"Du hasst ihn, oder?" 

Aggressiv wickelte ich mein Schinkenbrötchen aus der Frischhaltefolie aus, nachdem ich Olivia meine zwei Englischstunden und alles, was so herum passiert war, erzählt hatte. "Nein, ich weiß jetzt mal gar nicht, wie du darauf kommst", entgegnete ich sarkastisch und schmierte die Butter von meinen Fingern an einem Taschentuch ab.

Sie lachte leise und lehnte sich mehr auf unserer schäbigen dunkelblauen Holzbank zurück, die im Schatten von einem riesigen Ahornbaum stand.

"Neee, jetzt mal ehrlich, Liv", seufzte ich, gleichzeitig sog ich die frische Luft, die so sehr nach Herbstlaub duftete, tief ein. "Dieser Typ ist einfach nur ein gewaltiger Arsch. Ich könnte ihn am liebsten den ganzen Tag verprügeln, sein Motorrad schrotten, die dunkelrote Jacke anzünden und springend um mein Lagerfeuer herum seine Karamellbonbons nach und nach heraufwerfen. Aber selbst das würde mir nichtmal die Genugtuung geben."

Olivia prustete laut los und erntete dafür ein paar schiefe Blicke der anderen Leute, die den Schulhof der stickigen überfüllten Cafeteria vorzogen. "Denkst du nicht, das wäre schon viel?", japste sie.

Eisern schüttelte ich mit dem Kopf. "Überhaupt nicht. Vielleicht breche ich auch bei ihm ein und mache aus seinem neuen Bett ebenfalls Kleinholz."

"Wenigstens ist das Lagerfeuer dann groß", lachte sie amüsiert weiter.

Missmutig kickte ich einen Stein von mir weg. "Vielleicht rasiere ich ihm dann noch oberhalb der Stirn seine schwarzen, glänzenden Haare ab, sodass er eine ganz freie Sicht auf diesen Scheiterhaufen an."

Lachtränen flossen an ihren Wangen hinab, weshalb sie sich die Brille abnahm und sie sich wegwischte. "Das wäre es", keuchte sie lachend. "Aber eigentlich sind seine Haare für so eine Verunstaltung viel zu hübsch."

Uhm, ja, eventuell.

"Ich wette mit dir, dass ihn trotzdem noch genügend Weiber attraktiv fänden, selbst wenn er nur Haare auf dem Hinterkopf hat", knirschte ich mit den Zähnen.

"Oh Gott", brüllte sie belustigt los. "Ich kann nicht mehr. Hör auf, Cassie."

Nun schlich sich auf meinen Lippen auch ein leichtes Lächeln bei dem Gedanken. "Okay." Ein rotes riesiges Blatt segelte vor uns auf den Boden. "Aber das wäre ihm mal eine Lehre", schob ich schnell hinterher. 

"Ich glaube, bevor du auch nur seine Haare berühren darfst, reißen dir andere eifersüchtige Mädchen deine Haare aus", bemerkte Olivia glucksend.

"Tja", meinte ich. "Dann sind wir beide eben das Half Hair Duo."

Eine angenehme Stille machte sich zwischen uns breit, in der ich mein Brötchen aufaß und einfach nur die Gegend um mich herum beobachtete. Zehn Meter von mir entfernt hatten es sich welche auf dem Gras gemütlich gemacht und blinzelten in die Sonne, an einer Mauer gelehnt tranken welche Energiedrinks in Apfelsaftflaschen getarnt und auf dem Schulparkplatz neben uns saßen einige in ihren Autos, um sich dieser ganzen nervigen Schule für ein paar Minuten zu entziehen.

Dieser Tag, wenn ich auch endlich ein Auto habe. 

Völlig entspannt lehnte ich mich nun auch nach hinten und schloss lächelnd meine Augen. Von mir aus konnte ich auch noch bis Schulschluss hier herumsitzen, denn das kostete deutlich weniger Nerven.

Ein Räuspern vor mir.

Da ich mich nicht sonderlich angesprochen fühlte, immerhin konnte auch einfach nur jemand an uns vorbeigegangen sein, hielt ich meine Augen geschlossen.

"Cassandra."

Erschrocken zuckte ich zusammen und visierte verblüfft die Person vor mir. Ganz langsam klärte sich mein verschwommenes Sichtfeld auf und ich erkannte den Hautfarbtonunterschied zwischen ihrem Gesicht und ihrem Hals. Die Gesichtszüge ihrer Make Up Fassade verzogen sich zu einer wütenden Grimasse.

Langsam richtete ich mich auf. "Victoria", äffte ich den Ton nach, den sie für meinen Namen verwendet hatte.

Sie kniff die giftgrünen Augen noch mehr zusammen. Hinter ihr wehten glatte blonde Haare in der Luft und kurz darauf stand noch jemand vor mir.

"Ah und Janine", ergänzte ich. "Was gibts?"

Victoria schnappte empört nach Luft. "Du wagst es echt, mich das auch noch zu fragen? Ist das dein Ernst?!"

Ich schürzte die Lippen. "Denke schon", antwortete ich gedehnt.

"Unglaublich!" Sie warf die Arme in die Luft, weshalb ich von dem hellen Sonnenlicht, dass auf ihren schwarzen iPhone Bildschirm traf, schmerzhaft für einen kurzen Moment geblendet wurde. Ihre zahlreichen Armreifen klimperten dabei heftig gegeneinander. "Einfach nur unglaublich oder, Janine?"

Diese nickte nur beipflichtend.

Mal ehrlich, bekam die denn den Mund gar nicht auf? 

"Jetzt hör mir mal gut zu, Steven", fauchte Victoria wieder an mich gerichtet. Olivia neben mir hob den Blick von ihrer Ökozeitschrift und starrte diese fuchsteufelswilde Zicke vor mir finster an.

Gespielt lässig, dafür aber innerlich davor zitternd, was nun kam, lehnte ich mich wieder zurück. "Ich bin ganz Ohr, Vicki."

Sie nickte zufrieden. "Erstens", ein Finger mit einem gefährlich langen lilalackierten Nagel tauchte vor meinem Gesicht auf, " habe ich gehört, dass du wohl heute Morgen eine kleine Verabredung mit Adrian hattest. Wart ihr etwa in der Besenkammer und habt es dort getrieben?!"

Das sind ihre Sorgen?

Meine Augenbrauen hüpften nach oben. "Ehrlich, Victoria. Noch klischeehafter gings nicht mehr, oder?"

Keine Antwort, sondern nur ein bitterböser Blick.

Innerlich verdrehte ich meine Augen. "Nein, wir haben es nicht in einer Besenkamner getrieben. Und nein, ich hatte auch keine Verabredung mit ihm heute morgen", erklärte ich ihr langsam, weil ich befürchtete, dass sie kurz vor dem Durchdrehen war.

"Lüg nicht!", bellte sie darauf aber schon los. "Amber hat mir was ganz anderes erzählt. Und ihre Beobachtungen aus dem Biologieunterricht sprechen wohl auch für sich!!!"

Ein paar Schüler drehten bei ihrer Stimmenlautstärke den Kopf herum und beobachten uns interessiert.

Haben die denn keine andere Beschäftigung?!

"Was auch immer", wich ich ihr genervt aus. 

"Nein, nicht was auch immer", keifte sie. "Das ist eine ernste Angelegenheit. Niemand vergreift sich an meine Jungs!"

Ihre Jungs?

Angestrengt versuchte ich nicht loszulachen, da ihr Beschützerinstinkt einfach nur zum Wegschmeißen war. Zusätzlich kamen meine Hintergrundgedanken, dass zwei sechstel der Clique sie nichtmal mochten.

Victoria schätzte mein Schweigen wohl als Unterlegenheit ein und plapperte gleich aufgeregt weiter. "Und was fällt dir eigentlich ein, Adrael anzufassen?!"

Ach. 

Dann war sie es, die die Schließfachtür so zu geschmissen hatte. Na das ergab jetzt mal ausnahmsweise Sinn.

"Ich hatte etwas mit ihm zu klären -"

"Etwa eure nichtexistente Ehe oder wie?!"

Ich grinste sie an. "Richtig. Ich musste ihn nach den Bon für unsere Plastikringe fragen, weil mir das Neongelb nicht mehr gefällt."

"Die Erklärung kannst du sonst wem erzählen", erwiderte sie erbost. "Du belästigst ihn doch nur, um dich an ihn heranzumachen!"

Diesmal legte ich den Kopf in den Nacken und lachte schallend los. "Glaub mir, Victoria. Dieser selbstsüchtige und arrogante Idiot kann dir gehören. Und überhaupt", jetzt stellte ich mich ebenfalls hin, um mit ihr ganz auf einer Höhe zu sein, nebenbei ignorierte ich das Zuppeln von Olivia an meiner Jacke. "Mit dieser ganzen Gruppe habe ich überhaupt nichts zu tun, die... die wissen nichtmal richtig, wer ich bin, Victoria. Also mach dir mal darum keine Sorgen."

Das Geräusch von einer Person, die nähergelaufen kam, erreichte mein Ohr. "Schnuff- uhm, Cassandra, du hast dein Englischbuch vergessen." Ian wedelte mit einem dicken Lehrbuch hin und her, als er lieb grinsend bei mir zum Stehen kam.

Ja, guys. Kein Bild diesmal, weil ich irgendwie nicht an den richtigen Link von irgendwelchen Bildern oder Gifs bei Google herankommen kann *seufz*  

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