Kapitel 36
Peng!, das saß. Ich schaute ihn mit weit aufgerissenen Augen an. Eine Halbelfe? Hatte Lorion gerade nicht erklärt, dass in meinem Blut lediglich Elfenmagie floß? Was sollte das denn jetzt also heißen? Wo war da der Unterschied? Und was bedeutete das für mich? Und überhaupt, ich verstand nur noch Bahnhof.
Meine Gedanken wirbelten durcheinander. Hunderte Fragezeichen tanzten Tango in meinem Kopf. Lorion durchbrach die entstandene Stille: „Interessante Theorie Rallion. Würde ihre mentale Stärke auf jedenfall erklären. Und ihre Fähigkeit, die Bilder anderer ohne zutun in ihrem Kopf zu sehen. Aber Halbelfen gibt es noch weniger als Wächter. Daher können wir in diesem Punkt auch nur mutmaßen. Aber eins spricht dagegen, nämlich die Tatsache, das sie auf Kyus Kuss reagierte wie ein Mensch. Als Halbelfe hätte sie erfahrungsgemäß so nicht reagiert dürfen, dass ist überliefert."
"Das stimmt so nicht ganz.", fiel Tarek ein. „Wie meinst du das mein Junge?", fragte er ihn interessiert. „Nun ja, ich bin oft mit in der Forschungsabteilung gewesen und weis, dass das Blut und einige Gene verschiedene Merkmale besitzen. Wir sind uns zwar alle recht ähnlich, aber eben nicht ganz. Es wurden ein paar wenige Tests mit Wächtern, Halbelfen und Elfen durchgeführt über die letzten Jahrhunderte."
„Das heißt wenn wir Lucy Blutabnehmen, könnten wir es genau feststellen?", fragte nun Noam nach. Tarek nickte: „Das wäre die schnellste und sicherst Methode, es festzustellen. Aber diese Untersuchung würde einige Tage dauern."
„Also fällt sie derzeit flach.", erwiederte Lorion. „Wieso? Wir müssten nur zum Labor!" Tarek war völlig aufgedreht von seiner Idee und strotzte vor Tatendrang. Man merkte ihm an, wie er für dieses Thema brannte. „Tarek, keiner der forschenden Ärzte ist noch vor Ort! Außerdem wurde der Großteil der Abteilung zerstört." Bei der Erwähnung lief ich rot an.
"Ich könnte dies übernehmen. Dafür bräuchte ich nur ein paar Dinge. Es würde sich im Labor oder der Krankenstation sicher alles finden! So weit ich weis ist die Krankenstation immer noch auf Notfallbetrieb vorhanden."
„Ich trau dir diese Untersuchung mehr wie zu Tarek", redete Lorion beschwichtigen auf ihn ein, „aber derzeit ist es zu gefährlich, nur wegen der Klärung dieser Tatsache was Lucy nun genau ist, solch ein Risiko einzugehen. Keiner von uns weis, wo genau Calatin sich mit seinen Anhängern verschanzt hat. Und auch wenn ich mir sicher bin, dass sie dir nichts tun würden, da du der Enkel von Albion bist. Aber ich möchte keinen von uns aus den Reihen verlieren, verstehst du?" Alle merkten Tarek seine Entäuschung an. Aber er überraschte mich, als er nach ein paar Minuten nickte. Andere in seinem Alter wären wohl trotzig davon gelaufen. Ich nickte ihm als Zeichen des Dankes zu. Ich wusste zu schätzen, was er da auf sich nehmen wollte. Er lächelte mich an. Lorion legte seine Hand auf dessen Schulter. „Wenn dies vorbei ist, werde ich dich damit beauftragen an diesem Thema zu forschen. Einverstanden?" Tarek strahlte ihn an und nickte. „Jetzt ist zwar keine Zeit es herrauszufinden, aber sie ist und bleibt deswegen trotzdem eine Wächterin. Und wir sollten nun weiter überlegen wie wir die anderen befreien und Calatin stoppen können."
„Auch hierfür gäbe es eine schnellere und einfachere Lösung dies herrauszufinden denke ich." Wieder zog Rallion die Blicke aller auf sich. Aber seine Augen fixierten nur mich. Und auch wenn es mich mega nervös machte und ich nicht verstand, was er von mir wollte, fühlte ich mich in seinem Blick geborgen."Ist das denn jetzt wichtig Rallion?", fragte ihn Lorion. Dieser zuckte nur leicht mit den Schultern. Sein Blick weiter auf mich gerichtet. Ich konnte nicht wegsehen, selbst wenn ich gewollt hätte. Mein Gehirn lief auf Hochtouren. Während die Gefühle Achterbahn fuhren. Ich war nervös und angespannt. „Lucy, kennst du eine Gitty Navrat?", fragte er mich grade herraus. Überrascht riss ich die Augen auf. „Woher kennst du den Namen meiner Großmutter?" Unbewusst dutzte ich dabei Rallion. „Großmutter.", sagte er zu sich selbst und nickte. „Wieviele Kinder hat sie?"
„Nur meine Mutter. Wieso?"
„Sie ist vierzig?"
„Neunund...." Das letzte Zahnrädchen in meinen Kopf klingte sich ein und ich verstand worauf er hinaus wollte. Rallion nickte und ein Schatten der Trauer legte sich kurz über seinen Blick. „Das kann nicht sein. Du bist... mein..."
„Großvater, richtig." Perplex sah ich ihn an. Wieviele Jahre habe ich mich gefragt, wie er wohl aussah und was für ein Mensch er war. Mensch haha! Würde er mich mögen. Und nun war es ausgerechnet Rallion? „Aber wie kommst du darauf das Lucys Großmutter Gitty Nevrat ist?", fragte Lorion ihn. Rallion überlegte kurz, dann antwortete er: „Ich hatte damals ein Gefühl, ahnt es, das Gitty schwanger sein könnte. Aber sie verneinte es. Sie ging ohne ein Wort des Abschieds. Später hab ich versucht sie zu finden, aber sie schien wie vom Erdboden verschluckt. Als ich Lucy dann das erste mal sah, dachte ich Gitty stände vor mir. Die Tatsache das Kyus Kuss sie nur umhaute, lies mich grübeln. Auch vom Alter passte es. Bestätigen kann es wohl nur Gitty selbst, aber mein Gefühl trügt mich selten."
„Krass.", kam es von Tarek. Der zwischen Rallion und mir hin und her sah. „Ja, so könnte man es wohl ausdrücken. Dann wäre Lucy also das Kind einer Halbelfin. Normal nehmen diese sich aber einen Elfen zum Partner.", merkte Lorion an. „Aber wenn ihre Mutter nicht weis das sie eine Halbelfin ist, dann spührt sie zwar das sie anders ist, aber sie weis ja nichts von unserer Welt.", sagte Tarek. „Das Stimmt. Aber da Gitty nicht da ist um es zu bestätigen, werden wir auch das auf später verschieben müssen." Lorion trommelte leicht mit seinem Zeigefinger auf dem Tisch herum.
„Das muss sie auch nicht.", flüsterte ich nach kurzer Pause. Nun sahen mich alle an. Rallion hielt weiter an meinem Blick fest, als gäbe es nur uns zwei. „Sie hatte nie einen Mann an ihrer Seite. Selbst meine Mutter erzählte mir immer, dass sie schon immer eine starke selbstbestimmte Frau war. Wenn sie meiner Mum von ihrem Vater oder mir von Großvater erzählte, dann war er ihre große Liebe gewesen. Er ertrank beim schwimmen im Meer und wurde nie gefunden. Fotos gab es keine, angeblich verbrannten sie im Haus ihrer Eltern als der Blitz einschlug." Rallions Augen waren abwesend und voller Liebe. Das hatte ich bei ihm bis dahin noch nicht gesehen, geschweige denn mir überhaupt vorstellen können. „Aber kann es nicht sein, das sie kurz nach Rallion doch noch jemanden hatte, schwanger wurde und er danach verstarb?", fragte mich Teleria sanft. Ich schüttelte den Kopf. „Nein. Sie ist eine Frau, die Wert auf Anstand und Ettikete bei Männern legt. Auch mein Vater musste sich um meine Mutter bemühen und gewissen Regeln beachten. Wenn sie melancholisch war, erzählte sie uns immer, dass wenn es für sie an der Zeit ist zu sterben, wird sie zu ihrem Liebsten ins Elfenreich ziehn." Ich verzog meine Lippen zu einem Lächelte. Bei der Erinnerung, wie sie dabei in ihrem rießengroßen bequemen Ohrensessel saß und seelig vor sich hin lächelte, zog sich mir das Herz zusammen. Ich vermisste sie so sehr. „Nicht weinen.", hörte ich Rallion sagen, dann schloss er mich schon in seine starken Arme. Ich hatte nicht mal mitbekommen wie er auf mich zugekommen war, obwohl wir dauernt Blickkontakt gehalten hatten. „Ach Opa.", sagte ich und plötzlich brachen alle Dämme. Ich wurde von Schluchzern nur so gebeutelt. All der Druck, die Schmerzen, die Ängste und die unendliche Sehnsucht nach meinen Lieben brachen aus mir hervor. Dazu kam all die Liebe die ich seit jeher für meinen totgelaubten Opa verspührt hatte. Ich drückte mich an ihn. Ich wollte nicht vor allem zusammenbrechen, aber ich konnte auch nichts dagegen tun. Rallion aber hielt mich einfach nur fest an sich gedrückt und steichelte meinen Rücken. Er war da, hier bei mir und ich einfach nur glücklich.
Ich wusste nicht wie lang wir so da standen, aber mein Großvater hatte mir einfach nur das gegeben, was ich in dem Moment am dringensten brauchte. Dafür war ich ihm so dankbar. Als ich mich langsam von ihm löste, fiel mir auf, das wir allein waren. Die anderen mussten unbemerkt den Raum verlassen haben. „Sie waren so taktvoll und wollten uns den Moment allein lassen.", sagte Rallion sanft, dem mein Blick nicht entgangen war. Schüchtern und ein wenig betreten wegen meines Zusammenbruchs, lächelte ich ihn an. "Wir werden nach dem Abendessen weiter darüber reden, was zu tun ist. Für den Moment hatten wir alle wohl genug Informationen und Offenbahrungen." Er zwinkerte mir zu. „Wollen wir ein Stück laufen und du erzählst mir etwas über dich, wie deine Mutter so ist und wie es Gitty geht? Das würde mir viel bedeuten." Mit neu geschöpfter Kraft und einen leichteren Herzen, nickte ich ihm euphorisch zu. Und wir machten uns auf den Weg.
Wir redeten über meine Kindheit, Schule und Freunde. Über Konzerte und Festivals wo ich mit meinen Eltern war. Familienfeiern, an denen wir jedes Jahr zusammen kamen. Die Traditionen die uns wichtig dabei waren und es immer noch sind. Das Gitty am Meer lebte, in einem kleinen Häuschen mit Garten, den sie über alles liebt. Darüber wie meine Mutter dort aufgewachsen ist. Wie sie meinen Vater kennen und lieben lernte. Über ihren Beruf als Malerin und Restauratorin.
Im Gegenzug erzählte er mir seine Geschichte mit Gitty. Er hatte damals, genau wie Kyus, bei den Menschen gelebt um diese und deren Lebensweise kennenzulernen. Sie hatten sich beim jobben in einer Bar kennengelernt. Er als Barkeeper, sie als Bedienung. Sie verstanden sich auf anhiebt und schwammen auf der selben Welle. Sie unternahmen in ihrer Freizeit fiel zusammen. Strand, Partys, Kino oder Museen. Er fand ihre leichte Art bezaubernd, ihre Ansichten vom Leben faszinierend und verliebte sich daher recht schnell in sie. Dann wurden sie ein Paar und er offenbarte sich ihr. Sie nahm es so locker auf, als erzähle er ihr gerade von seiner Briefmarkensammlung. Auch vertraute er ihr die Regeln an, unter anderem, das sie sich nicht küssen durften, auch wenn er es doch so gerne getan hätte. Sie lachten nur darüber, da die beiden es eher für eine konservative Regel aus dem Mittelalter hielten. Er kannte ja den Grund zu dieser Zeit selbst nicht, wie die meisten anderen auch und doch kannte jeder diese Regel sobald er in der Welt der Menschen lebte. Es läge daran, die Menschen und jungen Elfen nicht zu verunsichern. Sich der Liebe zu versagen. Denn diese lenkte ja die kommenden Hüter und den passenden Elf. Oder das sie sich von ihrer Familie verabschiedeten und so das Geheimnis des Elfenvolkes herrauskommen würde. Nur die Mentoren bei denen man lebte wussten davon. Und denen traute man sich normal auch an. Bevor er dies tun konnte, küsste Gitty ihn spontan ohne das er es verhindern konnte. Und natürlich erwiederte er dies ohne nachzudenken. Und kurz darauf fiel sie in Ohnmacht. Es dauerte einen Monate bis sie aus dem Koma wieder erwachte. Er wusste in der Zeit nicht, was er ohne sie hätte machen sollten, umso glücklicher war er, als sie wieder bei ihm war. Sie zogen danach zusammen nach Taieri. Es waren wundervolle glückliche Monate. Aber alle spührten, dass Unheil aufzog. Gitty fing aufeinmal an sich vor ihm zu verschließen. Sie wurde abweisend. Er tat alles um sie umzustimmen, doch es half nichts. Eines Tages, er wollte eigentlich um ihre Hand anhalten, beendete sie die Beziehung und verschwand in die Menschenwelt. Er war am Boden zerstört und wollte ihr hinterher. Doch sie war wie vom Erdboden verschluckt. In seiner Verzweiflung beschuldigte er seinen Vater. Dieser war damals Ältester. Rallion hatte einen Streit mitbekommen, zwischen Gitty und ihm. Seit diesem Tag hatte er kein Wort mehr mit ihm gewechselt. Er brauchte lange um Gittys Entscheidung zu akzeptieren. Ein paar Jahre später heiratete Rallion seine mittlerweile verstorbene Frau Racalla. Sie waren schon lang befreundet gewesen. Racalla mochte Gitty nicht, denn sie wusste, wäre Rallion Gitty nicht begegnet, wäre sie schon längst seine Frau. Sie bekamen einen Sohn. Talin. Ein lieber und aufgeweckter Junge, auf dessen Entwicklung er nicht stolzer hätte sein können, der sich aber die letzten Jahre mit den falschen Freunden abgab. Was Rallion mit Sorge beobachtete und sich nun als richtig herrausstellte. Talin hatte Calatin schließlich zur Fluch verholfen.
Die Geschichte traf mich tief ins Herz. Eine Träne rann mir die Wange hinunter. Soviel Leid und Schmerz. Das hatte keiner verdient. Nun spendete ich meinen Großvater Trost, in dem ich ihn umarmte. Was er gleich erwiederte. Mich selbst wühlte die Tatsache hingegen auf, das Talin mein Onkel war. Nach den letzten Begegnungen mit ihm und seinen Worten. Mir wurde leicht übel. Man konnte sich seine Familie bekanntlich nicht aussuchen. Ob das Treffen anders verlaufen wäre, hätte Talin gewusst wer ich bin? Hätte er seine Ansichten geändert? Oder hasste er die Menschen so, weil er wusste das die große Liebe seines Vaters ein Mensch war? Das Rallion Talins Mutter erst danach beachtet hatte? Hätte er seine Mutter gleich gerächt, mit dem Wissen?
Mein Kopf fühlte sich so schwer an. Soviele Informationen und noch mehr Fragen. Ich löste mich von Rallion und lehnte mich stöhnend mit der Stirn an einen Baum um durchzuschnaufen. Und wieder durchstöhmte mich kribbelnde Wärme, wie an dem Tag, als Kyus mir sein Geheimnis offenbahrte. Sehnsucht zog mir mein Herz zusammen und ströhmte durch meinen Körper. Es tat so höllisch weh. Wie sollte ich nur weitermachen ohne ihn. Ein Schluchzer überkam mich. Und wieder brach ich in Tränen aus. Es war als wolle der Schmerz mich innerlich zerreißen. „Ach Lucy, alles wird gut.", Rallion nahm meine Hand. "War es. Bei dir. Auch so. Schlimm?", fragte ich schluchzend und gebeutelt unter Krämpfen. Er dachte einen Moment nach bis er mir leise mit Schmerz in der Stimme antwortete: „Am Anfang ist es sehr hart, aber man lernt damit zu leben." Er strich über meinen Kopf und fügte kurz danach aber noch hinzu: „Du wirst ihn bald wiederhaben, versprochen."
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