Intensivstation
Irgendwoher kramte er ein Taschentuch aus seinen Sachen hervor und befreite sich von den Folgen der Heulerei. Markus kam fast nicht hinterher. Das Warten auf die Antwort nach dem Klingeln an der Tür der Intensivstation forderte seine Geduld. Kaum öffnete sie sich, schritt er voraus. Lisa kam ihm entgegen.
„Morgen!", sagte er im Vorbeigehen. Er rauschte an ihr vorbei. Seine Mutter versuchte vor Papas und Schuberts Zimmertür, eine Schimpftirade auf ihn loszulassen.
„Jetzt nicht, Mama."
Markus folgte ihm. Dann stand er vor dem Bett seines Vaters. Er war wach. Schubert war wach. Franka saß bei ihm. Alle drei starrten ihn an.
„Markus?"
„Ja?"
„Mein Vater braucht den Beatmungsschlauch doch sicher nicht mehr, oder?"
Seine Stimme war hart. Markus antwortete nicht. Klaas wandte sich ihm zu. Er stand wie vom Donner gerührt da.
„Junge! Was machst du denn? Wie sprichst du mit uns?"
„Später, Mama! Jetzt nicht!"
„Also!", echauffierte sie sich.
Sanfter fuhr Klaas fort:
„Braucht mein Vater diesen Schlauch noch? Könnten wir das beim diensthabenden Arzt in Erfahrung bringen? Ich möchte meinen Vater etwas Wichtiges fragen und ich möchte, dass er mir antworten kann."
Eine weitere Pause entstand.
„Markus, es tut mir leid. Mein Ton galt nicht dir. Aber braucht mein Vater dieses Ding noch?"
„Ich gehe die Ärztin suchen."
„Danke!"
Schubert sah ihn an. Klaas hielt seinem Blick zunächst nicht stand. Er nahm jeden seiner Atemzüge wahr, die Arme unter Spannung und leicht abgespreizt. Ihm wurde klar, dass er sich innerlich auf einen Kampf vorbereitete, dass er breitbeinig dastand, wie eine Raubkatze, die bereit war, ihr Opfer jeden Moment anzuspringen. Ein kurzes Lachen platzte aus ihm heraus. Dann richtete er seine Augen wieder auf den Nachbarn.
„Was geht denn hier ab?", krächzte dieser kaum hörbar, das Gesicht aschfahl.
„Es hat nichts mit ihnen zu tun, Herr Schubert. Keine Sorge!"
Er fixierte seinen Vater.
„Aber vielleicht sollten sie gut zuhören."
Seine Mutter stellte sich zu Hans ans Bett.
„Klaas! Das ist nicht der richtige Zeitpunkt! Bitte!"
„Es ist nie der richtige Zeitpunkt. Deshalb ist genau jetzt der richtige Zeitpunkt!"
Er spuckte diese Worte mehr aus; deutete mit dem Zeigefinger auf den Boden, als wolle er die Verlängerung seines Arms hinein rammen. Sein Brustkorb hob und senkte sich. Eine Hand legte sich auf seine Schulter. Er stieß sie weg.
„Hey Bruder! Komm mal runter!"
Rechts hinter sich sah er Lisa. Dahinter an der Tür stand Thomas. Dann fokussierte er seinen Vater.
„Wo bleibt die verdammte Ärztin!"
„Oh. Sie ist hier", sagte eine Frau in scharfem Ton, „Und sie verlassen dieses Krankenzimmer."
Die kann mich mal!
„Sofort!", bellte die Ärztin ihn an.
„Ich muss meinem Vater etwas mitteilen!"
Er merkte selbst gar nicht, dass er schrie.
„Das mag sein! Aber das hier ist ein Ort der Kranken und der Genesung!"
„Aber..."
„Ihre persönlichen Befindlichkeiten oder Konflikte interessieren mich nicht."
Ihr Arm deutete zur Tür.
„Ich..."
„Noch ein Wort und ich erteile ihnen Hausverbot! Dann lasse ich sie rauswerfen!"
Noch immer pumpte er Luft in seine Lungen hinein und heraus.
„Raus!"
Endlich sackten seine Schultern herab. Er senkte seinen Kopf und floh aus dem Raum.
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