Kapitel 20
Yelir, der neben Zunae auf dem Kutschbock Platz genommen hatte, fühlte sich unwohl damit, Degoni und Dainte mit der Gefangenen in der Kutsche zu wissen. Trotzdem hatte er sich letztlich dazu entschieden, seiner Frau Gesellschaft zu leisten.
Sie war ihm nicht nur zur Hilfe geeilt, sie hatte auch ihre Magie benutzt, um keine Zeit zu verlieren.
Wie er sich jedoch erinnerte, war sie nach einer langen Schattenfortbewegung immer recht müde. Das hatte Chiaki ihm erzählt.
Zunae konnte dessen Kräfte zwar nutzen, sogar besser als viele ihrer anderen Vertrauten, doch gleichzeitig sorgte das für ein Ungleichgewicht ihrer eigenen Magie.
Yelir verstand es noch nicht ganz, doch da er für glaubte, dass Chiaki Zunaes Magieströme kontrollieren konnte, ergab das irgendwo Sinn.
Allerdings konnte Yelir Zunae im Moment nichts ansehen.
Sie konzentrierte sich auf den Weg und nutzte ihre Magie, um die Rückreise weniger holprig zu gestalten. Zudem schwebten vor ihnen Lichtkugeln, wie ein Schwarm Glühwürmchen umher und erhellte die Strecke.
Mittlerweile war es tiefste Nacht, weil sie den Rückweg auf normale Weise angetreten waren.
Degoni war zwar von Dainte behandelt worden und Zunae hatte angeboten erneut Schattenfortbewegung zu nutzen, doch Dainte hatte abgelehnt. Das wäre nicht gut für Degonis Wunden. Yelir glaubte jedoch, dass es eher Dainte war, der nicht erneut so reisen wollte. Es war ihm nicht gut bekommen.
»Konntest du bereits mit der Gefangenen reden?«, fragte Zunae flüsternd, da sie die ganze Zeit lauschte. Degoni sprach kein Wort, doch Dainte versuchte mit sanfter Stimme mehr aus ihr herauszubringen. Nur ohne Erfolg.
»Ja. Sie heißt Aelith und hat einen kranken Bruder«, murmelte Yelir, der sich fragte, warum sich Zunae dafür interessierte.
Diese machte ein nachdenkliches Geräusch, bevor sie langsamer wurde.
Yelir erkannte die große Mauer, die um die Burg lag undmusste sich zusammenreißen, nicht vor Erstaunen Zunae zu fragen, wie sie es geschafft hatte, so schnell anzukommen.
Er hatte mit dem Pferd vier Stunden gebraucht und mit einer Kutsche sollten sie länger brauchen. Hatten sie aber nicht.
Yelir sprang vom Kutschbock, um den Soldaten am Tor Bescheid zu geben.
Diese öffneten jedoch bereits das Tor, hatten sie die Kutsche erkannt.
Zunae steuerte diese direkt auf den Innenhof, wie sie erneut hielt.
Degoni riss die Tür auf und stieg aus. »Ich bringe die Gefangene ins Verlies«, verkündete er, wobei er Yelir ansah, als würde er Widerworte erwarten. Immerhin war sie eine Frau.
Dieser nickte jedoch nur stumm und sah dann zu, wie Degoni sie aus der Kutsche zog und mit ihr davon stapfte.
Zunae stieß die Luft aus. »Muss an seinem Ego kratzen von einer Frau so zugerichtet worden zu sein, die auch noch aus den Nordlanden kam.« Wäre sie aus den Südlanden, hätte Zunae das an ihrer Hautfarbe erkannt. Allerdings war sie so blass wie für die Nordländer typisch.
Yelir blickte zu Zunae, die dabei ganz ernst dreinblickte und musste leicht lachen. »Ich denke, damit hast du den Nadel auf den Kopf betroffen«, bemerkte er und legte ihr eine Hand um die Hüfte. »Gehen wir ins Bett?«, fragte er, denn er Tag war sehr ereignisreich gewesen.
Zunae lächelte und nickte, doch als sie einen Schritt machte, spürte sie, ein seltsames Ziehen im Magen und erkannte, dass die Ränder ihrer Sicht verschwammen.
Hilfesuchend ließ sie ihre Hand zu Yelir wandern, doch bevor er sie greifen konnte, war Zunae auch schon verschwunden.
Diese fand sich in einer fremden Straße, zwischen hohen Häusern wieder. Umgeben von Schreien, Rauch und Hitze.
Mit klopfendem Herzen sah sie sich um, doch nichts kam ihr bekannt vor.
Neben ihr knisterte und knackte es, was sie dazu veranlasste, zur Seite zu springen. Gerade rechtzeitig, denn vom Haus löste sich ein Teil des Daches und krachte zu Boden, während die Flammen aus dem Rest des Dachstuhles züngelten.
Ein Kribbeln legte sich auf Zunaes Haut, das von der Hitze stammte.
Sofort sammelte die ihre Magie, um sich zu schützen, doch sie hatte das Gefühl, dass es nicht richtig funktionierte.
Als sie nach unten blickte, entdeckte sie einen kugelrunden Bauch, der ihre Panik verstärkte. Wenn sie schwanger war, konnte sie keine Magie einsetzen! Nicht in diesem Stadium.
Verdammt!
Aber zumindest bekam sie so einen Hinweis darauf, wann das Ereignis stattfand. In gut sechs Monaten.
Zunae nahm die Beine in die Hand und rannte los. Sie wusste zwar nicht, wohin, doch zwischen den brennenden Häusern konnte sie nicht bleiben.
Knurrend wanderte Yelir über den Innenhof, während er darauf wartete, dass Zunae zurückkehrte.
Er fühlte sich so hilflos.
Dabei hatte sie dieses Mal förmlich nach seiner Hilfe gerufen. Er hatte die Panik in ihrem Gesicht gesehen, als sie nach ihm gegriffen hatte, doch er hatte nichts tun können.
Er war so nutzlos.
Die Zeit verstrich, während er immer weiter suchend durch die Burg wanderte. Yelir wusste leider zu gut, dass sie überall auftauchen konnte. Aber wieso war sie so lange weg? Das letzte Mal waren es nur ein paar Minuten gewesen, doch jetzt ging am Horizont bereits dir Sonne wieder auf und sie war noch immer nicht wieder da.
Eine Tatsache, die dafür sorgte, dass Yelir sich die schlimmsten Dinge ausmalte.
Was wenn sie gestorben war? Oder wenn sie zurückgekehrt war und in einer Wand stecken geblieben war?
Die Panik nahm mit jeder Minute, die verging, zu. Er konnte nicht einmal Chiaki fragen, denn dieser war auch nicht auffindbar.
Das verunsicherte Yelir. War Chiaki bei Zunae oder wo anders? Er hoffte, dass der Kater auf sie aufpasste, doch sicher sein konnte er sich nicht.
Dann nahm er plötzlich ein Flackern in der Luft wahr, das auf starke Magie hindeutete.
Schnell wandte er sich in diese Richtung und rannte zum Tor hinaus. Die verdutzten Wachen dabei ignorierend.
Yelir sprang durch den Schnee, der es ihm schwer machte, sich fortzubewegen. Dabei musste er sich beeilen, denn die seltsame Magie nahm bereits wieder ab.
Dafür stieg ein unangenehmer Geruch auf.
Verbranntes Fleisch.
Yelirs Herz setzte aus, da er nicht wusste, was ihn erwarten würde, sobald er sein Ziel erreichte.
Ein Wimmern war zu vernehmen, das Yelir nur noch schneller wieder ließ.
Dann sah er sie. Im Schnee zusammengekauert. Das rote Haar völlig verrußt und zerzaust.
»Zunae«, keuchte er, als er sich näherte.
Als sie jedoch aussah, blieb er schockiert stehen.
Das halbe Gesicht war überzogen von großen Brandblasen. Von der Kleidung, die sie getragen hatte, war nichts mehr übrig außer die Unterwäsche. Die Haut die Yelir sehen konnte, war überzogen von Asche und Blut.
Sein Herz setzte aus, während er die Schwere der Situation verarbeiten musste.
Er machte einen unsicheren Schritt auf sie zu.
Was sollte er jetzt tun.
Alles in ihm schrie danach, einen Arzt zu holen, doch er wusste, dass Dainte nichts machen konnte.
Aber was konnte er machen?
Als er noch einen Schritt auf sie zu machte, bemerkte er einen seltsamen, blauen Schimmer, der aus Zunaes Körper austrat und sich wie ein Film über ihre verletzte Haut legte.
Bläschen stiegen auf, was Yelir würgen ließ, bis er erkannte, dass die Haut langsam die Röte verlor und wieder glatt wurde.
Yelir befeuchtete sich die Lippen uns traute sie kaum zu hoffen.
Es gab viele Formen der Selbstheilung, doch so etwas hatte er noch nie gesehen. Es sah fast so aus, als würde die pure Magie, die in Zunae schlummerte, ihre Haut erneuern.
Obwohl es dunkel war und Yelir nicht ganz so gut wie am Tag sah, glaubte er dennoch, dass sie reiner und zarter aussah, als zuvor.
Zögerlich trat er seinen weiteren Schritt näher. Es schmerzte ihn, Zunae so zu sehen, doch es wurde besser. Doch die Tränen in ihren Augen blieben, während sich die Haut erneuerte.
Dann hob sie flehen ihre Arme, doch Yelir zögerte. Würde er ihr weh tun, wenn er sie berührte?
Als sie jedoch erneut wimmerte, machte er noch einen Schritt, ging vor ihr im Schnee in die Knie und schlag seine Arme sanft um sie.
»Ich wünschte, ich wüsste, wie ich dir helfen kann«, flüsterte er, denn ihm waren die Hände gebunden. Was auch immer sie ständig mit dich zog, lag außerhalb seiner Vorstellungskraft.
Zunae schwieg und schloss ihre Augen, während sie um Atem rang.
Ihr Körper zitterte vor Erschöpfung und es fiel ihr schwer, die Augen offen zu halten.
»Ich kenne jemanden, der vielleicht helfen können«, brachte sie schließlich flüsternd hervor. Mit der Person hatte sie kein Problem, doch der Ort, den sie aufsuchen müssten, verlieh ihr eine unangenehme Gänsehaut.
Yelir schob sie etwas von sich, während er gegen die aufkommende Hoffnung ankämpfte. Er wollte sich keinem Trugschluss hingeben. Nur, weil sie jemanden kannte, der vielleicht helfen konnte, musste das nichts heißen.
»Wer?«, fragte er skeptisch.
Zunae befeuchtete sich die Lippen und mied seinem Blick. »Der Hohepriester der Raben«, brachte sie leise hervor.
Yelir blickte sie verwundert an, verstand aber wie sie auf diese Idee kam. Nur waren die Priester der Raben allesamt Seher und sicher nicht begeistert jemanden zu helfen, der ebenfalls Visionen hatte, aber nicht zu ihnen gehörte. Zunaes Zögern war daher für Yelir nachvollziehbar.
Sein eigenes war jedoch einer ganz anderen Sache geschuldet.
Die Rabenklippen, die Heimat der Seher, war nur per Schiff zu erreichen. War man jedoch nicht eingeladen oder war man nicht erwünscht, würde man sich in einem magischen Neben verirren, der die Insel schützte.
Es war also höchst gefährlich den Weg dorthin zu wagen.
Aber es war ihre einzige Hoffnung und Yelir wollte sich daran klammen, dass sie dort wirklich Hilfe erhielten.
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