Kapitel 15
An diesem Abend wurden wir das zweite Mal in die hohen Hallen des luftigen Palasts gerufen. Celeborn und Galadriel begrüßten uns aufs liebenswürdigste, als wäre wir alle nun alte Freunde und baten uns zu Tisch.
"Nun ist es an der Zeit", sprach Celeborn, als wir alle Platz genommen hatten und zu essen begannen, "dass diejenigen, welche die Fahrt fortzusetzen gedenken, ihr Herz von diesem Land losreißen müssen. Wer nicht weitergehen will, mag noch eine Weile bleiben. Doch ob er bleibt oder geht, keiner kann sich des Friedens sicher sein. Auch in unseren Wäldern wird das Böse schon bald Fuß fassen und jeden Tag greifen die dunklen Arme Dol Guldurs weiter."
Kurz unterbrachen wir alle unser Essen und sahen zu den beiden Elbenherren am Kopfende des Tisches auf.
"Alle sind entschlossen weiterzugehen.", stellte Galadriel fest, nachdem sie allen fest in die Augen geblickt hatte.
Ich spürte wie Thranduils Hand sich um meine verkrampfte.
"Mein Weg in die Heimat führt mich nicht zurück. Er führt mich so nah es geht an unser Ziel.", merkte Boromir an.
"Gewiss. Doch werden auch die Gefährten mit dir nach Minas Tirith gehen?" Celeborn warf einen zweifelnden Blick in unsere kleine Runde.
"Wir wissen noch nicht in welche Richtung uns unser Weg führen wird. So sicher es war, dass Gandalf es geplant hatte in das goldene Königreich zu kommen, was ihr Lothlórien nennt, so ungewiss ist sein weiterer Weg.", erklärte sich Aragorn, der ungewollt die Führung übernommen hatte. Ich schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln.
"Ich glaube er selbst wusste nicht welchen weg er nehmen wollte, mein Freund."
Damit entlockte ich auch ihm, sowie einigen anderen Gefährten ein Lächeln, die sich nur zu gut an die Unbeständigkeit unseres Freundes erinnerten.
"Vielleicht wisst ihr es noch nicht", fuhr Celeborn fort, "doch niemand der dieses Land verlässt, kann den Anduin außer Acht lassen. Schon seit Menschengedenken sind die Flüsse dieser Welt der einfachste Weg um mit einer Gepäcklast eine solche Strecke zu begehen. Lange könnt ihr seinem Verlauf folgen, doch letztlich müsst ihr ihn verlassen. Doch auf welcher Seite des Flusses wollt ihr euch halten? Der Weg nach Minas Tirith führt am Westufer entlang, doch der Weg zu eurem Ziel liegt östlich des Stroms, am dunkleren Ufer."
Kurz ließ er uns nachdenken bevor er weitersprach.
"Welches Ufer zieht ihr also vor?"
"Auch wenn ich kein Teil dieser besonderen Gemeinschaft bin, so will ich euch doch meine Hilfe anbieten.", sprach Thranduil an unserer statt.
"Wenig weiß ich von eurem Ziel und groß ist meine Sorgen um meinen Sohn und meine Liebste. So gut ich kann will ich euch den Weg erleichtern solltet ihr nach Westen gehen. Meine Heimat liegt auf dieser Seite des Ufers, wenngleich sie auch viel nördlicher ist als ihr mit Hilfe des Flusses fahren könntet. Meine Männer sollen euch geleiten und euch Schutz bieten in diesen dunklen Zeiten. Doch werde ich sie nicht zwingen euch über den großen Strom zu folgen und euch nach Westen zu begleiten. Lange sind wir nicht dort gewesen und wenig vertrauen die Rohirim noch in unsere Freundschaft."
Das Angebot ließ Celeborn staunen, das konnte ich deutlich an seinem Blick erkennen. So wie die Menschen, hatten auch die Galadhrim lange nichts vom Waldlandkönig gehört außer, dass er sich gegen alles wand, dass sich außerhalb seiner Grenzen befand.
"Dein Angebot ehrt uns Liebster, doch denke ich, dass unser Weg sich zu weit von unserer Heimat entfernt, als dass deine Männer sich auf diese Reise begeben sollten. Sicher sollt ihr euren Weg in den Wald zurückfinden und uns den Rücken stärken. Wie Celeborn sagt, Dol Guldur ruht nicht und wenn ihr es nicht bedrängt, was hält es dann davon ab Lothlórien anzugreifen?"
Thranduil atmete geschlagen aus. Er hatte wohl gehofft uns noch ein wenig länger in Sicherheit zu wissen, doch war sein Vorschlag kaum umsetzbar und das wusste er.
"Wenn mein Rat gehör findet", sprach Boromir, "würde ich den westlichen Weg empfehlen. Dort können wir wenigstens eine Weile vor den Schrecknissen des Feindes ruhe finden, bevor wir entscheiden, wie der Ring am besten in den Schicksalsberg zu bringen ist."
Gemurmel breitete sich aus.
"Wie ich sehe, wisst ihr noch nicht, was ihr zu tun gedenkt.", klinkte sich Celeborn wieder in das Gespräch ein. "Doch werdet ihr wohl den Anduin bereisen müssen. So will ich euch helfen so gut ich kann. Manche von euch können mit Booten umgehen. Legolas und Liluith, deren Volk den schnell fließenden Waldfluss befährt, Boromir aus Gondor und auch Aragorn, der Weitgereiste."
"Ich auch!", rief Merry erfreut aus.
"Nicht alle halten wir Boote für wilde Pferde. Meine Sippe lebt an den Ufern des Brandywein und weiß mit derlei umzugehen." Wir mussten über den Eifer des jungen Hobbits lachen, der selbst die Laune des besorgten Elbenkönigs etwas aufhellte.
"So soll es sein. Alles soll morgen Mittag für euch am Hafen bereitstehen. Einige der Unsrigen werden euch morgen in der Früh mit allem ausstatten was ihr benötigt."
Elegant erhob sich der Herr von Lothlórien und reichte seiner Frau die Hand, die es ihm gleichtat.
"Wir wünschen euch eine gut Nacht und sorglosen Schlaf.", verabschiedete er sich und wand sich zum gehen.
"Gute Nacht Freunde.", verabschiedete sich auch Galadriel. "Schlaft in Frieden und grübelt heute Nacht nicht mehr über den Weg. Vielleicht liegt der Weg, den jeder von euch gehen wird, schon vor seinen Füßen, ohne dass er ihn sieht. Gute Nacht."
Sie lächelte ein letztes Mal und ihre blauen Augen leuchteten zuversichtlich. Dann folgte sie Celeborn und ließ uns am Tisch zurück.
Nach Beendigung des Essens gingen auch wir alle zu den Zelten zurück, in denen die meisten Gefährten ihre Nächte verbrachten. Entgegen Galadriels Rat verbrachten wir noch lange damit uns über den weiteren Weg Gedanken zu machen.
Thranduil wich während all dessen nicht von meiner Seite. Uns beiden war klar, dass der morgige Tag erneut eine Trennung bedeuten würde und dass es diesmal in den Sternen stand, ob wir uns überhaupt je wiedersehen würden. Nur all zu gern wäre ich seinem Vorschlag gefolgt, mit ihm den Fluss zu überqueren und mit den Soldaten unserer Heimat gen Westen zu ziehen. Aber leider war das unmöglich.
Nach einigen angeregten Diskussionen verabschiedeten wir uns daher, um unsere letzte gemeinsame Nacht in Zweisamkeit zu verbringen. In unserem Zimmer war es dunkel und nur die Lampions in den Bäumen warfen ein sanftes Licht durch die bodentiefen Fenster.
Erschöpft ließ ich mich auf einer Chaiselongue nieder, die mit einem weichen silbernen Stoff bezogen war. Ich sah aus dem Fenster und hoffte in der Schönheit Lothlóriens Entspannung zu finden. Ein Trupp Elben in voller Rüstung zog meine Aufmerksamkeit auf sich, als sie in Richtung des Osttors liefen.
"Grenzwachen.", stellte Thranduil fest, der hinter mich getreten war.
Ich nickte.
"Die Orks sind uns aus Moria gefolgt und bedrängen nun diese heiligen Grenzen. Kaum ein Ort in Mittelerde wird noch lange vor ihnen sicher sein. Saurons Blick richtet sich gierig auf die freien Königreiche. Du musst auf dich Acht geben, ja?"
Ich löste meinen Blick vom Fenster und sah zu ihm auf. Freudlos lachte er.
"Du bist diejenige, die ins Unbekannte zieht. Die große Gefahren auf sich nimmt aus einem Grund, den ich nicht kenne. Deine Schritte werden von den Orks verfolgt und sogar bis in den goldenen Wald hinein gejagt. Aber das wichtigste ist, das ich vorsichtig bin." Zum Schluss hin wurde seine Stimme hysterisch.
Ich ergriff seine zu Fäusten geballten Hände und erhob mich von dem Sofa.
"Ja, denn nichts fürchte ich mehr als dass dir etwas geschehen könnte. Keine Wunde und keine Folter die sich diese Monstren ausdenken könnten würde mich mehr schmerzen, als zu hören, dass dir etwas zugestoßen ist. Ich habe versprochen Frodo zu führen und ihn bis an sein Ziel zu geleiten, doch dass kann ich nicht, wenn ich weiß du bist in Gefahr." Meine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern gewesen, doch spürte ich, wie seine Hände sich entspannten.
"Du kannst hierbleiben... Bei mir bleiben." Seine Stimme brach kaum merklich.
Ich schüttelte leicht meinen Kopf.
"Du weißt, dass ich das nicht kann. So sehr es mein Herz auch danach verlangt. Niemals könnte ich es mir verzeihen, sollte es Sauron gelingen seine Kraft zurückzugewinnen und ich hätte nichts dagegen getan." Schwach sackte Thranduil in sich zusammen und setzte sich, den Kopf gesenkt auf das Bett. Es zerriss mich innerlich ihn so leiden zu sehen und ich wusste, nicht lange könnte ich diesen Anblick ertragen und in meiner Überzeugung standhaft bleiben.
"Melethron nîn, sei nicht schweren Herzens in einer Nacht in der ich noch bei dir bin. Freue dich, dass uns diese gemeinsame Zeit geschenkt wurde." Mit ein paar kleinen Schritten war ich bei ihm und brachte ihn dazu mich anzusehen. In seinen blauen Augen schimmerten Tränen, die er schnell zu verbergen versuchte.
"Meine Mutter sagte einmal zu mir, 'Tränen sind nichts böses. Lass sie auf die Erde fallen und es wird eine neue Blüte daraus wachsen. Sie sind deine Erinnerung, deine Liebe und dein Schmerz'. Lass diese Trauer also nicht bestimmen wer du bist, doch verdränge sie auch nicht."
Eine einzelne Träne kullerte bei meinen Worten seine blasse Wange hinunter und ich wischte sie mit meinem Daumen davon. Dann schlang er seine Arme um mich und drückte meinen schlanken Körper fest an seinen.
"Ich fürchte nur so sehr, dich erneut zu verlieren. Ein weiteres Mal werde ich es nicht verkraften. Ein weiteres Mal würde mich umbringen." Hauchte er voller Angst.
"Mich ebenso, mich ebenso..."
Am Morgen standen wir schon früh auf und packten unsere Sachen zusammen. Ebenso wie wir, würde Thranduil heute aufbrechen und in den Grünwald zurückkehren.
Tief war unsere Trauer gewesen, doch in dem anderen hatten wir Trost für wenigstens eine weitere Nacht gefunden. Zusammen mit uns trafen einige wenige der Galadhrim bei den Gefährten ein, die Westron beherrschten und brachten die von Galadriel versprochenen Geschenke.
Der Großteil davon bestand aus einer Art dünnem Keks, den Gimli argwöhnisch betrachtete.
"Cram.", brummte er.
Er brach den braunen Teig auf, der außen hart und innen sahnig weiß war und biss grimmig einen Bissen davon ab. Ich musste grinsen und auch die Elben, die es gebracht hatten konnten sich ein lachen kaum verkneifen.
Kaum hatte der Zwerg das Teiggebäck allerdings probiert, hellte sich seine Miene schlagartig auf und er verspeiste den Rest in einem schnellen Zug.
"Genug, genug!", riefe die Elben und konnten ihr Lachen nun nicht mehr halten.
"Großen Hunger hast du, wenn du ein ganzes essen kannst. Ein Bissen füllt den Magen eines Reisenden und sei er auch einer der großen Menschen Minas Tiriths.", erklärte einer der beiden sein Lachen.
"Ich dachte es wäre nur eine Art Cram wie es die Menschen aus Thal für ihre Reisen in die Wildnis backen.", sagte Gimli und zuckte mit den Schultern.
"Das ist es auch, ein Reisebrot, doch wir nennen es Lembas und wie alle Kenner urteilen, schmackhafter als der Cram den die Menschen backen. Er wird tagelang frisch sein, solange ihr ihn in den Blättern aufbewahrt, in denen wir sie euch geben. Dennoch solltet ihr sparsam damit umgehen.", erläuterte der andere Elb als er sich beruhigt hatte.
Als nächstes brachten die Elben uns allen Mäntel aus fein gewobenem Stoff, die durch schöne blattförmige Broschen zusammengehalten wurden.
"Sind das jetzt magische Mäntel?", fragte Pippin während er den Stoff bestaunte, der im Licht seine Farbe zu ändern schien.
"Wir wissen nicht was das heißen soll. Dies sind Mäntel wie wir Elben sie tragen. Stein und Wasser, Blatt und Zweig. All der Dinge Lóriens Farben haben sie, denn wir Elben weben in alles was wir schaffen unsere Liebe für dieses Land hinein. Und diese Stoffe sind besonders, die Herrin selbst hat sie gewebt. Und noch nie haben wir fremde in unsere Stoffe gekleidet. Mögen diese ein Zeichen sein für all die Völker Mittelerdes, dass wir zusammenstehen."
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