Der Gefangene
Seit einigen Tagen herrscht nun eine leicht drückende Stimmung, die sich, seitdem Rick und Glenn mit Hershel und einen Gefangenen zurückgekehrt sind, verstärkt hat. Besonders die Befragung, die sie ihm unterziehen, war brutal. Besonders, weil diese Daryl führte. Er droht ihm regelmäßig, manchmal zückt er sogar sein Jagdmesser heraus und bedroht ihn damit, seine Wunde zu öffnen und bringt damit jedes Mal den Jungen zum Helen. Ein Glück, dass keiner seiner Methoden mit ansehen muss, besonders traumatisierend wäre es für Carl, Patricia und Beth, die erst kürzlich die kranke Wirklichkeit versteht. Und seitdem ihr Vater wiedergekehrt ist, geht es ihr wieder etwas besser, sie isst und trinkt wieder und wagt sich wieder raus, zwar noch wenig, aber schon mal ein Anfang.
Alle kümmern sich um den Haushalt und reden auch darüber, was nun getan werden muss mit den Gefangenen in der Scheune, wo zuvor noch die Beißer drinnen waren. Und Sophia. Der Verlust um das arme Mädchen hängt noch sehr in ihren Gemüter, besonders Carol leidet drunter, aber es scheint so, nachdem, was Leila beobachtet hat, als hätte sie schon länger geahnt und akzeptiert, dass sie tot und verloren war. Carl hatte wirklich was zu hören bekommen, nachdem er Carol hart beleidigt hatte, die daraufhin wütend war.
Leila sieht Carol auf dem Hof stehen und einfach nur zu die Scheune schauen, sie macht nichts mehr, nur trauern, aber auch das lässt nach. Sie überlegt, ob sie Carol ein Tee bringen soll, aber ob sie überhaupt die Tasse annehmen würde, wagt sie zu bezweifeln.
Auch, wenn sie das von drinnen nicht hört, so erkennt sie die Scheunentür, die laut auf und zugeht, aus der Daryl gerade herausgekommen ist. Selbst von weit weg kann sie erkennen, dass er richtig wütend ist. Außerdem muss er etwas erfahren haben, was nicht gut ist und was er hasst und verabscheut.
Sie verlässt das Haus und tritt zu ihm, doch er geht einfach an ihr vorbei in den Wald.
„Daryl, warte!" Sie eilt ihm hinterher, ihr Messer und ihr Revolver bei sich am Gürtel und den wütenden Mann hinterher eilend. „Was weißt du?"
„Das geht dich nichts an!", brüllt er in ihre Richtung und ignoriert ihre Fragen, die danach kommen.
„Was hat Randall gesagt? Was weißt du? Bitte rede mit mir darüber?"
„Nichts dergleichen werde ich dir erzählen, du würdest dir nur Randall vorknöpfen. Nachdem, was er alles erzählt hat, da kann er wirklich von Glück sagen, dass er nur mit einem blauen Auge davon gekommen ist."
„Also ist es schlimm?" Was mochte er wohl gesagt haben?
„Schlimmer!", brüllte er das Wort und dreht sich, nachdem er abrupt angehalten hat, hart zu ihr um und sieht sie an. Trotz der Wut, die in seinen Augen und auf seinem ganzen Gesicht zu sehen ist, kann Leila noch etwas erkennen, was sie so selten bei ihm sieht: Sorge. Was hat Randall gesagt, dass er so reagiert hat?
„Daryl."
„Seine Leute haben kein Mitleid und Skrupel, erst recht nicht vor minderjährigen Mädchen", ist alles, was er sagt und Leila versteht nun. Scheiße, denk sie erschüttert. Bei diesen Leuten war Randall. Widerliche Bastarde! Nun fragt sie sich, ob Randall auch so war und sich an minderjährige Mädchen vergeht? Vorstellen kann sie sich das nicht, aber nach allem, was sie gesehen hat, so wird ihr wieder bewusst, dass jeder Mensch sich von seiner Persönlichkeit verändert oder noch schlimmer, erst nachdem diese Seuche sich auszubreiten begonnen hat, ihr wahres Gesicht zeigen. Das sieht sie bei Shane und bei Daryl. Und bei einigen anderen auch. Sogar sie selbst hat sich verändert. Früher, bevor sie Merle und Daryl kennenlernte, war sie noch brav, nett und hilfsbereit. Doch dann erzählte ihre Mom ihre Geschichte, die sie sich all die Jahre gefragt hatte und die sie danach schockierte. Und nun muss sie wieder an Merle denken. Ob es ihm gut geht?
Doch die Wut, die vorhin fast wieder verraucht ist, kehrt wieder zurück. Ob er dort ist?
„Einen Moment", sagt sie nur und kehrt zurück. Sie müssen es wissen.
„Leila!!!", ruft Daryl ihr brüllend hinterher, doch sie ignoriert ihn und marschiert einfach weiter, zurück zur Farm und Richtung Scheune, wo sie den Schlüssel nutzt und diese öffnet. Ein wimmerndes Häufchen Elend schaut auf und schluchzt leise. Er sieht sehr hinüber aus, da hat Daryl eindeutig ganze Arbeit geleistet. Doch statt Mitleid empfindet sie nur Wut. Sie legt die Hände entspannt auf ihre Hüften und kommt langsam auf ihn zu, umkreist ihn halb und immer wieder. Das Licht der Nachmittagssonne scheint in der Scheune rein und ihr Haar glänzt golden und espressofarben, lockig und wild trotz des hohen Pferdeschwanzes und ihrer eng geschnittenen Jeans und den weit geschnittenen Tank-Tops. Ihre Stiefeln sind leise auf dem Stroh, das vereinzelt rumliegt und teilweise den Boden bedeckt. Ihre Augen funkeln ihn fragend, erhitzt und wütend an. Eine Hand tanzt über das Messer, das noch in der Scheide steckt. Sie kann seine Angst riechen und obwohl er versucht ruhig zu bleiben, so weiß er dennoch, diese Frau ist alles andere als zahm.
„Hallo, Randall", begrüßt sie ihn liebenswürdig und mit einem kalten Lächeln, die Fingerspitzen tanzen weiterhin auf ihrer Waffe. Sie dreht das Messer mit den Fingern, die Spitze festgehalten, wo es sich dreht, nach links, nach rechts, danach wieder nach links. Immer weiter. Der Zeigefinger blutet zwar nicht, aber ein leichter Schmerz ist dennoch spürbar.
Randall zittert leicht, er atmet abgehackt und sieht alles andere als gesund aus. Er wurde richtig von Daryl zugerichtet, wie sie sofort auf dem ersten Blick erkennt, doch Mitleid empfindet sie keine. Sie werden auch niemandem bemitleiden oder sich um ihn kümmern, sondern nur Antworten haben. Und diese wird sie sicher bekommen.
„Ich hab gehört, du und Daryl haben eine interessante Unterhaltung geführt", spricht sie und kommt ein bisschen näher, hält aber ausreichen Abstand, während das Häufchen Elend gefesselt und blutend vor ihr wimmert und vor Angst zittert. Mit aller Kraft versuchte er sich auf eine sitzende Position auszurichten.
„Bitte", bettelt und wimmert er wie ein jammerndes Kind. „Bitte, tun Sie mir nichts!"
„Nicht ich werde dir was tun, sondern Daryl, wenn du nicht sofort sprichst und mir die Informationen gibst, die ich brauche." Sie zieht aus der Hosentasche ein zerknittertes Foto heraus, das sie seit geraumer Zeit aufbewahrt. Als sie es geschossen hat, hatte er es mitbekommen und sie fragte, was das soll. Sie erklärte Merle dann nur, dass man es nie wissen könne. Da hatte er nur halb grinsend erwidert: „Na dann hoffe ich, dass ich auf diese absolut scheiße aussehe!"
Sofort zeigt sie Randall das Bild von Merle. „Du wirst mir jetzt folgendes sagen: Kennst du diesen kranken Mann hier auf dem Bild?" Als das wimmernde Häufchen Elend nicht antwortet, sondern nur weiterhin wimmert und bettelt, dass sie ihm nichts antun soll, packt sie ihm ans Haar. „Antworte mir!", brüllte sie ihm ins Gesicht. „Sag mir, ob du ihn gesehen hast und wenn ja, wo?"
Randall jammert und heult und meint, dass er ihn nicht kennt und er ihn sofort wiedererkannt hätte, wenn er ihm wirklich begegnet wäre.
„Du willst mir auch sagen, dass du ihn nicht kennst und ihn auch noch nie gesehen hast?", will sie es wissen. Sie ist total wütend und das sieht man in ihren glühenden Augen, in der Randall fast schon Feuer brennen sieht.
„Ich schwöre, ich schwöre, ich habe ihn nicht gesehen", schwört er die ganze Zeit und heult wie ein Kind.
Leila schweigt, wartet noch eine Weile, darauf hoffend, dass er doch noch was weiß und er es ihr sagt. Aber er sagt nichts, also lässt sie ihn los und richtet sich wieder auf. „Später wird man dir noch was zu essen und zu trinken bringen, denn wir brauchen dich noch lebend, damit wir deine Leute ausfindig machen und unschädlich machen können", ist alles, was sie sagt, ehe sie den Stall verlässt und wieder zum Haus geht , wo sie sich in Zimmer wenig später begibt und wo Carol auf sie wartet. Sie sieht alles andere als glücklich aus und ihre Augen wirken noch ziemlich leblos, seitdem Sophia vor ihren Augen erschossen wurde.
„Was hat dich zu diesen Jungen geführt?", fragt sie die junge Frau direkt. „Du weißt, dass du nicht zu ihm darfst, außer Rick erlaubt dir das."
„Ich brauche", antwortet sie das der älteren Frau, die viel Kummer erlebt hat. „Ich musste herausfinden, ob Randall Merle weiß."
Ungläubig lacht Carol auf und geht im Zimmer auf und ab. „Merle, ja klasse, Merle, warum ist er dir so wichtig? Lief zwischen euch beiden mal was?"
„WAS?", flippte Leila laut aus. „Wie kommst du zu dieser Unterstellung? Ich und Merle haben rein gar nichts miteinander. Das wäre ja echt eklig!" Ihr schüttelt es. „Allein die Vorstellung ..."
„So oft, wie ihr beide unterwegs gewesen seid, sogar zusammen mit Daryl."
„Hängt in dir die Vermutung hoch, dass ich auch etwas mit Daryl hätte?", will Leila das wirklich und ernsthaft von Carol wissen. „Carol, ich werde dir jetzt eine Sache klarstellen, was auf Fakten beruht: Zwischen mir, Merle und Daryl läuft Erstens rein gar nichts und Zweitens würde aus uns nie mehr entstehen, als uns verbindet. Und Drittens, du als eine Freundin müsstest am besten wissen, was los ist."
Carol schweigt, sie sagt nichts, stattdessen sieht sie nachdenklich aus, schüttelt danach den Kopf und verlässt das Zimmer. "Ich weiß nicht, was das bei euch ist, Leila, aber es scheint, als wäre das, was zwischen euch ist, etwas Vertrautes und Privates ist. Und ich werde es akzeptieren, wenn niemand von euch darüber reden will. Aber irgendwann müsst ihr beide es sagen." Das war das Letzte, was Carol sagt, ehe sie komplett geht und Leila alleine lässt. Währenddessen hegt die junge Frau die Überlegung nach, ob sie es nicht doch eines Tages bald sagen muss. Sie hasst es, es die ganze Zeit über geheim halten zu müssen.
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Habt ihr eine Vermutung, was los ist und warum Leila so fixiert darauf ist, Merle zu finden?
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