- Die Wahrheit -
[Den Song erst bei diesem Zeichen * starten, bitte]
"ZEHN... NEUN... ACHT... SIEBEN... SECHS... FÜNF... VIER... DREI... ZWEI... EINS.... Jetzt wird unser süßer Ian vor genau achtzehn Jahren geboren!", schrie Ace lachend, derweil legte Adrael einen Arm kumpelhaft um Ian und lächelte ihn an.
Johlend hob eine riesige Menge an Leute, die sich in der restlich verbliebenen Zeit auf dem Deck angesammelt hatten, die Gläser und wir prosteten uns angedeutet alle zu. Manche schon so heftig, dass der halbe Sekt aus den Gläsern schwappte und manche nahmen das Anstoßen zu wörtlich und ließen die Gläser nur so aneinander krachen.
Wenn sich da jetzt kein Riss gebildet hat oder etwas abgeplatzt ist, dann weiß ich auch nicht.
"Lieber Ian, weißt du eigentlich, wie lieb ich dich habe?", rief Adrian, schnappte sich diesen, klopfte ihm kräftig auf den Rücken und zwickte ihm danach in die Wange. Sein Umgang mit Mädchen war vielleicht nicht der beste, aber im Umgang mit seinen Freunden war Adrian echt toll. "Unglaublich doll, Buddy. Unglaublich doll hab ich dich lieb, Blondie."
Ian lachte überglücklich los, umgeben von Menschen, die ihm gratulierten und fast totknuddelten.
Hach, wie ich ihm das gönne, dass er so geliebt wurde.
Schmunzelnd nahm ich einen Schluck und war schon fast in der Erwartung, dass die Stimmung zwischen mir und den Jungs so weitergehen würde, doch Leandro forderte mich nach wenigen Minuten zum Tanzen auf, als das Deck wieder freier geworden ist, anscheinend zogen viele Leute die discoähnlichen Räumen das hier vor, und bewegte sich mit mir komisch zu dem Beat zum laut aufgedrehten Song Bonbon.
"Wusste gar nicht, dass du so locker tanzen kannst, Schnuffie", gluckste er, griff nach meiner Hand und drehte mich einmal.
"Na ja, vielleicht hast du mich unterschätzt... oder soo", kicherte ich.
Es vergingen auf diese Weise echt viele Minuten, vielleicht sogar Stunden, in denen ich abwechselnd mit Ian, Liv, Leandro, Ace und sogar Adrian tanzte. Adam und Adrael standen immer noch an der Reeling und beobachteten alles um sich herum. Adam hatte nach und nach mehr getrunken, weswegen er die ganze Zeit wohl einen Vortrag vor Adrael hielt und immer wieder kicherte. Dieser nickte ab und zu ab, lächelte mal - und blickte dann wieder in meine Richtung.
So wie jetzt.
Mit stockenden Atem konzentrierte ich mich wieder auf Ace, der eine Welle mit seinen Armen zu machen versuchte.
So ging es schon seit den letzten paar Minuten zwischen mir und ihm. Ich tanzte, versuchte mich abzulenken, ging aber immer wieder dem Bedürfnis nach, in seine Richtung zu schauen und seine Blicke aufzufangen.
"Hey, hey."
Ich wirbelte herum.
Jona's graue Augen blitzten mich vergnügt an. "Naaaa? Ich weiß, ich bin spät und ich habe auch schon artig Ian gratuliert, nur konnte er keinen Smalltalk mit mir halten, weil ständig jeder etwas von ihm will. War wohl ein Fehler von ihm, in das Innere der Yacht zu gehen. Hier scheint es oben ja etwas ruhiger zu sein", quasselte er darauf los, beachtete nicht meine fragende Miene, warum er wohl hier ist, und ging plötzlich selbstsicher auf Ace zu, der ihm in die Arme schloss.
Was zur...?
"Ohh, hat er dir das nicht erzählt?", fragte mich Ace verlegen, weil ich beide immer noch mit riesigen Augen anstarrte.
Perplex blinzelte ich. "Was erzählt?"
"Na, dass... uhm...", druckste Ace herum, bevor Jona das Reden übernahm, nachdem er kurz über Ace' Haare gestreichelt hatte.
"Ace wollte mich gerne dabeihaben und Ian hat mich daraufhin auch eingeladen... Und auf dich muss ich auch aufpassen... ja... Deswegen bin ich jetzt hier", erläuterte Jona.
Okay.
Okay, das hinterfragte ich jetzt mal nicht, denn beide sahen nicht so aus, als wären sie zusammen als Paar hier, aber diese verräterische Röte auf Ace' Wangen und Jona's permanente durch die Haare gefahre mit der Hand, was immer ein Zeichen dafür ist, dass er er unsicher oder so etwas Ähnliches war, ließen meine Gefanken ziemlich in die Richtung driften.
Aber ich wollte beide jetzt nicht noch mehr in Verlegenheit bringen, ihnen jedoch aber unauffällig gemeinsame Zeit verschaffen.
*
"Ähm, Ace? Weißt du, ob es hier oben auch nur kühles Mineralwasser gibt?"
Er nickte. "Ja. Geh einfach den kompletten Tisch bis nach hinten durch und irgendwo dahinter steht ein zweiter, auf dem eine riesige Tischdecke liegt. Wenn du die Tischdecke hochklappst an den Seiten, siehst du die Wasserkästen, die dahinter stehen."
"Okay, danke." Ich lächelte beiden nochmal zu, ehe ich ruhig durch die verstreuten Menschentrauben mein Ziel ansteuerte. Als ich die Tischdecke anhob, haute Ace' Beschreibung tatsächlich hin. Also fast. Denn es gab nur einen Wasserkasten, statt mehrere und in ihm stand nur eine einzelne Wasserflasche, die beim Hochnehmen leicht und demzufolge leer war.
Frustriert seufzte ich leise.
Was hatte ich auch auf einer Party erwartet, die anlässlich zu einem achtzehnen Geburtstag stattfand?
Über mich selbst amüsiert stützte ich mich an das Geländer hinter mir ab - jedenfalls wollte ich es, stattdessen berührte meine Hand warme Haut. Erschrocken drehte ich mich zur Reeling hin.
Adrael stand nicht weit von mir entfernt, die Hände nun in die Hosentaschen vergrabend. Seine Lippen wurden von einem spöttischen Lächeln umspielt. "Du solltest deinen süßen Hintern nicht so weit in die Höhe strecken bei so einem leichten Stoffkleid. Das lockt Leute an", wies er mich leise darauf hin.
"Oh." Das Blut schoss mir ins Gesicht. "Oh", machte ich nochmal vor mich hinschämend.
Er lachte leise. "Hey, komm. Nicht schlimm. Außerdem stand ich größtenteils im Sichtfeld, da konnten andere eh nicht mehr viel sehen."
"Das ist trotzdem peinlich", gab ich erschüttert zu.
Seine Grübchen vertieften sich weiter in den Wangen und raubten mir den Atem. Er trat noch ein Stück weiter an mich heran, streckte die Hand aus und fuhr mit einem Finger langsam und hauchzart über meine Lippen, weiter herunter mein Kinn entlang und stoppte bei meiner Halsschlagader, die ihm wahrscheinlich durch das schnelle Pochen viel über meinen derzeitigen Gefühlszustand aussagte.
Ich atmete ein und hatte augenblicklich seinen verführerischen, unwiderstehlichen Duft wahrgenommen. Automatisch legte ich eine Hand behutsam auf seine Brust, sicherte mich aber vorher noch ab, dass niemand von unseren Freunden in der Nähe war.
"Verdammt, das hat mir gefehlt", raunte Adrael leise und trotz der lauten Musik konnte ich ihn gut verstehen, weil ich so auf ihn fokussiert war.
Er strich meinen Arm herunter, führte meine Hand zu seinem Mund und küsste zärtlich die Handfläche von mir, worauf ich sie an seine Wange lehnte und er sich an sie anschmiegte.
"Mir hat das auch gefehlt", gab ich heiser zu und räusperte mich hinterher gleich.
Seine Reaktion bestand daraus, zu schweigen, die Lider mit den langen Wimpern zu senken und schwach zu lächeln.
Und dieser Anblick bauschte mich so hoch, so sehr, dass ich dachte, mein Herz zersprang gleich vor lauter Zufriedenheit in diesem Moment. Wie sehr mir das und er selber gefehlt hatte, wurde mir mit jeder Sekunde immer mehr klar.
Und ihm wohl auch, denn er öffnete wieder seine Augen und in diesem Hellblau lag so viel Sehnsucht und, ich wollte es kaum glauben, Zuneigung.
"Cassandra, du siehst in diesem Kleid wunderschön aus."
Oh mein Gott, das kam unerwartet.
"D-danke", stotterte ich fassungslos über das, was er gesagt hatte. Warum war ich bitte auch so leicht von ihm aus der Reserve zu bringen? Er hatte mir schonmal ein Kompliment bezüglich meines Outfits gemacht, aber... heute traf mich das nochmal komplett anders. Und ich zwang mich dazu, auch ehrlich zu sein. "Und dir steht dein weißes Hemd. Zwar untypisch für dich, aber...", meine Augen glitten nochmal über den Stoff. "... du siehst damit echt heiß aus." Meine Stimme wackelte beim Ende des Satzes.
Etwas überrascht über das, was ich gesagt hatte, musterte er mich nochmal prüfend, wahrscheinlich um herauszufinden, ob ich die Wahrheit gesagt hatte.
Aber er musste nichts außer Aufrichtigkeit in meiner Miene abgelesen haben, denn nun grinste er mich gerissen an. "Dankeschön. Und weil das gerade so schön kitschig zwischen uns ist, kann ich ja gleich mal weitermachen."
"Okay", kicherte ich und wartete geduldig das ab, was noch kam, dabei lehnte ich mich an das Geländer hinter mir.
"Alsoo", er folgte mir die wenigen Schritte und stützte links und rechts auf den Stangen hinter mir seine Hände ab, ließ zwischen unseren Körpern aber noch Platz. "Du fehlst mir einfach unheimlich. Deine verschrobene Art, diese Streiteren zwischen uns, deine Kommentare. Dein Lächeln. Verdammt, jedesmal, wenn du lächelst, muss ich es automatisch auch. Du denkst vielleicht, ich will dich damit wieder provozieren oder so, aber das stimnt nicht. Ich liebe es einfach. Ich liebe es, wenn du mich ansiehst, mit mir sprichst, mit mir lachst, bei mir bist. Und es ist mir gerade egal, dass Adam und wer weiß noch alles nicht will, dass ich mit dir zusammen bin, weil sie jedesmal denken, dass ich dir dein Herz breche. Aber das würde ich nicht tun. Du bist mir so wichtig geworden, dass ich mich jedesmal beschissen fühle, wenn du nicht in meiner Nähe bist. Oder ich so verdammt eifersüchtig werde, wenn ein anderer Kerl mit dir spricht, dich anfässt, dich auch nur ansieht. Selbst wenn es sich um meine Freunde handelt und ich herausgefunden habe, dass Ace wohl schwul ist, aber der Punkt ist, also... ähm...."
Um ihn nicht so schrecklich unsicher vor mir stehen zu haben, denn es war ungewohnt damit umzugehen, weil er sonst echt das Gegenteil verkörperte, und ihn zu beruhigen, legte ich meine vor Aufregung kaltgewordenen Hände nochmal an seine Wangen. "Pscht..., alles gut. Sag es einfach."
Das Hellblau strahlte nochmal heller bei meinen Worten. "... ich ertrage das nicht länger. Und ich weiß, ich habe mich nicht immer richtig verhalten, ich weiß zu gut, was für ein Arsch ich bin. Und du sollst das alles wissen, weil ich meine Gefühle für dich nicht so verstecken kann wie Adam, der alles in sich hinein frisst. Mir ist es egal, dass Gerüchte entstehen könnten, mein Playerruf einen Knacks bekommt oder sonst etwas - ich will dich so wie du bist. Und die anderen können mich mal, wenn sie nicht damit einverstanden sind."
Kalte und warme Schauer liefen mir über den Rücken, eine Gänsehaut breitete sich gefolgt davon blitzschnell aus. Beides ließ mich realisieren, auf was mein Körper gerade so heftig reagierte. "Das heißt..."
"Das heißt, ich habe mich in dich verliebt", beendete er meinen Satz und lehnte seine Stirn an meine. "Und ich kann es auch verstehen, wenn du mich abservierst, ich habe das schließlich auch so oft bei anderen gemacht, sie nur ausgenutzt, nie eine Beziehung gewollt und so weiter..." Er hielt inne, sagte nichts weiter und stand weiterhin nur genauso unregelmäßig atmend wie ich abseits vom ganzen Geschehen.
Mir kam das vor wie ein Traum.
Ein wahrgewordener Traum, den man Stück für Stück am Tag weitergeträumt hatte und nun war er wahr geworden.
Und Adrael machte mir so ein Geständnis und glaubte auch noch, ich würde ihn zurückweisen, nach alles, was zwischen uns passiert ist. Wie falsch er lag.
"Ich -", setzte ich an, doch verstummte.
Im Hintergrund kamen bekannte Stimmen näher, ich registrierte, dass sie uns sahen und verwirrt stirnrunzelnd stehen blieben.
Adrian, Adam, Ian, Ace, Jona, Leandro und Liv.
Egal.
Egal ist die Meinungen der anderen eigentlich, solange man selbst von dem überzeugt war, was einem gefällt.
Angespannt konzentrierte ich mich wieder auf Adrael, der über seine Schulter schauen wollte, doch dazu kam er nicht.
Ich zog ihn vor allen weit aufgerissenen Augen, sicher in dem, was ich vorhatte, zu mir heran und küsste ihn stürmisch.
Wie beim letztenmal erwiderte er den Kuss voller Leidenschaft, zeigte mir, wie sehr er sich das gewünscht hatte. Ohne zu zögern zog er mich näher an sich, sodass unsere Körper fast zu einem zerschmelzten.
In der Öffentlichkeit, nicht versteckt und vor jeglichen Beobachtungen ungeschützt. Ich wusste genau wen ich hier vor mir küsste. Und dieser jemand wollte es nicht geheim halten.
Schon komisch, was ein kleines, einfaches und primitives Partyspiel einen lehren konnte.
Dark Room war eigentlich die Realität. Das Verstecken seiner wahren Identität und damit bewirken, jemand anderes zu sein, um ein kleines Abenteuer zu erleben. Und wenn das Licht anging, in dem Sinne, man erwachte wieder aus dieser Trance, ging man sein normales schnödes Leben, das sonst jeder von einem kannte, nach, ohne zu wissen, was einen so glücklich gemacht hatte oder wer. Durch Zufall fand man es heraus und alle Hoffnungen, die man sich hinterher gemachte hatte, wurden zerstört.
Manchmal half es dann doch, wenn man der Wahrheit direkt in die Augen sah.
Und meine Wahrheit war schlicht und einfach Adrael.
• Song: I Wouldn't Mind by He Is We •
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