
Kapitel 47
»Ich habe dir gesagt, dass du noch nicht wieder gesund genug bist, um auszugehen«, tadelte Dainte ungeachtet davon, dass seine Stimme Zunae Kopfschmerzen machte.
Sie saß im Bett, an das Bettende gelehnt und ließ sich von Dainte untersuchen. Ihre noch nicht ganz abgeheilte Erkältung wr zurückgekehrt, doch zum Glück nicht so stark wie zuvor. Lediglich Kopfschmerzen, Husten und ein ganz leichtes Fieber plagten sie.
Yelir war davon nicht begeistert. Erst recht nicht nachdem er nun wusste, dass sie vorher schon krank gewesen war und niemand ihn informiert hatte.
»Ich bereite dir wieder Tee zu. Du solltest heute Abend ein warmes Kräuterbad nehmen«, wies er schließlich an, denn sehr viel mehr konnte er nicht tun.
Zunae lächelte leicht. »Meine Magie fließt wieder recht normal. Ich spüre, wie sie die Krankheit angreift«, versicherte sie, denn die Tatsache, dass sie sich nicht so schlecht fühlte wie zuvor, sagte ihr alles. Es war jedoch sehr schwer dieses Gefühl zu beschreiben.
»Das ist gut, aber du solltest dich dennoch ausruhen«, brachte Dainte kopfschüttelnd hervor. Diese Frau hatte in seinen Augen kein Gefühl für ihren Körper. Warum sonst wäre sie in ihrem Zustand ausgritten und hätte so viel ihrer Magie genutzt? Als wäre die Rückkopplung der Kette nicht schon schlimm genug gewesen. Es war ein Wunder, dass sie noch lebte.
Zunae wollte erwidern, dass er sich nicht so viele Sorgen machen sollte, brach aber in Husten aus.
Yelir, der die ganze Sache beobachtet, seufzte frustriert. Noch mehr Dinge, welche durch die Kette schlimmer geworden waren. Vermutlich war es auch seine Schuld, dass ihre erste Erkältung so lange gedauert hatte, weil ihre Magie durch das Artefakt nicht richtig geflossen war.
Als Dainte schließlich den Raum verlassen hatte, stieß Zunae den Atem aus. »Dabei wollte ich unbedingt mit Arcas nach Dravarn«, murmelte sie, denn dazu müssten sie spätestens Morgen früh los. Aber so wie es ihr ging, wäre das keine gute Idee.
Alarmiert hob Yelir den Blick und starrte sie direkt an. »Was wolltest du denn ausgerechnet mit Arcas dort?«, fragte er aufgebracht.
Er hatte zwar ihre Notizen gefunden, mit wem sie wo gewesen war und gerade war, doch sie das so sagen zu hören, ärgerte ihn irgendwie. Yelir wusste nur nicht wieso.
Zunae räusperte sich leise. »Ich habe mir die Finanzberichte angesehen«, erklärte sie langsam, wobei sie darauf achtete, dass man ihre Worte verstand. Allerdings tat es beim Sprechen weh. Sie wollte dennoch erklären, was vorgefallen war. »Dabei habe ich bemerkt, dass Magiesteine gefördert werden, aber der Gewinn, an die Burg nur minimal ist«, erklärte sie langsam, bevor sie versuchte, alles zusammenzufassen.
Dass sie mit Arcas Fürst Dravar besuchen war und dort herausgefunden hatte, dass dieser dachte, die Burg würde die Steine direkt ankaufen. Dabei bekamen sie nur einen kleinen Gewinn. Was hieß, dass es einen Zwischenmann geben musste, der die Steine vielleicht extrem teuer weiterverkaufte und der Burg nicht den Anteil gab, den sie wert waren. Das hatte sie prüfen wollen, indem sie die Karawana, welche die Steine regelmäßig zur Burg lieferten, begleiten wollten.
»Ich wusste nicht einmal, dass die Burg eine Lieferung von Magiesteinen erhalten sollte«, stellte Yelir fest, der sich die Finanzdokumente schon oft angesehen hatte. Allerdings war ihm nie etwas Derartiges aufgefallen.
»Würdest du mit Arcas gehen und dir das ansehen?«, fragte Zunae hoffnungsvoll, auch wenn sie Yelir ansah, dass er selbst erschöpft war.
Dieser fuhr sich durch die Haare. »Ich lasse dich in diesem Zustand nur ungern allein«, gestand er, denn die Vorstellung, Arcas würde sich um sie kümmern, ließ ihn einen seltsamen Stich spüren. Auch die Vorstellung, er war mit ihr am Kristallsee, sorgte für aufsteigende Wut. Das war nicht gut. Yelir wusste, dass er seine Gefühle besser unter Kontrolle bringen musste, doch da er nicht einmal verstand warum, war das schwierig.
Zunae verzog die Lippen. »Tut mir leid, dass das so ... chaotisch geworden ist«, sagte sie kleinlaut, auch wenn chaotisch nicht das passende Wort war. Alles, was hatte schiefgehen können, war schief gegangen. Sie war nur froh, dass es den Bewohnern von Kavalare gut ging. Sie hoffte, dass sie mit ihrer Magie niemanden verschreckt hatte.
Yelir erhob sich und setzte sich langsam zu ihr ans Bett, bevor er ihr eine Strähne aus dem Gesicht strich. Dabei spürte er, wie heiß sie war. »Du hast meine Leute gerettet«, flüsterte er, konnte sie dabei jedoch nicht ansehen. Noch immer wusste er nicht, was er darüber denken sollte. Sie, eine Königin aus den Nordlanden, hatte alles gegeben, um die einfache Bevölkerung zu schützen. Eine Bevölkerung, die nicht ihre war.
Er konnte sich nicht vorstellen, dass sie das nur getan hatte, weil er sie gebeten hatte, sich um das Dorf zu kümmern. Wenn sie dabei gestorben wäre ... Yelir war froh, dass keine bleibenden Schäden zurückgeblieben waren. Warum war sie dieses Risiko eingegangen?
»Ich wusste, dass ich nicht sterben würde«, versicherte sie, um ihn zu beruhigen. Dabei stimmte das nicht einmal ganz. Sie hatte ihren Tod gesehen und den einzig anderen Weg gewählt. Dabei hatte sie sich nicht einmal darum gekümmert, was um sie herum hätte passieren können. Sie wäre nicht gestorben, doch ganz sicher, dass die Dorfbewohner überlebten, war sie sich auch nicht gewesen.
Yelir fuhr sich durch die Haare. »Ich bin mir noch nicht sicher, ob ich deinen Visionen vertraue«, gab er zu. Er hatte noch nie davon gehört, dass in einem anderen Clan als den der Raben eine solche Gabe vorgekommen war.
Diese Offenbarung beunruhigte Zunae. »Glaubst du mir etwa nicht?«, fragte sie. Was, wenn er herausgefunden hatte, dass sie ihm nur die halbe Wahrheit erzählt hatte?
Zu ihrem Glück schüttelte Yelir aber den Kopf. »Du standes unter dem Zwang der Kette. Aber das heißt nicht, dass ich glaube, dass deine Visionen immer zutreffen.« Darüber hatte er lange nachgedacht. Wenn sie diese Dinge sah, war es seltsam, dass sie den Krieg nicht für sich gewonnen hatten. Damit hätten sie sicher einen großen Vorteil. Wobei das vermutlich nur dann der Fall war, wenn Zunae auf dem Schlachtfeld stand. Dann könnte sie zumindest ein paar Eindrücke in den Visionen gewinnen, auch wenn sie alle mit ihrem Tod zusammenhingen.
Yelir fragte sich, ob das vielleicht der Grund war, warum er sie nie auf dem Schlachtfeld gesehen hatte. Hatte sie sich davon ferngehalten, weil sie nicht ständig mit ihrem eigenen Tod konfrontiert werden wollte?
»Wie häufig hast du diese Visionen eigentlich?«, fragte Yelir, ohne groß darüber nachzudenken. Es interessierte ihn einfach.
Zunae zögerte. Hätte sie die Kette noch getragen, hätte sie antworten müssen, doch nun war es anders. Sie wählte daher ihre Worte mit Bedacht. »Schwer zu sagen. Sie treten dann auf, wenn etwas akut mein Leben bedroht oder sich eine Entscheidung ändert«, erklärte sie, wobei sie nicht wusste, ob Yelir damit viel anfangen konnte.
»Sich eine Entscheidung ändert«, murmelte Yelir, der noch immer versuchte, das Konzept zu verstehen.
Allerdings unterbrach Zunaes Husten seine Gedanken, weshalb er seine Aufmerksamkeit wieder auf sie richtete. »Genug geredet«, entschied Yelir, der sich erhob und noch einmal Holz nachlegte. Das Zimmer musste warm sein, damit sie schnell wieder gesund wurde. Das hatte Dainte zumindest gesagt.
Er selbst war mit einem magischen Heiler aufgewachsen, der ihn selbst bei kleinen Erkältungen geheilt hatte. Dadurch wusste er nicht, wie es in der normalen Bevölkerung gehandhabt wurde.
Da der Husten nicht nachließ, nahm Yelir den kleinen Kessel, der über dem Kamin hing und goss Zunae einen neuen Tee auf. Er hatte sich sogar etwas Honig besorgt, den er unterrührte, damit der Kräutertee nicht zu bitter war.
Diesen brachte er Zunae und half ihr dabei, zu trinken. »Die nächsten Tage hast du nichts anderes zu tun, als dich auszuruhen. Ich werde mich um die Sache mit den Magiesteinen und Kavalar kümmern«, versicherte er, auch wenn er die Burg nicht verlassen würde. Ob er Degoni einweihen sollte? Oder Arcas vertrauen, dass er sich allein darum kümmerte?
Beides gefiel Yelir nicht. Er hatte Arcas nicht grundlos als Wächter für den Harem abgestellt. Seit der Herausforderung war das Vertrauen einfach nicht mehr da.
Obwohl es bei ihnen üblich war, dass die Kinder des Herrschers gegeneinander kämpften, um herauszufinden, wer der Stärkste und damit der zukünftige Erbe war, hatte Arcas seine erste Niederlage nicht eingesehen und ihn noch einmal herausgefordert. Er hatte erneut verloren.
Das hatte jedoch dafür gesorgt, dass Yelir klar wurde, dass Arcas definitiv Herrscher werden wollte, während Misha und Degoni sich entschieden hatten, ihn nur zu unterstützen. Also blieb Arcas ein Konkurrent.
Yelir machte sich auch Sorgen, da die Hochzet noch nicht offiziell vollzogen wurde. Bei ihnen hatte, wenn es um eine Heirat ging, die Frau das letzte Wort. Sie entschied sich für den Mann. Eine Tatsache, die Yelir noch immer Bauchschmerzen machte, denn theoretisch konnte es sein, dass Zunae nicht ihn, sondern einen seiner Brüder heiratete. Damit würde sie zwar keine Königin werden, doch der Frieden wäre dennoch gesichert.
Aktuell ging er zwar nicht davon aus, da sie die Rolle der Königin scheinbar gern machte, doch was, wenn es ihr zu anstrengend wurde?
Ob sie bereits wusste, dass er eigentlich nur darauf wartete, dass sie sich meldete? Vielleicht sollte er mit Ariel darüber sprechen. Sie half Zunae immerhin dabei, die Traditionen der Nordlande besser zu verstehen.
Als sich Yelir langsam erhob, bemerkte er, dass Zunae eingeschlafen war.
Das war gut. Sie brauchte Ruhe.
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