Kapitel 18
Wenn ich zuvor gedacht hatte, dass mein Leben ruiniert war. Dann war es nicht mehr als der Schein davon, wie schlimm es wirklich noch werden konnte.
>>Ich will nicht mehr.<< flüsterte ich zittrig, während ich mich langsam von Koa. Nein. Von wem auch immer wegbewegte. Dabei spürte ich Daimos Blick auf mir, der mich Leidend ansah.
>>Deimos...<< brach meine Stimme, bevor ich auf meine Knie fiel und meinen Frust heraus schrie.
Ich spürte seine Arme auf mir, seinen Versuch mich zu beruhigen. Aber es brachte nichts. Denn der Schmerz war zu tief. Denn mein Leben, dass ich so vermisste, war nicht mehr als Trug.
Ich schrie, weinte und sank jämmerlich in mich zusammen.
Solange, bis ein kräftiger Sog an mir zog.
Mein Rücken brannte für einige Sekunden und hörte schlagartig wieder auf.
Dabei blitzte ein einziger Gedanke durch meinen Kopf.
Ich riss mich von Deimos los und verlor mich in der Vergangenheit und der Gegenwart. Immer wieder verschwammen die Bilder eines Lebens, welches ich einst geführt hatte, mit dem hier und jetzt.
Ich hatte es satt. So satt, dass ich einen letzten Frustschrei heraus ließ. Mein Kopf klärte sich mit einem mal und etwas in mir schien für das erste mal seit langem an die Richtige Stelle zu rücken.
Und dann geschah es. All das, all die Erinnerungen, die mir zuvor fremd waren, wurden Teil von mir.
Deimos stand mir gegenüber, redete besorgt auf mich ein, aber ich machte nur einen Schritt nach hinten und stoppte ihn mit meinem ausgestreckten Arm. Ließ zu, dass all die Gefühle, die Gedanken und Sehnsüchte ihren Platz in mir einnahmen. Es fühlte sich an, als wäre ich zuvor nicht ganz gewesen. Mit jedem Stück, dass sich einen Platz in mir suchte, veränderte sich alles.
Und dann tauchte ein allerletztes mal der Schmerz in meinem Rücken auf. Nahm mich vollends ein und ließ mich nur noch mit einer neuen Schwere zurück.
Deimos sah mich schockiert und fasziniert zugleich an. Deimos. Ich fühlte es nun viel klarer. Und doch wusste ich, dass ich nun nicht nur Reana war. Ich war auch Nayeli und Nayeli hatte nie Gelegenheit gehabt den Mann vor sich zu lieben.
Ich mochte ihn, wollte ihn auf eine Art, die ich noch nicht verstand. Doch gleichzeitig schmerzte es mich Koa auf dem Boden zu sehen und dennoch Wut zu verspüren, weil er jener Mann war, der mich aus meinem früheren Leben entrissen hatte.
>>Deine Flügel.<< hauchte Deimos, woraufhin all die anderen Gedanken nicht mehr Wert waren. Ich wusste, ohne hinsehen zu müssen, wie sie aussahen.
>>Ich kann mich an alles erinnern.<< sagte ich mit fester Stimme und schüttelte mit dem Kopf, als Deimos einen Schritt auf mich zumachte.
>>Ich kann mich erinnern habe ich gesagt. Doch ich habe nicht vergessen Dei.<< Seine Augen leuchteten auf, als ich seinen vertrauten Spitznamen sagte. Und fast hätte sich tatsächlich ein Lächeln auf meine Lippen geschlichen, wäre da nicht das Gesamtbild des Lebens, welches nun vor meinen Füßen lag.
>>Reana.<< hauchte er meinen Namen, woraufhin ich ihn ausdruckslos ansah.
>>Das ist es.<< lächelte ich nun.
>>Du liebst den Teil, der ich war, während dieser Teil in mir dich tatsächlich begehrt. Doch du vergisst die andere Frau, die ich war und noch immer bin. Wir sind nicht mehr nur Dei und Rea. Zumindest bin ich nicht mehr jene Frau, in die du dich verliebt hast. Du glaubtest, dass es ausreichend sein würde, wenn ich all meine Erinnerungen zurück hätte. Doch die Wahrheit ist, dass das so nicht funktioniert. Koa ist ein Teil von mir, während das Monster in ihm. Adrian, ich kann mich auch an ihn erinnern.
Daran was er mir angetan hat.
Aber ich kann mich auch daran erinnern, was du all diese Jahrhunderte getan hast. Dass du all die Zeit diese Himmelswesen in den Tod geschickt hast.
Ich kann mich daran erinnern, wie herrisch du in der letzten Zeit warst und ich weiß, dass Nayeli dich nicht liebt Deimos.
Und ich glaube, dass du es selbst nicht einmal tust.<<
Er versuchte ein weiteres mal auf mich zuzugehen, aber ich schüttelte abermals mit meinem Kopf.
>>Und was schlägst du vor? Dass ich dich vergesse? Gibst du uns so leicht auf, nachdem ich all diese Jahrhunderte in Trauer gelebt habe?<<
Mein Blick huschte zu Koas Körper.
>>Ich habe mir geschworen, dass ich mich niemals jemandem hingeben werde, den ich nicht aus tiefstem Herzen liebe. Für dieses Versprechen habe ich mein Leben gegeben. Vielleicht bedeutet es für dich, dass ich uns aufgebe. Doch für mich bedeutet es, mich selbst mehr zu lieben. Es bedeutet, dass meine Priorität darin liegt herauszufinden, wer ich nun bin und wer ich sein will.<<
Nun machte er dennoch einen Schritt auf mich zu und einen weiteren. Solange, bis mein Körper an die Wand gepresst war und ich ungerührt zu ihm hochsehen konnte.
>>Was willst du tun Dei? Mich einsperren wie Adrian es versucht hat? Was wirst du tun?<<
Wut huschte über seine Züge.
>>Vergleich mich nicht mit ihm. Niemals.<<
Herausfordernd sah ich zu ihm hoch und lächelte tückisch.
>>Du hast recht. Du bist nicht er. Doch ich weiß du wirst dennoch meine Entscheidung nicht akzeptieren.<<
>>Kannst du es mir verdenken?<< konterte er, woraufhin ich für einen Augenblick wirklich traurig wurde.
>>Nein.<<
Mehr sagte ich nicht. Mehr musste ich auch nicht sagen.
Dann schob ich ihn nur zur Seite. War froh darüber, dass er mich gehen ließ. Eine Träne bahnte sich den Weg hinaus, was mich unwillkürlich fragen ließ, ob es um Deimos war oder Koa.
Oder vielleicht war es auch beiden geschuldet.
Doch ich erlöste die Trauer durch etwas neuem.
Rache.
Ich würde Rache an jenem Mann nehmen, der mein Dasein noch immer fest in der Hand hielt. Ich würde ihn zerquetschen bis nichts mehr von ihm übrig war. Das war meine Priorität. Rache war meine Erlösung.
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