen ließ ihn innehalten. Miles schrie überrascht auf, schmiss den Bogen von sich und krabbelte ein paar Zentimeter zurück. Der Fuchs hingegen näherte sich dem Papier und löschte das Feuer, indem er es mit seinem buschigen Schwanz einfach erstickte.
„Ein Funkenschmied also", sagte er, als sei es die normalste Sache der Welt. „Da hast du deine Gabe."
„Du meinst ...", sagte Miles, bei dem der Schock langsam wieder nachließ. „Du meinst, ich habe eben ...?"
Blacky nickte feierlich. „Ja, Miles. Du bist ein Thermomagier."
Erstmals, seit er dieses Amt betreten hatte, breitete sich ein Grinsen über das Gesicht des Teenies aus.
„Ein Thermomagier. Also Feuer und so'n Kram. Wie cool ist das denn? Jetzt kann ich tatsächlich die Karre von meinem beschissenen Klassenlehrer anzünden. Mann, das ist sowas von abgefa..."
„Später vielleicht. Erst musst du dir einen neuen Bogen besorgen." Blacky deutete auf das halbverbrannte Formular neben seinen Pfoten und löschte Miles' Euphorie wie schon zuvor den Brand.
„Du meinst ..."
„Du schaffst das schon, ich glaub an dich."
Miles zog die Augenbrauen zusammen, als Blacky wieder zu grinsen anfing. Widerwillig kam er auf die Beine.
„Fick dich!"
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Und jetzt wisst ihr, wieso ich mich noch mit Gesetz 9 schuldig machen werde :P
Btw. Das Kapitel ist länger als ich gedacht habe. Deswegen verlängere ich die Lesewoche noch um einen Tag, einfach, damit morgen Kapitel 8 zu einem Abschluss kommt. Morgen endet dann die Lesewoche.
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