"Die Sonne von Dorne"
Arianne hatte Dornes Sonne vermisst. Sie hatte zwar die letzten vier Jahre in Lys, Volantis und Meereen gelebt, alles Städte, die von Hitze geplagt wurden, doch es war nie wie in Dorne. In Lys war die Sonne wie die Frauen: Süß und sanft, angenehm, aber irgendwann auch langweilig. In Volantis war die Sonne erdrückend. Feucht und klebrig. In Meereen erinnerte die Sonne immer an das Joch der Sklavenhalter. Nur in Dorne war die Sonne wie die Heimat. Sie spendete Licht und gab den Menschen Schutz.
Arianne lehnte sich auf ihrer Bank zurück. Das leise Plätschern des Wassers, das in den Wassergärten immer zu hören war, erinnerte sie an die Geburt ihrer Töchter. Mitten auf hoher See, irgendwo zwischen den Ruinen von Valyria und den Sommerinseln, hatten bei ihr plötzlich die Wehen eingesetzt. Umgeben von Männern, Meer und Ratten, hatte sie ihre Kinder zu Welt bringen müssen. Jon war nicht bei ihr gewesen. Er hatte mit seinem Drachen Ausschau nach möglichen Feinden gehalten. Nur Missandei, Daenerys Freundin und Vertraute und Septa Lemore, hatten ihr helfen können. Es war eine schwere Geburt. Fast zwei Tage hatte Arianne in den Wehen gelegen, bis sie ihre erste Tochter bekommen hatte. Doch das war noch nicht das Ende gewesen. Als Jon am Abend des zweiten Tages, endlich wieder auf dem Schiff eingetroffen war, hatte sie nicht ein Mädchen, sondern zwei in ihren Armen gehalten. Zwei süße kleine Mädchen, mit schwarzen Haaren und zarten lila Augen. Jon war auf die Knie gefallen und hatte Tränen des Glücks geweint. Noch nie hatte sie ihn so glücklich gesehen.
Arianne sah hinunter. Die kleine Elia war an ihrer Brust eingeschlafen. Lächelnd wischte Arianne ihrer Tochter den Mund ab, bedeckte sich wieder und wiegte Elia langsam, wobei sie leise ein dornisches Lied summte. Ihre Töchter waren inzwischen fast sechs Monate alt. Bei der kleinen Lyanna kamen sogar schon die Zähne durch und sie kaute gerne auf Dingen herum. Am liebsten auf dem Dolch, den Arianne von ihrer Base Nymeria Sand bekommen hatte.
Die Zwillinge schliefen in kleinen Betten im Schatten der Wassergärten. Zwei Ammen kümmerten sich ständig um sie, doch Arianne säugte ihre Töchter noch immer am liebsten selber. Sie liebte es, ihre Kinder in den Armen zu halten.
„Sie sind so groß geworden, Prinzessin.", sagte eine der beiden Ammen.
Arianne lächelt und strich Lyanna über die seidigen, dunklen Haare. „Sie sind perfekt.", murmelte sie. Nie im Leben, hatte sie sich vorstellen können, einen Menschen so zu lieben.
Ein Diener trat leise an sie heran. „Prinzessin. Ein Rabe ist von Drachenstein gekommen."
Arianne nahm das Pergament an sich. Das rote Wachssiegel, war mit einem Drachenkopf verziert. Ariannes Atem ging schneller. Jon hatte ihr einen Brief geschickt! Aufgeregt schickte sie den Diener weg und setzt sich zwischen die Wiegen ihrer Töchter. „Euer Vater hat uns einen Brief geschrieben, meine Süßen." Sie entrollte das Papier und las die Zeilen, die in Jons eigener, grober Handschrift verfasst waren.
"Meine liebste Arianne,
Wir haben die Schlacht um Winterfell gewonnen. Doch es ist noch nicht vorbei. Lady Melissandre hat ihr Leben geopfert, um den Nachtkönig zu verwunden und zurück zu schlagen. Gerne würde ich dir sagen, dass wir gewonnen hätten, doch Bran hat uns gewarnt, das der Feind uns verfolgen wird.
Winterfell ist nicht mehr zu halten. Robb hat zugestimmt, das wir uns nach Maidengraben zurück ziehen. Die Truppen der Lebenden werden sich in Harrenhal sammeln. Von dort aus werden wir den Kampf gegen die Weißen Wanderer weiter aufnehmen. Ich wünschte, all das wäre bereits vorbei. Ich wäre lieber bei dir und unseren Töchtern. Ich vermisse dich mehr als ich sagen kann. Und unsere Töchter. Unsere beiden kleinen Drachen. Bitte umarme sie von mir.
Ich liebe dich, mehr als alles andere.
Jon Targaryen, Prinz von Drachenstein.
PS. Wenn Hazel und Eddard in Sonnspeer eintreffen, dann behandle sie wie deine eigenen Kinder. Sie sind schon lange von ihren Eltern getrennt und ich will Robb nicht noch mehr gegen mich aufbringen."
Arianne rollte eine kleine Träne von der Wange. Sie strich Lyanna und Elia über den Kopf und küsste sie. „Euer Vater liebt euch.", sagte sie leise. „Euer Vater liebt euch." Lyanna wachte auf und begann zu schreien. „Ganz ruhig, Lyanna. Ganz ruhig.", sie nahm das Mädchen auf und wiegte sie sanft in ihren Armen. „Alles ist gut." Mit Lyanna auf dem Arm wanderte sie langsam auf und ab. Lyanna begann leiser zu schreien und kuschelte sich an ihre Mutter.
Arianne strich ihrer Tochter über den Kopf. Gedankenverloren sah sie über das Gewirr von Hecken und Wegen hinweg, bis sah, wie jemand durch den Garten rannte.
Am anderen Ende des kleinen Platzes sah sie Myrcella Wasser. Das blonde Lennister Mädchen rannte mit geballten Fäusten über den Platz. Ihr gelbes Kleid bauschte sich auf. Tränen glitzerten in ihren Augen. Arianne hatte Trystans Geliebte noch nie so aufgelöst gesehen.
Besorgt sah Arianne ihr hinterher, dann drückte sie Lyanna einen der Ammen in die Arme und rannte Myrcella hinterher. Irgendetwas sagte ihr, das Myrcella sie jetzt brauchte.
Die Wassergärten waren ungewöhnlich leer. Fast alle Männer, auch die Bediensteten, waren mit dem Dornischem Heer so wie Ariannes Onkel Oberyn und seinen Bastardtöchtern aufgebrochen, um im Norden zu kämpfen.
Sie fand Myrcella, auf einer Bank sitzend, die Knie an die Brust gezogen und mit den Armen umschlungen. Ihre schlanken Schultern zitterten. Irgendetwas war nicht in Ordnung.
Arianne ging langsam auf das Mädchen zu. „Myrcella? Ist alles in Ordnung?", fragte sie vorsichtig.
„Geh weg!", rief Myrcella.
Kurz überlegte Arianne, das blonde Mädchen alleine zu lassen, doch sie wusste, Myrcella brauchte sie jetzt. Also setzte sie sich neben Myrcella und legte ihr einen Arm auf die Schulter. Sie sagte nichts. Arianne wusste, das schweigen manchmal besser war als reden.
Nach einiger Zeit, hob Myrcella den Kopf. Ihre Augen waren gerötet vom Weinen.
„Was ist passiert?", fragte Arianne sanft.
„Es ist Trystans Vaters. Fürst Doran hat erlassen, das kein Septon in Dorne mich und Trystan verheiraten darf. Er will, das Trystan mich verstößt und eine andere, zur Frau nimmt.", erneut begann Myrcella zu schluchzen. „Es ist so unfair!"
Arianne verwünschte im Stillen ihren Vater. Sie wusste, das Fürst Doran der Verbindung zwischen Trystan und Myrcella abneigend gegenüber stand, seitdem die Lennister vom Thron vertrieben worden waren, doch das ging ihrer Meinung nach zu weit. Immerhin waren sie hier in Dorne.
„Was sagt Trystan dazu?"
Myrcella wischte sich eine Träne von der Wange. „Er ist sich unsicher. Er liebt mich, aber er will seinen Vater auch nicht enttäuschen.", sie sah Arianne aus großen blauen Augen an. Die Verzweiflung war ihr ins Gesicht geschrieben. „Wenn Trystan mich verstößt, was bleibt mir dann? Niemand in Westeros würde mich aufnehmen. Im Westen bin ich eine Geächtete und für den Rest des Reiches bin ich die Bastardtochter des Königsmörders und der Verräterkönigin. Dorne und Trystan sind das Einzige, was mir noch bleibt."
Myrcellas Unterlippe zitterte und ihre Augen füllten sich mit Tränen. Arianne bekam Mitleid mit der jungen Frau. Und sie wurde wütend auf ihren Vater.
Fürst Doran war ein guter Herrscher, aber er war auch Stolz. Dann kam ihr eine Idee. „Du und Trystan. Habt ihr schon... du weißt schon.", begann sie.
Myrcella sah sie schockiert an. „Ich bin eine Dame!", empörte sie sich.
Arianne sah sie nur an. „Ich auch."
Myrcella wand beschämt den Blick ab. „Nein. Wir wollten warten, bis wir verheiratet sind. Wenn das jetzt aber nicht passiert...", sie sah erneut zu Arianne hoch. „Was soll ich tun?", fragte sie verzweifelt.
„Schlaf mit Trystan.", antwortete sie schlicht.
Myrcellas Augen wurden groß vor entsetzten. „Aber... wir sind nicht verheiratet. Wenn ich schwanger werde!" sie schüttel den Kopf, sichtlich geschockt von Ariannes Vorschlag.
Doch die junge Mutter lächelte nur. „Glaubst du wirklich, das Trystan noch keine Frau hatte? ich habe ihn erwischt, kurz bevor ich nach Lys gereist bin. Und ich denke, er wird auch noch anderweitig Freude gehabt haben."
Als sie die Bitterkeit auf Myrcellas Gesicht sah, schwenkte Arianne schnell um. Trystans Bettgeschichten, würden nicht helfen. „Du musst ihn an dich binden, Myrcella. Wenn er dich liebt und du ihn wirklich heiraten willst, dann darfst du nicht darauf warten, das er zu dir kommt. Geh du zu ihm. Verführe ihn und sorge dafür, der er dich wirklich will. Und selbst wenn du einen Bastard bekommst, wen würde es kümmern? Wir sind hier in Dorne.
Mein Onkel Oberyn hat viele Bastarde und Elaria Sand ist selber ein Bastard. Und jeder sieht, das sie sich lieben. Wenn du Trystan behalten willst, dann musst du die Chance ergreifen."
In Myrcellas Gesicht kämpften ihre Erziehung als Prinzessin und der Wunsch danach, bei Trystan und in Dorne zu bleiben. „Ich werde eure Worte beherzigen, Prinzessin," sagte sie leise. „Würdet ihr mich bitte alleine lassen. Ich muss über das nachdenken, was ihr mir gesagt habt."
Arianne lächelte und strich Myrcella sanft über die Schultern. „Wie du willst. Aber denk daran: Denk nicht zu lange nach. Folge deinem Herzen."
Myrcella nickte langsam.
Arianne stand von der Bank auf und verließ die ehemalige Prinzessin. Myrcella würde alleine entscheiden müssen.
Ihre Töchter waren inzwischen beide wach. Lyanna kreischte vor Freude, als Arianne sie auf den Arm nahm. Die Kleine griff nach einer von Ariannes langen dunklen Haarsträhnen und fing an, daran herum zu kauen. „Schmecken Mamas Haare?", fragte Arianne belustigt, während sie die Strähne aus dem Griff ihrer Tochter befreite.
Elia fing an zu weinen. „Was ist denn, meine Süße?" Arianne legte sich Lyanna in den linken Arm. Mit dem rechten griff sie geübt nach Elia. Die kleine Prinzessin weinte weiter. Sanft wiegte Arianne ihre Kinder auf dem Arm. Das einen gehörte zu den anstrengendsten Dingen am Mutter sein. Es dauerte ein ganze Weile, bis die beiden Mädchen wieder eingeschlafen waren. Erschöpft ließ Arianne sich auf eine Bank hocken. Die kühlere dornische Abendluft machte sie schläfrig und sie überlegte, ob sie sich zurückziehen sollte. Doch ihre Überlegungen wurden unterbrochen, als erneut eine Dienerin auf sie zu kam. „Prinzessin Arianne. Ein Brief vom Kastellan von Sonnspeer."
Überrascht nahm Arianne das Pergament entgegen. Was wollte Ser Manfrey denn von ihr? Sie brach das Siegel und las rasch die kurze Nachricht.
„Das Schiff der Königin ist vor Sonnspeer gesichtet worden. Wir erwarten die Ankunft von Prinzessin Hazel Stark und Prinz Eddard Stark in einem Tag. Was sollen wir mit dem Verräter Ser Davos Seewert machen? Warten auf Antwort."
Sofort war Arianne wieder hellwach. „Informiert meinen Vater, dass ich Morgen nach Sonnspeer aufbreche. Ich werde in einer, spätestens zwei Wochen zurückkehren.", erklärte sie der Dienerin, die sich verbeugte und gehorsam den Garten verließ. Arianne küsste ihre beiden Töchter. „Ich werde bald wieder da sein.", flüsterte sie. Lyanna bewegte sich im Schlaf, während Elia sich nur den Daumen in den Mund steckte.
Arianne seufzte. Sie wusste, sie würde ihre beiden Prinzessinnen vermissen. Doch sie musste auch die Kinder von Robb und Margaery beschützen. Einmal mehr wünschte sie sich, der Krieg wäre beendet und Jon wieder an ihrer Seite. Sie schüttelte den Gedanken ab. Sie war eine Prinzessin von Dorne und musste sich um ihre Pflichten kümmern. Und zu diesen gehörte jetzt auch, sich um Hazel und Eddard zu kümmern. Dennoch betete sie stumm zu den Götter. Lasst Jon zu mir zurückkehren.
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