
"Die Insel der Gesichter"
Sanft hing der Nebel über dem Wasser des Götterauges. Kleine Wellen brachen sich am Kiel des Langschiffes und die Ruder zerteilten das graue Wasser. Jon stand am Bug des Bootes und starrte über das Wasser. Es war eine schwere Reise, aber eine, die er antreten musste. Die Pflicht verlangte es. Eine letzte Aufgabe, ehe er nach Königsmund reisen würde, um bei Daenerys Krönung zu sein. Er drehte sich um und begutachtete die Männer, die ihn begleiteten.
Bran Stark saß am Heck des Schiffes, die Hände in den Schoß gefaltet und den Blick auf den Nebel gerichtet. Robb stand neben ihm, die Hand auf seinem Schwertgriff, während er mit seinem verbliebenen Auge das Wasser betrachtete.
Und sie waren nicht alleine. Howland Reet und sein verbliebenes Kind, seine Tochter Meera Reet, waren bei ihm.
Die junge Reet hatte darauf bestanden, Bran zu dieser letzten Reise zu begleiten. Sie hatte ihn bis hinter die Mauer begleitet, dabei viele schreckliche Dinge erlebt und ihren Bruder, Jojen Reet, verloren. Und nun würde sie Bran auch zu seiner letzten Reise begleiten.
Jon verließ den Bug und ging zu seinen Freunden. „Wir werden die Insel der Gesichter bald erreichen.", sagte er.
Robb nickte und legte Bran eine Hand auf die Schulter. „Und du bist dir sicher, dass du das willst?"
„Ja," sagte Bran mit seiner leisen Stimme. „Die alte Höhle des dreiäugigen Raben lag weit im Norden. Der Weg wäre zu weit und ich brauche einen Ort, um weiter zu lernen."
„Du könntest mit mir nach Winterfell gehen. Dort ist dein Zuhause," schlug Robb vor. Er wirkte niedergeschlagen.
„Winterfell kann nicht mein Zuhause sein," antwortet Bran. „Auf der Insel der Gesichter ist die Macht der alten Götter am stärksten. Dort werde ich am besten aufgehoben sein. Es ist der einzige Platz, an dem ich sein kann."
„Und dein Wissen? Du sagtest, das du alles weißt. Was nützt dein Wissen, wenn du es mit niemandem teilst?" fragte Meera mit rauer Stimme. Sie trauerte noch immer um ihren Bruder und die Kälte des Winters hatte ihre Stimme angegriffen. Sie umklammerte die Lehne von Brans Stuhl. Sie schien den Tränen nahe.
„Ich werde nicht alleine sein. Die Insel der Gesichter ist nicht unbewohnt," sagte Bran. „Ich habe mit Samwell Tarly gesprochen. Er hat mir zugesichert, das er Maester zur Insel schicken wird. Das Wissen, dass mir zu Verfügung steht, wird nicht im Verborgenem bleiben."
„Alles wird sein wie du es willst," versprach Robb.
Jon sah Bran an. „Und du bist dir sicher, das du dass willst?"
„Ich will es," antwortete Bran.
„Prinz Jon. Wir erreichen die Insel der Gesichter," rief der Kapitän des Schiffes, ein alter Eisenmann.
Alle Blicke richteten sich auf die Insel, die langsam aus dem Nebel auftauchte.
Vor ihnen breitete sich die Insel der Gesichter aus. Schilf und Farn wuchsen an den Ufern und die Bäume waren so grün, als würde der Winter hier nicht existieren.
Bran lenkte sie langsam um die Insel herum, bis sie zu einer Landzunge kamen, an welcher sie anlegen konnten. Geschickt ankerten die Eisenmänner an der Landzunge. Drei sprangen in das kalte Wasser und schwammen zum Ufer, wo sie das Langschiff mit Seilen ans Ufer zogen und es festbanden. Über eine Planke erreichten sie das Ufer.
Als Jon einen Fuß auf das grüne Gras setzte, wusste er sofort, das diese Insel den Alten Göttern des Waldes gehörten. Selbst R'hllor hatte hier keine Macht.
„Spürst du etwas?", fragte Robb leise, als er neben ihn trat.
„Wenn ich hier sterbe, werde ich nie wieder zurück kommen.", antwortete Jon ebenso leise.
„Dann lass es. Ich will deiner Frau nicht sagen, warum wir dich nur als Leiche zurückbringen," sagte Robb halb im Scherz, ehe er sich zum Schiff umdrehte und begann, Anweisungen zu erteilen.
Während Bran vom Schiff getragen und in seinen Stuhl gesetzt wurde, sah Jon sich um. Die Bäume standen dicht und waren noch immer voller Laub. Nadelbäume, Fichten, Ulmen, Wachbäume, Birken, Eisenholz und anderen. Blätter, in allen Farben, von dunkelrot, bis hellgrün, waren zu sehen und die Luft roch nach Honig und Frieden.
Um die Gruppe herum begannen sich Raben zu versammeln. Es waren große Tiere, die ihn und seine Gruppe mit dunklen klugen Augen ansahen. Das waren keine gewöhnlichen Vögel, denn selbst als Rhaegal über ihnen zu kreisen begann, flogen sie nicht auf, sondern musterten ihn weiter. Mehr als einhundert saßen auf den Ästen und starten sie an.
„Das sind die Raben der alten Kinder des Waldes," erklärte Bran. „Sie beschützen diesen Ort hier."
„Dann sollten wir wohl weiter.", sagte Robb. Er wollte losgehen, doch plötzlich sprangen die Raben in die Luft. Mit lautem Krächzen stürzten sie sich auf die Gruppe und begann mit Schnäbeln und Krallen auf sie einzuhacken.
„Was ist denn jetzt los?", rief Robb, der erschrocken vor den Vögeln zurück wich.
„Bran!" rief Jon, der erschrocken vor den Raben zurück wich.
„Sie dulden keine Waffen auf der Insel," sagte Bran, so als würde ihn das, was passierte ,nicht interessieren.
Robb fluchte und wich vor den Vögeln zurück. Langsam löste er seinen Gürtel, an dem er sein Schwert trug.
„Bögen runter," befahl Jon den Eisenmännern, die ihre Bögen senkten
„Ich werde Bran selber in die Mitte der Insel bringen," erklärte Robb, nachdem er sein Schwert in das hohe Gras gelegt hatte. „Ihr Anderen bleibt hier."
„Das könnt ihr vergessen!", sagte Meera Reet. Entschlossen nahm sie die Lehne von Brans Stuhl. „Ich habe ihn bis hinter die Mauer begleitet. Mein Bruder ist für ihn gestorben. Ich werde auch diese letzte Reise hinter uns bringen."
Robb warf Jon einen Blick zu. Dieser zuckte nur mit den Schultern. „Wenn die Vögel es erlauben."
Die Vögel erlaubten es. Auch als Howland Reet sich ihnen anschloss, erlaubten die Raben es ihnen, das Innere der Insel zu betreten. Robb ging voran, hinter ihm schob Meere Bran, der immer wieder Anweisungen gab, in welche Richtung sie gehen mussten. Er schien genau zu wissen, wo sie hin mussten.
Jon ließ sich zurückfallen, bis er neben Howland Reet ging. Der Mann hatte schütteres braunes Haar und einen brauen Bart, der inzwischen von grau durchzogen war.
„Ich war bei ihm an dem Tag, als eure Mutter starb," sagte Howland plötzlich.
Jon antwortet nicht, sondern warf dem Pfahlbaumann nur einen auffordernden Blick zu. Er hatte die Ereignisse am Turm der Freude bereits in den Flammen gesehen, doch es war etwas anderes, sie von jemandem zu hören, der dabei gewesen war.
Howland Reet rieb sich geistesabwesend die Hand, so als müsse er an eine alte Wunde denken. Jon kannte so etwas von sich selbst. Selbst jetzt, war seine Rechte manchmal etwas steif von den Wunden, die er beim Kampf gegen seinen ersten Wiedergänger erlitten hatte.
„Es war Lord Eddard, der Ser Arthur erschlagen hatte, doch erst nachdem ich ihm mein Messer in den Hals gerammt hatte.", erklärte Howland weiter. „Lord Eddard, hat es mir nie vorgeworfen, doch wann immer wir uns nach der Rebellion sahen, konnte ich sehen, wie sehr es an ihm zehrte, dass er das Schwert des Morgens nur durch einen solchen Trick hatte besiegen können."
„Im Krieg werden unschöne Mittel verwendet. Lord Eddard hat das nie ganz verstanden. Für ihn stand die Ehre immer an erster Stelle," sagte Jon leise. „Das hat ihm am Ende den Kopf gekostet. Wenn Lord Eddard sich auf eine Intrige eingelassen hätte und Cersei nichts von seiner Vermutung erzählt hätte... dann würde er vielleicht noch leben. Aber erzählt weiter."
Howland sah sich um, so als müsse er erst realisieren, wo er war. „Wo sie wohl sind? Als ich die Insel der Gesichter das letzte mal besuchte, waren hier noch die Grünen Männer."
Jon wartet geduldig. Es schien dem Pfahlbaumann schwer zu fallen, die Ereignisse zu greifen. „Lord Eddard hatte mir damals eingeschärft, niemandem von eurer Abstammung zu erzählen. Ich habe ihn damals vom Körper eurer Mutter weggebracht. Es hätte ihn fast gebrochen, sie sterben zu sehen. Er hat sogar überlegt, euch als neuen König zu präsentieren. Es wäre nach dem Recht gegangen. Ihr wart der letzte Sohn des letzten Drachen. Ein ehelicher Targaryen und dazu noch sein Neffe. Und er hegte einen tiefen Groll gegen die Männer, die Prinzessin Lyanna ermordet hatten."
„Aber Lady Lyanna hat ihm das Versprechen abgerungen, mich zu beschützen.", sagte Jon leise. „Darum hat er die Schande auf sich genommen, indem er mich als seinen Bastard annahm."
„Es hat in immer gegrämt. Vor allem, nachdem Lady Ashara Dayn sich in den Tod gestürzt hatte."
„Was hat es mit Lady Ashara auf sich.", fragte Jon.
Lord Howland zögerte. „Sie haben sich in Harrenhal getroffen," sagte er zögernd. „Lord Eddard hat es mir nach Sternfall gebeichtet. Er hatte sich in sie verliebt. Und sie liebte ihn. Nachdem, was ich weiß, hat er seinen Vater gebeten, sie zu heiraten. Doch nachdem sein Bruder und sein Vater vom Irren König ermordet worden waren, hat er Lady Catelyn geheiratet. Ich erinnere mich noch an die Zweifel, die er gehabt hatte. Er hatte getan, was er tun musste, um seine Schwester zu retten, doch, bitte verzeiht mir meine Worte, er war froh, Lady Catelyn zu verlassen und im Krieg zu kämpfen. Wieder verstummte Howland und Jon wartet erneut. Um sie herum wurde der Pfad immer dichter und bewaldeter, sodass Robb und Meera Probleme hatten, Bran den Weg zu bahnen. „Warum muss der Einäugige das eigentlich machen?" knurrte Robb.
Jon lachte leise. „Ein König muss immer voran gehen."
Robb fluchte.
Um sie herum knisterte das Unterholz. Wind rauschte in den Bäumen.
„Lady Ashara hat sich umgebracht, weil Lord Eddard sich an seine Gebote gehalten hat," sagte Howland plötzlich. „Als Lord Eddard mit dem Schwert, der Leiche und euch nach Sternfall kam, bot Lady Ashara an, sie alle drei zu nehmen. Nicht einmal ihr hatte er die ganze Wahrheit erzählt. Lady Ashara hatte ihm angeboten, das Kind, euch, zu nehmen und als ihren Bastard aufzuziehen oder selber mit in den Norden zu kommen, um als eure Mutter und als Lord Starks Mätresse zu dienen. In Dorne wäre das keine Schande und selbst die Lords von Winterfell hatten Geliebte. Doch Lord Eddard hat es abgelehnt. Er hatte ihr gesagt, er würde nur diese eine Schande auf sich nehmen können und das er nicht bereit wäre, weitere Schande über sich, sein Haus und Lady Ashara zu bringen. Das hat sie gebrochen. Und auch Lord Eddard. Sie hatten sich wirklich geliebt."
„Lord Eddard war ein Mann der Ehre. Und er hat seine Eide stets gehalten.", sagte Jon. „Ich danke euch, das ihr mir diese Geschichte erzählt habt, Lord Howland."
Der Pfahlbaumann nickte ernst. „Lord Eddard konnte sie euch nicht mehr erzählen. Doch er hätte es gewollt."
Um sie herum wurden die Bäume größer und dicker. Dicker als alle Bäume die Jon kannte. Und auch Geräusche veränderten sich. Noch immer hörte man das Wehen des Winden und die Laute von Tieren, doch Jon kamen sie anders vor.
„Es sind die Kinder des Waldes.", sagte Bran, als Jon ihn darauf ansprach. „Sie beobachten uns."
Jon sah sich genauer um, doch er konnte niemanden entdecken. Die Kinder des Waldes waren Meister in der Tarnung. Er hatte schon als Kind davon geträumt, sie zu treffen, doch dass er sie jetzt vielleicht wirklich sah, war unglaublich.
Die Gruppe marschierte einen dicht bewachsenen Hügel hinauf, auf dem nur kleine Pfade zu erahnen waren. Und als sie die Kuppe des Waldes erreichten, wurden ihre Augen groß vor Staunen.
Hügel umgaben eine Senke, die so groß war wie Harrenhall. Und sie war gefüllt mit hunderten Wehrholzbäumen.
„Bei allem Göttern.", flüsterte Robb ergriffen.
„Nicht einmal jenseits der Mauer gibt es so Viele Wehrholzbäume.", sagte Jon. „Das hier ist einfach... gewaltig."
„Wir müssen in die Mitte der Senke.", sagte Bran. Er hatte die Augen fest auf die Wehrholzbäume gerichtet.
Ein gewaltiger Schwarm aus Vögeln flog über sie hinweg.
Meera duckte sich erschrocken und Jon griff instinktiv nach seinem Schwert. Robb erwischten sie kalt und er fiel zu Boden.
Er rappelte sich auf. „Wir sollten weiter."
Es dauerte fast den ganzen Tag, um in die Senke zu kommen. Als sie die Wehrholzbäume endlich erreichten, wurde Jon von einer tiefen Ehrfurcht ergriffen. Er war froh, das Aegon nicht mitgekommen war. Der rote Priester hätte wahrscheinlich versucht, den Hain niederzubrennen. Doch Jon konnte die Macht der alten Götter spüren. Als sie den äußeren Kreis des Haines erreichten, wo die Gesichter in der weißen Rinde sie wütend und blutrünstig ansahen, konnte er fühlen, wie sein Wargsinn zu prickeln begann. Er spürte, dass seine Verbindung zu Rhaegal stärker wurde und für einen Moment sah er die Welt aus den Augen des Drachen. Auch Rhaegal konnte die Macht des Waldes spüren. Sie war ähnlich wie die Macht jenseits der Mauer gewesen und sie gefiel ihm nicht.
Sie wanderten immer weiter. Die Wehrholzbäume trugen alle Gesichter und Jon fühlte sich von ihnen beobachtet. Es war, als wären die alten Götter des Waldes unter ihnen. Niemand sprach etwas. Es war kein Ort für laute Worte.
Tiere begleiteten sie, Vögel kreisten über ihnen. Füchse, Eichhörnchen, Mäuse und andere Waldbewohner saßen auf den Bäumen und in den Büschen und beobachteten sie.
In der Mitte der Senke, die Sonne stand bereits hoch am Himmel, stand der größte Wehrholzbaum, den Jon je gesehen hatte. Er war mehr als drei mal so groß wie der Herzbaum in Harrenhal und sein Gesicht war ernst und hatte die Augen weit geöffnet. Dieser Wehrholzbaum war das Herz der Insel der Gesicht und vielleicht sogar das Herz von Westeros.
Als sie den Baum erblickten, sanken Robb, Meera und Howland auf ein Knie. Stumm huldigten sie den alten Göttern, wie auch einst ihre Vorfahren.
Jon neigte den Kopf und lauschte dem Wald. Er respektierte die alten Götter, doch er verdankte R'hllor sein Leben.
Lange saßen sie so am Boden, während die Sonne weiterzog. Voller Staunen sahen sie sich um. Ein kleiner Bach kam von zwei Seiten in die Tiefe der Senke und bildete einen kleinen Teich, vor den Wurzeln des gewaltigen Herzbaumes.
„Ihr müsst mich zum Herzbaum bringen.", sagte Bran.
„Es ist hier genau so wie damals," murmelte Howland Reet. „Es hat sich nichts verändert."
Robb und die anderen standen auf. Jon legte einen Arm um Brans Schulter und einen anderen, schob er ihm unter die Beine. Robb kam zu ihm und half ihm. Gemeinsam trugen sie ihn um den Teich herum und zum Herzbaum. Eingebettet zwischen den gewaltigen Wurzeln lag eine Art Sitz, fast wie ein Thron aus Wurzeln, Ästen und Blättern.
Die Geräusche der Natur wurden lauter, als sie Bran auf den Thron setzten.
Seine Finger schlossen sich um die eng miteinander verschlungenen Wurzeln und er atmete tief ein und aus, als er sich zurück lehnte. „Es ist vollbracht," sagte er leise.
Unsicher sah Jon zu Robb. „Was passiert jetzt?", fragte Robb.
Bran sah ihn an. „Ihr geht wieder. Ihr kehrt zu euren Burgen zurück. Das Leben geht weiter und ich werde über es wachen."
Jon runzelte die Stirn. „Das war's? Wir retten dein Leben, vernichten die Weißen Wanderer und bringen dich hierher und du willst, dass wir dich verlassen?"
Bran sah nun zu ihm. Er konnte in dem Blick seines Ziehbruders nicht viel erkennen, doch er sah ein leichtes Bedauern. „Ich bin nicht mehr Brandon Stark. Ich bin der dreiäugige Rabe. Ich weiß jetzt so viel mehr als früher. Alles was ich war, ehe ich wurde wie ich bin, ist nicht mehr wichtig."
„Sollen wir den anderen nichts sagen? Was ist mit Mutter? Und Sansa und Rickon? Hast du ihnen nichts mehr zu sagen?" fragte Robb. Er klang wütend.
„Sag ihnen das es mir gut geht.", antwortet Bran. Dann zog er langsam ein Stück Drachenglas aus seinen Gewändern. Jon erkannt es. Es war jenes Drachenglas, das einst das Herz des Nachtkönigs gewesen war. „Und ich werde nicht alleine sein." Er sah an Robb und Jon vorbei.
Die beiden folgten verwirrt seinem Blick.
Howland Reet senkte den Kopf und legte Meera eine Hand auf die Schulter.
Das junge Mädchen verstand nicht. „Vater? Was ist los?"
„Ich habe beschlossen, hier zu bleiben, auf der Insel der Gesichter, um Bran zu helfen." Er sah sie an und versuchte zu lächeln, doch es gelang ihm nicht.
Meeras Augen begannen zu glitzerten und ihre Unterlippe zitterte. „Du kannst mich nicht alleine lassen, Vater. Ich habe schon Jojen und Mutter verloren. Wenn du mich verlässt, dann bin ich ganz alleine."
Ihr Vater umarmte sie. „Es ist mein Schicksal, hier zu sein. Hier hat meine Reise begonnen, vor so vielen Jahren und hier wird sie Enden. Ich werde immer bei dir sein. Wann immer du in einen Götterhain gehst, werde ich bei dir sein." Meere begann zu weinen und sie schlang ihre Arme um ihren Vater. „Ich will nicht, das du mich verlässt.", sagte sie, das Gesicht an die Schulter ihres Vaters gepresst.
Jon überließ den beiden ihrem Abschied und wand sich erneut an Bran. „Hast du noch irgendetwas, das du uns mitteilen willst, ehe wir gehen?" fragte er herausfordernd. Er konnte Bran verstehen, das er sich seiner alten Familie nicht mehr verbunden fühlte. Ihm war es eine Zeitlang auch so gegangen, aber ein derartig kalter Abschied machte ihn dennoch wütend.
„Ihr müsst das Horn des Winters verbrennen," sagte Bran schlicht. „Es kann seine wahre Macht zwar nur in den Händen der Weißen Wanderer entfalten, aber es ist noch immer gefährlich."
Jon nickte knapp. „Noch etwas?" fragte er kühl.
„Euron Graufreud. Er lebt und er will Rache. Mehr kann ich euch nicht sagen.", Bran lehnte sich in seinem Thron zurück. „Die Sonne geht bald unter. Ihr solltet die Insel der Gesichter verlassen."
„Verdammt Bran!" fluchte Robb auf einmal. Er stürzte auf Bran zu und umarmte ihn. „Egal was du nun bist, für mich bist du immer noch mein kleiner Bruder und ich werde dich vermissen."
Bran legte ihm einen Arm um die Schulter, doch sein Blick verriet nichts. „Die Kinder habe euch ein Geschenk hinterlassen. Es ist beim Boot.", sagte er, als Robb sich wieder erhob.
Jon sah Robb an, dass dieser mit sich kämpfte. Er ging zu ihm und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Komm. Es ist Zeit."
Robb sah Bran ein letztes Mal, voller Kummer an. „Wir werden uns wiedersehen, Bran. Das war nicht unser letztes Treffen," versprach er mit belegter Stimme.
Bran antwortete nicht. Jon musste daran denken, das man unter den Augen der alten Götter nicht lügen durfte.
Meera hatte sich von ihrem Vater gelöst. Ihre Augen waren rot von Tränen und ihr Gesicht, vom Weinen geschwollen. Sie hielt die Hand ihres Vaters, als dieser zu Bran ging. Seine Stiefel quietschten, als er dicht an den niedrigen Bach trat. Meera hielt seine Hand, bis sich Howland Reet zu Brans Füßen in das Gras setzte. Ein letztes Mal umarmte sie ihn und vergoss Tränen. Ihr Vater flüsterte ihr etwas ins Ohr und sie nickte. Dann stand sie auf, warf Bran einen langen Blick zu und kam dann zu Jon und Robb zurück.
Jon berührte sie tröstend an der Schulter. „Ich gehe zurück zum Schiff."; sagte sie mit erstickter Stimme und verließ den Götterhain. Sie sah nicht zurück.
Jon seufzte. „Robb. Wir sollten gehen."
Robb nickte. Er warf Bran einen letzten Blick zu. „Ich werde dich nicht vergesse, Bruder," sagte er und ging Meera hinterher.
Jon folgte ihm. Er hatte keine letzten Worte für Bran. Er brauchte sie nicht.
Doch als er den Rand der Wehrholzbäume erreicht hatte, sah er noch einmal zurück. Bran saß in seinem Thron. Das Drachenglasherz des Nachtkönigs in den Händen und Howland Reet neben sich. Doch er war nicht mehr alleine.
Dutzende kleine Gestalten sammelten sich in der Senke. Ihre Stimmen waren wie der Wald selber und sie trugen Kleidung aus Wurzeln und Blättern und waren nicht größer als Kinder.
Die Kinder des Waldes zollten dem letzten Grünseher ihren Respekt. Und auch andere waren da. Menschen in grünen Gewändern, denen Hörner aus dem Kopf zu ragen schienen. Die Hüter des Haines hatten sich versammelt.
Jon lächelte und drehte sich um, um den anderen zum Boot zu folgen. Er wusste, Bran wäre nicht alleine.
Es war das letzte Mal, das er ihn sah.
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