Schlag ins Gesicht
Etwas gehetzt kam ich im Amore an. Den Stress, welchen ich mir machte war völlig umsonst. Ich war noch nie zu spät gewesen. Dies würde auch niemals vorkommen. Da ich immer dreißig Minuten früher da war. Nino war wie immer in der Küche zu Gange. Felicia war heute nicht anwesend. Ihr ging es nicht so gut. Sie hatte sich gestern schon schlecht gefühlt. Vermutlich eine Erkältung. Was diesen Abend für Nino und mich zur echten Herausforderung offenbarte. Denn Neil und Joyce waren nicht eingeteilt und hatten heute auch keine Zeit.
Wie das eben bei jungen Menschen an einem Freitag Abend so war.
Umgehend begann ich mit dem abwischen der Tische und zog neue Tischdecken auf. Danach wusch ich die Wein und Wassergläser und verteilte sie auf die Tische. Ebenso die Kerzen. Ich nahm die Blumen entgegen und band kleine bunte Sträuße, die ebenfalls auf die Tische verteilt wurden.
„Topolina, kannst du mir eben hier helfen", rief Nino mir aus der Küche zu.
Ich eilte zu ihm. Er hatte kleine Servierteller auf der Arbeitsplatte verteilt.
„Gruß aus der Küche?", fragte ich lächelnd.
„Sì, was meinst du, sollen wir eine Bruschetta kreieren? Bekommst du das hin?", nickte er und sah mich fragend an.
„Sì, du weißt doch, ich habe bei dem besten gelernt", zwinkerte ich ihm zu, band mir eine Schürze um und schnappte mir die frischen Tomaten.
Lachend wandte er sich um und widmete sich den Hauptspeisen für den heutigen Abend. Die Tomaten schnitt ich in mittelgroße Würfel. Ich schnitt mehrere Äste frischen Basilikum ab, wusch ihn und schüttelte ihn trocken. Die Blätter zupfte ich von Hand. Den Knoblauch hackte ich sehr fein und vermengte ihn mit den Tomaten. Für den extra Kick, gab ich etwas geriebene Zitronenschale hinein. Dies schmeckte besonders frisch. Dann schnitt ich noch das frisch gebackene Brot auf. Ich stellte alles so bereit, dass ich später wenig Arbeit damit hatte.
Denn ich würde Nino unterstützen müssen.
Nino sah mir über die Schulter.
„Perfetto, wir werden das heute meistern. Wir beide Topolina",
„Das werden wir. Benötigst du mich hier noch oder kann ich nach vorne gehen?", fragte ich Nino, während ich das Brot noch auf den kleinen Backblechen verteilte.
„Den Rest schaffe ich alleine. Du kannst eröffnen", zwinkerte Nino mir zu.
Ich legte die weiße Schürze ab und tauschte sie gegen die schwarze aus. Dann öffnete ich die Tür und stellte den Schriftzug an. Der Ansturm ging kurz darauf los. Ein älteres Ehepaar waren unsere ersten Gäste. Ich bereitete ihnen das Bruschetta vor und brachte ihnen den Wein. Es war so schön anzusehen, wie liebe über Jahre hinweg sein konnte. Für einen Moment dachte ich seit einer Ewigkeit an Bobby. Schob diesen Gedanken jedoch schnell wieder in den Hintergrund. Alle Tische, bis auf einen waren nun besetzt. Ich rotierte, genauso wie Nino. Doch es lief alles glatt. Keiner der Gäste bemerkte unsere missliche Lage. Dann jedoch wurde mir der Boden unter den Füßen weggezogen. Als Bobby das Amore mit einer jungen rothaarigen Frau betrat. Mir blieb beinahe das Herz stehen.
Hatte er mich nicht schon genug verletzt? Wollte er mich nun auch noch demütigen? Er wusste genau, dass ich hier arbeitete. Mein Herz hämmerte viel zu schnell. Für einen Moment schloß ich meine Augen, lehnte mich an die wand. Ich atmete tief ein und aus. Dann setzte ich mein Lächeln auf und ging mit wildpochendem Herzen zu ihnen.
„Herzlich willkommen im Amore. Haben sie einen Tisch reserviert?", begrüßte ich die beiden höflich und sah mir die junge Frau an.
Sie war unglaublich elegant. Das Gegenteil von mir. Rappeldürr und trotzdem wunderschön. Beinahe schon wie die Models, welche etliche Zeitschriften zierten. Bobby sah ich nicht an. Jedoch spürte ich seine durchdringenden Blicke.
„Hallo, ja ich habe auf den Namen Meyer reserviert. Es ist unser Jahrestag", fiepte die Frau aufgeregt.
Mir jedoch wurde übel. Jahrestag? Was zum Teufel? Ich behielt mein Lächeln, sah auf der Liste den Namen Meyer und nickte der Frau zu.
„Wenn sie mir dann bitte folgen würden", sagte ich mir einem Klos im Hals, der mich zu ersticken drohte.
Ich führte sie zu dem letzten freien Tisch und deutete ihnen, sich zu setzen.
Dabei riskierte ich einen Blick. Vielleicht hatte ich mich doch getäuscht. Vielleicht war es garnicht Bobby, nur jemand der ihm ähnlich sah.
Doch diese Hoffnung schwand umgehend. Es war definitiv Bobby, der mich unverblümt ansah. Was spielte er hier für ein Spiel? Hatte er nicht nur mich, sondern auch sie betrogen?
„Was darf ich ihnen zu trinken bringen", fragte ich und sah auf meinen kleinen Block. Meine Hand, in der ich den Stift hielt, zitterte wie Espenlaub.
„Für mich bitte ein Glas Weißwein und ein stilles Wasser und du Lukas?", kam sie ihm zuvor.
Lukas? Allmählich glaubte ich, ich werde verrückt. Hatte er sich mir wirklich mit einem anderen Namen vorgestellt? Oder verarschte er sie genauso wie mich?
„Für mich bitte einen Rosé", antwortete er knapp.
Nickend ging ich mit schnellem Schritt davon. Mein Herz drohte zu zerbarsten. Er hatte mich verarscht, ganze sechs Monate lang. Ich sollte wohl sein kleines Spielzeug sein. Nur gut, dass ich mich ihm nicht hingegeben hatte. Dies war wahrscheinlich der Grund, warum er mich verlassen hatte.
Mit zittrigen Händen bereitete ich ihr Bruschetta vor und Schank den Wein aus.
Die junge Frau sah so glücklich aus. Verhielt er sich ihr gegenüber anders? Immer wieder sah er zu mir rüber. Seine blickte konnte ich nicht richtig deuten. Waren sie warnend, verachtend oder ängstlich? Ich hatte nicht den Hauch einer Ahnung. Ich wünschte mir nur, dass sie schnell wieder verschwinden würden. Doch dieser Wunsch blieb mir verwehrt. Ganze drei Stunden verbrachten sie im Amore. Die junge Frau lachte viel, schmachtete ihn an. Sie hielten Händchen und turtelten, während Lukas, alias Bobby mir immer wieder Blicke zuwarf. Als er bezahlte, war sie auf der Toilette.
„Laureline", begann er doch ich ließ ihn nicht weiter kommen.
„Lass es! Lass mich in Frieden. Sei einfach still und geh deiner Wege. Keine Sorge, ich werde ihr nichts sagen", presste ich angespannt hervor.
Sein Trinkgeld, was äusserst großzügig war, lehnte ich ebenfalls ab. Ich wollte einfach, dass er ging. Der Schmerz, welcher zuvor verschwunden war, war nun mit voller Wucht zurückgekehrt. Ich fühlte mich schlecht. Als endlich die letzten Gäste das Amore verlassen hatten, schloss ich die Tür zu. Ich räumte die Spülmaschine ein und aus. Zog die Deckchen ab und kehrte den Boden.
„Topolina, geh Nachhause, ich erledige den Rest", unterbrach Nino meine verworrenen Gedanken.
„Sicher? Ich kann noch fertig wischen", wandte ich mich zu ihm um.
„Du hast genug gearbeitet heute. Gehe in dein wohlverdientes Wochenende", lächelte Nino mir zu und nahm den Wischer an sich.
Ich zog meine Schürze aus, nahm mein Trinkgeld und machte mich auf den Nachhauseweg.
In der Stadt die niemals schläft, war nun einiges los. Die Straßen waren gut gefüllt. Ebenso die etlichen Clubs und Bars. Ich jedoch wollte einfach nur Nachhause. Der Abend war anstrengend gewesen, dann auch noch die Geschichte mit Bobby. Das war zu viel für mich. Ich hatte zwar Pauline versprochen, ins Artemis zu kommen. Aber mir war nicht danach. Meine Füße brannten und mir schwirrte der Kopf. Ich sehnte mich nach einer heißen Dusche und meinem Hängesessel auf meinem Balkon. Mit einer Tasse Tee und einem guten Buch. Dies war mein Plan, welchen ich genauso umsetzen würde.
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