"Die Wölfin und der Hirsch"
Arya konnte Königsmund riechen, ehe sie die Hauptstadt sah.
„Diese Stadt stinkt schlimmer als ein totes Pferd.", keuchte Sarella Sand, die neben ihr Ritt.
„Und es wird noch schlimmer.", meinte Arya. „Der Gestank im Flohloch ist so schlimm, das ich am Liebsten zurück zu den Lennister gegangen wäre."
„Dann hättest du diese Schlampe Cersei umbringen können," sagte Tyene Sand, „Hätte deiner Familie eine Menge Ärger erspart."
Arya lächelte traurig, gab ihrem Pferd die Sporen und führte es zum Fluss. „Kommt. Ich will den Schwarzwasser so schnell wie möglich überqueren." Arya lenkte ihr Pferd den Hügel hinunter zum Ufer des Schwarzwasser. Tyene Sand und Sarella Sand, zwei der jüngeren Töchter von Oberyn Martell, folgten ihr.
Doch den Fluss zu überqueren war schwieriger als sie gedacht hatten. Den ganzen Tag versuchten Arya und ihre Freundinnen eine Passage über den Schwarzwasser zu bekommen. Ohne Erfolg.
„Das kann doch nicht sein.", frustriert ließ Tyene ihren Becher auf den Tisch knallen. Die drei hatten sich in einem Gasthaus, am Südufer des Schwarzwasser einquartiert. Im Schankraum war es voll und es wimmelte vor Knappen und Waffenknechten. Dicker Rauch hing in der Luft und Laute Stimmen dröhnten in Aryas Ohren.
„Es gibt keinen einzigen Fährmann, der uns über den Schwarzwasser bringen kann.", fauchte Tyene. „Nur die Königliche Flotte darf den Fluss durchqueren. Die haben hier alle Angst vor der Invasion."
„Vielleicht sollte ich mit den Männern reden," schlug Arya vor. „Ich will dir nicht auf die Füße treten Tyene, aber der Namen Martell hat nicht mehr den besten Ruf, seitdem Fürst Doran sich Daenerys angeschlossen hat. Ich bin eine Stark und meine Mutter ist König Renlys Königin. Das könnte helfen."
Die beiden Sandschlagen sahen sie skeptisch an. Dann sah Tyene plötzlich zur Seite und grinste. „Ich glaube da ist jemand, der uns Helfen könnte.", sie deutet mit dem Kelch auf die Tür des Gasthauses.
Arya drehte den Kopf und entdeckte Loras Tyrell. Der Ritter der Blume hatte das Gasthaus betreten. Er ging zur Theke und warf eine Münze auf den Tisch. Wütend ließ er seinen Helm auf den Tisch fallen.
„Wartet hier.", wies Arya ihre Freundinnen an. Dann stand sie auf und setzte sich neben Loras. „Das geht auf mich.", sagte sie und legte eine Münze auf den Tisch.
Loras sah sie überrascht an. „Arya? Arya Stark?"
„Die einzig Wahre," sie lächelte ihn an.
Loras erwiderte ihr Lächeln nur zögerlich. „Ich dachte, du wärst in Dorne," sagte er misstrauisch.
Arya seufzte genervt. „Frag nicht. Ich kann dir nicht sagen, was Doran, Oberyn, oder Jon vor haben. Ich bin hier, um meiner Mutter beizustehen."
Loras schloss kurz die Augen. „Tut mir Leid. Aber die Situation mit deiner Familie ist schwierig. Dein Halbbruder, der sich jetzt Targaryen nennt, dient der Eroberin. Deine Mutter ist Renlys Königin und dennoch weigert sich Robb und zu helfen. Und du warst das ganze letzte Jahr in Dorne, das jetzt auch gegen Renly rebelliert."
Arya hob ihren Kelch. „Mir ist dieser Krieg egal. Ich will nur zu meiner Mutter."
Loras kniff misstrauisch die Augen zusammen. „Und deine beiden Dornischen Freundinnen da hinten? Das sind doch Bastardtöchter der rote Viper. Bist du dir sicher, das sie keine geheime Mission haben? Vielleicht den König zu töten?"
Arya widerstand dem Drang, sich zu Tyene und Sarella umzudrehen. „Wir sind seit drei Monaten unterwegs, Loras. Wir sind dem Dornischen Heers und dieser Kompanie aus Essos aus dem Weg gegangen. Keiner von uns hat mit deinen Feinden gesprochen," sie packte Loras am Arm, „Hör mir zu. Ich weiß, dass du etwas für Renly übrig hast. In Dorne ist das nicht schlimm. Dort wird das nicht so verurteilt wie nördlich der Roten Berge.
Ich schwöre dir: Ich will weder dir noch Renly schaden. Bring mich einfach nur in die Stadt. Ich schicke meine Freundinnen zurück nach Süden, wenn es das ist, was du willst. Aber ich bitte dich: Bring mich zu meiner Mutter."
Loras sah sie mit gerunzelter Stirn an. „In Ordnung. Ich bringe dich rüber. Deine Freundinnen dürfen dich begleiten, aber ihre Waffen nehme ich. Ich vertraue dir, aber ihnen nicht."
Arya lächelte. „Danke, Loras", sie wollte schon aufstehen, doch die Neugier packte sie. „Du bist doch der Marschall der Weite. Und du solltest doch diesen Ritterorden aufbauen. Warum bist du hier und nicht bei deinen Truppen?"
Loras musterte sie und warf dann einen Blick zu Tyene und Sarella. Die beiden tranken ihr Bier und unterhielten sich leise, ohne zu ihnen rüber zu sehen. „Ich habe das Amt abgegeben. Ich will in der Stadt sein, wenn der Angriff kommt. Die Truppen der Weite sammeln sich. Aber nicht schnell genug. In Königsmund hat Renly zehntausend von Hohenturms, Tarlys und Tyrells. Genug, um Königsmund monatelang zu halten. Zumindest, gegen normale Armeen", er beugte sich zu ihr herunter. „Du hast die Drachen der Targaryen gesehen. Haben wir eine Chance?"
Arya zögerte. Ihr Gewissen meldete sich. „Die Drachen sind riesig. Ich habe Geschichten von Geflüchteten gehört, von Greifenhorst und Sturmkap. Wie sie alles abgebrannt haben."
„Hältst du sie für übertrieben?"
Arya schüttelte den Kopf. „Nicht mal ansatzweise."
Loras Schultern vielen nach Unten. „Dann haben wir keine Chance." Er trank sein Bier in einem Zug aus und stand auf. „Ich überquere den Fluss bei Sonnenuntergang. Wenn du mit kommen willst, dann triff mich am Kai. Wenn nicht, dann bezahle ich dein Zimmer. Aber wenn ich dir einen Rat geben darf: vergiss Königsmund. Ich werde deine Mutter und Margaery aus der Stadt bringen. Nach Rosengarten, oder Altsass. Wenn du klug bist, dann gehst du mit ihnen. "
Arya sah Loras nach, während er das Gasthaus verließ. Dann stand sie auf und ging zurück zu ihrem Tisch.
„Lass mich raten: Wir müssen unsere Waffen abgeben?", sagte Tyene.
„Warum trägst du auch immer ein Dutzend Messer bei dir?", kicherte Sarella.
„Als wären deine Stilette unauffälliger.", gab Tyene zurück.
„Loras bringt uns über den Fluss.", erklärte Arya. Auf die Kabbelei der beiden hatte sie keine Lust. „Bei Sonnenuntergang sind wir drüben.", sie nahm ihren Kelch und trank in einem Zug aus. Dabei versuchte sie den bitteren Geschmack herunter zu spülen, dass sie nicht nur wegen ihrer Mutter in die Stadt wollte.
Die Dromone 'Hirschkönig' brachte Arya und ihre Begleiterinnen auf die andere Seite des Schwarzwassers. „Soll ich euch gleich zu Königin Catelyn bringen?", fragte Loras, als er mit seinen Männern die Hirschkönig verließ.
„"Nein. Es reicht, wenn ihr uns nur bis zum Bergfried bringt,", antwortete Arya.
Loras besorgte ihnen Pferde und sie ritten durch die Stadt zum Roten Bergfried. Loras hatte zweihundert Ritter aus der Weite mitgebracht, die in ihren stählernen Rüstungen beeindruckend wirkten. Alle hatten ein kleines Gefolge aus Knappen und Dienern dabei und somit waren sie fast fünfhundert Mann.
Arya beobachtete die Menschen, die sich in die Gassen drückten, als die Männer durch die Straßen marschierten. Sie war bereits zweimal in Königsmund gewesen. Das erste Mal war sie mit ihrem Vater hergekommen, der gerade zur Hand des Königs ernannt worden war. Das zweite Mal war sie gekommen als Halt auf ihrem Weg nach Sonnspeer. Dabei hatte sie auch Sansa im Rabenhorst besucht. Damals hatte Arya geglaubt, alles würde besser werden.
Doch jetzt schienen die Bewohner von Königsmund alle Hoffnung verloren zu haben. Sie wirkten mutlos. Die Blicke waren gesenkt, die Stimmen leise. Selbst die Freier der Huren, in der Straße der Seide, wirkten nicht glücklicher.
Arya seufzte. Bei ihrem letzten Besuch in Königsmund, hatte sie geglaubt, alles würde gut werden. Doch jetzt schien es so, als würde sich alles wiederholen, was sie im Krieg der Fünf Könige erlebt hatte. Nur dass es dieses Mal Jon war, der den Frieden bedrohte. Er und seine neue Königin.
An den Toren des Roten Bergfrieds, stieg Loras ab. „Ich werde mich mit dem König treffen. Soll ich der Königin sagen, das du hier bist?"
Arya schüttelte den Kopf. „Danke für eure Hilfe, Ser Loras. Ich werde sie selber suchen."
„Von mir aus. Aber ich lasse Zimmer für dich und deine Freundinnen herrichten," sagte Loras und führte seine Männer in die Kaserne der Stadtwache, die an der Mauer des Roten Bergfrieds lag.
Arya beobachtete, wie die Ritter sich mit den Männern der Stadtwache unterhielten und ihre Plätze einnahmen.
Und dann sah sie ihn.
Gendry Wasser, Robert Baratheons letzter lebender Bastard. Er trug den goldenen Umhang der Stadtwache und den Hirsch von Haus Baratheon auf der Brust. Er wirkte glücklich. Die Männer um ihn herum, sahen zu ihm auf und klopften ihm auf die Schulter.
„Ist er das? Er sieht gut aus.", flüsterte Tyene.
Sarella verpasste ihrer Halbschwester einen Schlag gegen die Schulter. „Der gehört unserer Wölfin, süße Schwester. Komm. Bringen wir die Pferde weg und suchen unsere Zimmer."
Arya ließ das Getuschel der beiden Sandschlangen unkommentiert. Sie beobachtet wie Gendry sich von seinen Männer verabschiedete und im Bergfried verschwand.
„Kümmert euch um die Pferde.", sagte er zu Tyene und Sarella. Die beiden kicherten, doch Arya ignorierte sie.
Lautlos verfolgte sie Gendry durch die Gänge. Er schien es gut zu haben und respektiert zu werden. Die Diener verneigten sich respektvoll vor ihm und die Waffenknechte und Ritter schlugen ihm auf die Schulter. Verborgen in den Schatten beobachtete sie, wie er in seinen Gemächern die Kleider wechselten und mit einfachen Lederklamotten seinen Weg fortsetzte.
Gendry stieg auf dem Weg einen der Türme hinauf. Dort legte er seine Hände auf den breiten Steinen ab und starrte hinab auf Königsmund, den Königswald, den Schwarzwasser und die Schwarzwasserbucht. Die zehn königlichen Dromonen kreuzten auf dem dunklen Wasser. Ihre goldenen Segel leuchteten im Licht der untergehenden Sonne.
Arya drückte sich in eine Säule und beobachtete weiter. Sie hatte so gerne wieder mit Gendry reden wollen, doch jetzt, brachte sie nicht den Mut auf.
Gendry stand stundenlang auf dem Turm und starrte durch die Gegend. Selbst als die Sonne endgültig unterging und es endgültig Nacht wurde. Bis zur Stunde des Wolfes, als die Nacht am dunkelsten war, tat Gendry nichts, außer hinaus zu starren.
Die Sterne blinkten am dunklem Himmel und der Mond verwandelte den Schwarzwasser in flüssiges Silber, als Arya all ihren Mut gesammelt hatte. „Gendry?", flüsterte sie leise.
Gendry fuhr herum. „Was zum? Arya!", rief er laut aus.
Arya lächelte. „Ich bin es. Leibhaftig.",
Gendrys verdutztes Gesicht, verwandelte sich in ein strahlendes Lächeln. Dann kam er auf sie zu und zog sie in eine Umarmung. „Bei den Sieben! Es ist so schön, dich wieder zu sehen. Ich wusste nicht, das du in Königsmund bist."
Arya genoss die Umarmung. „Eigentlich wollte ich auch noch bis zum Wintereinbuch in Dorne bleiben. Doch die Dinge, die passiert sind, haben mich meine Meinung ändern lassen."
Gendry sah sie an und legte den Kopf auf die Seite. „Renly hat berichtet, das dein Halbbruder, Jon Schnee und seine Drachenkönigin in Dorne haltgemacht haben. Hat er dir irgendetwas berichtet?"
Aryas Lächeln verschwand. Die gleiche Frage hatte Loras ihr schon gestellt. „Ich interessiere mich nicht für Politik.", schnaubte sie. „Im Grunde ist es mir egal, wer auf diesem verdammten Eisenstuhl sitzt. Der Thron hat dafür gesorgt, das mein Vater gestorben ist. Ich wollte nur zu meiner Mutter."
„Das verstehe ich.", sagte Gendry. Dann runzelte er die Stirn. „Und hast du schon mit Königin Catelyn gesprochen?"
Arya wich seinem Blick aus. „Nein.", sagte sie schnell.
Gendry musterte sie. „Du bist direkt zu mir gekommen? Seit wann bist du in Königsmund?"
„Seit Sonnenuntergang.", antwortete Arya zögerlich. Sie hatte so gerne mit Gendry reden wollen, doch jetzt, wo sie ihm gegenüber standen, fehlten ihr die Worte.
„Seit Sonnenuntergang? Ich stehe seit Stunden, hier auf dem Turm und du warst noch nicht bei deiner Mutter. Hast du mich die ganze Zeit beobachtet?" fragte Gendry amüsiert.
Arya wurde dunkelrot und sie senkte beschämt den Kopf.
Gendrys Lächeln verschwand. „Hey. Arya.", er nahm sanft ihre Hand. „Als wir uns das letzte mal gesehen haben, habe ich dir gesagt, das ich auf dich warten würde. Wir haben so viel erlebt und wir waren beide beinahe noch Kinder. Aber du warst mir immer wichtig."
Aryas Lippe zitterte und ihre Zunge war so schwer wie ein Granitblock. „Ich... Ich habe... In den Monaten in Dorne da... Ich habe so viel gelernt. Über das Kämpfen. Ich könnte die Hälfte aller Gauner im Flohloch in einen Topf Braunes verwandeln. Doch die Zeit dort hat mir auch anderes klar gemacht. Ich habe gesehen, wie Trystan mit Myrcella umgegangen ist und wie Oberyn seine Mätresse behandelt hat. Und da... da habe ich..."
Verdammt! Warum ist das so schwer?
„Du hast dir vorgestellt, wie das Leben ist, wenn du deinen Dolch an den Nagel hängst," erriet Gendry ihren Gedanken. Er lehnte sich an eine Mauer. „König Renly hat es mir nie direkt gesagt, aber er will mich zum Lord von Sturmkap machen. Zuerst habe ich das Angebot angenommen, weil ich dachte, es würde mir helfen, dich zu beeindrucken" er musste über den Gedanken lachen. „Das war eine alberne Idee. Ich weiß, dass dich Titel und Ränge nicht beeindrucken. Das hat mir aber zu denken gegeben. Ich werde König Renlys Angebot annehmen. Nicht um dich zu beeindrucken, sondern für mich. Ich will mir etwas aufbauen. Flohloch. Die stählerne Gasse. Sogar die Hurenhäuser. Das war mein Zuhause. Ich habe die Menschen gesehen, wie dreckig es ihnen zum Teil geht. Als Lord vom Sturmkap, kann ich den Menschen helfen.", er griff erneut nach ihrer Hand. „Ich würde es am liebsten mit dir an meiner Seite machen. Du warst mit dabei, in Harrenhal, bei der Bruderschaft. Du weißt, wie es im Krieg zugeht."
Arya hatte Gendrys Rede stumm gelauscht. Nun musste sie etwas sagen. Doch sie wusste nicht was. So unsicher hatte sie sich nicht einmal gefühlt, als sie Lord Tywin Lennister, dem damals mächtigstem Mann in Westeros, als Mundschenk gedient hatte.
„Ich weiß, was du meinst.", sagte sie stotternd. „Ich wollte immer nur meine Familie beschützen. Das war mein Ziel. Das habe ich damals Margaery versprochen, als ich zu meiner Familie zurückgekehrt bin. Doch meine Zeit in Dorne hat mir gezeigt, das es auch anders geht," sie hob den Blick und sah in Gendrys strahlendblaue Augen, die sie sanft ansahen. Mit trockener Kehle, redete sie weiter. „Dein Traum ist wundervoll. Und ich würde dir gerne dabei helfen. An deiner Seite. Mit dir gemeinsam.", Zögerlich, hob sie weiter den Kopf. Sie wusste nicht was sie tat, sie folgte einfach nur ihrem Herzen.
Und im Licht des vollen Mondes, küsste sie Gendry. Es war ihr erster Kuss. Und es war wundervoll. Ein Lächeln schlich sich auf ihre Lippen und sie fühlte sich glücklich.
Dann hörte sie das Brüllen eines Drachen. Und sah das rote Leuchten von Drachenfeuer.
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