Kapitel 34
Ich erwachte, doch ich öffnete noch nicht meine Augen. Ich hörte das Rauschen vom Meer und genoss es einen Moment. Wir waren schon umgezogen? So sehr ich meinen Kopf anstrengte, ich konnte mich nicht an die letzten Tage erinnern. Vielleicht lag es einfach an diesem schrecklichen Albtraum den ich hatte, der mir noch in jeder Faser meines Körpers nachklang. Wobei die Stelle mit Kyus, hmmmm, ja die war schon nicht sooo schlecht. Aber hey, mal ehrlich, der ganze Elfenquatsch drumherum? Fast muss ich laut loskichern. Nur ein kurzes grunzen kam mir über die Lippen.
Ein Räuspern. „Morgen Dad.", nuschelte ich. Ein intensiveres Räuspern. Ich seufzte tief und schlug die Augen auf. „Was gibt es denn...?" Der Rest meiner Worte blieben mir im Hals stecken. Denn vor mir stand nicht mein Vater. Ruckartig setzte ich mich auf, um im nächsten Moment zischend einzuatmen. In meinem Kopf expoldierte der Schmerzen, das ich mit den Händen meine Schädeldecke festhielt, aus Angst sie könne zerpringen. Schwarze und bunte Pixel tanzten vor meinen Augen. „Langsam Lucy." Noam stellte das Kopfteil des Bettes höher und schüttelte mein Kissen auf um mich dann vorsichtig zurück zu lehnen. „Tut mir leid! Ich wollte dich nicht erschrecken. Wird es besser?" Ich nickte vorsichtig, während meine Augen langsam wieder scharf stellten. Wie Säure sickerte mir Tropfen um Tropfen die Gewissheit in mein Gehirn, dass dieser ganze Albtraum doch wahr war. „Oh Gott.", nuschelte ich. „Ist dir schlecht? Ich hol lieber Teleria.", sprach Noam besorgt. „Nein! Nein, Noam. Alles gut, ich dachte nur... Ich... Also... Ach egal.“ Noam setzte sich auf die Bettkante und beobachtete mich genau. Plötzlich kreisten eine Menge Fragen in meinem Kopf. „Was ist passiert? Wo, wo sind wir hier? Wo ist Kyus? Warum ist er nicht hier bei mir? Was ist mit Floriel? Und wurde..."
„Halt Stopp, Lucy!", rief Noam und machte eine beschwichtigende Bewegung mit seinen Händen. „Entspann dich erstmal. Alles nacheinander. Wir sind in Sicherheit. Zu erst einmal solltest du wieder auf die Beine kommen. Du hast dich vorgestern wohl mehr wie verausgabt, was ich gehört habe."
„VORgestern?", erwiedere ich entsetzt. „Wie spät ist es denn jetzt?"
„Es ist Nachmittag."
„Also war ich achtundvierzig Stunden weg?"
„Ja so ungefähr. Wie gesagt, du hast dich vorgestern mehr wie verausgabt. Du bist das Gesprächsthema Nummer eins hier." Er lächelte mich aufmunternd an und legte eine Hand auf meinen Arm. Ich stöhnte auf. Na das wollte ich unbedingt erreichen. Was sie wohl dachten und redeten? War es guter oder schlechter Tratsch? Woher wussten nur alle davon? Wieder musste ich stöhnen. Das Gedankenkarussell versetzte meinem Kopf schon wieder Schmerzen. „Wo sind wir denn nun überhaupt?"
„Ein Stück weit hinter den heiligen Quellen."
„Und wo ist Kyus?" Ich sah ein Schatten durch Noams Augen huschen. Es war jedoch so schnell vorbei, dass ich mir dann doch nicht sicher war. „Er ist wohl noch unterwegs.", sagte er nur knapp. „Wohin?" Ein ungutes Gefühl breitete sich in mir aus.
„Keine Ahnung?"
„Du würdest mich doch nicht anlügen oder?" In meinem Kopf entstand ein Bild von einer Gruppe die um Calatin versammelt stand, vor ihm knieten Leute. Dann Calatins Gesicht wie ich ihm zunicke. Ich zuckte zusammen.
„Verdammt, ich weis es doch auch nicht. Er wollte wohl was besorgen. Frag ihn wenn er wieder da ist." Er stand sprunghaft von meinem Bett auf und lief zur Tür. „Ich hol jetzt Teleria. Ich sollte sie eigentlich sofort informieren, sobald du aufwachst." Und schon war er verschwunden. Die Tür fiel knallend ins Schloss und mein Kopf pulsierte von dem Nachhall. Mein schlechtes Gewissen meldete sich auch prompt. Ich glaub ich würde mich später wohl bei ihm entschuldigen müssen, für mein offensichtliches Misstrauen. Die Geschehnisse und die Bilder von gerade, ließen meine Gedanken und Gefühle in mir Karussell fahren. Ich stöhnte erneut auf und schloss die Augen.
Ich muss wieder eingeschlafen sein, denn als ich meine Augen wieder öffnete, war mein Kopfteil des Bett etwas niedriger gestellt und ich ordentlich zugedeckt. Es hat mich wohl völlig ausgelaugt, dieses kurze aber aufreibende Gespräch mit Noam, obwohl ich seiner Angaben nach schon zwei Tage durchgeschlafen hatte.
Die Tür öffnete sich langsam und leise und herein kam eine junge Frau. Sie war zierlich, blond und Offensichtlich hoch schwanger. In der Hand trug sie ein Tablett. „Hallo Lucy, wie ich sehe bist du wieder wach. Ich bin Teleria. Wie geht es dir?" Freundlich lächeld sah sie mich an. Doch in ihren Augen spiegelte sich Traurigkeit, die mir das Herz zusammen zog. „Soweit ganz ok. Nur unendlich müde.", gab ich matt aber freundlich zurück. „Ich hab dir Suppe und Tee mitgebracht, das gibt dir wieder Kraft." Sie half mir mich aufzusetzen und stellte mir dann das Tablett auf dem Schoß ab. Beim erste Löffel Suppe merkte ich wie sehr ich Hunger hatte. Bei jedem weiteren kam meine Kraft immer weiter zurück. Teleria setzte sich neben mich auf einen Stuhl und wartete ab bis ich aufgegessen hatte. „Das tat gut, danke.", durchbrach ich die Stille. „Du hast eine Menge Energie verbraucht. Davon muss sich dein Körper erst einmal erholen. Und eine kräftige Suppe hat da schon immer gut geholfen.", zwinkerte sie mir zu. Ich spührte ihre Trauer und in meinem Kopf blitzten Bilder eines Mannes auf. Stämmig, muskulös, kurze dunkle Haare und seine Augen von einem stechenden blau. Beide mehr wie glücklich vorm Altar.
Tränen stiegen mir in die Augen. „Was ist passiert?", flüster ich ihr zu, bevor ich die Worte zurück halten konnte. Teleria sah mich kurz verwundert an, wohl weil ihre Gedanken gerade ganz wo anders waren. Meine schneller Stimmungsumschwung irritierten sie wohl zusätzlich. „An was kannst du dich denn noch erinnern?" Ich sah sie darauf hin kurz verwirrt an. Auf ihrer Stirn bildete sich ein Fältchen. Sie dachte wohl darüber nach, ob mein Kopf doch mehr abbekommen hatte als bis jetzt ersichtlich. Mir dämmerte, dass sie nur das Chaos von vorgestern meinte. Nur? Hahaha. Ich räusperte mich kurz: „Davor ist alles noch da. Ich meine nachdem ich weggetreten bin."
„Kurz nachdem der Alarm los ging, war Rallion auf dem Weg hier her um dich in Sicherheit zu bringen. Lorion kam ins Haupthaus um uns andere vor Calatin und seinen Anhängern zu warnen. Leider zu spät. Ein paar von uns konnten sich verstecken. Ich konnte fliehen. Um später mit einigen wenigen, angeführt von Lorion, dann hier hinter die Quellen in Sicherheit zu kommen." Wieder flog ein Schatten der Trauer über ihren Blick. Erneut blitzten Bilder in meinem Kopf auf. Bilder des Kampfes. Ein Mann, der selbe wie vor dem Altar. Jetzt aber mit einem traurigen gehetzten Blick. Wie er sich schützend den Angreifern in den Weg stellte. Und wieder entschlüpfen mir die Worte noch bevor ich sie zurück halten kann: „Er hat dir zu Flucht verholfen. Dein Mann.", flüsterte ich. Teleria entwich sämtliche Farbe aus dem Gesicht. „Woher weis du...?" Mehr ging in einem Schluchzer unter. Eine Träne rann über ihre Wange. Ich legte meine Hand auf ihre. Als sie sich ein wenig beruhigt hatte, zuckte ich mit den Schultern. „Es ist..., also manchmal da, da seh ich einfach Bilder. Ich kann es nicht beeinflussen. Sie kommen einfach." Ihre großen Augen sehen mich erstaunt und traurig an, dann nickt sie verstehend. „Okay. Den Grund werden wir später klären. Wichtiger ist jetzt erst einmal, dass du dich erholst." Sie nahm das Tablett und stellte es zur Seite, dann reichte sie mir den Tee. Der wird dich beruhigen und dir zusätzlich Kraft geben. Ich roch vorsichtig daran. Teleria musste lachen. „Denkst du ich will dich vergiften?" Ich grinste: „Tut mir leid, manchmal bin so der Typ ‚Was der Bauer nicht ...' "
„...nicht kennt, frisst er nicht." Beendete sie den Satz. Ich schaute sie verdutzt an. „Ich wohne zwar in Taieri und bin für die Geburt unseres", ein weiterer Schatten der Erinnerung glitt über ihr Gesicht, „Kindes zu den heilligen Quellen gekommen, aber vor einem halben Jahrhundert, habe ich auch ein Jahr unter den Menschen gelebt". Ein Lächeln erhellte ihr Gesicht, als sie meinen erstaunten Blick wahrnahm. „Wir leben hier nicht hinter dem Mond Lucy."
„Tut mit leid, ich..."
„Du musst dich nicht entschuldigen.", lacht sie. „Es muss noch vieles für dich Neu hier sein. Das ist doch normal." Dankend nickte ich ihr zu.
Ich konzentirerte mich wieder auf den Tee. Er hatte eine süßlich schwere Note von Vanille und Honig und ein Hauch Zitrone. Ich nahm einen kleinen Testschluck. Hmmm, es schmeckte ein wenig nach Zitronenmelisse. Aber da war noch mehr, was ich jedoch nicht zuordnen konnte. „Was ist das für ein Tee? Zitronenmelisse?" Teleria schmunzelte. „Richtig, unter anderem. Es ist eine Mischung mit einer Pflanze Namens Imbaraga."
„Hab ich noch nie gehört."
„Das glaub ich dir gern. Sie wächst nämlich auch nur hier an den heilligen Quellen. Sie gibt dem Körper wieder Kraft. Die Melisse hingegen wirkt beruhigend."
„Verstehe. Schmeckt Gewöhnungsbedürftig, aber lecker." Unser lachen erfüllte den Raum und es tat gut. Auch wenn ich Teleria erst ein paar Minuten kannte, war sie mir schon so vertraut. Wir schwammen einfach auf einer Wellenlänge. Ich glaube zwischen uns könnte eine gute Freundschaft entstehen. Sie nahm mir die Tasse ab, sobald ich sie geleert hatte und befahl mir mich auszuruhen. Dann verließ sie das Zimmer samt dem Tablett.
Ich erwachte am Abend erneut, als Noam mit einer Platte meines Abendessens ins Zimmer trat. „Hallo.", begrüßte er mich leise. Ich schenkte ihm ein Lächeln und mein Gewissen nagte Augenblicklich wieder an mir. Er stellte die Platte auf dem Tisch gegenüber meines Bettes ab. „Ich helf dir aufstehen, wenn du dich schon traust." Ich nickte zustimmend. „Aber erstmal setz dich langsam auf, dass dein Kreislauf in Schwung kommt." Ich machte wie er mir befohlen hatte. Es entstand eine drückende Stille zwischen uns. Noam wurde es wohl zu viel und plapperte drauf los: „Nach dem Essen lässt dir Teleria ein Bad ein soll ich dir von ihr ausrichten." Ich nickte abermals. Meine Worte kreisten mir im Kopf durcheinander und ich fand einfach keinen Anfang. Er nahm meinen Arm und stützte mich, als ich aufstand. Mein Körper schmerzte und pulsierte. Ich war extrem wackling auf den Beinen. Langsam gingen wir Schritt für Schritt zum Tisch hinüber. Ich räusperte mich. „Noam?"
„Hm?"
„Wegen vorhin. Also, ich wollte mich entschuldigen."
„Schon gut Lucy. Schwamm drüber."
„Nein, ich will das du weist, dass ich dir vertraue. Ich wollte dich nicht kränken. Ich habe nur zuviel im Kopf und habe nicht drüber nachgedacht, was ich sage."
„Danke.", erwiederte er. „Ich muss mich aber auch bei dir entschuldigen." Ich schaute ihn überrascht an. Er stellte sich vor mich und hielt mich an der Hüfte fest. "Mir hätte bewusst sein müssen, dass das alles für dich kurz nach dem aufwachen extrem schwer sein muss. Ich hätte meine Emotionen einfach besser im Griff haben sollen. Es hat nur an mir gekratzt, weil ich will das es dir gut geht Lucy. Ich bin für dich da wenn du mich brauchst und werde auf dich aufpassen." Unsere Gesichter waren ganz nah. Sein Blick bohrte sich in meinen und ich verlor mich kurz in seinen rehbraunen Augen. Die Hitze seines Körpers wurde mir immer mehr und mehr bewusst. Seine starken kräftigen Hände. Ein kribbeln fuhr mir durch den Körper. Calatins wütender Blick in meinem Kopf rissen mich aus meiner Starre. „Ähm.", schnappte ich erschrocken nach Luft. „Oh natürlich, tut mir leid.", stotterte Noam. „Setz dich.“ Er zog mir den Stuhl zurück um sich mir dann gegenüber zu setzen. Wir lächelten uns schüchtern an. „Nun iß entlich. Sonst kommst du nie zu kräften." Noam hatte mir von Teleria eine Platte mit verschiedenem Essen mitgebracht. Brotscheiben, Wurst, Käse und ein paar kleine Schälchen voll mit verschiedenen Salaten. Dazu eine größere Schüssel mit Obst. Mir lief das Wasser im Mund zusammen. Wieder bemerkte ich wieviel Hunger ich doch eigentlich hatte.
Ich wachte erneut auf. Alles war ruhig. Langsam setzte ich mich erst auf die Bettkante um mich dann langsam zu erheben. Erneut tanzten leicht schwarze Pixel vor meinen Augen. Diese verschwanten aber recht schnell wieder. Mein Körper fühlte sich besser an. Die ein oder andere verletzte Stelle auf meinem Körper, machte sich noch bemerkbar, aber es war nur noch eine Ahnung. Das Duftbad was mit Teleria gestern noch gemacht hatte war ein weiterer Kraftschub für meinen Körper gewesen. Ich ging zum Fenster und öffnete den Vorhang. Die Sonne war schon aufgegangen. Ich genoß den Ausblick und atmete mehrmals tief durch. Langsam entspannte sich mein Inneres. Dann entschloss ich mich, mich auf den Weg in die Küche zu machen und Teleria zu helfen. Sie war sicher schon auf den Beinen. Ich öffnete die Tür und ging den Flur entlang Richtung der Geräusche, die sich nach Vorbereitung aufs Frühstück anhörten. Es roch auch schon nach warmen Croissants und Kaffee. Hmmmm. Ich ging weiter, bis ich kurz davor ruckartig stehen blieb. Normal belauschte ich niemanden, dass fand ich nicht in Ordung und so wurde ich auch nicht erzogen. Doch mein Körper war wie versteinert. Wie es klang war nicht nur Teleria und ich schon auf den Beinen, sondern sogar schon eine Besprechung im Gang.
„Wir müssen den anderen schnell helfen! Wer weis was er geplant hat.", sagte eine jugendliche Stimme. „Natürlich werden wir ihnen helfen Tarek, aber es bringt nichts dies überstürzt zu tun.", erwiederte eine tiefere mir bekannte Stimme. Rallion. „Und ihr müsst es ihr sagen. Ansonsten werde ich es tun. Das hat sie verdient!" Das war Teleria. Ein eiskalter Schauer lief mir den Rücken hinunter. Meine Füße setzten sich von allein wieder in Gang, ohne mein zutun, und ich trat in die Küche. „Was sollt ihr mir sagen?"
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