Das Mysterium

Doch das war bei weitem noch nicht alles, was es über Sydney Johnson zu erzählen gab.

Wie bereits erwähnt war sie ein Mysterium in sich. Jeder erzählte anders von ihr und doch deckten sich ihre Aussagen. Sie alle beschrieben das Badgirl, doch keiner beschrieb je Sydney.

Sie waren zu oberflächlich, wie blind. Sie sahen nur, was sie sehen wollten. Nahmen alles hin, ohne es zu hinterfragen. Einfach weil es einfacher war. Doch so bin ich nicht. Ich hinterfrage alles, immer und immer wieder.

Aber noch viel wichtiger: Ich hatte mir damals vorgenommen mir ein eigenes Bild von ihr zu machen. Zumindest wollte ich es versuchen.

Jedoch konnten so ein paar Meinungen anderer nicht schaden. Und zum Glück bekam ich direkt in der Mathestunde meine nächste Gelegenheit an Informationen zu gelangen. Und das waren vielleicht die wichtigsten Dinge, die ich je über Sydney Johnson gehört hatte.

Die Mathestunde zog sich dahin wie ein nicht enden wollender Kaugummi. Gedankenverloren starrte ich geradeaus, wo ganz zufälligerweise das Badgirl saß, während ich mit dem kleinen Zettel in meiner Hosentasche spielte. Und je länger ich so vor mich hin grübelte, desto sicherer wurde ich mir.

Tim hielt eindeutig nichts von dem Badgirl, aber ich saß ja schließlich nicht ohne Grund neben Jonas. Er schien zwar auch nicht gerade gut auf sie zu sprechen zu sein, dennoch dachte er eher sachlich und Tatsachen waren immerhin das, was ich wissen wollte.

Ja, ich bin gut darin, dich auf die Folter zu spannen, nicht wahr? Du willst wissen, was genau ich denn jetzt erfahren habe und dich interessiert das Ganze drum herum nicht wirklich, stimmts? Na gut, im Endeffekt ist es sowieso das wesentliche was zählt.

"Wieso macht Sydney so etwas?", raunte ich Jonas zu und er verdrehte die Augen.
"Du bist also immernoch mit dem Badgirl dran", stellte er missmutig fest und seufzte. "Im Endeffekt ist es egal wieso, sie tut es. Das hat alles angefangen, als wir 14 waren. Da hatte sie ihre erste Nacht mit Tim, von dem sie ganz genau wusste, dass er seit geraumer Zeit in sie verknallt war. Sie hat ihm schöne Augen gemacht, ihm die große Liebe vorgegaukelt und nachdem sie miteinander geschlafen haben hat sie ihn abserviert wie eine heiße Kartoffel. Sie genoss die Aufmerksamkeit und es hat ihr gefallen, die Schwachen naiven Jungs auszunutzen, sie zu zerstören. Irgendwann hat sie sich auch an die Badboys rangetraut und wie sie heute ist weißt du wahrscheinlich schon."

Ziemlich krass, findest du nicht? Für mich war es auf jeden fall unbegreiflich, wie sie so etwas tun konnte und jetzt glaubte ich noch viel weniger, dass sie das alles nur tat um Spaß zu haben.

Und genau deshalb war ich mir nun sicher, dass ich hingehen würde. Sie würde versuchen mich rumzukriegen, aber ich würde einfach standfest bleiben. Das wäre vielleicht meine beste Möglichkeit ihre Gründe heraus zu finden.

Und so gut wie dieser Plan für mich damals klang, klingt er auch heute noch. Es leuchtet ein. Sydney hätte ihren Willen sowieso nie geändert. Ich musste es einfach nur zu meinen Gunsten ausspielen.

Jedenfalls hatte Jonas noch eine Information für mich: "Aber Tobias, viele Jungs würden gerne etwas mit ihr haben. Doch das interessiert sie nicht. Das Badgirl sucht sich aus, wen sie will. Solange sie dich nicht aussucht hast du nicht die geringste Chance. Sorry Bro."

Ich weiß noch ganz genau, wie ich leicht grinste und Jonas unter dem Tisch einen Blick auf den fein ordentlich gefalteten rosa Zettel mit der schönen Schrift werfen ließ.

"Oh doch, ich denke genau die habe ich."