- Stumm -
Wiederholt fing mit dem geliebten Montag die Woche an.
Zugegeben, ich hatte mit Schlimmeres gerechnet, als ich meinen Fuß um 7. 58 AM auf das Schulgelände gesetzt hatte und ausnahmsweise fast pünktlich den Bioraum betrat. Natürlich wurde ich wieder angestarrt, aber glücklicherweise legte sich das nach ein paar Sekunden und ich konnte einigermaßen selbstbewusst zu meinem Platz laufen.
Außerdem störte mich die zugeteilte Aufmerksamkeit von manchen Schülern eher weniger, weil mir eine andere Last von den Schultern genommen wurde.
Adam und Adrian waren nicht da.
Beide Stühle hinter mir waren vollkommen leer und blieben es auch für den Rest der langweiligen Stunde.
In der Pause begegnete mir Liv nicht, von den anderen der Clique war immer noch nichts zu sehen, und ich ging beruhigt zur nächsten Stunde. Dieses Verhalten, Ausschau halten, Puls dabei irgendwie normalisieren und nervös an der Lippe herumkauen, zog sich fast durch den ganzen Tag.
Am Ende der Musikstunde erfuhr ich schließlich durch Victoria, die sich lautstark mit Janine hinter mir unterhielt, dass die sechs Jungs mit ein paar anderen heute wohl schon die ganze Zeit Ice Hockey Training in der extra hergerichteten Halle neben unserer Sporthalle hatten.
Nach dieser Information hätte ich Luftsprünge machen können, weil die Chance, sie heute noch zu sehen, relativ gering war.
Jedoch freute ich mich zu früh.
Parallel zu meiner einkehrenden Gelassenheit in den letzten paar Minuten in Musik hätte ich mich zusätzlich fragen sollen, wo denn Liv steckte. Spätestens mit der Nachricht, die kurz nach dem Gong zum Ende der Stunde eintraf, bauten sich wieder sämtliche Hindernisse neu vor mir auf.
Liv: Sorry, dass ich nicht gleich gesagt habe, dass ich heute nicht da bin. Habe eigentlich damit gerechnet, du rufst mich nochmal an. Ich durfte nämlich heute beim Training helfen. Willst du auch zur Ice Hockey Halle kommen? Die Jungs sind gleich fertig und Ian würde uns nach Hause fahren ;)
Mit zur Ice Hockey Halle gehen? Mit Ian und Liv zusammen mindestens zwanzig Minuten in einem Auto sitzen? Mit Gefahr auf Verhör? Kann sein, dass ich mich bestimmt nicht ausfragen lassen möchte, aber das war ja nicht nur das einzige Problem. Jetzt stieg die Chance auf einhundert Prozent, dass ich die anderen Jungs traf.
Mein Blut rauschte mir laut in den Ohren.
Wie werden sich Adam und Adrael mir gegenüber verhalten? Wie werde ich mich überhaupt verhalten können, nachdem ich weiß, dass Adam's Küsse wohl auch etwas in mir ausgelöst hatten und ich mit Adrael die Nacht verbracht hatte?
"Auch wenn ich dir vielleicht nicht helfen kann, frage ich dich einfach mal trotzdem. Geht es dir gut? Weil du siehst gerade so aus, als ob du jeden Moment umkippen wirst. Und ich will dich jetzt nicht unbedingt im Brautstyle auffangen. Hilfsbereitschaft ist sowieso nicht so meins." Victoria's kalte Augen musterten mich fragend.
Verblüfft, dass es sie überhaupt kümmerte, wie es mir wohl ging und ich dementsprechend aussah, blinzelte ich sie ein paar Mal an.
"Okay, dir scheint es echt nicht gut zu gehen", meinte sie nun langsam.
Außer uns beiden stand nun niemand mehr im Raum. Janine ist wohl ohne ihre Busenfreundin losgestiefelt und der Rest der Schüler sind anscheinend hier heraus geflüchtet.
Ich strich mir eine Haaraträhne hinter mein Ohr und setzte mir meine Tasche auf. Nach und nach kam ich wieder zur Besinnung und mir wurde klar, dass ich nicht allen Problemen aus dem Weg gehen konnte. Das war unmöglich. Entweder ich konfrontierte mich jetzt mit denen oder später, in einem noch unpassenderen Augenblick, würde es passieren. Aufgeschoben war nicht aufgehoben. "Mir gehts gut", antwortete ich ihr und bemühte mich um einen freundlichen Ton. "Danke der Nachfrage."
"Okay, wenn du das so sagst." Victoria kniff misstrauisch kurz ihre Augen zusammen, ehe sie mir zunickte, sich umdrehte und auch heraus in den Gang lief.
Im Grunde war sie doch nicht so ein schlechter Mensch. Vielleicht verhielt sie sich manchmal so schrecklich, weil sie mal schwer verletzt wurde.
Oder so ähnlich.
Ich sollte echt aufhören, über Menschen so oberflächlich zu denken. Jeder hat Gründe, warum er sich manchmal so oder manchmal so verhielt.
Diesen Gedanken sollte ich wohl mal umsetzen.
Zur Beruhigung atmete ich nochmal durch, dann kämpfte ich mir einen Weg durch die noch ziemlich gut gefüllten Schulkorridore, trabte ein paar Treppen herunter, verließ das Gebäude und befand mich binnen weniger Minuten vor der Ice Hocky Halle, aus der einige scharf erteilten Befehle an mein Ohr traten.
Einen Rückzieher konnte ich noch immer machen, aber ich wollte das nicht mehr. Wenn ich jetzt außerdem schon die Gelegenheit hatte, alle sechs zu sehen, werde ich auch nach einer Möglichkeit suchen mit Adam zu reden.
Wir hätten wohl schon lange miteinander reden sollen.
Die Klinke ging leicht herunterzudrücken und der Geruch nach Männerdeo strömte mir entgegen, als ich vorbei an den Umkleiden ging. Leider dachte ich nicht daran, während ich dicht an einigen Türen vorbeilief, dass diese immer nach außen aufgingen, wenn man sie öffnete und hätte deswegen beinahe eine Kante gegen die rechte Hälfte meines Körpers bekommen. Vor Schreck stolperte ich reflexartig zurück und machte beinahe noch einen Satz nach hinten, als ich registrierte, wer aus einer Umkleide trat und mich genauso überrascht anguckte.
Es war niemand anderes als Adam höchstpersönlich.
Wir begrüßten uns nicht, anders wäre das sowieso komisch gewesen, sondern starrten uns nur weiterhin an.
Wenn er mit mir redete oder in der Nähe war, war ich immer etwas nervös wegen seiner kalten Ausstrahlung gewesen. Aber diese nervige Info im Hinterkopf, dass wir uns schon geküsst und berührt hatten, er und ich sogar Gefallen daran gefunden haben, war mir plötzlich nochmal ganz anders.
Von dem Mut, den ich noch beim Betreten des Gebäudes hatte, war nun nichts mehr zu spüren.
Ich könnte jetzt an ihn vorbeigehen und alles so sein lassen, wie es war und mir damit keine weiteren Probleme aufhalsen. Oder ich sagte ihm direkt ins Gesicht, denn bestimmt wusste er noch nicht, dass ich die Wahrheit kannte, was ich herausgefunden hatte.
Erstaunlicherweise schien sich Adam in seiner Haut auch nicht ganz so unbedingt wohlzufühlen. Unruhig wechselte er sein Standbein und warf die Wasserflasche, die er in der rechten Hand hielt, in die linke. Seine Haare waren unordentlich, teilweise hingen ihm ein paar Strähnen an der Schläfe herunter. Das Sportshirt klebte an seinem Oberkörper und die Erschöpfung von dem Training war seiner Körperhaltung anzusehen.
Sagte ich es ihm? Einen noch besseren Zeitpunkt würde es nicht geben. Hier stand er jetzt alleine vor mir, ohne den anderen und wir konnten kurz ungestört sein.
Tief holte ich Luft, so tief fast schon, dass mir schwindlig wurde. "In Dark Room. Das warst du, oder?"
Er könnte es jetzt noch so lange abstreiten und Ausreden suchen, wie er wollte. Alleine in seinen Augen schimmerte es durch, wie ertappt er sich gerade fühlte. Nun holte er hörbar Luft, um etwas zu sagen, aber ihm fehlten ausnahmsweise mal die Worte.
Ergeben drehte er nur den Kopf zur Seite und nickte kaum erkennbar.
Der Schock fraß sich ein zweites Mal durch meinen Körper. Etwas vermuten und vielleicht konkrete Beweise zu haben waren etwas anderes, als alles direkt bestätigt zu bekommen.
"Warum?", rutschte es mir gleich hinterher und die restlichen Fragen und Sachen, die ich loswerden wollte, mischten sich jetzt mit dort herunter. "Du hast mich jedesmal so behandelt, als würdest du mich hassen. Mich teilweise noch schlimmer provoziert bis zum geht nicht mehr. Oder mich manchmal auch sogar gar nicht beachtet. Du hast dich verhalten, als wenn dich manche Streitigkeiten, in denen ich einbezogen war, gar nicht angehen. Du hast das geheim gehalten, dass du mich geküsst hast und warst im Grunde gar nicht anders als Adrael und Adrian. Und Adrael machst du auch noch vor allen wegen ein paar Sachen herunter. Obwohl ich dachte, du wusstest davon, dass er und ich-"
Jetzt trat endlich wieder Leben in ihn. Ruckartig drehte er seinen Kopf zu mir und der Zorn flackerte in den Augen deutlich auf. "Von gar nichts weiß ich. Was ist mit ihm und dir? Habt ihr wirklich miteinandergeschlafen?"
Irritiert schaute ich ihn an. "Das steht doch jetzt gar nicht zur Sache! Du hast mich gar nicht ausreden lassen!", fauchte ich erzürnt. "Und... ach, egal... Ich verstehe dich nicht, Adam. Überhaupt nicht."
Vor Wut brodelnd spannte er seinen Kiefer an.
Einen Moment lang dachte ich, er würde sich auf den Absatz umdrehen und mich stehen lassen, aber er war wohl nicht der Typ, der bei einem Konflikt gleich die Flucht ergriff.
Stattdessen umgriff er mit einer freien Hand meinen Oberarm und zog mich, auch wenn er unheimlich sauer war, sanft in die Umkleide. Dort ließ er mich los und drückte seine Hand mir ins Kreuz, um mich vor ihm an den Bänken und den Garderoben vorbei ins Bad zu schieben. Sein Ziel waren die Duschräume und dass es nicht so hallte, wenn wir uns hier drin unterhielten, machte er eine Dusche dicht am Eingang an.
Laut prasselte das Wasser ungestoppt auf die Fliesen und die Luftfeuchtigkeit brachte mich nach einiger Zeit langsam ins schwitzen.
Adam wendete sich für eine Minute von mir ab. Vielleicht versuchte er seine Wut zu kontrollieren und sich zu beruhigen. Genau wusste ich es nicht. Als er sich wieder zu mir drehte, wirkte er aufjedenfall nicht mehr ganz so auf Angriff.
"Du verstehst mich nicht, weil du meine Gründe für mein Verhalten einfach nicht kennst, Cassandra", sagte er.
Ich stemmte meine Arme in die Seite. "Und was genau sind denn diese Gründe?"
Verzweifelt fuhr er sich durch die Haare und stöhnte frustriert auf. "Weißt du, wenn man niemanden etwas sagt oder kleinste Anzeichen gibt, dass man an etwas interessiert ist, würde keine Menschenseele darauf kommen, was einem eigentlich im Kopf vorgeht."
Widerwillig zwang ich mich ihm zuzuhören und entgegnete erstmal nichts.
"Und", fuhr er weiter fort. "Mit dir war das genauso. Du bist mir schon, seit dem ich auf diese Schule gewechselt bin, sofort aufgefallen. Aber was macht man nicht alles, um seinen guten oder eher schlechten Ruf als Player und gefühlskalten Typ aufrechtzuerhalten?" Er lachte trocken. "Man verhält sich wie ein Idiot und geht nie seinen geheimsten Wünschen nach. Aus Angst vor Veränderung."
Nachdenklich senkte ich meinen Kopf und betrachtete das Wasser, dass uns langsam erreichte, da nicht alles gleich abfloss.
Nie hätte ich es für möglich gehalten, dass er nun so ehrlich zu mir sein würde. Und ich wusste instinktiv, dass er auf alle Fälle ehrlich war.
"Cassie?"
Ich schaute wieder zu ihm auf und begegnete seine vor Emotionen brodelnden Augen. "Ich höre dir zu", entgegnete ich zittrig. "Ich höre dir bis zum Ende zu, weil das auch einer Gründe war, herzukommen, um dich das zu fragen."
Er befeuchtete kurz seine Lippen und nickte. Etwas unsicherer geworden sah er wieder von mir weg. "Ja und dann... hatte ich diesen einen Samstag, den du dich das erste Mal auf eine von unseren Party's getraut hattest, gesehen. Und wie es der Zufall so wollte, unterhielt sich Ian mit dir, wodurch Leandro angelockt wurde und du durch ihn irgendwie in unsere Runde hereinkamst. Zusätzlich warst du auch noch in meiner Gruppe. Warum sollte ich also nicht die Chance ergreifen und die Dunkelheit ausnutzen, um endlich wissen zu dürfen, wie es sich anfühlt, wenn ich die küsse?"
Gedankenverloren schwieg ich und wartete, was er noch sagte. Denn seine Frage ließ er offen im Raum stehen und ließ mich gar nicht antworten.
Aber ich hätte sowieso gar keine Antwort parat.
"Danach hatte ich gehofft, das war etwas Einmaliges und so. Aber dann meinte Ian, dich immer wieder zu uns mit heranzuholen. Adrian ist ja ebenfalls hin und weg von dir, Ace will wohl beste Freunde für immer mit dir spielen, Leandro scheint dich auch gut zu mögen und... Adrael war so der Einzige, der sich nie so zu dir äußerte, wenn man ihn mal fragte. Wenn ich jetzt so direkt darüber nachdenke, dann habe ich ihm aber trotzdem manchmal angesehen, dass er voll heiß auf dich war. Und immer noch ist."
Okay...
Ich schluckte. "Und du warst nicht nett, um nicht zu zeigen, dass du mich magst?"
Peinlich berührt linste er kurz zu mir. "Ja. Schon irgendwie."
Und nun standen wir hier, im Duschraum, die Schuhe schon etwas nass vom Wasser und sahen uns beide stumm an.
Ich war jedoch nicht nur stumm, wegen seiner Erklärung, sondern wegen dem Ausdruck in seinen Augen. Diesen Ausdruck, den Adrael in letzter Zeit öfter gegen mir über hatte und der immer nur eins bedeutete...
Es beginnt...
Geständnis von Adam unerwartet oder erwartet?
Dort oben eingeblendet seht ihr Adam.
♡
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