Kapitel 1
Der erste Tag
An meinen ersten Tag auf der neuen Schule kann ich mich erinnern, als wäre es gestern.
Diese seltsamen Blicke der anderen Schüler, die mich überall verfolgten und von jedem nur als der Neue betitelt zu werden haben mich, zugegebener Maßen, doch ein wenig verunsichert und nervös gemacht.
Ich glaube, das müsste auch der Tag gewesen sein, an dem ich realisiert habe, dass mir die Meinung anderer vielleicht doch nicht so egal ist, wie ich immer geglaubt hatte.
Weißt du, es ist ein seltsames Gefühl, wenn von einem Tag auf den Anderen alles, was dich auszeichnet (und mein, vielleicht ein wenig zu stark ausgeprägtes Selbstbewusstsein, war wirklich das, was mich all die Jahre ausgezeichnet hatte) auf einmal nicht mehr existiert. Aber ich denke, so etwas passiert nun einmal in extremen Situationen. Und diesen plötzlichen Wohnortswechsel würde ich schon als Extremsituation bezeichnen.
Ob es nun der Umzug an sich, die neue Schule oder Sydney Johnson war, werde ich wohl im Endeffekt nie wissen, aber ich habe mich verändert. Von Grund auf sogar.
Ich sehe schon, das alles interessiert dich nicht wirklich. Du willst wissen, was es mit dieser Sydney Johnson auf sich hat, die ich dir gegenüber schon erwähnt habe, nicht wahr?
Nun gut, dann fang ich wohl am besten von vorne an...
Am meisten interessiert dich bestimmt, wie ich sie kennengelernt habe, schließlich ist das vermutlich der Schlüsselpunkt, richtig? Doch ich muss dich leider enttäuschen. Besonders spektakulär war unser Zusammentreffen wirklich nicht.
Wie gesagt, es war mein erster Schultag und ich kannte selbstverständlich noch niemanden. Allerdings erwischte ich einen Sitzplatz neben einem echt netten Jungen, Jonas. Ich würde ihn auch heute noch als meinen besten Freund bezeichnen.
Aber das ist an diesem Punkt auch erstmal nicht weiter wichtig. Jedenfalls klingelte es gerade zum Anfang der Stunde und unser Klassenlehrer bat mich, mich kurz der Klasse vorzustellen. Das kennt man ja, etwas ganz Normales, wenn man neu dazu kommt. Ich hatte es auf meiner alten Schule oft mitbekommen, doch nun kam auch ich in diese Situation, die ich nicht gerade als Genuss bezeichnen würde.
"Uhhm ja... ich bin Tobias. Tobias Flint. Ich komme aus..." In dem Moment wurde die Tür aufgerissen. Und das ist dann auch schon der Augenblick, auf den du gewartet hast. Sie kam herein. Perfekt gestylt, unschuldiger Blick, süßes Makeup und hübsche Haare.
Auch wenn ich damals noch keine Ahnung hatte, wer sie war und dass sie einmal eine große Rolle in meinem Leben spielen würde - sie erregte meine Aufmerksamkeit sofort. Als Einzige. Eine von knapp 30 Schülern. Doch sie hatte diese Aura, die wohl alle Jungen anzog. Sogar mich.
Jedenfalls, während sie ohne jegliche Entschuldigung zu ihrem Platz stolzierte, fiel ihr Blick auf mich, den Neuen. Abschätzig sah sie an mir hinab, bevor sie mich schließlich zufrieden angrinste und in der Sitzreihe vor mir Platz nahm.
Meine Selbstvorstellung rückte in den Hintergrund. Während unser Lehrer dieses mysteriöse Mädchen ausschimpfte, beugte ich mich leicht zu Jonas hinüber. "Wer ist sie?", flüsterte ich. Dieser lachte jedoch nur falsch auf und sah mich mit diesem warnendem Blick an, der mir viele Zweifel einbrachte. "Sydney Johnson, das bekannteste Mädchen der Schule. Die schlägst du dir besser aus dem Kopf. Das ist das Badgirl. An ihr hat sich jeder bloß die Finger verbrannt."
Ich schwieg und betrachtete sie, wie sie die Standpauke des Lehrers gleichgültig über sich ergehen ließ.
Sydney Johnson also.
Es war schon irgendwie seltsam. Wir beide hatten unsere Titel, unsere Gefängnisse, die uns als etwas klassifizierten, die uns im gewissen Maße unsere Identitäten nahmen. Diese Titel, denen wir beide mehr oder weniger gerecht wurden.
Sydney Johnson, das Badgirl. Das Mädchen, das auf eine seltsame Art und Weise mein Interesse weckte.
Und so beobachtete ich sie die ganze Stunde. Und ich glaube, seit dem Tag habe ich sie immer beobachtet.
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