"Der Wolf und die Rose"
Die schweren Schneewolken hatten sich verzogen. Eine bleiche Sonne leuchtete vom klaren Winterhimmel auf Königsmund hinab. Margaery stand auf dem äußerem Hof des roten Bergfrieds und wartet mit den übrigen, die im Roten Bergfried zurück geblieben waren, auf dir Rückkehr der Armee. Sie waren nur wenige und vor allem Frauen. Margaery selber, ihre Schwiegermutter, die Königinwitwe Catelyn Tully, deren Tochter Sansa Schwarzhain, beide in dunklem Schwarz. Lady Sharin Stark, Rickons Gemahlin, die die Farben von Haus Stark trug und deutlich erkennbar Schwanger war. Septa Lemore, die ihren Sohn Lorenz fest umklammerte. Die Septa war noch immer völlig am Boden, nachdem sie erfahren hatte, das ihr Gemahl in der Schlacht verstorben war. Lady Roslin Tully, der hübschen Gemahlin von Lord Edmure, und Margaerys ehemalige Zofe, die mit ihren zwei Kinder, Tristifer und dem neugeborenen Tion, in Königsmund lebte. Viele Frauen hatten ihre Kinder bei sich. Lady Walda Bolton, Roslins Verwandte mit ihrem kleinen Rogar, Lady Jeyne Frey und ihr Sohn Martyn und auch Sansas Bastard Brandon Strom war im Hof, allerdings weiter hinten.
Margaery erinnerte sich noch genau daran, wie glücklich sie gewesen war, als die Raben mit der Nachricht des Sieges eingetroffen waren. Eilig hatte sie begonnen, Vorbereitungen zu treffen. Tatkräftige Unterstützung hatte sie von den anderen Frauen erhalten, die ebenfalls auf ihre Männer warteten. Es waren Wochen voller Vorfreude gewesen. Und jetzt war es endlich so weit.
Rickon stand ganz vorne beim Kastellan des Roten Bergfrieds, Ser Duncan Kraft und seinem Bruder Ser Denys, dem Lord Kommandanten der Stadtwache. Irgendwie hatte Robbs jüngster Bruder es geschafft, sich mit den beiden Rittern anzufreunden.
Boten eilten herbei und verkündeten die Ankunft der Armee. Margaery spürte, wie ihre Hände zu zittern begannen. Endlich würde sie Robb wiedersehen. Sie waren zu lange getrennt gewesen.
Die Tore wurden geöffnet. Fanfaren ertönten. Und dann kamen sie.
Ein dutzend Fahnenträger marschierten mit den Bannern voran. Allen voran die Banner der beiden Königshäuser, der rote Drache der Targaryen und der graue Schattenwolf der Starks, gefolgt von ihren Vasallen. Lennister. Tully. Graufreud. Tyrell. Arryn. Baratheon.
Und den Bannern folgten die Männer.
Robb war der erste, der durch das Tor ritt.
Margaery hielt den Atem an, als sie ihren Mann sah. Sie konnte spüren, dass es Sansa und Catelyn ebenso ging. Robb war ausgemergelt und dünner, als bei ihrem Abschied in Winterfell. Seine Locken waren lang, zottig und stumpf. Ein wilder Bart bedeckte die eingefallenen Wangen. Doch am schlimmsten war, das ihm ein Auge fehlte. Dort, wo einst eines seiner hübschen blauen Augen gestrahlt hatte, lag nun eine Augenklappe aus schwarzem Leder. Margaery legte sich erschrocken die Hand auf den Mund. Was war geschehen? Am liebsten wäre sie sofort zu ihm gerannt, doch sie war eine Königin. Sie musste die Form bewahren.
Robb lenkte sein Pferd in die Mitte des Platzes. Dabei ließ er sein verbliebenes Auge über die Menge wandern. Als er sie erblickte, huschte ein Lächeln über sein ausgemergeltes Gesicht und sein rechtes Auge schien aufzuleuchten.
Margaery hielt seinen Blick fest und erwiderte das Lächeln. Die Sehnsucht brannte ihn ihr. Hinter Robb ritten die anderen Hohen Lords. Es waren bedrückend wenige. Lady Asha Graufreud, Lord Tyrion Lennister, Lord Edmure Tully. Margaerys Vater, Lord Maes Tyrell und sein Sohn, Loras, ritten dicht bei Robb. Die Niederen Lords folgten ihnen: Lucas Schwarzhain, Lord Olyvar Frey und einige andere.
Die Lords stiegen ab und begannen, sich aufzustellen. Keiner ging zu den Frauen. Sie warteten.
Dann erhob sich ein lautes Brüllen über alle.
Gegen ihren Willen zuckte Margaery zusammen, als die Drachen über den roten Bergfried flogen. Die Erinnerung an die Schlacht um Königsmund flammten wieder in ihr auf. Die brennenden Mauern. Das Flohloch in Trümmern und die Soldaten der Targaryen, die sich ihren Weg durch Königsmund schlugen. Das Brüllen. Wie von Monstern, die direkt aus den tiefsten der sieben Höllen gekommen waren, die über sie hinweg flogen.
Der kleinere der beiden Drachen, ein grüner, landete auf den Mauern des roten Bergfriedes. Mit roten Augen musterte der Drache die Menschen, während er seinen Reiter abstiegen ließ.
Ein merkwürdiges Gefühl beschlich Margaery, als sie Jon Schnee vom Rücken des Drachen klettern sah. Er wirkte ebenso verhärmt wie die anderen Recken aus Harrenhal, doch wie er da neben seinem Drachen stand, in Rot und Schwarz der Targaryen, wirkte es angemessen. Er war nicht mehr der unsichere Bastard, den sie vor so vielen Jahren in Winterfell getroffen hatte. Er war ein Prinz aus dem Hause Targaryen und ein Drachenreiter. Er wirkte ebenso königlich wie Robb es immer war.
Entschlossen ging er auf die Kastellane zu. „Ser Duncan. Ist die Stadt für ihre Gnaden bereit?", fragte er im förmlichen Tonfall.
Ser Duncan nickte. „Die Stadt ist sicher, mein Prinz."
Hinter Jon brüllte der Drache erneut und schwang sich in die Luft. Seine Flügel wirbelten Schnee und Schmutz auf und Margaery musste heftig blinzeln.
Dann bebte die Erde erneut.
Der zweite Drache war gelandet. Er war so schwarz wie die Nacht und fast um ein viertel größer, als Jons Drache. Wie ein riesengroße Eidechse, schmiegte sich Drogon an die Mauer. Mit gebleckten Zähnen starrte er die Menschen an. Wenn Jons Biest schon furchterregend war, dann war dieses Monster ein Albtraum.
Der Hals des Drachen beugte sich nach unten und seine Reiterin stieg ab. Es war das erste Mal, das Margaery sie sah.
Daenerys Targaryen.
Die silbernen Haare waren zu Zöpfen geflochten und das Reitkleid aus schwarzem Leder schmiegte sich eng an ihren Körper. Mit ihrer hellen Haut und den ebenmäßigen Gesichtszügen wirkte sie wie eine Statur. Sie hatte etwas Hartes in den violetten Augen und einen entschlossenen Zug um den Mund. Und sie war wunderschön, das musste selbst Margaery anerkennen.
Mit sicheren Schritten kam sie auf Jon zu, der vor ihr niederkniete.
Die anderen folgten ihrem Beispiel. Auch Margaery sah sich gezwungen, auf ein Knie zu sinken. Selbst Sansa, Catelyn und sogar Robb, wie Margaery mit Bestürzung erkannte, knieten vor der Drachenkönigin.
„Die Stadt gehört euch, euer Gnaden.", sagte Ser Duncan.
„Die Krone dankt euch, für euren Dienst, Ser Duncan," sagte Daenerys Targaryen zu ihm. „Ich werde das Kommando nun übernehmen," erklärte Daenerys, ehe sie sich den anderen Burgbewohnern zuwandte.
Margaery senkte den Blick, als die hörte, wie die Absätze der Drachenkönigin auf sie zukamen. Eine Hand berührte sie an der Schulter. „Erhebt euch, Königin Margaery.", sagte Daenerys sanft.
Ihre Überraschung hinter einer Maske der Politik verbergend stand Margaery auf. „Euer Hoheit.", sagte Margaery höflich. „Willkommen in Königsmund. Es wurde alles für eure Ankunft vorbereitet."
Daenerys lächelte und die Härte verschwand aus ihrem Gesicht. „Nun. Wenn ihr es organisiert habt, dann bin ich sicher, es wird wundervoll." Sie winkte Robb zu sich heran. „Ich will, das wir noch vor Sonnenuntergang zusammen kommen.", sagte sie, als Robb langsam zu ihr kam. „Es gibt viel zu besprechen und zu Organisieren. Doch ich denke, ihr solltet einige Zeit mit eurem Gemahl verbringen."
Margaery hörte die Worte der Königin, doch sie waren wie ein fernes Lied. Ihre Augen, lagen alleine auf dem Gesicht ihres Mannes. Robb sah sie an, sein verbliebenes Auge leuchtete. Daenerys entfernte sich respektvoll. Um sie herum begannen sich die Frauen und Männer in die Arme zu fallen und sich zu begrüßen, doch für Margaery war es, als würde es in einer anderen Welt stattfinden. Sie hatte nur Augen für Robb.
Vorsichtig hob sie ihre Hand. Langsam strich sie über den rauen Bart, der auf den eingefallenen Wangen ihres Liebsten gewachsen war. Etwas zerbrochenes, lag in seinem Blick. Etwas zu tiefst Verstörtes, so als wäre er durch die Hölle gegangen.
Robb schmiegte seinen Kopf an ihre Hand. Sein ganzer Körper zitterte.
„Was ist passiert?", fragte Margaery, so leise, das nur er sie hören konnte.
Er nahm ihre kleine Hand zwischen seine rauen Finger. „Das spielt keine Rolle. Ich bin bei dir." Er zog sie an sich und küsste sie. Margaery konnte die Unsicherheit und die Angst in ihm spüren, doch das war ihr egal. Robb war wieder bei ihn. Das war alles, was wichtig war.
Als sie sich voneinander lösten, waren weitere Menschen in den roten Bergfried gekommen. Aegon Schwarzfeuer, der rote Priester, ging auf einer Krücke und klammerte sich an den Arm einer jungen Volantenerin. Und auch Arya konnte sie entdecken. Margaery hatte gar nicht gewusste, dass sie in Harrenhal mitgekämpft hatte. Und sie sah sogar noch schlimmer aus als Aegon.
„Arya!", rief Catelyn Tully und lief auf ihre Tochter zu. Mit Tränen in den Augen umarmte sie Arya.
Arya drückte ihre Mutter fest an sich. Auch in ihren Augenwinkeln sammelten sich Tränen. „Mutter.", sagte sie leise. Plötzlich begann sie laut zu schluchzen. „Ich habe dich so vermisst. Ich hätte euch nicht verlassen sollen."
Sanft strich Catelyn ihr über die Haare. „Ist schon gut ist schon gut."
Sansa kam zu ihnen. Arya löste sich von ihrer Mutter und fiel dann ihrer Schwester in die Arme. Dabei fiel Margaery auf, das Aryas rechte Hand, in einem weißen Leinenverband gehüllt war. Erneut fragte sie sich, was in Harrenhall passiert war.
„Komm," Robb nahm sie sanft am Arm, „lassen wir sie alleine.
~~~
„Was glaubst du, sind ihre Ziele, jetzt wo sie Königin ist?", fragte Margaery, eng an Robb geschmiegt. Sie lagen in ihren Gemächern und hielten sich fest. „Ich weiß es nicht.", flüsterte Robb leise, eine Hand auf ihrer Brust. Sie lagen nackt beieinander. Es tat ihr so gut, endlich wieder bei ihm zu sein. Ihn zu spüren. Ein Jahr lang hatte sie auf ihn verzichten müssen. Und doch, als sie endlich wieder zusammen waren, hatte sie noch immer das Gefühl, dass er weit von ihr entfernt war. Er war ausgemergelt, beinahe dürr geworden. Die Schlacht um Winterfell, die lange Reise nach Harrenhal und die lange Nacht hatten ihm stark zugesetzt. „Was ist in Harrenhal passiert?" fragte sie ihn erneut.
„Bitte. Margaery. Ich... ich will nicht darüber reden.", sagte Robb leise. Sie konnte die Qual der Erinnerungen in seiner Stimme spüren. Entschlossen richtete sie sich auf. Sie schlang ihre Beine um seine Hüfte und richtet sich auf.
„Was hast du vor?" fragte Robb verwirrt.
„Ich hole mir meinen Gemahl zurück," sagte sie und begann ihre Hüfte zu bewegen. „Ich habe dich schon einmal verloren geglaubt. Das werde ich kein zweites Mal durchmachen."
„Margaery. Bitte. Lass es... ich... ich kann nicht...", sagte Robb zitternd.
„Du bist noch immer in Harrenhal," sagte Margaerys entschlossen. „Ich werde dich nicht dort lassen. Du gehörst mir." Sie beugte sich zu ihm herunter und packte seine Arme. „Du gehörst nur mir." Sie nutze alles was sie hatte, um ihn zu erregen und zurück zu ihr zu holen. „Ich bin dein und du bist mein. Von diesem Tag, bis zum Ende meiner Tage.", zitierte sie den Heiratseid der Sieben neuen Götter. Und dann konnte sie es sehen. Der Hunger nach ihr, erwachte erneut in Robb. Er nahm ihre Hände, richtet sich auf und küsste sie.
Margaery seufzte vor Verlangen, als sie sich endlich liebten. „Ich gehöre dir.", knurrte Robb. „Ich habe dich unter den Augen der alten Götter zu meiner Frau genommen. Du gehörst mir, bis zum Ende unserer Tage." Er schlang seine Arme fest um sie und Margaery drückte ihn an sich.
Jetzt gehörte er erneut ihr.
Als es vorbei war, lagen sie wieder beieinander, enger, als vorher. Margaery genoss die Wärme, die er ausstrahlte und malte mit dem Finger Kreise auf seiner Brust. Sie fragte sich, ob sie erneut einen Sohn gezeugt hatten. Sie wünschte es sich.
„Ich liebe dich.", sagte Robb ihr. Und dieses Mal glaubte sie ihm.
„Es war der Hölle.", begann Robb leise.
„Sch... Du musst nichts sagen," flüsterte Margaery leise. Die Fackeln waren erloschen und sie lagen im Dunkeln neben nebeneinander. Sie konnte sein Gesicht nicht sehen, spürte aber, dass er lächelte.
„Ich will es aber. Es war die Hölle. Winterfell war nur ein Vorgeschmack dessen, was wir in Harrenhal erlebt haben. Die Weißen Wanderer, sie waren schrecklicher als alles, was ich jemals gesehen habe. Wir haben ihre Armee in der Eng verbrannt, doch sie haben unsere Kameraden wieder auferstehen lassen. Ich musste Männer erschlagen, mit denen ich den ganzen Krieg zusammen gekämpft habe. Wir alle mussten das tun." Seine Stimme zitterte, doch er war immer noch bei ihr. „Und als alles vorbei war, waren so viele gefallen... Renly, Tormund, Theon. Sie alle sind gestorben. Arya hat ihre Hand verlorene, als sie einen der Weißen Wanderer getötet hat. Es sind so viel alte Familien aus dem Norden verstorben, dass ich nicht weiß, wie es weitergehen soll, wenn wir nach Winterfell zurück kehren."
„Es wird immer einen Weg geben.", sagte Margaery leise. „unsere Familie ist wieder beisammen. Rickon ist wieder bei uns. Sharin bekommt ein Kind. Unsere Familie ist wieder zusammen."
„Nein. Es fehlen noch zwei.",sagte Robb leise. „Unsere Kinder."
„Ich weiß.", sagte Margaery. „Doch sie kommen zu uns zurück. Ich verspreche es dir. Unsere Familie wird wieder zusammen sein."
Robb zog sie an sich. „Ich liebe dich.", sagte er, während der Schlaf sie übermannte.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro