Keine gute Idee
Nock weckte mich in der Früh. Die Sterne standen noch am Firmament und glimmten ganz sanft und schwach vor sich hin. Der Mond war bereits verschwunden und über der Gebirgskette hinter uns erwachte die Morgenröte zum Leben. Die ersten Vögel zwitscherten ihr Lied. Begleitet von dem Zirpen der Zikaden, welche allmählich leiser wurden. Die Blüten der Blumen, welche an den Felshängen wuchsen eröffneten sich und gaben den Insekten das Festmahl preis. Ihr Duft hing in der Luft, wie ein zartes Parfum. Dicker feuchter Nebel versperrte die Sicht auf die Wiesen und Feldern gegenüber von uns.
Ich fühlte mich zum ersten Mal seid ich hier war, glücklich. So hatte ich mir den Ort meines Wunsches immer vorgestellt. Mystisch, friedlich und voller unentdeckter Geheimnisse.
Flock streckte sich gerade neben mir und sah mürrisch zu uns herüber. Anscheinend war er nicht nur ein Angsthase, sondern auch ein Morgenmuffel. Dies hatte mir gerade noch gefehlt. Ich fand die beiden zusammen anstrengend genug. Dennoch mochte ich diese Grünlinge irgendwie. Zumal sie mir halfen. Zugegeben, zu Anfangs dachte ich sie würden mich fressen wollen. Dabei wollten sie mir einfach nur helfen.
„Das sieht schön aus, wie ein verwunschener Wald", sprach ich an Nock gewandt.
„Jak, schök. Gek Menk", nickte Nock und wies hinab zum Weg.
Er wollte weiterziehen. In den Morgenstunden war es hier recht kühl. Ich fröstelte etwas. Das Seidenkleid hielt die Kälte nicht ab. Aber dafür war es auch nicht gemacht worden. Es war elegant und ansehnlich. Eher für eine Dame am Hofe. Ich fragte mich erneut, wie sie an dieses Kleidungsstück gekommen waren. Fock stand auf und knurrte vor sich hin. Wir zogen weiter. Mein Magen knurrte fürchterlich laut. Ich nahm einen der Äpfel und aß ihn auf. Eine Scheibe Brot wäre mir lieber gewesen. Was gäbe ich für ein ordentliches Frühstück mit einer guten Tasse Kaffee. Alleine der Gedanke daran bewirkte, dass mir das Wasser im Munde zusammenlief. Ich hoffte diese Menschen, zu denen mich die beiden brachten, kannten Kaffee und Brot. Ebenso vermisste ich eine heiße dusche, oder noch besser ein heißes Bad. Meine Muskeln schrieen förmlich danach. Nock war so redselig wie am Vortag. Er Brabbelte seine monotonen Silben. Während Fock nur hin und wieder knurrende und murrende laute von sich gab. Die Sonne kroch allmählich über die Gebirgskette und tauchte diesen wundersamen Ort in ein warmes Licht. Der Nebel verzog sich allmählich und gab die Sicht auf die Wiesen und Felder frei. Damwild kreuzte unseren Weg, die saftig grünen Wiesen waren ihr Ziel.
Meine Gedanken schweiften ab. Ich dachte an Nino und Felicia, an Pauline. Ich vermisste sie schrecklich. Wie es ihnen wohl erging? Pauline war sicherlich schon krank vor sorge. Bestimmt hatte sie bereits die Polizei alarmiert. Pauline war der Sherlock Holmes unter all meinen Freunden und sie war sehr energisch. Sicherlich waren die Polizeibeamten schon genervt von ihr. Ein flüchtiges Lächeln huschte über mein Gesicht. Nun begann auch Fock zu quasseln. Ich hatte keine Ahnung über was die beiden sich unterhielten. Ich kannte bisher niemanden der so viel zu erzählen hatte wie die beiden Grünlinge. Vielleicht sangen sie auch. Ich wusste es nicht. Wir waren bereits einen halben Tagesmarsch von unserem Schlafplatz entfernt und noch immer sah man nichts als Felder, Wiesen und Wälder. Wie weit waren wir noch von dem Dorf, oder der Stadt entfernt? Ich war schneller erschöpft wie am Vortag. Doch die beiden Quälgeister gönnten mir keine Pause. Die brütende Mittagshitze bereitete mir allmählich Probleme. Mein Kreislauf spielte verrückt.
Umso dankbarer war ich, als wir einen kleinen Fluss erreichten. Er entsprang in der Gebirgskette. Das Wasser war klar und kühl. Gierig trank ich davon. Ich tauchte mein Kopf hinein und wartete wenige Sekunden. Die Abkühlung tat unwahrscheinlich gut. Dann gingen wir weiter. Immer tiefer in das Land hinein. Zuerst dachte ich meine Augen würden mir einen Streich spielen. Doch dem war nicht so. Dort standen tatsächlich Pferde auf einer Wiese, welche eingezäunt war. Dies bedeutete, dass Die Menschen nun sehr nahe sein mussten. Aufgeregt sah ich mich um. In der Ferne erkannte ich eine Felswand. Sie schien nicht zur Gebirgskette zuhören. Denn diese war hier bereits am auslaufen. War dies eine Mauer? Gebaut von Menschenhand? Ich hoffte es so sehr, denn eine weitere Nacht in dieser Wildnis zu verbringen, ließ mich erschaudern. Irgendwo da draußen war die Drachen, zwei an der Zahl und ich hoffte, es würden nicht mehr werden. Fock sah die Mauer ebenfalls. Umgehend lief er schneller als zuvor. Ich kam kaum noch nach und das obwohl ihre Beine soviel kürzer waren, als die meinen. Je näher wir kamen, desto klarer erkannte man die Mauer. Nun war ich mir ganz sicher, dahinter befand sich eine Stadt oder zumindest ein Dorf. Erleichterung nahm nun Einzug. Wir hatten es so gut wie wie hinter uns. Natürlich wusste ich, dass die Grünlinge den gesamten Weg erneut aufnehmen mussten. Sie würden nicht hier bei den Menschen bleiben. Auch ich hatte nicht die geringste Ahnung ob und in wiefern sie mir helfen konnten. Gab es hier schon einmal solch eine Situation? War vor mir schon einmal wer hier gestrandet? Sprachen sie überhaupt meine Sprache, oder auch solch Kauderwelsch wie meine beiden Begleiter? Die anfängliche Euphorie schob sich in den Hintergrund. Angst mischte sich dazu. Würde ich je zurück kehren können?
Wir kamen den Mauern immer näher. Sie glich einer Festung. Niemand sollte hinein und niemand hinausgelangen. Alle paar Meter wuchs auf der Mauer ein Turm in die Höhe. Egal von welcher Seite man sich dieser Mauer näherte, man wurde umgehend entdeckt. Auch ich sah bereits Menschen, Wachen auf der Mauer. Sie trugen Rüstung und in ihren Händen hielten sie Waffen. Speere, Schwerter, Pfeil und Bogen.
Kaum waren wir nahe genug, ertönte ein Horn. Grollend wurde das Tor in die Höhe gezogen. Fasziniert sah ich mir dieses Schauspiel an. Ein hochgewachsener Mann auf einem Pferd, galoppierte auf uns zu. Gemeinsam mit sechs weiteren Männern. Seine Erscheinung war imposant und Angsteinflößend zugleich.
Er trug eine silberne Rüstung, die bereits etliche Kämpfe hinter sich zu haben schien. Ich sah die Spuren von Krallen auf seiner Brust. Sein Helm verdeckte nicht sein gesamtes Gesicht. Eine Narbe zierte seine rechte Wange. Sein Angreifer hatte sein Auge nur knapp verfehlt. Der Blick der er uns zuwarf, konnte ich nicht deuten. Dennoch war er durchdringend. Augen beinahe schwarz wie die Nacht, fixierten mich. Mein Herz nahm Fahrt auf. In seiner rechten Hand hielt er sein Schwert, dessen Klinge mindestens einen halben Meter lang war. Unmittelbar vor uns hielt er seinen schwarzen Rappen an. Als er Abstieg, sah ich erst, was für ein Hüne er war. Ich schluckte meinen Klos hinab.
„Was wollt ihr hier? Warum bringt ihr uns den Feind", donnerte Seine Basserfüllte Stimme. Er sah mich nicht an, seine Worte waren an die Grünlinge gerichtet.
Der Feind? Ich war der Feind?
„Tock, tock di darrr. Nock, Menk Menk. Laukelink, Menk. Trocko eik, feuk", brabbelte Nock aufgeregt drauf los.
Der Hüne verzog genervt sein Gesicht. Einen Moment sah er mich angewidert an.
„Ihr habt sie zu den falschen gebracht. Sie gehört nicht dem Volk der Mohawé an. Sie trägt das Gewand der Dradonìr", spie er ihnen entgegen, was mich zusammenfahren ließ.
„Sir, haltet ein. Auf ein Wort", ertönte eine sanfte Stimme hinter dem Hünen.
Ein kleiner alter Mann, mit langem Bart trat vor. Er trug ein langes schwarzes Gewand mit einer Kapuze, die beinahe sein gesamtes Gesicht verbarg. Zumindest sah man ab der Nase aufwärts nichts mehr von seinem Gesicht. Der Hüne blickte argwöhnisch drein. Hob seine Hand und wandte uns den Rücken zu. Die beiden Männer sprachen so leise, dass selbst ich kein Wort verstand. Ich wollte hier nicht länger verweilen. Irgendwas stimmte mit diesen Leuten hier nicht.
„Bitte, wir wollten euch keine Umstände machen. Ich verstehe, wenn wir hier nicht erwünscht sind", fiepte ich, wurde aber umgehend von dem Hünen unterbrochen.
„Schweig! Du wirst nirgendwo hingehen Weib! Dass du dich überhaupt auf die Borgads eingelassen hast, zeigt einmal mehr, wie unfähig und gutgläubig Frauen sind!", spie er mir entgegen.
Woraufhin mein Herz zu rasen begann. Hätten wir doch bloß den anderen Weg gewählt. Nun saß ich hier fest und hatte keine Ahnung, wie ich aus diesem Schlamassel entfliehen sollte.
„Ihr beiden könnt nun gehen, sie wird hier bleiben", wandte er sich an die Grünlinge und Nock umarmte mein Bein zum Abschied.
„Bitte, lasst mich gehen. Ich möchte euch nicht zur Last fallen", rief ich mit zitternder Stimme und sah angsterfüllt den Nervensägen hinterher. Welche bereits das Tor durchschritten hatten.
Der Hüne saß bereits auf seinem Pferd, sah mich amüsiert an und peitschte los.
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