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Hawthorn


Die Regentropfen huschten fast waagerecht vor seinen Augen am Fenster vorbei. Das alljährliche Hoffen auf eine weiße Weihnacht wurde in grauen Sturzbächen ertränkt, die sich seit dem Morgen endlos vom Himmel ergossen. Nebelschwaden erhoben sich an den gegenüberliegenden Berghängen, so als gedachte die Natur die Wolken nur gleich wieder aufzufüllen. Er hatte einen einsitzigen Behelfsplatz kurz vor der elektrischen Tür des Großraumabteils ergattert, die großen Kopfhörer über den Ohren und hörte Musik. Ein kleines Mädchen mit blonden Haaren von vielleicht fünf Jahren hüpfte den Gang auf und ab.

Klaas zweifelte. Warum saß er hier? War es auch Hoffnung? Wurde diese nicht Jahr für Jahr genauso ertränkt, wenn er Heiligabend zu seinen Eltern nach Hause fuhr – in Wein, Tränen und Missverständnissen? Es waren die unzähligen kleinen Verletzungen, die Mama und Papa jedes Jahr aufs Neue in seine Seele streuten, die ihn immer mehr infrage stellen ließen, ob er sich all dem aussetzen wollte. Er verfluchte innerlich die beiden Sängerinnen Rachel und Becky Unthank, die ihm über seine Kopfhörer in die Ohren sangen, als hätten sie sein Herz geöffnet und darin gelesen:

I have a house with chimneys four
I have a silver bell at my door
A single heart and a single bed
That's not enough the hawthorn said

Warum hörte er sich das an? Die Unthank-Schwestern sangen so unendlich traurig, dass es weh tat, aber auch so wundervoll, dass er die Musik nicht auszustellen vermochte. Er fürchtete sich vor den Fragen, wieso er keine Partnerin mitbrachte. Ob er denn niemanden kennen gelernt hätte? Er habe sich doch jetzt sicher genug die Hörner abgestoßen. Dabei zwinkerte Mama ‚verständnisvoll'. Ob er noch immer den Magier spielen wolle? Ob er es nicht trotz allem mit BWL oder Maschinenbau versuchen könne? Zaubertricks seien ja ein schönes Hobby, aber wenn er ihnen dann hoffentlich bald mal Enkel schenkte, müsse er seiner zukünftigen Frau doch etwas mehr Sicherheit geben und abends zu Hause sein. Ja, das war Papas Mitgefühlverständnisspezialgebietsleierkasten.

Sie verstehen nichts. Einfach. Nichts.

Als Nächstes kam dieses unsäglich traurige Lied, von dem er glaubte, dass die Unthanks es ihrem verstorbenen Vater gewidmet hatten. Wenn er diese herzergreifend deprimierende Musik nicht gleich abstellte, begann er unweigerlich zu weinen. Er schluckte.

Stop!

Klaas wandte sich seinem Smartphone zu, um eine andere Band heraus zu suchen, die ihm nicht den Winterregen in seine Tränensäcke umzuleiten drohte. Da sah er in die Augen des Mädchens, das zuvor im Gang des Abteils zwischen den Fahrgästen herumgehüpft war. Eine Strähne ihrer Haare war ihr aus dem Pferdeschwanz gerutscht, hing halb vor ihrem rechten Auge. Sie hatte die Wangen vollgestopft mit Plätzchen und kaute dabei versehentlich auf dem Ende ihrer Haarsträhne herum. Spontan lachte er los, woraufhin das Mädchen breit zu grinsen anfing. Jede Menge Krümel fielen herunter und gaben den Blick auf eine Zahnlücke frei, wo vor Kurzem noch die beiden oberen Schneidezähne ihren Dienst verrichtet hatten. Sie versuchte etwas zu sagen und reicherte das Krümelmeer auf ihrem Niki-Pullover um weitere Besucher an. Er hielt sich den Bauch vor Lachen. Sie legte sich die Hand vor den Mund. Angesteckt von ihm lachte sie los und versuchte, das Weihnachtsgebäck zwischen ihren Kiefern zu behalten. Klaas kam eine Idee. Ihr die leere Hand zeigend, formte er eine Faust. Dann zog er ein Taschentuch aus den geschlossenen Fingern hervor, ohne dass zu sehen war, woher es kam. Das Mädchen hielt inne. Er reichte es ihr. Verständnislos sah sie ihn an. Pantomimisch deutete er an, wie er sich den Mund abwischte. Sie verstand und tat es ihm nach. Dann griff er in die Tasche seines Jacketts und holte die Spielkarten hervor. Vor ihren Augen fächerte er sie in einer kaum wahrnehmbaren Bewegung zu einem Halbrund auf, lies dann seine andere Hand darüber gleiten. Die Karten verschwanden. Die Augen des Kindes wurden tellergroß. Er klatschte sich mit der leeren linken Handfläche vor die Stirn, zeigte mit der rechten aufs Zugfenster, schnippte und deutete wieder auf die andere Hand auf seiner Stirn. Als er sie hinunter nahm, lag die Karo-Sieben darauf. Dem Mädchen stand der Mund offen. Die Plätzchenkrümel waren völlig vergessen und setzten die Besiedlung der Umgebung fort. Er ließ die Karte verschwinden und zauberte sie hinter ihrem Ohr hervor. Ihre Augen leuchteten vor Begeisterung. Durch die Ohrmuscheln seiner Kopfhörer erahnte er, dass sie jemanden rief. Ein genervt aussehender Junge von vielleicht vierzehn Jahren tauchte über der Kopfstütze vor ihm auf. Sie gestikulierte wie wild und deutete auf Klaas. Der Teenager antwortete etwas sehr Unhöfliches, das selbst die Kopfhörer nicht vor Klaas' Ohren zu verstecken vermochten, und verschwand wieder. Ihre Blicke trafen sich aufs Neue. Das Mädchen sah traurig aus. Er zuckte mit den Schultern, kehrte die Handflächen nach oben und legte den Kopf auf die Seite. Sie wiederholte die Geste und verschwand um die Ecke. Das war schade. Sie hatte ihn an Lisa erinnert. Für Lisa fuhr er hin. Für seine kleine Schwester beschloss er zu Weihnachten, Mama und Papa zu ertragen.

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Dieser wunderschöne und traurige Song hat mich zu der Geschichte inspiriert: "Hawthorn" von The Unthanks, eine Folk Band, die ich letztes Jahr zur Weihnachtszeit per Zufall entdeckt habe. Zu Beginn habe ich gar nicht gewusst, dass ich über einen Menschen schreiben möchte, der damit ringt, sich zu outen. Das hat sich erst beim Schreiben herauskristallisiert.

Das Schreiben dieser Geschichte war als Cisgender und Hetero eine besondere Erfahrung für mich, da sie mir erlaubt hat, die Welt aus einem neuen Betrachtungswinkel zu erfühlen und mir selbst neu zu begegnen. Auch gibt es mir die Möglichkeit, auf Diskriminierung von Geschlechtsidentitäten, die nicht dem heteronormativen Weltbild entsprechen, aufmerksam zu machen und andere Menschen zu motivieren, ihren Vorurteilen zu begegnen und sie zu überwinden.

Wenn Du nicht weißt, was z.B. Cisgender bedeutet: Das letzte Kapitel dieser Geschichte ist ein kleines Glossar, in dem ich die Begriffe erkläre. Viele davon kannte ich selbst vorher nicht und habe sie mit diesem Projekt kennengelernt.

Ich hoffe, ich habe Dich neugierig gemacht, wie es weitergeht und wünsche Dir viel Spaß beim Lesen.

Ach natürlich! Hier noch ein Link zu einem anderen Song der Band. Leider gibt es keine gute Version von Hawthorn auf YouTube: 

https://youtu.be/nYiMUUNu0QM


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