Entschuldigung
Ich musste es tun.
Langsam nickte ich vor mich hin, um mir selbst einzureden, dass es jetzt nicht mehr in meiner Hand war zu entscheiden.
Mein Blick wanderte zum Rückspiegel und sah wie die Autos mittlerweile direkt hinter uns fuhren.
"Ich werde probieren sie los zu werden", es hörte sich so an, als würde eher mit sich selbst sprechen und nicht mit mir. Er versuchte sich einzureden, dass er es schaffen würde.
Mit einem kräftigen Ruck wurde ich tiefer in den Sitz gedrückt. Ich sah nur noch wie Ian den Gang wechselte und kräftig auf das Gas drückte. Automatisch wanderten meine Hände and die Kante des Sitzes und klammerte sich fest, zu mindestens probierten sie es so gut es ging mir der Waffe, die ich immer noch fest umklammert hielt.
Mit jeder vergangenen Sekunde überholten wir mehrere Autos. Mein Herz schlug immer schneller und drohte jeden Moment stehen zu bleiben. Das Adrenalin floß in einer hohen Dosis durch meine Adern.
„Ich hab es gleich geschafft. Noch eine Sekunde. Skyla beruhig sich!", seine mittlerweile laute Stimme, die probierte mich zu beruhigen, wurde von meinem Gehirn völlig ausgeblendet und verschwamm im Hintergrund.
Ich probierte meine Augen mit aller Kraft offen zu halten.
Du kannst jetzt nicht ohnmächtig werden, Skyla!
Aber egal wie sehr ich dafür kämpfte, meine Augen schlossen sich immer mehr, bis ich schlussendlich aufgab. Ich war zu müde und zu schwach sie offen zu halten. Schon wieder fiel ich in ein tiefes Loch, aber diesmal wollte es sogar ein Teil von mir. Trotz meiner fürchterlichen Angst sehnte sich mein Körper nach Ruhe.
Noch zum letzten Mal schaute ich schwach zu Ian rüber und brachte ein letztes Wort heraus: „Entschuldigung", danach verschwamm meine Sicht völlig und mein Körper erschlaffte. Ich spürte noch wie mir die Waffe aus der Hand glitt und verlor dann endgültig mein Bewusstsein.
— Zeitsprung—
„Ian! Ich habe doch schon so oft gesagt, dass du dich von ihr fern halten sollst. Verdammt!", „Denkst du ernsthaft, dass ich es mir jedes Mal aussuche den Babysitter zu spielen? Sie ist schwach, zu schwach um bei dem ganzen Zeug hier überhaupt mitzumachen! Wegen ihr ist doch auch Mike gestorben, nur um ihren ein normales Leben zu schenken. Was ist überhaupt ein normales Leben?!", lautes Geschrei brachte mich wieder in die Realität zurück und ich lauschte ab dem Moment an, an dem der Name meines Vaters fiel.
Mike.
„Wage es nicht weiter zu sprechen Ian! Kein Wort mehr!", die Stimme hörte ich zum ersten Mal. Sie war etwas rau und ähnelte der von Kai.
„Sie hätte sterben sollen. Das wäre das Normalste gewesen, das in ihrem ganzen Leben passieren wird", ruckartig öffnete ich meine Augen und ignorierte die unerträgliche Helligkeit des Raumes, in dem ich mich befand.
Nach ein paar kurzen Sekunden verbesserte sich meine Sicht und ich starrte Ian und einen mir unbekannten Typen an.
Sofort drehte sich auch ihre Köpfe zu mir. Lautlos starrte ich ihn an, während sich langsam Wut in mir sammelte. Kalt starrte er zurück und wusste genau, dass ich alles gehört hatte, was er gerade gesagt hatte. Ein Vorhang legte sich auf seine Augen, aber die Kälte seines Blickes veränderte sich nicht. Tief in seinen Augen verbarg sich ein riesiger Eissturm, der bereit war alles zu zerstören. Er war bereit jeden in diesen Sturm zu ziehen, nur um zuzusehen wie sie durch die Kälte litten. Gerade jetzt traf ein Eissturm auf einen seiner gleichen. Eis traf auf Eis. Dieses Zusammenstoßen drohte mit dem ewigen Winter, wenn einer nicht zurück trat. Genau das tat aber keiner von uns. Weder ich noch er senkten unsere Blicke.
Langsam erhob ich mich von dem Sofa, auf dem ich gerade noch lag und lief mir schweren Schritten auf ihn zu. Bis uns nicht mal ein Meter trennte.
„Gestorben wegen mir?", ich hauchte die Worte gegen seinen Hals und sah wie er eine Gänsehaut bekam. Ich wusste nicht, was in dem Moment mit mir passierte oder woher ich die Mut hatte so zu handeln, aber es war mir egal.
„Mein Leben war noch nie normal. Man kann kein normales Leben führen, wenn man mitten in ein Chaos geboren wurde. Man kann nur probieren sich selbst zu beschützen und genau das habe ich getan, denn ich habe es mir selbst geschuldet. Dem kleinen Mädchen, das ihre Mutter nur auf Bildern gesehen hat, denn dieses Mädchen hatte ein normales Leben verdient", meine Augen brannten durch die Tränen, die sich in ihnen sammelten.
Mein Mund war ganz trocken und mein Hals schmerzte. Ohne ihn anzuschauen oder auch nur ein Wort zu sagen, drehte ich mich um und setzte mich wieder auf das Sofa. Mein Blick war jetzt auf den Typen gerichtet, der das Ganze geschehen ohne Kommentar beobachtet hatte.
Die Stille, die sich auf uns alle gelegt hatte, fühlte sich an wie eine Umarmung, die man nie bekommen wollte. Genauso wie die Schuld, die Ian gerade auf meine Schultern gelegt hatte.
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