Kapitel 2
Das Badgirl
Vor allem an diesem besagten ersten Schultag drängten sich viele Schüler um mich, sodass ich beinahe glaubte, die komplette Schule würde sich versammeln mit mir im Zentrum. Dass ich mich unwohl mit dieser Aufmerksamkeit gefühlt habe, wäre bei Weitem untertrieben. Ich wurde mit Fragen nur so überschüttet und mit einigen neuen Gesichtern konfrontiert, von denen mir jedoch keines wirklich in Erinnerung blieb. Doch Sydney fragte mich nichts. Sydney stellte sich mir nicht vor.
Das war wirklich ziemlich deprimierend, weißt du? Ich hatte wirklich ein Auge auf sie geworfen. In welcher Art und Weise sei vorerst einmal dahin gestellt, das wusste ich zu dem Zeitpunkt noch nicht. Eines war jedoch sicher: Sie weckte mein Interesse und ich wollte mehr über das Badgirl erfahren.
Nach der Schule verschwand ich so schnell wie möglich, da mich noch immer eine Traube von Menschen mit Fragen löcherte und es mir langsam wirklich zu Kopfe stieg. Ich sehnte mich nach einigen Momenten Ruhe, bevor ich Zuhause von meinen Eltern ebenfalls mit einem Verhör über den ersten Schultag konfrontiert würde.
Also entschied ich mich für den Umweg durch den nahe gelegenen Park, wohin mir wohl keiner folgen würde. Und das stellte sich als eine verdammt gute Idee heraus.
Kaum erreichte ich eine Baumgruppe, verlangsamte ich aprubt meinen Schritt. Etwas, oder besser gesagt jemand, hatte meine Aufmerksamkeit erregt. Das Badgirl lehnte alleine lässig an einem Baum, während sie den Rauch ihrer Zigarette in die Luft blies, welche sie gespielt geschäftig zwischen ihren Fingern drehte. Ihr Blick fiel auf mich und ihr Gesicht zierte erneut dieses provokante Grinsen, welches sie mir bereits im Klassenzimmer geschenkt hatte. Geschickt trat sie ihre Zigarette aus und kam zielstrebig auf mich zu stolziert.
Was auch immer sie vor hatte: sie schien sich ihrer Sache sicher. Ich hingegen hatte keine Ahnung was ich tun sollte. Du kannst dir nicht vorstellen, wie verunsichert ich in dieser Situation war. Ich hatte schließlich keine Ahnung was sie wollte! Ich kannte sie genauso wenig, wie sie mich. Weshalb sollte sie also irgendetwas von einem Isolation liebendem Menschen wie mir wollen? Und, was noch viel wichtiger war: wie sollte ich mit ihrer Aufmerksamkeit umgehen?
Knapp einen Meter vor mir blieb sie stehen und richtete ihre Kappe, die sie am heutigen Tag auf dem Kopf trug. Mir blieb nichts anderes übrig, als ebenfalls zu stoppen. Mein Blick traf den ihren. Sie hatte ohne Frage wunderschöne Augen. Es war kein blau und auch kein grün. Ozean-türkis würde es am besten beschreiben, wobei es für solch eine Schönheit eigentlich gar keine Worte gibt.
Doch der Gestank nach Rauch überdeckte diesen schönen Anblick. Ich hasste es - das hat sich bis heute nicht geändert. Und da mein Gehirn in dem Moment ohnehin abgeschaltet hatte und ich die Stille irgendwie durchschneiden wollte, deutete ich einfach auf die Stelle, wo ihr Zigarettenstummel noch leicht vor sich hin kokelte. "Warum rauchst du?"
Diese Frage schien sie sichtlich zu überraschen. Sie zuckte einen Schritt zurück, als hätte ich ihr gedroht oder sie direkt angegriffen. Unsicherheit legte sich für den Bruchteil einer Sekunde auf ihr Gesicht, bevor ihre Züge wieder selbstbewusst wurden.
"Du bist der Neue, oder?", überging sie das Thema geschickt.
Doch ich bin ein von Grund auf sturer Mensch, musst du wissen. Trotzig nickte ich und verschränkte die Arme vor der Brust.
"Wieso rauchst du?", wiederholte ich fordernd. Diesmal zuckte sie jedoch bloß mit den Schultern und starrte auf ihren Fuß, der gelangweilt in der Erde herum scharrte. "Es macht Spaß."
Ich lachte leicht auf. "Wenn du deine Zigarette wegwirfst, nur um mit dem Neuen zu reden, scheint es ja doch nicht so viel Spaß zu machen."
Woher ich den Mut für dieses ganze Gespräch nahm fragst du dich? Nun, darauf habe ich selbst keine Antwort. Vielleicht, machte es mir zu diesem Zeitpunkt nicht viel aus, weil ich viel zu wenig über sie wusste. Vielleicht verlieh mir meine Überforderung jedoch auch einfach einen Adrenalin-Schub. Was es auch war, ich bin dankbar dafür.
Jedenfalls hatte das gesessen. Sie sah mich vollkommen verwirrt an. Heute weiß ich, dass niemand je in Frage stellte, was sie tat. Es war einfach so und das hatte jeder zu akzeptieren. Doch ich war offensichtlich nicht wie die Anderen. Ich hinterfragte das Rauchen. Ich hinterfragte die Art, wie sie sich der Öffentlichkeit präsentierte. Aber vorallem hinterfragte ich ihren Ruf, die Titel, die ihr verliehen wurden.
Ich weiß zurückblickendend, dass sie damals die Augen verengte und "Weißt du eigentlich, wer ich bin?", zischte, bloß um ihre Unsicherheit zu überspielen. Doch ich hatte bereits damals vermutet, dass sie nicht so schlecht war, wie über sie geredet wurde.
Denn ich bin und war schon immer der festen Überzeugung, dass kein Mensch von Grund auf böse ist, sondern dass hinter jeder Verhaltensweise ein Grund oder zumindest ein Auslöser steckt.
Und seit ich das Badgirl rauchend in diesem Park traf, wollte ich ihren Grund, ihren Auslöser für dieses Verhalten wissen.
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