Kapitel 2
Zunae hatte nicht erwartet, dass Yelir ein so guter Tänzer war. Sie fühlte sich mit ihm auf der Tanzfläche frei und schwerelos. Was vielleicht auch daran lag, dass die Tänze der Nordländer weniger steif waren, wie die an ihrem Hof. Jeder tanzte, wie er wollte, während die Musik dazu einlud, es ihnen gleich zu tun.
Einige der Fürsten hatten tatsächlich ihre Frauen mitgebracht und tanzten mit ihnen, doch viele andere tanzten in der Gruppe um ein magisches Leuchten herum, das ein großes Feuer nachahmte.
Es war eine ausgelassene Feier, auch wenn Zunae erwartet hatte, dass es nach ihrer Krönung Probleme geben würde. Vielleicht sagte niemand etwas, weil sie sogar den Segen des Seelenkatzengottes erhalten hatten.
Für sie war dieser Ort ein Fest an Sinneseindrücken und sie hatte das Gefühl, durch den Himmel zu tanzen.
»Das Kleid steht dir ausgezeichnet«, flüsterte Yelir, als sie sich bei einer Drehung näherkamen, in ihr Ohr.
Zunae errötete etwas und ein verlegenes Lächeln huschte über ihre Lippen. »Ich habe Anui gebeten, die Stile beider Reiche zu kombinieren«, erklärte sie, während sie einen Moment eng mit Yelir tanzte.
Die Schleppe, die sie noch für die Zeremonie getragen hatte, war abnehmbar, sodass sie nun in einem knielangen Rock gut tanzen konnte, ohne irgendwo darüber zu fallen.
»Das kam für alle unerwartet«, gab er zu und gab ihr einen schnellen Kuss auf die Wange.
Seitdem sie diese intimen Momente im Bad geteilt hatten, wollte er mehr und konnte einfach nicht genug von dem Gefühl ihrer Haut auf seinen Lippen bekommen.
Zunaes Herz machte eine kleinen Aussetzer, bevor es schneller weiterschlug.
In dem Moment, als Yelir sie noch fester in den Arm nahm, bemerkte sie das Flackern am Rande ihres Sichtfeldes. Eine tiefe Schwärze, die langsam über ihre Augen kroch.
Das Zeichen dafür, dass eine Vision drohte.
Panisch krallte sie sich in Yelirs Schulter und schnappte nach Luft, doch sie konnte keinen warnenden Ton hervorbringen und musste darauf vertrauen, dass er verstand, was sie sagen wollte.
In dem Moment, in dem Zunae in die Vision gezogen wurde, wurde auch um Yelir und die Gäste herum alles dunkel. Die magischen Lichter flackerten nicht einmal, bevor sie einfach erloschen.
»Halt sie«, wies eine bekannte Stimme Yelir an und kleine Pfötchen legten sich auf seine Schulter.
Chiaki.
Yelirs Herz klopfte, während er sich fragte, was dieser meinte. Er hielt sie doch, aber ...
Ohne großartig darüber nachzudenken, ließ er seine Magie in sie fließen, in der Hoffnung damit zu verhindern, dass sie erneut verschwand. Der Moment war ungünstigt, doch das war seine kleinste Sorge. Was, wenn sie dieses Mal nicht nur verletzt wurde und tot zu ihm zurückkehrte?
Allein die Vorstellung, dass das möglich sein könnte, ließ ihn all seine Kraft nutzen.
Und in diesem Moment änderte sich auch sein Bild.
Die wunderschöne Sternenhalle wandelte sich in einen brennenden Himmel.
Yelir schwebte in der Luft. An sich geklammert Zunae, die nach unten blickte.
Als Yelir ihren Blick folgte, verstand er, warum sie so zitterte.
Feuer fiel aus dem Himmel hinab auf eine Stadt, die Yelir an einen Hafen erinnerte.
Die Schiffe, die am Steg lagen, standen in Flammen und die Menschen schrien, während sie versuchten, im dichten Rauch den Flammen zu entkommen.
»Was ist das?«, flüsterte Zunae, die das Gefühl hatte, ihre Magie würde aus ihr strömen. Mit jeder Sekunde, die verging, spürte sie eine gewisse Erschöpfung. Das hatte sie vorher noch nie gespürt.
»Das sieht aus wie ... Vereven«, bemerkte Yelir atemlos, als er das große Warenhaus entdeckte, das ebenfalls angegriffen wurde.
Doch wo kamen die Feuerbälle her?
Yelirs Blick wanderten in den Himmel und zwischen den Wolken erkannte er drei Silhouetten. Sie sahen seltsam aus, hatten aber eine eher menschliche Form. Aber waren es Harpyien oder Artefakte, die es ermöglichten, zu fliegen? Aber woher kamen dann die Feuerbälle?
Diese Frage wollte er gerade Zunae stellen, als er ein ruckartiges Ziehen spürte.
Sie standen wieder in der Halle, die noch immer völlig dunkel war.
Zunae atmete schwer und lehnte sich schwach an Yelir, der sofort reagierte.
Er hob sie hoch, bevor er seine Magie nutzte, um die überraschten und teilweise panischen Gäste zu umgehen. Direkt auf die Seite zu, wo es Bänke gab, um sich etwas auszuruhen.
Dort setzt er Zunae ab. Erst in diesem Moment erstrahlten die Lichter erneut und ein tiefes, beruhigendes Schnurren ging durch den Raum. Es sollte zeigen, dass keine Gefahr drohte.
Die Leute begannen zu tuscheln, ob es vielleicht eine Art Streich des Gottes war. In den Legenden hieß es, dass der Seelenkater gern scherzte und Streiche spielte, doch niemand hatte das bisher für voll genommen.
Dass das Königspaar nicht mehr auf der Tanzfläche stand, fiel daher kaum jemanden auf.
Das beruhigte Yelir, denn so konnte er einen Moment Zeit für sich und Zunae herausschlagen.
»Was war das?«, fragte Yelir leise, der noch immer Zunae hielt.
»Ich ... weiß nicht. Ich ... hatte noch nie eine derartige Vision«, gestand sie, denn diese hatte nicht ihren Tod gezeigt.
Yelir legte seine Stirn an ihre, um sie zu beruhigen. Zumindest war sie nicht verschwunden. Wenn sie in dieses Meer aus Feuer gestürzt wäre ... Darüber wollte er gar nicht nachdenken. »Vielleicht ... wirst du ja stärker?«, fragte er und erinnerte sich an das Wesen aus Dunkelheit und Sternen, das sich in ihrem Inneren befunden hatte. Das ihren Magiekern umgeben und entschieden hatte, wie viel Magie austrat.
»Vielleicht«, murmelte Zunae, die ein unangenehmes Stechen in ihrem Kopf spürte und leise stöhnte. Sie fühlte sich nach Visionen oft nicht gut, doch das hier war anders. Es fühlte sich an, als wäre sämtliche Kraft aus ihren Knochen gewichen.
»Du solltest dich ausruhen«, sagte Yelir besorgt und strich ihr eine rote Strähne hinter die Ohren.
»Das geht nicht«, murmelte sie. Während dieser Feier konnte sie nicht einfach gehen.
Leider hatte sie recht. Yelir wollte nicht, dass jemand dachte, sie wäre schwach oder überfordert. Daher konnte er ihr auch nicht widersprechen. Stattdessen gab er ihr einen Kuss auf die Stirn. »Dann bleib einen Moment hier sitzen, trink und iss etwas. Ich werde nach Fürst Veren suchen und mit ihm sprechen.« Vielleicht konnte er so herausfinden, ob es bereits Vorfälle gab, die nur noch nicht gemeldet wurden.
Yelir gingen die Bilder nicht mehr aus dem Kopf. Zu sehen, wie seine Heimat derart feige aus der Luft angegriffen wurde, machte ihn wütend. Gleichzeitig hatte er aber auch Sorge, Zunae einfach allein zu lassen. Allerdings wurde es auch von ihm erwartet, dass er begann, mit den Fürsten zu sprechen.
Zunae nickte erschöpft. »Ich wollte sowieso nochmal mit Aaron sprechen. Wenn du ihn siehst, schickst du ihn bitte zu mir?«, bat sie leise. Selbst ihrer Stimme war anzuhören, wie erschöpft sie war.
Yelir strich ihr sanft über die Wange. »Werde ich«, versprach er, bevor er sich von ihr entfernt.
Keiner von beiden bemerkte, dass jemand sie beobachtete und die Zärtlichkeiten, die sie austauschten mit Argwohn betrachtete.
Ariel stand ein Stück abseits und hatte die Hochzeit mit gemischten Gefühlen aufgenommen.
Zunae war eine Schönheit, das konnte sie nicht bestreiten. Ihr exotisches Aussehen schien mehrere Männer in ihren Bann zu ziehen, doch es erklärte nicht, wieso Yelir ihr gegenüber so sanft war und sie sogar zur Mitregentin ernannt hatte.
Als sie in die Burg gekommen war, hatte sie gehofft als Lehrerin der zukünftigen Königin das Interesse des Königs zu gewinnen. Er war der Mann, den sie sich für ihr Leben wünschte, doch egal wie sie es anstellte, er beachtete sie kaum. Sie würde sein Verhalten sogar als abweisend beschreiben. Dabei hatte sie nicht geglaubt, dass die Gerüchte wahr waren. Es hieß, Yelir würde Frauen hassen, weshalb er keinen Harem besaß. Angeblich wäre er auf Männer scharf, doch wieso dann diese Zärtlichkeiten mit der Königin? Auch sein Blick war erfüllt mit Zuneigung.
Ein Anblick, der in Ariel ein unangenehmes Stechen hinterließ. Sie wollte, dass er sie so ansah. Dass er ihr fiese Aufmerksamkeit widmete.
Dazu musste sie aber mehr Zeit mit ihm verbringen und die einzige Möglichkeit war es, weiterhin Zeit mit Zunae, ihrer Konkurrentin, zu verbringen. Ariel war klar, dass sie von Zunaes Wohlwollen abhing, wenn sie in der Burg bleiben wollte.
Also machte sie einen Schritt auf sie zu, um ihr Gesellschaft zu leisten, auch wenn alles in ihr sagte, sie solle Yelir folgen.
Allerdings trat aus der Menge ein Mann, der Ariel innehalten ließ.
Sie kannte Aaron, der aufgrund seines Vaters einen guten Euf besaß. Er hatte über Kavalare geherrscht, bevor die Königin dieses übernommen hatte. Ob er ihr deshalb böse war? Vielleicht konnte sie ihn auf ihre Seite ziehen.
Ariel bemerkte, dass er direkt auf Zunae zutrat und sich dann respektvoll verneigte.
Auch Zunae neigte leicht den Kopf. Eine Geste, die ihrer Position völlig angemessen war. Nur hatte Ariel noch nie gesehen, dass eine Frau sich über einen Mann stellte. Aber bisher hatte es auch noch keine Mitregentin gegeben.
Wäre sie nicht als solche gekrönt wurden, hätte sie sich erheben und knicksen müssen. Immerhin war Aaron ein Fürst. Selbst, wenn er nicht mehr über Kavalare herrschte.
Ariel beobachtete die beiden. Sie ging davon aus, dass Aaron sich darüber ärgerte, so behandelt zu werden, doch als er sich wieder erhob, trug er ein Lächeln zur Schau.
Eine wirklich überraschende Reaktion.
Zunae zog ihr Kleid etwas zur Seite, um ihm Platz auf der Bank zu machen.
Entsetzt sah Ariel zu, wie er sich neben sie setzte.
Beide gingen so vertraut miteinander um, dass sie sich fragte, was da zwischen ihnen lief. War die Übernahme von Kavalare vielleicht nur da, um ihre Beziehung zu Aaron zu verdecken? Damit sie ihn besuchen konnte, ohne Aufsehen zu erregen? Aber dann sicherlich mit Yelirs Hilfe. Wie sonst wäre sie in der Lage Herrin über ein Dorf der Nordlande zu werden?
Ariel versuchte das Gesehene zu verstehen. Hatten die beiden vielleicht eine geheime Absprache?
In der Öffentlichkeit waren sie zärtlich, doch im Geheimen hatten sie einen anderen Liebhaber?
Ariel spürte ein unangenehmes Kribbeln, während sie Zunae und Aaron beobachtete.
Sie lachten leise und unterhielten sich viel. Zu viel für ihren Geschmack.
»Dame Ariel. Ich wusste gar nicht, dass auch Ihr eingeladen seid«, erklang eine Bekannte Stimme und Ariel wirbelte herum.
In einem hellen, aber sittsamen Kleid stand Charlet vor ihr und zwang sich zu einem Lächeln. Fürst Ladvarian hatte sie dazu überredet, der Feier doch beizuwohnen, um die Gelegenheiten, die sich vielleicht boten, nicht zu verpassen, doch so ganz begeistert war sie nicht.
»Lady Charlet«, schnappte Ariel überrascht und knickste sofort. »Geht es Euch besser?«, fragte sie und klang besorgt.
In ihrer Überraschung hatte sie die Anrede genutzt, die eigentlich nur üblich wäre, wenn Charlet mit der Königin auf einer Stufe stände, diese als nicht gekrönt worden wäre. Allerdings störte es Charlet nicht. Im Gegenteil, es schmeichelt ihr.
»Mir geht es besser«, versicherte sie, auch wenn die Wut auf die Königin in ihr noch immer brodelte und Charlet das Gefühl gab, daran zu ersticken. »Genießt Ihr die Feier?«, fragte sie, um sich etwas abzulenken.
Ihre eigene Hochzeit war nicht einmal ansatzweise so pompös gewesen. Es waren nur die Hälfte der Fürsten gekommen und auch das Essen, das aufgetischt worden war, war nicht von der erlesenen Qualität gewesen. Aber damals waren auch harte Zeiten gewesen.
Vermutlich hatte sich Zunae in diesem Punkt eingemischt, um zu zeigen, das ein Frieden Wohlstand bringen würde. Charlet machte sich Sorgen um die Ausgaben der Burg. Yelir hatte dafür kein Händchen und sie durfte diese nicht mehr verwalten. Trotzdem wusste sie, dass nicht genügend Geld für ein derartiges Fest vorhanden war.
Charlet erinnerte sich an die Kutschen mit den Geschenken und das viele Geld in den Truhen. Es war eine Verschwendung, dass nur die Königin Zugriff darauf hatte. Sie glaubte auch nicht, dass Yelir einen Teil seines Geschenks für den Harem nutzen würde. Das hieß Charlet würde leer ausgehen. Sie war die Einzige, die von dieser Heirat nicht profitierte. Im Gegenteil. Sie hatte nur zu verlieren.
»Es ist ein ... Interessantes Fest«, gestand Ariel ausweichend. »Ich war noch nie bei einer Hochzeit, aber ist es üblich, dass die Braut gleich nach dem Tanz mit dem Bräutigam mit einem anderen Mann schekert?«, fragte Ariel ganz unbefangen. Sie kannte sich mit derlei Festen immerhin nur in der Theorie aus.
Charlets Blick wurde überrascht, bevor sie nachdenklich wurde.
»Was meint Ihr damit?«. fragte Charlet, die sofort ihre Chance witterte.
Ariel, die nichts Böses seitens der Königsmutter ahnte, begann ihr davon zu erzählen, was sie gesehen hatte.
Charlet lauschte, wägte ab und traf dann eine Entscheidung. Vielleicht hatte Fürst Ladvarian Recht gehabt und es war eine gute Idee gewesen, doch noch das Fest zu besuchen.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro