Kapitel 5
Zunae fühlte sich entspannt und erschöpft zugleich, als sie in der Kutsche durch das Fenster blickte und dabei zusah, wie der Tempel immer kleiner wurde.
Die letzten Tage waren so ganz anders als sie sich je erträumt hatte.
Die Hochzeit war nur der Anfang gewesen. Danach hatte sie kaum mehr einen Finger von Yelir lassen können und er auch nicht von ihr.
Ganze vier Tage waren sie in ihrem Zimmer geblieben, hatten sich geliebt, gekuschelt, zusammen gebadet und einfach die Zeit genossen.
Das Leben hatte sich so leicht angefühlt, dass sich Zunae schon jetzt zurücksehnte. Aber Yelir war der König der Nordlande und konnte nicht ewig im Tempel bleiben.
Sie mussten vor den ersten stürmischen Wintertagen zurück in der Burg sein, wenn sie nicht von einem Schneesturm überrascht und verschüttet werden wollten.
Müde schloss Zunae ihre Augen. Yelir fuhr einen Teil der Reise in der Kutsche mit und einen Teil würde er reiten. Zunae hatte sich entschieden, nicht zu reiten. Das war im Moment zu unangenehm, denn ihre Vereinigung machte es ihr schwer, auf einem Pferdesattel zu reiten. Dazu waren sie einfach zu oft ineinander versunken.
»Versprich mir, dass du mir sagst, wenn du doch reiten möchtest«, sagte Yelir, der sich schon die ganze Zeit Sorgen machen. Es war untypisch für sie, nicht zu reiten.
»Versprochen«, murmelte Zunae, der den Kopf an die Seite der Kutsche lehnte. Sie wollte ein bisschen Schlafen, denn das Ruckeln machte sie müde.
Die Müdigkeit ließ ihre Muskeln entspannen und so war sie bald schon eingeschlafen.
Allerdings wollten ihre Träume sie nicht in Ruhe lassen.
Manchmal war es schwierig für Zunae, die Träume von Visionen zu unterscheiden, doch dieses Mal konnte sie es.
Zunae blickte aus einem Fenster in die Ferne. Schnee fiel sanft vom Himmel, doch das, was ihren Blick fesselte, war das Feuer, das am Horizont zu sehen war. Dunkler Rauch stieg auf und Zunae wurde schwer ums Herz.
Ihre Hand glitt zu ihrem kugelrunden Bauch, was sie jedoch nicht ansatzweise so schockierte, wie es sollte.
Sie war schwanger und so wie sie sich fühlte, schon im achten Monat. Die Geburt stand bald an und am Horizont war der Schatten eines Drachens zu erkennen.
Zunae wurde schwer ums Herz, während sie ein drängendes Gefühl spürte.
Hinter ihr erklangen hektische Schritte, bevor Evareth die Tür aufriss. Sein Atem ging schnell und auf seiner Stirn stand der Schweiß. »Ihr müsst sofort hier weg«, stieß er hervor und kam ins Zimmer gehetzt. »Das Heer ist gefallen.«
Das Heer ist gefallen.
Diese Worte und ein stechendes Gefühl von Verlust, ließen Zunae aufwachen.
Sie schlug die Augen auf und nahm ihre Umgebung nur verschwommen wahr.
Tränen rannen ihr aus den Augen und sie zitterte, während sie versuchte, die Intensität ihrer Gefühle unter Kontrolle zu bringen.
In ihr tobte eine unerklärliche Angst, die sie nicht beschreiben und der sie nicht Heer werden konnte.
Yelir, der bis gerade gedöst hatte, schreckte auf, als Zunae ein leises Schluchzen ausstieß.
Er brachte nur einen Moment, bis er wach genug war, um ihren Zustand zu bemerken.
Sofort erhob er sich, um sich neben Zunae zu setzen und sie an sich zu ziehen. Beruhigend strich er ihr durch die Haare, während er selbst mit den Gefühlen rang. Was war geschehen, während er gedöst hatte?
»Hattest du eine Vision?«, fragte er, während er sich selbst dafür verfluchte so unachtsam gewesen zu sein. Sofort untersuchte er ihren Körper nach Wunden, doch alles war genauso wie es sein sollte. Kein Zeichen dafür, dass sie erneut gesprungen war, war zu erkennen.
»Ja«, brachte Zunae heiser hervor. Ihre Stimme brach sogar, was sie gar nicht erwartet hatte.
Allerdings hatte die Vision ihr etwas vor Augen geführt, was überhaupt nicht sein konnte.
Ihre Hand glitt zu ihren Bauch. Flach und unauffällig wie immer, doch ihre Magie floss anders durch ihren Körper. Ein erster Hinweis darauf, dass dort etwas in ihrem Bauch heranwachsen konnte. Etwas, das dafür sorgen würde, dass sie bald ihre Magie nicht mehr einsetzen konnte und damit ihre Aufgabe in den Nordlanden nicht erfüllte.
Die Angst, die sie empfunden hatte, als Evareth die Nachricht des gefallenen Heeres weiter gegeben hatte, hallte in ihr nach. Zusammen mit dem Wissen, dass nicht nur die Nordlande fallen würde, sondern auch keiner aus ihrer Familie verschont bleiben würde.
Zunae schnappte nach Luft und versuchte ihre Gefühle zu sammeln. Noch war sie sich nicht sicher. Vielleicht war sie gar nicht schwanger und die Vision warnte sie lediglich.
Das war eine Hoffnung, an die sie sich klammerte, auch wenn ihr Kopf ihr sagte, dass sie nicht stimmte. Diese Vision war keine Warnung, die mit ihrem Tod einherging. Sie war eine Aussicht auf eine Zukunft, die vor ihr lag.
Ein Schluchzen verließ ihre Lippen, bevor sie sich an Yelir klammerte. Sie wusste einfach nicht, was mit ihr los war. Warum war die Vision erneut so seltsam und hatte nicht von ihrem Tod gehandelt? Mit diesen konnte sie mittlerweile umgehen, doch das hier ... Es ließ sie am ganzen Körper zittern, während ihre Gedanken darum kreisten, was sie tun könnte, um das Schicksal ihrer Liebsten abzuwehren.
Allerdings fand sie keine Antwort darauf. Sie brauchte Hilfe, doch die einzge Partei, die sich mit Visionen auskannten, waren die Seher der Raben und diese zu besuchen würde nicht gerade leicht werden.
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