Chapter Ten: deep shadows
Der Türknauf begann sich zu bewegen.
,,Nein, warte. Ich komme gleich", rief Rey beinah panisch durch die Tür zwischen ihnen.
Zum Glück blieb die Tür verschlossen. Wenig überzeugt von ihrem Aussehen zupfte sie nochmal das viel zu lange T-Shirt zurecht, das wie ein nasser Sack an ihr zu hängen schien. Es war seltsam, noch nie hatte sie sich für ihr Äußeres geschämt, aber bei ihm ... war alles ein bisschen anders. Nervös fuhr sie sich durch das Haar. Ein letzter Blick in den Spiegel, bevor sie seufzend die Tür öffnete und davor stand Ben. Wenigstens hatte er ein Shirt über gezogen, sodass sie nicht abgelenkt wurde. Seine Miene wirkte besorgt, als sich ihre Blicke kreuzten. Er starrte auf sie hinab, musterte sie. Unter seinem Blick begannen ihre Wangen zu glühen. Einer seiner Mundwinkel schoss nach oben.
,,Lügnerin", murmelte er beinah neckend.
Ihre Lippen zuckten, aber sie verkniff sich ein schiefes Grinsen.
,,Hi", hauchte sie dümmlich.
Erneut hob er eine Augenbraue.
,,Du spürst Dinge, bevor du sie siehst, reagierst schnell auf Gefahren und führst mit großem Geschick ein Lichtschwert, aber meine Anwesenheit bringt dich aus dem Konzept."
Seine Augen waren nun viel wärmer. Rey hatte keine Ahnung, wie sie ihm diese Frage beantworten sollte, wenn sie es nicht einmal selbst verstand. Unwillkürlich wanderte sein Blick zu ihren Lippen, wobei sich ihre Brust unerklärlicherweise zusammen zog. Ben neigte den Kopf, und eine dunkle Locke fiel ihm in die Stirn. Seine unglaublich dichten Wimpern senkten sich, und sein Blick auf ihren Mund war intensiv, als hätte er sie berührt. Rey erschauderte. Ein Chaos aus Emotionen herrschte in ihrem Kopf, die sie nicht einordnen konnte. So etwas hatte sie noch nie gefühlt. Scharf und süß, eine unbekannte Art der Qual. Allmählich wurde Rey klar, dass sie das nicht durchdacht hatte. Absolut gar nichts von all dem. Eine Nervosität ergriff von ihr Besitz, die sie mit den Händen ringen ließ. Wie von selbst glitt ihr Blick zu seiner Wange, dort wo einst die Narbe gewesen war, die sie ihm zugefügt hatte. Und jetzt war dort nur makellose Haut. Ihre Finger zitterten ein wenig, als sie die Stelle mit ihren Fingerspitzen berührte. Ben war nicht zurückgezuckt, so wie es Rey erwartet hatte. Im Gegenteil, er beobachtete sie aufmerksam.
,,Wir haben noch gar nicht darüber gesprochen", sagte Rey nach einer Weile, während sie langsam die Hand zurückzog.
Ben zog sich in den Wohnraum zurück, um sich auf das Bett zu setzen. Seine Gesichtszüge verrieten, dass er nicht gerade glücklich über den Verlauf des Gespräches war. In dieser Sekunde wirkte er regelrecht angespannt. Rey verweilte an der Wand, gegen die sie sich lehnte und die Arme vor der Brust verschränkte.
,,Warum hast du mich auf Exegol gerettet?"
Ihre Worte ließen ihn zusammenzucken. Die Erinnerung an den Schmerz des Verlustes wurden abermals in ihm wachgerufen. Die Bilder, die er vergessen wollte, so präsent in seinem Kopf. Wie sie dort gelegen hatte, mit bleichem Gesicht, die Augen weit geöffnet, die ins Nichts starrten. Rasch begann er die Emotionen zu verdrängen, die ihn zu überwältigen drohten. Er drückte seine Finger in das Laken, um die Fassung zu bewahren.
,,Weil es das Richtige war."
,,Für wen?", bohrte sie tiefer in seinen Wunden.
Am liebsten hätte er sie angefehlt aufzuhören, doch er wusste tief in sich drinnen, dass sie das nicht konnte, denn für ihren Seelenfrieden brauchte sie antworten. Und diese Antworten konnte nur er ihr geben. Als er weitersprach fühlte sich sein Mund staubtrocken an und den Blick hielt er gesenkt.
,,Für die Galaxie ... Sie brauchen dich." Er machte eine lange gedehnte Pause. ,,Und für mich."
Rey sprach kein Wort. Sie stand wie betäubt an Ort und Stelle und starrte ihn an. Fassungslosigkeit überschattete ihre Gesichtszüge. Allmählich hob er den Blick.
,,Ist es das, was du hören wolltest?"
Eine Träne löste sich aus ihrem Augenwinkel, um über ihre Wange zu laufen. Dort hinterließ die Träne eine feuchte Spur. Sie tat einen Schritt auf ihn zu, nur um in derselben Sekunde wieder innezuhalten.
,,Wusstest du, dass du dabei sterben könntest?"
Es war zu spät es zu leugnen, denn er spürte, dass sie es wusste.
,,Ich habe es gespürt, als meine Lebensenergie auf dich überging."
Unwillkürlich ballten sich Reys Hände zu Fäusten. In nicht einmal dem Bruchteil einer Sekunde überwand sie die Distanz zwischen ihnen, dabei umfasste sie sein Shirt mit einem Ruck.
,,Warum hast du nicht aufgehört?", schrie sie ihn an. Ihre Wut war wie eine Mauer gegen die er stieß.
Beinah traurig sah er zu ihr auf. All den Schmerz, all die Wut, die Rey verspürte, spiegelte sich in seinen Augen wieder.
,,Ich konnte nicht. Mich hätte niemand vermisst, aber dich ..."
Ben konnte den Satz nicht beenden, denn Reys Handfläche traf auf seine Wange. Das Geräusch hallte in dem ansonsten stillen Raum wider. Ein kurzes Brennen durchzuckte die Stelle, wo ihre Handfläche seine Wange getroffen hatte. Noch immer stand sie über ihm, die Finger, die sein Shirt umklammerten, zitterten nun ein wenig. Etwas Nasses traf auf seine Nasenspitze. Überrascht stellte er fest, dass es eine Träne von ihr war.
,,Wie kannst du so etwas nur denken. Ich habe dich vermisst ...", ihre Stimme brach und ging in einen Schluchzer über.
Zuerst war er überfordert mit der Offenbarung, die sie ihm gemacht hatte, bevor er sie zaghaft auf seinen Schoß zog. Sie weinte noch bitterlicher, wobei sie ihr Gesicht an seiner Brust verbarg. Er schloss die Augen und ließ die Gefühle zu, denen er sich verwehrt hatte, während er sie fest umschlungen hielt. All das war neu für ihn. In seinem bisherigen Leben war es immer nur um Ängste und Wut gegangen. Aber sie wollte er instinktiv beschützen. Sein Herz, seine Seele hing an ihr. Rey war am Leben, in Sicherheit und in seinen Armen. Er würde sie nicht mehr gehen lassen, schoss es ihm durch den Kopf. Sie hatte ihn von dem dunklen Abgrund, der sein Leben dargestellt hatte, zurückgeholt, hatte seinem Herzen wieder Wärme und Freundlichkeit geschenkt und seinem Dasein einen neuen Sinn gegeben. Abrupt versiegte ihr Schluchzen, als hätte sie die Veränderung in seiner Stimmung wahrgenommen. Ihr Blick hob sich und sie sah ihn mit geröteten Augen an.
,,Versprich mir, dass du nicht gehen wirst", sagte sie leise.
Er ergriff ihre Hand. Sie waren kein Paar, zumindest nicht im klassischen Sinne, und Versprechungen würde er nicht leichtfertig machen. Schließlich wusste er, wie mies das Leben war. Jedes aufheiternde Wort wäre eine Lüge gewesen. Also blieb er einfach bei ihr sitzen. Rey schwieg ebenfalls. Keine Ahnung, ob das an ihrem Schock lag oder daran, dass ihr die Situation genauso komisch erschien. Doch wenn er Rey so verletzlich vor sich sah, wusste er, dass seine Rückkehr ins Leben auch etwas Gutes mit sich brachte. Zeit mit Rey. Ihre Lider wurden schwerer und schwerer. Das entging Bens aufmerksamen Blick nicht, sodass er sich auf das Bett zurückfallen ließ und sie mit sich zog.
,,Schlaf ein wenig. Ich werde da sein, wenn du aufwachst."
,,Versprochen?", fragte sie mit einem Gähnen.
Ihr Anblick hob seine Mundwinkel. Wie sie verbissen versuchte dem Schlaf zu trotzen, der ihre Lider schwer werden ließ. Sanft schob er ihr eine feuchte Haarsträhne hinters Ohr.
,,Versprochen."
Wenigstens das konnte er ihr Versprechen. Seine Antwort schien sie zufrieden zu stimmen, denn sie schloss die Augen und schmiegte sich an seine Brust. Doch keine Sekunde später öffnete sie die Augen wider, ihre Lippen öffneten sich, als wollte sie etwas sagen. Doch kein Laut kam hervor. Sie gähnte abermals, bevor ihre Lider sich gänzlich schlossen. Eine Weile lauschte er ihren Atemgeräuschen, bis sie ruhig und gleichmäßig wurden. Erleichtert stellte Ben fest, dass sie eingeschlafen war. Die Müdigkeit hatte schließlich über ihren eisernen Willen gesiegt. Er neigte den Kopf, um ihren Scheitel mit den Lippen zu berühren.
,,Ich werde aufpassen, dass dir niemand ein Leid zufügt ... auch ich nicht."
Da war plötzlich eine Macht Erschütterung, die ihm durch Herz und Seele ging. Eine Welle der Dunkelheit. Eine Aura unaussprechlicher Bösartigkeit. Ein Hauch von Tod, der wie eine Wolke über ihnen hing. Sein Griff um Rey wurde ein wenig fester. Eine Stimme in seinem Kopf sprach, die ihn zermürbte. All jenes vermischte sich mit Bildern von Exegol, dunkel und dunstverhangen. Blaue Blitze, die zuckten, ein Abgrund mit scharfkantigen Felsen und zwei Hände, die einander festhielten. Da war etwas von unbändiger Kraft.
Die Jedi wird sterben und diesmal wirst du es nicht verhindern.
Wie vom Blitz getroffen schoss er in die Höhe, wobei er Rey aus dem Schlaf riss. Sein Herz pochte viel zu laut und seine Stirn war mit einem feinen Schweißfilm bedeckt.
,,Ben, was ist los?", fragte sie, dabei suchten ihre Augen den Raum nach möglichen Gefahren ab.
,,Nichts", log er schnell.
Sie schien ihn zu durchschauen, denn ihre Stirn legte sich in Falten. Ihre zarten Brauen zogen sich zusammen.
,,Das gerade sah aber gar nicht nach nichts aus."
,,Das war nur ein Krampf in den Muskeln vom Liegen."
,,Ah", machte Rey, als würde sie ihm kein Wort glauben.
Unbeholfen schwang er die Beine über den Bettrand, um sich zu erheben. Er spürte ihren Blick im Rücken.
,,Ich brauche nur ein wenig Bewegung und frische Luft, dann wird es schon wieder gehen."
Mit schnellen Schritten, was sicherlich wie eine Flucht aussah, war er an der Tür.
,,Soll ...", begann Rey, doch er unterbrach sie rasch.
,,Nein."
In diesem Moment wollte er sie auf keinen Fall um sich haben.
Das Geräusch, der sich schließenden Tür, klang so verdammt endgültig, dass es um Reys Herz schwer wurde. Ihre Handfläche presste sich auf die warme Stelle, an der Ben eben noch gelegen hatte. Er verschwieg ihr etwas, dass spürte sie. Hatte sie ihm womöglich mit ihren Worten Angst eingejagt? Tränen drohten einmal mehr sie zu überwältigen, und sie schüttelte den Kopf. Sie stammte vom Bösen ab, kam es ihr in den Sinn. Vielleicht war es ihr nicht bestimmt Frieden und Glück zu finden. Ihre Hände begannen zu zittern, und sie schloss sie zu Fäusten. Es war ihr, als würde eine vertraute Präsenz sie beobachten.
Wir beide werden eins sein. Du wirst nach Hause kommen.
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