Wenn die Dunkelheit ruft...
Es war einmal eine Zeit, die mit keinem Datum versehen war. Damals zogen die Mystics durch die Länder der Welt und begnügten die Menscheit mit ihren magischen Kräften. Sie ließen Seen erglühen, Blumen erblühen und den Himmel mit Sternen erstrahlen, trotz des hellen Tageslichtes. Es war eine Zeit voller Wunder. Und doch mussten die Menschen bald feststellen, das Magie auch ihre dunklen Seiten hatte. Diese Erkenntnis kam mit dem ersten Schattenmagier, ein Mystic, dessen dunkle Seite eine eigene Persönlichkeit entwickelte. Eine die Land und Meer brennen sehen wollte. Man bot den Schatten Geld, Macht, Reichtum, ihr eigenes Land, doch nichts konnte sie von ihrem Vorhaben abbringen. So machte man Jagd auf die Schattenmagier und tötete sie um ihre dunklen Seiten zu vernichten. Doch das reichte den Menschen nicht. Aus Angst vor weiteren möglichen Folgen der Magie, vertrieben sie die Mystics aus ihren Ländern und zwangen sie damit zum Untertauchen.
Silbrig schien der Mond zwischen den Gitterstäben hindurch und warf einen unheimlichen Schatten auf den Fliesen besetzten Boden. Langsam, ein Schritt vor den anderen, schlich Jamie durch die dunklen Gänge. Er wusste nicht, wo er sich befand oder wie er an diesen Ort gekommen war. Und doch kam ihm alles merkwürdig vertraut vor. Wie ein altes Klassenzimmer einer zerfallenen Schule, oder ein sich widerholender Traum... 'Traum', widerholte eine Stimme in seinem Kopf. Es war seine und doch wirkte sie so fremd. Ein eisiger Schauer jagte ihm über den Rücken, als er die eingeschlagenen Glasscheiben eines verlassenen Überwachungsraums erblickte. Es ähnelte jenen auf einer Polizeiwache mit dem Einwegspiegel und der Kamera, oben rechts. Langsam lugte Jamie hinein und musterte den umgeworfenen Tisch. Ein Bein fehlte ihm, welches auf dem Flur herum lag, an einer Seite zersplittert. Die Fliesen waren teilweise aus dem Boden gerissen worden, während Schmutz die wenigen Fenster bedeckte, welche noch ganz waren. Die Flure ähnelten einem Krankenhaus oder einer Irrenanstalt. Jamies Atem beschleunigte sich, während er weiter durch den langen Flur lief. Am liebsten würde er scheien, weglaufen, hinaus in die Freiheit doch etwas hielt ihn zurück. Seine Beine schienen ihm nicht zu gehorchen und trugen ihn schrecklich langsam durch den Albtraum. Die Zimmer hatten beinahe immer die gleiche Einrichtung. Verschobene oder umgeschmissene Betten, Tische auf denen die Nadeln von Spritzen glitzerten und Scheiben. Als hätte man in den Räumen grausige Experimente an Partienten durchgeführt, während jemand anders durch den Einwegspiegel zusah. Jamie schluckte hörbar und bedachte die beinahe heruntergerissenen Lampen an der Decke. Sie wurden nur noch von Kabeln gehalten und sahen aus, als würden sie jederzeit herunter sausen und ihn mit ihrer Wucht erschlagen. Beinahe sehnte er sich danach in der Hoffnung aus seinem Traum zu erwachen. 'Ist es überhaupt ein Traum? Liege ich eigentlich in meinem Bett?' Er erinnerte sich noch daran, dass jemand ihm mal gesagt hatte, wenn man wüsste das man träume, würde man erwachen. Doch das stimmte nicht. Nicht bei Jamie. Dessen Puls ging in die Höhe als er das Ende des Flurs erreichte. Zu seiner rechten führte eine Treppe hinab in die Dunkelheit, als würde es der Pfad in die Hölle sein. Jamie betete seine Beine würden ihn nicht in diese Richtung lenken. Zu seiner Überraschung taten sie dies auch nicht, sondern blieben stehen. Die Wand vor ihm war schmutzig und rote, getrocknete Farbe klebte an ihr. Zumindest hoffte Jamie, dass es Farbe war. Langsam drehte er den Kopf. Das letzte Zimmer hatte ebenfalls einen Einwegspiegel, doch Bett und Tisch fehlten. Für was war dieser Raum wohl einst gedacht? Grausige Dinge schossen Jamie durch den Kopf, als er die fensterlosen, grauen Wände betrachtete. Auch hier klebte "Farbe" an den Wänden, als hätte sie sich jemand auf die Hände geschmiert und damit über die Tabete gefahren. Langsam ging Jamie die Fingerspuren nach, als hätte er es schon einmal getan. Ein merkwürdiges Wohlgefühl vermischte sich mit seiner Angst und hinterließ eine eigenartige Kälte in seinem Inneren. Es war ein Gefühl von... Zuhause? 'Nein!' Er fuhr sich durch die Haare, zurücktorkelnd. 'Das ist nicht mein Zuhause! Es kann nicht mein Zuhause sein, es darf nicht...' Wieder wollte er schreien, doch seine Lippen waren wie versiegelt. Als wäre jemand mit einem Tacker gekommen und hätte dafür gesorgt, dass er nie mehr ein Wort sagen konnte. "Sei ganz ruhig..." Die Stimme gehörte nicht ihm, gehörte nicht zu seinem Leben und doch kannte er sie. Aus all seinen Albträumen. Jamie schlug sich die Hände auf die Ohren, die Stimme ignorierend und sank zu Boden. Er wollte sie nicht hören, wollte sie nicht wahrhaben. Nicht wieder. "Es wird nicht wehtun, wenn du still hälst, Partient 0-737. Widerstand ist zwecklos." Jemand schien den Raum zu betreten, doch Jamie kniff die Augen zusammen. Er hörte die Tür knarzen, obwohl er wusste, dass sie geöffnet war. 'Es ist nur in meinem Kopf! Nichts davon ist real, nichts davon!' Er hörte die Schritte sich nähern, er spürte die Hände die ihn packten, ihm wehtaten. Und doch schafften sie es nicht, ihn hochzuziehen. Und plötzlich öffnete sich sein Mund und Jamie schrie: "Das ist nicht Real!" Die Worte in seinem Kopf widerhallend, fuhr er aus dem Schlaf hoch. Für einen Moment hatte er das Gefühl, als habe man ihn in kaltes Wasser geworfen. Alles um ihn herum war erfüllt von Stille, während sein Atem eingestellt war. Sein Herz donnerte gegen seinen Brustkorb, wie ein Gefangener gegen seine Gefängnistür. Langsam holte Jamie rasselnd Luft. Seine Decke lag am Boden, er hatte sie vermutlich im Schlaf von sich geschüttelt. Seufzend erhob er sich von seinem Bett und legte sie zurück in dieses. Doch an Schlaf war nicht mehr zu denken. Schaudernd fuhr er sich über die Arme, an denen noch eben tausende Hände gelegen hatten. Manchmal wusste er nicht, ob es real war oder nicht. Es fühlte sich so wirklich an, als würde er tatsächlich durch die Flure wandeln. Jene die er beinahe jede Nacht besuchte. Jedes Mal durchfuhr ihn die kalte Angst, welche sich an ihm festnagte und sich unter seine Haut fraß. Wieder tief Luft holtend trat Jamie an sein Fenster und öffnete es. Die kalte Nachtluft vertrieb kurz das beklemmende Gefühl und klärte seine Gedanken. "Es ist nicht real...", flüsterte er, sich weiter über die Arme streichend. "Es ist nicht real." Doch seine schmerzenden Arme, wo er gepackt wurde, sagten was anderes...
Die ganze Nacht hatte Jamie kein Auge mehr zugemacht, doch er war es gewöhnt. Noch einmal überprüfend ob er alles dabei hatte stolperte er den Flur der kleinen Wohnung entlang, in Richtung Haustür. "Viel Spaß!", ertönte die Stimme aus der Küche. "Danke", erwiderte er und versuchte seine Arme zu verbergen. Doch sie hatte die Bewegung bemerkt. Hannah legte das Messer auf das Brett und war mit einer schnellen Bewegung neben ihm. Bevor er was tun konnte hatte sie seine Hand ergriffen und bedachte die blauen Stellen an seinem Oberarm. Ihr Gesichtsausdruck wechselte von Entsetzt zu mitleidig. Ihre Augen suchten die seinen. "War es wieder der selbe Traum?" Jamie zog seine Hand etwas ruppiger zurück, als beabsichtigt. "Ist es immer." Hannah seufzte und nahm ihren Stiefbruder in den Arm. Für Stiefgeschwister hatten sie ein sehr gutes Verhältnis, zumal sie die Vormundschaft für ihn hatte. Jamie schloss die Augen und genoss ihre Wärme. Nach dem Tod ihrer beiden Eltern - seine Mutter und ihr Vater - war sie bei ihm gewesen und hatte bei dem Jugendamt dafür gekämpft, auf ihn aufpassen zu dürfen. Als Studentin hatte sie gute Chancen gehabt, zumal ihre Eltern für beide schon vor ihrem Tod ein Konto erstellt hatten, welches sie noch für die nächsten Jahre versorgen würde. Jamie lächelte sie an, als sie die Umarmung wieder löste. Hannah erwiderte es, strich ihm jedoch nochmal besorgt über die wunden Stellen. "Pass auf dich auf, okay?" Er nickte bevor er sich wortlos an ihr vorbei schob und die Haustür hinter sich schloss. Draußen atmete Jamie tief durch und hoffte, der Tag würde schnell herum gehen. Den ganzen Weg zur Schule hatte er den Kopf zu Boden gesenkt, die Hände in den Taschen und die Jacke fest um sich geschlungen. Der Himmel war grau und doch war es ein ungewöhnlich warmer Tag. Als er an einer Ampel hielt, ertönte eine Stimme. "Hey Jamie!" Aufgeschreckt drehte er sich um und erblickte Jeremy. Er blieb neben ihm stehen und klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter. "Nah was ist denn dir über die Leba gelaufen? Du guckst ja deprimierter als sonst." Es war neckend gemeint und Jamie zwang sich zu einem Lächeln. Doch er hatte nicht die Kraft, es ihm zu erklärem, zumal er es nicht verstehen würde. "Schlecht geschlafen", erwiderte er daher nur. Jeremy wischte sich eines seiner lange goldenen Haare aus dem Gesicht und grinste. "Na wenns nur das ist... Miese Nacht, dann machen wir darauf eben einen tollen Tag!" Er zwinkerte ihm zu. Jamie konnte es nur schwer erwidern und schwieg auf dem weiteren Weg zur Schule. Seine Gedanken schwebten wieder zurück zur vergangenen Nacht. Die grausige Dunkelheit, die ihm viel zu bekannte Stimme. Am liebsten hätte er alles herausgeschrien und doch, wie so oft, fraß er es in sich hinein. Auf dem Schulhof der Angel-Highschool waren bereits viele Schüler unterwegs, erzählten sich den neusten Tratsch oder machten Selfies. Einige Jungs hatten einen alten Fußball dabei und schossen ihn hin und her. "Ey weißt du noch, als der mal in der Scheibe vom Sekreteriat gelandet ist?", lachte Jeremy, den Jungs zuguckend. Jamie nickte nur. "Ja. Wurde der eine sogar nicht verwiesen, der ihn geschossen hat?" Seine Stimme war tonlos, während er zu dem bereits reparierten Fenster blickte. Es spiegelte den grauen Himmel wieder. Jeremy nickte. "Ja, glaube schon. Tja, da hat er sich ganz schön was 'verschossen'." Er warf seinem Freund einen Blick zu. Doch selbst wenn Jamie eine bessere Laune hätte, könnte er nicht über dieses Wortspiel lachen. Ihm zuliebe jedoch lächelte er zaghaft. Sein Mund war wie ausgetrocknet. Er bekam kaum mit, wie Jeremy weiter Witze machte und merkte erst an der Bewegung der Schüler, das die Schulglocke geklingelt hatte. "Jam, kommst du?" Jamie hob erschrocken den Kopf und sprang seinem Freund hinterher. Dieser musterte ihn kritisch. "Man, dir geht's echt nicht gut, was?" 'Ach was', schoss es Jamie durch den Kopf, doch er zuckte nur mit den Schultern. "Wie gesagt. Schlecht geschlafen..." Die Schüler waren immer noch am Quatschen als sie sich an ihren Plätzen nieder ließen. Jamie seufzte nur als er die schwarze Aufschrift auf seinem Tisch sah. "Freak", war groß und für jeden lesbar draufgeschrieben. Einige lachten leise, doch in diesem Moment kam die Lehrerin herein. Sofort wurde sich gesetzt und der Mund gehalten. Jamie setzte sich ebenfalls, die Aufschrift so gut es ging zu ignorierend und richtete seinen Blick auf die Tafel. Er spürte wie seine Konzentration bereits nachließ, wenn sie auch je mit ihm aus dem Bett gestiegen war. Doch dieses mal war es anders. Einige blickten die Lehrerin verwirrt an. Ihre Brille saß perfekt auf ihrer Nase, während ihre blauen Augen klug hinter dieser hervor blitzten. Die blonden Haare umrahmten ihr ebenmäßiges Gesicht. Lächelnd richtete sie ihre Aufmerksamkeit auf die Klasse. "Sie fragen sich sicher", begann sie mit einer sehr angenehmen Stimme. "-wo euer Klassenlehrer Mister Herissen ist. Nun, er ist krank und ich bin seine Vertretung." Sie nahm sich einen Stift und schrieb einen Namen auf die Tafel. "Ich bin Miss Doll." Einige flüsterten leise, während ein Schüler in der vordersten Reihe die Hand hob und fragte: "Verzeihung, aber was hat Mister Herissen denn?" Miss Doll lächelte geheimnisvoll. "Eine sehr hartnäckige Erkälrtung, aber ich bin sicher er ist bald wieder auf den Beinen..." Kurz traf sich ihr Blick mit Jamies. Er senkte schnell den Kopf wieder, aus Angst wegen irgednwas an die Tafel zu gehen. 'Wie in Horrorfilmen', sagte Jeremy immer. 'Wenn man die Monster zu lange ansieht, ist man dran.' Miss Doll sah kurz zu der Aufschrift auf seinem Pult, ihre Miene versteinerte sich. 'Sagen Sie nichts', betete Jamie mit geschlossenen Augen. Die Lacher der Klasse wärem ihm mehr als sicher. Doch die Vertretungslehrerin schien zu verstehen, drehte sich wieder zur Tafel und meinte: "Bevor wir uns in physikalische Formeln oder sowas stürzen, würde ich euch gerne kennen lernen. Hat jemand Vorschläge wie wir das tun können?" Kurz herrschte verwirrtes Schweigen in der Klasse. "Oh so motiviert", grinste Miss Doll. "Gut, dann helfe ich euch auf die Sprünge. Jeder schreibt seinen Namen auf einen Zettel, zusammen mit einigen Dingen die er gerne tut. Ich lese diese Dinge vor, ohne den Namen zu sagen und ihr müsst erraten um wen es sich handelt." "Was ist das denn für ein Kinderkram?", flüsterte Jeremy. Miss Doll schien es jedoch gehört zu haben und drehte sich zu ihm um. "Genau richtig, es ist Kinderkram. So wie es aussieht, genau das richtige für euch..." Dabei schritt sie durch den Raum und deutete für alle sichtbar auf die Aufschrift "Freak". Jamie spürte wie ihm die Röte ins Gesicht stieg. Die Lehrerin sah ihn wieder kurz an, sagte dann jedoch laut: "Tische zu beschmieren ist nicht nur geschmacklos sondern eine Sachbeschädigung, liebe Kinder." Dabei nahm sie jeden einzelnen ins Auge. "Ich hoffe doch sehr, das ist morgen verschwunden..." Jamie legte verwirrt den Kopf auf die Seite, dachte sich jedoch nichts mehr dabei und versuchte die Stunde einfach zu überleben...
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