Am dritten Tag unserer Fahrt veränderte sich das Flussufer auf der linken Seite. Die wenigen Bäume wichen kahlen Einöden, die braun und verdorrt aussahen als wäre ein Feuer über sie hinweggezogen. Nur langsam waren wir vorangekommen, hatte doch keiner von uns den Wunsch sich für einen Weg entscheiden zu müssen. Vom Strom ließen wir uns tragen um unsere Kräfte zu sparen. Dennoch bestand Aragorn darauf jeden Morgen noch vor Sonnenaufgang loszufahren und erst, wenn die Dunkelheit wieder über dem Wasser schwebte wie schwerer Nebel an Land ein Lager aufzuschlagen.
Uns allen war klar, dass in der Zeit, in der wir uns nicht von Lothlorien lösen konnten, der Dunkle Herrscher nicht untätig gewesen sein konnte. Von anderen Lebewesen sahen wir nur wenige. Hier und da nistete ein Schwan am rechten Ufer, wo das Schilf hoch stand und ihre Nester vor neugierigen Blicken verbarg. Ab und an konnte man einen Blick durch das Schilf erhaschen und in weiter Ferne hinter weitem Grasland die südlichen Ausläufer des Nebelgebirges erkennen.
"Wie weit und leer und trübsinnig das Land hier aussieht.", sagte Frodo irgendwann in die Stille.
"Ich dachte immer, wenn man nach Süden kommt wird das Land heiter und warm. Schließlich lässt man den Winter doch hinter sich."
"Aber so weit sind wir noch nicht. Das Meer ist fern und auch hier herrscht Winter. Du wirst es kaum glauben, doch wir sind kaum 60 Wegstunden südlich von eurem Auenland.", erklärte Aragorn mit gesenkter Stimme.
"Im Westen siehst du die Ausläufer der Riddermark von Rohan, wo die großen Pferdeherren leben. Früher kamen sie oft an den Anduin um ihre Pferde am satten Gras weiden zu lassen, doch heute lebt kaum jemand mehr hier. Sauron greift von Osten mit langen Fingern um sich und häufiger als Vögel fliegen die giftigen Pfeile der Orks über diesen Fluss." Laut klatschte er mit seinem Paddel auf das Wasser und nicht nur die Hobbits zuckten zusammen.
Mit weit aufgerissenen Augen starrte Pippin ihm in die Augen. Er saß vorn in Boromirs Boot und hatte sich mit dem Rücken zu Fluss gesetzt.
"Orks?", fragte er.
Ich nickte zustimmend.
"Ja, häufig waren sie hier, doch werden sie nun wohl den Fluss überquert haben und etwas größerer Beute hinterherjagen als wir es sind. Oder sie sind in den Süden gerufen worden um das Schwarze Tor zu bewachen und Gondor Widerstand zu leisten."
An Aragorn gerichtet sprach ich weiter.
"Du solltest aufhören den armen kleinen Kerlchen Angst zu machen. Irgendwann erschreckt sich mal einer so, dass er über Bord fällt oder schlimmeres."
Der Waldläufer hatte nur ein verschmitztes Grinsen auf den Lippen.
Die Tage vergingen ohne große Zwischenfälle. Viel paddelten wir in jener Zeit und nur am Tage wagten wir zu rasten.
Deutlich war die Unruhe zwischen den Gefährten zu spüren. Jeder hing seinen Gedanken nach. Es war als würde ein unsichtbarer Feind leise und heimlich hinter uns stehen, doch immer wenn ich einen Blick zurück warf, war dort nichts zu sehen.
Ein andauernder Regen, der in schlanken Bindfäden vom grauen Himmel hinabfiel durchnässte uns alle und machte die Sicht schlecht. Schon seit zwei Tagen hatte wir keine Sonne mehr gesehen und insgeheim fürchteten wir alle, dass wir die Feinde am Ufer übersehen würden.
Dann endlich nach einer weiteren feuchten Nacht klärte der Himmel auf. Mit der aufgehenden Sonne stieg auch die Hoffnung auf ein baldiges Ende der Zeit auf dem Wasser, was besonders Sam herbeizusehnen schien.
Schon seit Tagen brummte er, dass er nie wieder den Fuß in eine Pfütze, geschweige denn in einen Fluss setzten würde und das miese Wetter hatte seine Laune auch nicht verbessert.
Nun aber lichtete sich der Morgennebel und blaue Fetzten des Himmels wurden sichtbar.
Die Sonne wärmte uns alle und die elbischen Mäntel trockneten schnell. Ein Blick nach vorn brachte mich zum lächeln. In der Ferne ragten zwei große Steinsäulen in die Höhe, die den Fluss einrahmten.
"Legolas." Wies ich daher meinen treuen Freund darauf hin, der sich sofort an Aragorn im Boot neben sich wand.
"Nun wirst du sie endlich sehen.", sprach er und zeigte nach vorn.
Während seiner Zeit im Grünwald hatte er oft von seinem Wunsch erzählt die Säulen seiner Vorfahren zu erblicken. doch nie damit gerechnet sie so bald zu sehen.
"Die Argonath, Säulen der Könige." Langsam schoben sich die schlanken Elbenboote in Richtung der zwei riesigen Statuen, die wie zwei Speere in den Himmel ragten und uns in Schatten hüllten. Seit Jahrhunderten standen sie nun dort und obwohl der Zahn dar Zeit auch sie nicht gänzlich in Frieden gelassen hatte, waren noch deutlich die Gesichtszüge der Männer zu erkennen, nach denen sie geformt waren.
Beide hatten ihren linken Arm erhoben und ihre Handflächen zeigten gen Norden. Auf ihren Köpfen thronten riesige Helme geziert mit leicht gebröckelten Kronen und an ihren Seiten hingen Axt und Schwert. Allgemein boten sie ein majestätisches Bild, dass jedem Vorbeifahrenden das Gefühl vermittelte in eine längst vergessene Vergangenheit zu blicken.
Während wir langsam der Strömung folgend zwischen den Argonath hindurchglitten schienen ihre steinernen ernsten Mienen aus ihrem ewigen Schlaf aufzutauen und uns mit ihren Blicken zu folgen.
Winzig kam ich mir auf dem Boden dieser Welt vor, niedergedrückt von der Macht der Vergangenheit. Instinktiv duckte ich mich ein wenig und konnte eine ähnliche Reaktion bei Legolas beobachten.
Anders war es bei Aragorn.
Nie hatte ich ihn so gesehen. Die Augen des Waldläufers weiteten sich und seine Schultern strafften sich. Für einen Moment war in ihm nicht mehr nur ein einfacher Mann, sondern ein König zu sehen. Trotz der staubigen Kleidung und dem ungewaschenen Haar hatte er noch nie majestätischer ausgesehen und jedem würde klar werden, dass in seinen Adern das Blut von Isildur floss und niemand anderes als er Elendils Erbe sein konnte.
Mit einem Mal nahmen die Boote an Fahrt auf und schossen hinein in die Schlucht, die als Königstor bekannt war. Hoch waren die Klippen zu unserer rechten und fast noch höher jene zu unserer linken. Ein kalter Wind pfiff um unsere Ohren und das laut rauschende Wasser hallte von den Wänden wie ein Donner wieder.
Sam begann zu schluchzen und sich am Rahmen das Bootes festzuklammern.
"Ich kann doch nicht einmal schwimmen! Was für eine grausame Fahrt!"
Hinter uns verschwand der Eingang der Schlucht, die nun eine leichte Biegung nach Westen machte. Das einzige Licht kam nun von einem schmalen Fetzen blauen Himmels, den wir in weiter Ferne über uns erkennen konnten.
"Fürchtet euch nicht! Dies ist der Gang meiner Vorfahren, der Wächter des Reiches der Numenôren! Nichts zu fürchten haben wir in ihrem Schatten wollen wir doch mit edlen Absichten ins Land meiner Vorfahren!", rief Aragorn über das Tosen des Flusses hinweg und seine Stimme schenkte uns allen Hoffnung.
"Dort!", wies Frodo seinen Freund auf einen dünnen Lichtstreifen hin, der sich senkrecht nach oben zog. "Ein Ausgang!" Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen, als ich sah, wie ein wenig der Furcht aus Sams Blick sich in Hoffnung wandelte.
Immer größer wurde der Spalt und damit auch immer greller das Licht, sodass wir schon bald unsere Augen mit unseren Händen Schützen mussten, um überhaupt noch etwas zu erkennen und nicht an den Felswände zu zerschellen. Dann mit einem Mal schossen wir hinaus aus dem Tunnel der Schlucht und die Strömung verebbte zu einem sanften Strom.
Als meine Augen sich an die Helligkeit gewöhnt hatten sah ich auch warum. Vor uns erstreckte sich ein riesiger See, der spiegelglatt schien und zu beiden Seiten ein seichtes, mit Kies bedecktes Ufer besaß.
"Lasst uns einen Moment rasten bevor wir die Boote endgültig verlassen und uns für einen Weg entscheiden müssen."
Endlich nach all der langen Zeit an Bord der kleinen silbernen Boote der Elben sahen wir ein erstes Ziel vor Augen.
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