Vom Regen in die Traufe
Während mein Gehirn versuchte, alles was hier geschah zu verarbeiten, schlief ich ein. Doch mein schlaft sollte erneut nicht erholsam, geschweige denn von Dauer sein. Ich schreckte hoch, als vor den Türen des Palastes die Hölle los brach. Schreie, die durch Mark und Bein gingen, bereiteten mir eine Gänsehaut. Ängstlich zog ich die Decke weiter um mich herum. Ich blickte zur Tür, die Wachen waren verschwunden. Sie waren verschwunden und hatten mich hier alleine gelassen. Mein Herz schlug wild. Vorsichtig stemmte ich mich auf meine schlotternden Knie und blickte durch die Gitterstäbe hinaus in die Nacht. Feuer.
Überall brannten Feuer. Menschen liefen wie aufgescheuchte Hühner umher. Sie schrieen, wimmerten und versuchten Schutz zu finden.
Was war hier nur los?
Hatte Sir Salm etwas damit zu tun?
Wenn ja, warum hatte er sich dann das Gift besorgt? Dies konnte unmöglich seine Tat sein. Das Feuer bereitete mir ernsthafte Sorgen. Dann vernahm ich ein Grollen. Es war weitaus heller und nicht so Basserfüllt wie jenes, welches ich bereits kannte. Auch der grelle Schrei war noch nicht so ausgereift, wie der Schrei des Drachens, der meinen Weg bereits zwei mal gekreuzt hatte. Dennoch ließ es mich frösteln. Umgehend suchte ich den Nachthimmel ab.
Als plötzlich vor meinem Gefängnis ein großer Kopf erschien. Ein großer schuppiger Kopf, mit Schlangenähnlichen Augen und spitzen Zähnen.
Ich erschrak fürchterlich, verlor schreiend mein Gleichgewicht und stürzte von meinem Bett zu Boden. Hart schlug ich mit meinem Hinterkopf auf und die Welt um mich herum begann sich zu drehen. Immer schneller und schneller.
Als ich das nächste mal zu mir kam, peitschte der Wind über mein Gesicht. Pochender Schmerz durchzog meinen Kopf und ich hatte richtige Mühe, meine Augen zu öffnen. Ich wünschte ich hätte sie geschlossen gehalten. Ich sah keine Wand oder die Gitterstäbe meines Gefängnisses.
Ich sah die Sterne und die Welt unter mir. Winzig, wie Lego sah es von hier oben aus. Ich versuchte mich aufrecht zu hieven, doch der Kokon aus decken um mich herum, ließ dies nicht zu.
Ich richtete meinen Blick nach vorne und erschrak, dass mir das Blut in den Adern erfror.
Ich wollte schreien, doch eine warme, weiche Hand schloss meinen Mund und verhinderte dies. Umgehend blickte ich nach oben und sah in tief blaue leuchtende Augen, welche zu Schlitzen verengt waren. Für den Bruchteil einer Sekunde, schlug mein Herz wie eine Buschtrommel, ehe es sich etwas beruhigte.
„Nicht schreien. Raiden ist noch nicht vollständig gezähmt. Du willst sicherlich nicht in die Tiefe stürzen. Und noch etwas. Wie auch immer du an das Gewand meiner Schwester gekommen bist, ich hoffe für dich, du hast nichts mit ihrem verschwinden zu tun. Denn sonst werde ich dich töten", ertönte seine raue dunkle Stimme und löste bei mir eine Gänsehaut aus. Dann gab er meinen Mund frei und blickte nach vorne in die Nacht hinein.
Ich hatte nicht die geringste Ahnung, was diese Leute alle von mir wollten. Ich war verängstigt, wollte zurück in meine Welt. Vor Schreck riss ich meine Augen weit auf. Das Buch.
Das Buch der Wünsche.
Es lag in meinem Gefängnis in Mohawé. Unter meinem Bett. Mein Herz begann zu Rasen. Während das pochen in meinem Kopf immer schlimmer wurde. Doch für's erste hüllte ich mich in schweigen. Ich musste sein vertrauen gewinnen. Ihn überzeugen, dass er mit mir nach Mohawé zurückgekehrt um das Buch zu holen.
Der Sturzflug, den der Drache gerade vollzog, ließ mein Herz erneut schneller schlagen. Unter uns kam eine Stadt zum Vorschein. Sie schien riesig zu sein. Viel größer als Mohawé. Ich sah brennende Fackeln und Feuer. Mauern noch höher und Türme, die hoch in den Himmel wuchsen. Die Landung war sanft. Doch wir waren außerhalb der Stadtmauern gelandet. Der junge Mann, von dem ich bisher nichts außer seine leuchtenden Augen gesehen hatte, stieg ab.
Er ging zum Kopf des Drachen und tätschelte ihn.
„Gut gemacht mein Junge. Du wirst immer besser. Gleich bekommst du deine Belohnung", sprach er sanft auf den Drachen ein. Der wiederum gab grollende laute und schnaufte.
Ich lag derweil immer noch wie eine Sushi Rolle eingepackt auf dem Rücken dieses Monsters.
Der Junge Mann kam zu mir zurück, nahm mich in seine Hände und lehnte mich an einen der vielen Bäume, die hier wuchsen. Ein übler Gestank stieg mir in die Nase, was meinem Magen umgehend verkrampfen ließ. Ich blickte mich um. Über mir hingen mehrere Kadaver von Tieren, welche nicht mehr zu deuten waren. Der Mann schnitt ein Seil durch und eines der Kadaver fiel unmittelbar vor mir zu Boden. Angewidert wandte ich mich ab. Er zog das Tier zu dem Drachen und legte es vor ihm ab.
„Das hast du dir verdient Raiden. Lass es dir Munden", flüsterte er, tätschelte erneut seinen Kopf und der Junge Drache verschlang das verwesende Tier. Dann flog er davon. In der Dunkelheit war er kaum zu erkennen.
Der junge Mann wandte sich mir zu. Noch immer sah ich nur seinen Umriss und seine Augen. Ich hoffte er war nicht wie der Irre König Grauherz, oder dessen Sohn. Er schritt zu mir und ging in die Hocke. Zum ersten Mal sah ich nun sein Gesicht. Er war äußerst gutaussehend. Seine schwarzen strubbeligen Haare wehten sanft im Wind. Seine Haut schien makellos zu sein, keine einzige Unebenheit fand ich in seinem Gesicht. Als wäre er aus Marmor gemeißelt worden. Seine leicht buschigen Brauen waren sanft geschwungen. Es sah aus als wären sie gezeichnet, so akkurat waren sie. Seine Nase war nicht groß, eher eine Stupsnase, welche sich perfekt in der Mitte seines Gesichtes einbettete. Auch seine vollen Lippen sahen aus, als wären sie von einem Chirurgen gemacht worden. Solch ein perfektes Gesicht, hatte ich zuvor noch nie erblickt. Auf seiner Stirn bildete sich nun eine kleine Falte, er sah mich intensiv an. Ich bemerkte, dass mein Mund offen stand. Beschämt ließ ich meinen Blick sinken und spürte die Hitze in meinen Wangen.
„Nenn mir deinen Namen", ertönte der raue Klang seiner Stimme in meinen Ohren.
Es hatte nichts bedrohliches, eher etwas sanftes.
„Laureline", hauchte ich noch immer mit gesenktem Blick.
„Laureline", wiederholte er sanft. Noch nie hatte mein Name so melodisch geklungen, wie aus seinem Mund. Gänsehaut bildete sich und ließ die kleinen Härchen aufrecht stehen.
„Du bist weder von Mohawé, noch von Dradonìr. Wo ist dein Zuhause", redete er weiter.
„Mein Zuhause...", brach meine Stimme nun. Tränen bahnten sich ihren Weg an die Oberfläche. Es gab kein halten mehr. Sie kullerten über meine Wangen. Mein Sichtfeld verschwamm. Der Schmerz in meinem Kopf explodierte. Schwindel übermannte mich.
Ich schwankte leicht. Seine Hände stabilisierten mich an meinen Schultern. Erneut hob er mich in seine Arme und Kraftlos ließ ich meinen Kopf an seine Brust sinken. Für den Moment schien er sich zu versteifen, dann ging er los. Mit mir in seinen Armen.
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