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Die Schokoladentorte

Es war ein regnerischer Tag, als ich eingehüllt in einen Regenumhang über die Straßen meiner Heimatstadt schritt. Zu Hause war mir die Decke auf den Kopf gefallen und auch mein Handy hatte als Mittel der Ablenkung längst abgedient. Es hielt mir nur einmal länger vor Augen, wie klein und unbedeutend und vor allen Dingen unglücklich mein Leben im Gegensatz zu all denen der wunderschönen, scheinbar perfekten Menschen war, die sich im Internet herumtrieben. Ich konnte das nicht mehr mitansehen.

In Bindfäden fiel der Regen vom Himmel herab und klatschte laut auf mein Regencape, das Kopfsteinpflaster und die Dächer der Häuser. Mittlerweile waren meine Füße völlig durchnässt, denn meine Turnschuhe hielten dem Wasser in den Pfützen nur bedingt stand. Dennoch war es besser, als zu Hause zu sitzen. Alles war besser, als die Stille, in der sich für gewöhnlich die Gedanken einnisteten. Doch auch hier würde ich wohl kaum Gesellschaft haben. Die Straße war wie leergefegt. Nur hin und wieder eilte ein Mann in Anzug – den Aktenkoffer schützend über den Kopf haltend – oder ein Schulkind – ausstaffiert mit Regenüberzügen für Rucksack und Turnbeutel, und Regenhosen – an mir vorbei. Links und rechts säumten die kleinen Fachwerkhäuser der Kleinstadt die Straßen und Gassen. Im Erdgeschoss hatten sich einst kleine Geschäfte, Restaurants und Cafés niedergelassen, während die Stockwerke darüber bewohnt waren.

Eine Weile lang stromerte ich durch die Innenstadt, ohne ein Ziel vor Augen zu haben, bis sich Regen und Kälte auch durch meine Regenkleidung gefressen hatten und gierig an meinem Pullover nagten, den ich darunter trug. Wenn ich mich noch weiter hier draußen herumtrieb, würde ich eine Erkältung nicht verhindern können, wenn es dafür nicht ohnehin schon zu spät war. Auf der Suche nach einem Dach zum Unterstellen stach mir ein kleiner Laden ins Auge, der mir zuvor nie aufgefallen war. An sonnigen Tagen ließ sich eine blau-weiß gestreifte Markise ausfahren, unter der die Tische und Stühle Platz hatten, die nun ineinander gestapelt an der Fassade aufgereiht waren. Das Regenwasser sammelte sich in jeder noch so kleinen Vertiefung und jeder Delle, die man sonst nie bemerkt hätte. Über dem Schaufenster hing ein verwittertes Schild, dessen Aufschrift nicht einmal mit viel Mühe zu erkennen war. Ich blieb stehen. An der verglasten Tür verkündeten goldene Buchstaben auf hellblau bemalter Pappe, dass das Geschäft geöffnet hatte. Hinter der Scheibe konnte ich schemenhaft einige Menschen erkennen. Es schien sich um ein Café zu handeln. Das war jetzt genau das richtige an einem kühlen, regnerischen Tag wie diesem.

Das fröhliche Bimmeln einer Glocke kündigte mein Eintreten an, als ich über die Schwelle trat und die Tür hinter mir zuzog, um Regen und Kälte auszusperren. Ein Schwall Wärme schlug mir entgegen und ich musste einen wohligen Seufzer unterdrücken. Vorsichtig zog ich meinen gelben Regenmantel über den Kopf und hängte ihn an den dafür vorgesehenen Haken neben der Tür, ehe ich mir flüchtig die Haare glattstrich und versuchte, zu retten, was noch zu retten war – wie sich herausstellte, war das aber leider nicht besonders viel. Also ließ ich stattdessen meinen Blick über die Tische des Cafés schweifen. Viele von ihnen waren voll besetzt. Die Besucher hatten sich auf pastellblauen Lederbänken und Polsterstühlen im Retrostil niedergelassen; die meisten von ihnen unterhielten sich angeregt, allerdings leise genug, um nicht die ruhige Jazzmusik zu übertönen, die aus den Lautsprechern über dem Tresen drang, hinter dem ein junger Kellner Espresso aus einer Kaffeemaschine in eine Tasse füllte. Auch die Küchengeräte waren in Pastellfarben gehalten worden, vorwiegend in blau oder grün, und erinnerten an längst vergangene Zeiten. Der Kellner beförderte einen Cookie aus einem der großen Gläser, die auf dem Tresen standen, auf einen Teller, begrüßte mich flüchtig und rauschte pfeifend an mir vorbei, hin zu einem Tisch, an dem sich drei Frauen mittleren Alters aufgeregt Bilder auf ihren Handys zeigten und hin und wieder quietschende Laute der Begeisterung ausstießen.

Am Schaufenster, das zur Einkaufsstraße hinausführte, machte ich in einer Ecke den letzten freien Tisch aus. Sicherheitshalber warf ich einen Blick über meine Schulter zurück zur Tür, um mich zu vergewissern, dass ich keinen Konkurrenzkampf um den letzten Platz würde ausfechten müssen, und steuerte dann auf das Fenster zu, wo ich mich auf eine der kurzen Bänke niederließ und begann, die Karte zu studieren. Ich entschied mich für einen Karamell-Cappuccino und blätterte dann weiter. Als mein Blick auf die Seite mit dem Essen fiel, runzelte ich die Stirn. Ein Großteil der Gebäckstücke, die das Café anbot, waren mit einem »Ausverkauft!«-Stempel versehen. Anerkennend zog ich die Mundwinkel nach unten. Das Geschäft schien gut zu laufen. Wieso also war mir der Laden noch nie zuvor aufgefallen oder empfohlen worden?

»Wissen Sie schon, was Sie haben möchten?«, riss mich die Stimme des Kellners aus meinen Gedanken. Er trug eine hellblaue Schürze über einem weißen T-Shirt und ich war nicht einmal mehr überrascht, als ich sah, dass seine Augen ebenfalls hellblau waren und mit den Deckenleuchten um die Wette strahlten. Ein seltsamer Ort war das hier, doch aus einem mir unerklärlichen Grund fühlte ich mich mehr als nur wohl zwischen all den alten Gegenständen und unterschiedlichen Menschen. Vielleicht waren es die Anonymität und die verschiedensten Charaktere, die sich hier trafen. Der feste Glaube daran, dass mich niemand verurteilen würde für das, was ich tat, fühlte, dachte.

Kurzerhand bestellte ich meinen Cappuccino und das einzige Essen, das noch nicht ausverkauft war.

Ein Stück Schokoladentorte.

Ich schluckte schwer. Bilder, die ich jahrelang erfolgreich verdrängt hatte, schoben sich vor mein inneres Auge. Mit einem panischen Kopfschütteln wischte ich sie wieder weg.

Der Kellner hob eine Augenbraue, allerdings nicht, als sei er verwundert über meine zusammenhanglose Reaktion, sondern vielmehr tadelnd. Als teilten wir beide ein Geheimnis. Als wüsste er bei Weitem mehr über mein Inneres, als ich selbst. Misstrauisch starrte ich ihm nach, während er sich von mir entfernte, und wandte erst den Blick ab, als er seinen Kopf wie zufällig in meine Richtung drehte. Was wusste er? Hatte er mich durchschaut? Hatte ich etwa vergessen, die Mauern zu errichten? Waren meine Gesichtszüge entgleist, wenn auch nur für einen winzigen Augenblick? Hoffentlich nicht.

Während ich auf meine Bestellung wartete, sah ich hinaus auf die Einkaufsstraße, wo sich nun immer mehr Passanten tummelten und sich ein Wettrennen zu liefern schienen, wer es als erster nach Hause schaffte. Einige suchten sich hoffnungsvoll einen Platz zum Unterstellen, um das Ende des Regens abzuwarten, doch die meisten schienen es längst aufgegeben zu haben, als befürchteten sie, den Unterstand nicht vor dem nächsten Morgen verlassen zu können. Auch ich würde nicht ewig hier ausharren – früher oder später würde ich mich wieder auf den Weg nach Hause machen. Durch den Regen, hinein in die Leere und Stille meiner Wohnung.

Aus den Augenwinkeln sah ich den Kellner näher kommen und wandte den Kopf. Freundlich lächelnd stellte er das Glas mit dem Cappuccino und den Kuchenteller vor mir auf den Tisch und verschwand wortlos, ohne mir die Möglichkeit zu geben, mich zu bedanken.

Ich umfasste meinen Kaffee mit beiden Händen, um meine Finger zu wärmen, und starrte wieder aus dem Fenster. Ein kleines Kind lief mit seiner Mutter an einigen Läden vorbei, presste neugierig beide Hände an das Glas der Schaufenster und blickte konzentriert und mit leuchtenden Augen hindurch, als glaubte es, hinter jeder Scheibe einen Schatz vorfinden zu können, wenn es sich nur richtig anstrengte. Der kleine Junge steuerte nun zielstrebig auf das Café zu, doch ehe er auch hier die Fenster mit den Fingerabdrücken seiner kleinen, dicken Patschehände versehen konnte, hatte seine Mutter auch schon nach seinem Arm gegriffen. Unter großem Protest zog sie ihn zu sich und nahm ihn an die Hand, während sie dem Café immer wieder so misstrauische Seitenblicke zuwarf, als glaubte sie, es könne jeden Moment in die Luft gehen.

»Möchten Sie nichts von Ihrem Kuchen essen?«, erklang die Stimme des Kellners neben mir.

»Äh, doch«, entgegnete ich und hob irritiert eine Augenbraue. »Wieso?«

»Er wird helfen.«

»Wobei?«

Der Kellner lächelte. Schon setzte er zu einer Antwort an, im letzten Moment jedoch machte er einen Rückzieher. »Guten Appetit«, sagte er stattdessen und setzte seinen Weg durch das Café fort.

Ungläubig schnaubte ich und zog in Gedanken schon einmal fünfzig Cent von seinem Trinkgeld ab. Der Mann war wirklich ein wenig unheimlich. Wenn er sich bei allen Kunden so benahm, erklärte das auch, wieso mir das Café noch von niemandem weiterempfohlen worden war.

Kopfschüttelnd nahm ich meine Gabel in die Hand und schob mit ein Stück der Schokoladentorte in den Mund. Eine großzügige Schicht Sahne mit Kakaopulver zierte den Kuchen. Ich kaute einmal, zweimal, bis sich der Geschmack in meinem Mund ausgebreitet hatte. Erschrocken hielt ich inne.

Es schmeckte nach früher.

Es schmeckte nach dem früher, das ich zu vergessen versuchte. Nach dem früher, das so unglaublich wehtat, dass es Tränen brachte. Nach dem früher vor sechs Jahren. Es schmeckte nach Trauer.

Hastig schluckte ich den Bissen hinunter und und nahm einen großen Schluck von meinem Cappuccino. Der viel zu heiße Kaffee brannte in meiner Kehle und auf meiner Zunge, doch alles war besser, als der Geschmack von Schokoladenkuchen. Diesmal gelang es mir nicht, die Erinnerungen beiseite zu schieben. Längst hatten die Bilder von früher vor meinem inneren Auge Gestalt angenommen, als hätte ich all das erst gestern erlebt.

Das Feuer prasselte fröhlich im Kamin. Eingekuschelt in eine Decke saß ich mit meiner Mutter auf dem Sofa im Wohnzimmer. Das Licht hatten wir ausgelassen, um die dicken Schneeflocken beobachten zu können, die vom Abendhimmel auf die Erde fielen.

»Möchtest du noch ein Stück Kuchen?«

Ich nickte und meine Mutter lud mir etwas von der Torte, die wir heute Mittag gemeinsam gebacken hatten, auf den Teller. Ich nahm gerade einen Bissen, als das Telefon klingelte. Seufzend erhob sich meine Mutter und schlurfte in die Küche, wo sie die Tür hinter sich schloss und das Gespräch annahm.

Ich kaute, schluckte, aß weiter. Starrte wie hypnotisiert die Schneeflocken an und blickte doch ins Leere.

Nach einer Weile öffnete sich die Tür wieder. Ich schob mir das letzte Stück Kuchen in den Mund.

»Es war dein Vater«, kam es von meiner Mutter.

Ich nickte und kaute weiter. »Was wollte er?«, wollte ich mit vollem Mund wissen.

»Es geht um deine Schwester.« Sie stockte. Erst, als ich den Kopf wandte, um sie anzusehen, bemerkte ich, dass sie weinte. Stille Tränen liefen ihr aus den geröteten Augen über die Wangen. Ihr Gesicht war eine Maske des Schmerzes.

Ein ungutes Gefühl breitete sich in meiner Magengrube aus und ich schluckte das letzte Bisschen Kuchen hinunter. »Was ist mit ihr?«

»Das Flugzeug, mit dem sie nach Amerika fliegen wollte. Es ist abgestürzt.« Ihre Stimme brach ab. Stattdessen entwich ein heiseres Schluchzen ihrer Kehle, bevor ihre Beine ihr den Dienst versagten und sie zusammenbrach. »Sie ist tot.«

Die Torte blieb mir im Hals stecken.

Verzweifelt krampfte ich meine Finger um das Cappuccino-Glas und kämpfte mit den Tränen. Ich durfte jetzt nicht weinen. Ich war an einem öffentlichen Ort. Was würden die Leute von mir denken? Und warum hatte ich verdammt nochmal auch die Schokoladentorte bestellen müssen?

Mit dem Kaffee spülte ich die letzten Kuchenrümel hinunter, aber der Geschmack blieb. Er hatte sich in meinem Mund festgesetzt und es kam mir nicht so vor, als hätte er vor, ihn in nächster Zeit zu verlassen. Dabei musste ich ihn vergessen. Den Geschmack der Trauer, den Geschmack des Todes. Für immer vergessen.

»Er wird nicht verschwinden.« Wieder einmal war der Kellner neben mich getreten. »Jedenfalls nicht ohne Weiteres.«

Ich lachte freudlos auf. Ich war verrückt, keine Frage. Ein Café, das nur noch Schokoladenkuchen anbot; ein seltsamer Kellner, der zu allem Übel auch noch meine Gedanken lesen konnte; und eine Mutter, die ihren Sohn schützend von dem Gebäude wegzog. Das konnte doch nicht in Wirklichkeit passieren. Ich musste zum Arzt. Dringend.

»Ach ja, und was muss ich tun, damit es weggeht?«, fragte ich spaßeshalber.

»Akzeptiere es«, sagte der Kellner ernst. »Verdränge es nicht länger.«

Kaum hatten die Worte, seinen Mund verlassen, spürte ich, wie sich der Druck auf meinen Brustkorb verstärkte und immer höher wanderte – bis hinauf in meinen Hals. Hastig wandte ich den Kopf ab, doch es war zu spät. Schon hatten sich Tränen hinter meinen Augen gesammelt und warteten nur darauf, die letzte Barriere zu durchbrechen. So fest wie möglich presste ich meine Augen zusammen und versuchte, die Feuchtigkeit darunter auszublenden, die sich immer weiter ausbreitete, bis sie meine Wimpern erreicht hatte und ich sie nicht mehr länger leugnen konnte.

Als ich nur Minuten später das Café verließ, liefen mir noch immer in Bächen die Tränen über die Wangen. Allerdings fühlte ich mich ein wenig freier. Nicht hohl und leer, wie zu Hause, sondern befreit.

Denn die Trauer, die zuvor ihre Krallen tief in mein Herz gegraben hatte, hatte ich soeben losgelassen.

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