Kapitel 9
Ich lag an seine Brust geschmiegt da, als ich die Augen Aufschlug. Wir saßen auf dem Boden und der Raum war lichtdurchflutet.
"Meleth nîn, du bist zu mir zurückgekehrt."
Mit einem sanften Kuss auf meinen Scheitel brachte er mich dazu zu ihm aufzusehen.
"Dies ist ein Wiedersehen, doch nicht für lang, habe ich recht?", fragte er, als er meinen ungläubigen Gesichtsausdruck bemerkte.
"Ich glaube mein Vater hat seine Hände im Spiel."
Ich richtete mich auf, um ihn direkt ansehen zu können.
"Aber ich bin ihm mehr als dankbar dafür."
Er lächelte.
"Dann lass uns diese gemeinsame Zeit genießen. Aus deinem Brief schließe ich, dass deine Reise weit länger wird als du es mir versprochen hattest."
Verlegen grinste ich. Der Brief war alles was ich in meinem Zimmer zurückgelassen hatte und ich hatte gehofft, das ihn einer von Elronds Boten gleich zu ihm bringen würde.
"Du weißt wie ich bin. Ich konnte sie einfach nicht allein gehen lassen. Ich muss ihnen helfen. So viel hängt von..."
"Dafür liebe ich dich so sehr.", unterbrach er mich. "Es hätte mich verwundert, wärst du gleich wieder zurückgekehrt. Auch wenn ich es mir tief in meinem Innersten gewünscht hatte." Er schlang seine Arme um mich und zog mich an sich heran.
Ich spürte wie sein Herz gleichmäßig gegen seine Brust schlug und ließ mich von dem Geräusch mitreißen.
"Du musst stark für mich sein. In dieser Dunkelheit bist du mein einziges Licht.", gestand ich ihm nach einiger Zeit angenehmen Schweigens.
"Du weißt, dass du das Licht meiner Welt bist, also kann ich dir die Bitte, das deine zu sein nicht ausschlagen. Ich liebe dich heute, morgen und für alle Zeit. Denk daran und ich werde im Herzen bei dir sein."
Einige Tränen des Glücks verließen meine Augen und ich drückte mich noch stärker an ihn.
"Ich liebe dich, danke.", flüsterte ich und spürte, wie seine Wärme immer weiter von mir wegrückte. Das Pochen seines Herzens wurde immer leiser und noch mehr Tränen strömten über mein Gesicht, als ich mich im hier und jetzt wiederfand.
Die ganze Zeit hatte ich es geschafft dieses Gefühl der Einsamkeit zu verdrängen, doch hier in dieser erdrückenden Leere Morias kehrte es mit einem Schlag zurück. Ein Schauer lief mir den Rücken hinunter als ich ein Schluchzen unterdrückte.
"Was ist mit dir?"
Sanft strich Legolas mit einer Hand über meine Schulter. Ich war aus dem Traum hochgefahren und hatte ihn damit vermutlich geweckt.
"Du zitterst, hattest du einen Albtraum?", versuchte er es liebevoll und brachte mich erneut zum Schluchzen.
"Ich habe von ihm geträumt, seine Liebe gespürt." Antwortete ich gebrochen. Ich versuchte meine Augen trocken zu wischen, was mir aber nur mäßig gelang. Immer wieder flossen neue Tränen.
"Es ist in Ordnung zu weinen. Niemand hier wird dir einen Vorwurf machen."
"Ich weiß. Und doch möchte ich in solchen Zeiten der Dunkelheit den anderen mit meinen Tränen nicht die letzte Hoffnung nehmen. Jetzt lass uns die anderen wecken und aufbrechen. Ich will heraus aus dieser sternenlosen Finsternis."
Legolas verstand meine Beweggründe vermutlich, dennoch sah er aus wie ein geprügelter Hund als ich ihn so von mir stieß.
Aragorn hatte Wache gehalten, wodurch es ein leichtes war alle aufzuwecken. Ich mochte den Waldläufer wirklich gerne, doch meistens war es die Hölle ihn auf die Beine zu kriegen.
Man sollte meinen, jemand der den Großteil seiner Zeit in der Wildnis verbringt sollte einen leichten Schlaf haben, doch das war bei Aragorn definitiv nicht der Fall.
Zu dritt weckten wir alle und brachen nach einem kleinen Frühstück, dass die Hobbits mehr als unbefriedigend fanden auf.
Gandalf und ich führten die Gruppe an. Beide hatten wir unsere Schwerter gezogen und Gandalf hielt seinen Stab voraus um den Weg erkennbar zu machen.
Hinter uns ging Gimli, der sich anscheinend ein wenig von dem Schreck des letzten Tages erholt hatte.
Ihm folgte Frodo, ebenfalls mit gezogener Waffe, die zu unser aller Erleichterung ebenso wie Gandalf und mein Schwert nicht leuchtete.
An dritter Stelle ging Sam, dann Legolas, Merry, Pippin und dahinter Boromir.
Den Schluss bildete Aragorn.
Seit wir die Mienen betreten hatten war er in Schweigen gehüllt und hatte nur wenige Worte gesagt.
Nach unserem Aufbruch hatte der Gang in dem wir gerastet hatten einige Biegungen gemacht und führte jetzt immer leicht abschüssig geradeaus.
Die Luft wurde immer stickiger und passend zur allgemeinen Stimmung auch drückend. Ab und an spürte ich einen kühlen Hauch aus einer der Spalten und Gänge, die links und rechts von unserem Gang abzweigten, ließ mich davon aber nicht beirren. Schließlich entschied ich mich unseren ursprünglichen Pfad zu verlassen und einer rechts leicht ansteigenden Treppe zu folgen.
"Seid Ihr sicher, das dies der richtige Weg ist, Spitzohr.", fragte Gimli in einem freundlichen Ton, der dennoch unterschwänglich seine Missbilligung für eine Elbin als Führerin zu mir herübertrug.
"Seid Ihr bereits hier gewesen, Herr Zwerg?", drehte ich den Spieß also um.
"Nein, doch ich denke nicht, dass dieser Weg uns zum Ziel führen wird."
"Und was bewegt Euch zu dieser Annahme." Gespannt wartete ich auf seine Antwort.
"Ich kenne das Handwerk meines Volkes und könnte schwören, dass dieser Gang," er wies auf einen Gang, den wir wohl schon vor einer Weile passiert haben mussten, da man ihn nicht mehr sehen konnte, "mit den geschwungenen Ornamenten der richtige ist."
Kurz überlegete ich, welche Tür er wohl meinen könnte und musste dann lachen.
"Ihr seid wahrlich ein echter Zwerg." Entgeistert starrte er und auch der Rest der Gemeinschaft mich an.
"Ihr habt recht, dort war eine sehr wichtige Route für die Zwerge. Er führt in die tiefsten Mienen, zur feuchten Grabstätte Eures König Durin. Durins Fluch schläft nie in diesen Höhlen."
Ich betrachtete wie Gimli im Licht des Zauberstabes weiß wurde.
"Nun kommt, bevor unser Freund einen weiteren vielversprechenden Gang findet der uns in den Tod führt."
"Keine Angst.", hörte ich Aragorn sagen, als ich an einer Kreuzung inne hielt.
Ich hätte schwören können, dass diese Stelle seit meinem letzten Besuch hinzugefügt worden war. Also beriet ich mich nun mit dem Zauberer, der diese Stelle zwar zu kennen schien, sich aber auch nicht sicher war, wie wir weitermachen sollten. In meiner Erinnerung gab es nur einen Tunnel und keine drei, also musste einer der Richtige sein. Das hieß zumindest wir hatten uns nicht verirrt.
"Ich bin mit ihr auf vielen Fahrten gewesen, wenn auch noch nicht in solcher Finsternis.", bestärkte auch Legolas den Waldläufer, der die anderen Gefährten versuchte zu ermutigen.
"In Bruchtal hörte ich Geschichten, die alles was ich von ihr weiß weit übersteigen und ihr könnt mir glauben, ich habe sie unmögliches tun sehen." Legolas Worte gab mir neuen Mut in meine Fähigkeiten.
"Also, welchen Weg sollen wir nehmen?", fragte Gandalf.
Ich sah zu den drei Gängen.
Der Linke führte noch weiter nach unten als wir ohnehin schon waren, der Mittlere ging gerade weiter und der rechte führte nach oben. Mehr konnte man im schwachen Licht von Gandalfs Stab nicht sehen.
"Rechts.", beschloss ich laut und alle atmeten erleichtert aus.
"Es wird Zeit, dass wir wieder höher hinauf kommen." Alle sammelten ihre Sachen wieder zusammen und wir gingen weiter.
Der Gang vor uns schraubte sich stetig nach oben und verlief in immer größer werdenden Kreisen. Dieser Weg aufwärts hob deutlich die Laune und veranlasste mich ein altes Lied der Hochelben anzustimmen.
"O Königin, schneeweiß und fern
Jenseits des Westmeers, hohe Frau!
Hell leuchtest du über uns Wanderen
In unseren Wäldern wirr und grau.
O Elbereth! Gilthoniel!
O reiner Hauch, o lichter Quell!
Schneeweiße, unser Lied erhör'
Aus fernen Landen übers Meer!
O Sterne sonnenloser Zeit,
Von deiner Hand einst ausgestreut.
In hohen Lüften sie noch stehn'
Und silbern durch die Wolken wehn'.
O Elbereth! Gilthoniel!
In fernem Land, in dunklem Hain
Bleibt noch Erinnerung uns hell
Ans Westmeer unterm Sternenschein."
Während ich sang stimmten Legolas und Aragon mit ein und für die Dauer unseres Gesangs schien das Licht von Gandalfs Stab heller und klarer zu sein. Dann verklangen die letzten Töne und die Dunkelheit wurde um so erdrückender.
"Was war das für ein Lied, Spitzohr?", fragte Gimli in freundlichem Ton und hängt das 'Spitzohr' neckisch dran.
Die Sache mit dem Weg war schnell vergessen gewesen und er war wieder der Alte gewesen.
"Eine Gebet an die Sternenkönigin. Jene, die dieses reine Licht nach Mittelerde bracht, als die Dunkelheit noch über den Landen herrschte und die Elben nicht wussten, was Sonne und Mond sind. Heute ist es ein Lied für Wanderer, die um ihren Segen auf der Reise bitten."
"Sie muss eine große Königin sein.", bemerkte Gimli.
"Ja, Varda ist die höchste der Valar. Den Titel der Königin trägt sie nicht grundlos. Sie hat unser Gebet erhört und unseren Weg erhellt. Jetzt lass uns hoffen, dass es auch ohne ihre Hilfe weitergeht." Zustimmend grummelte Gimli und straffte den Griff um seien Axt.
Wir marschierten so lange, dass ich glaubte mir würden die Füße abfallen. Dennoch hatte ich keinen Platz ausmachen können, der sich als Rastplatz eigenen würde. Dann, als niemand damit rechnete verschwanden die Wände zu unseren Seiten auf einmal. Anscheinend waren wir in einen großen, dunklen Raum getreten, dessen Ausmaße sich unmöglich schätzen ließen.
Zufrieden nickte Gandalf und auch ich freute mich.
"Wir sind den richtigen Weg gegangen. Endlich kommen wir in die Bewohnten Bezirke und ich schätze, dass wir von der Ostseite nicht mehr weit entfernt sind. Aber wir sind ziemlich hoch, wenn ich mich nicht täusche ein ganzes Stück höher als das Schattenbachtor."
Erschöpft ließen wir uns im Eingang der Halle nieder. Aus der Tür durch die wir gekommen waren strömte stetig warme Luft, während es hier ziemlich kalt war. Wenn ich richtig lag gab es in dieser Halle Öffnungen, die bei Tag das Licht ins Innere führen würden. Daher stammte dann auch die Kälte, denn in dieser Höhe lag auf den Berggipfeln bestimmt Schnee.
Also drängten wir uns eng zusammen und versuchten von der warmen Luft der unteren Hallen zu profitieren.
"Wir müssen ruhen und können dann morgen vermutlich wieder den Himmel über unseren Köpfen sehen.", sprach Gandalf das aus, was ich dachte.
"Schlaft tief und saugt ein letztes Mal die Atmosphäre dieses Ortes auf. Morgen ist es vorbei. Ich werde Wache halten und euch wecken, wenn wir aufbrechen.", versprach er.
Nur zu gern folgten wir alle seinem Geheiß und schlossen die Augen. Diese Dunkelheit und die Unsicherheit zerrte an unser aller Nerven und kaum einer konnte sich hier jemals wirklich entspannen.
Selbst jetzt, mit dem Wissen, dass Gandalf über uns wachte, schreckte ich jedes Mal wieder auf wenn ich einen Stein rollen oder einen Tropfen fallen hörte. Schlussendlich siegte aber die Erschöpfung und ich glitt in einen unruhigen Schlaf.
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