⫷ Kapitel 60: Ein Treffen hinter den Sternen ⫸
- Ajat -
Ajat hatte sich bereits damit abgefunden Nanouk nie wieder zu sehen.
Er erinnerte sich an den Tag, an dem sein Großvater alleine aus Aalsung zurückgekommen war, als wäre es gestern gewesen. Voller Ungeduld hatte sich Ajat durch den Tag gekämpft, die Pflichten eines Dorfältesten bezwungen und bloß nicht frustriert sämtliche Aufgaben in den Wind geschossen, weil er wusste, dass Nanouk spätestens Morgen wieder käme und ihn schimpfen würde, sollte er nachlässig gewesen sein.
Aber sie war nicht mehr gekommen. Weder am Abend noch am Morgen. Niemand außer Rendrun und dem Schlittenhund war heimgekehrt und Ajat hatte sofort gespürt, dass etwas nicht stimmte. Und als sein Großvater ihnen erklärte, dass Fürst Perrin sie allesamt an den Hof verkauft habe, war eine Welt in ihm zusammengestürzt, von der er nicht einmal geahnt hatte, dass sie derart zerbrechlich bereits seit Jahren auf Messers Schneide gestanden war.
Nur Nanouk wegen hatte er sich nicht unterkriegen lassen, hatte nach vorne geblickt und in ihrer geteilten Trauer über den Verlust ihrer Familienangehöriger Geborgenheit empfunden. Und jetzt sollte das für immer auf einen Schlag vorbei sein?
Dass Rendrun von Fürst Perrins Plan gewusst hatte, dass es an erster Stelle ihm zu Schulden kam, was der irre Fürst verordnet hatte, erfuhr Ajat erst viel später.
Aber diese Umstände waren keine Neuigkeit, waren nichts, wodurch er nicht schon unzählige Male gezwungen worden war zu gehen und er würde diese Situation genauso handhaben, wie die Jahre davor. Einfach weitermachen. Einfach trauern und dann ruhen lassen. Doch fehlte ihm dieses Mal der entscheidende Unterschied zu all den Jahren davor. Nanouk war fort und damit sämtliche, rationale Beweggründe weiter zu machen.
Er konnte nicht weitermachen. Nicht ohne sie, wollte sich kein Leben ohne ihren mürrischen Charakter ausmalen und sich vorstellen müssen mit irgendjemand anderem an seiner Seite alt zu werden. Er hatte nicht begriffen, wozu sein Herz und seine Seele fähig waren, wie viel fürchterlicher der Schmerz nach all den Verlusten noch sein konnte, wie grauenvoller es sich auch nach all den Jahren Abgeklärtheit anfühlte, jemanden zu verlieren.
Und dann, als er schlussendlich in seiner schier endlosen Verzweiflung alleine losgezogen war, um den Winterkönig selbst dazu aufzufordern, seine Freunde wieder freizugeben, wäre er beinahe gestorben. Vielleicht hatte er sich mit Absicht in den tödlichen Schneisen verlaufen, mit Absicht diese Aufgabe auf seine Schultern geladen, weil am Ende des Weges befreiende Dunkelheit lockte. Es hatte ihn mit beschämender Erleichterung erfüllt, endlich diese Last ablegen zu dürfen, doch man hatte es ihm verwehrt. Ein Fremder hatte ihn aufgelesen und nach Hause geschickt.
Ein Fremder der eben jenen Mantel trug, den er soeben einer jungen Frau von den Schultern zog, während Amka und seine Großmutter mit besorgten und säuerlichen Mienen daneben standen.
Sie ist es, schoss es ihm durch den Kopf, als Ajat sprachlos auf die junge Frau blickte, die soeben auf dem Küchentisch zusammensank. Sie muss es sein.
Doch die junge Frau war in sonderbares Gewand gekleidet, schillernde, blutbefleckte Seide und mit Schmuck im Haar, den Nanouk nicht in tausend Leben angelegt hätte. Aber es war ihre Nase, ihre vollen Lippen und die strenge Falte zwischen ihren kräftigen Brauen. Die selbe Narbe an der Schläfe.
Erst dann fiel sein Blick tiefer und er holte erschrocken Luft. Er fühlte sich wie ein dummer Junge, der errötete, als er sie halb nackt dort liegen sah, doch die Scham wurde von noch tiefer schürfendem Entsetzen erstickt, als er erkannte, was ihm so vor den Kopf stieß. Es war nicht die Freizügigkeit, sondern das dunkle, getrocknete Blut, welches ihren gesamten Arm benetzte und in erschreckend präzisen Linien eine Glyphe auf ihrer entblößten Brust zeichnete.
»Ajat!«, stieß seine Großmutter erzürnt aus, doch seine Aufmerksamkeit wurde von dem Fremden gefangen, der ihn nun verblüfft musterte.
Ajat stellte seinen Bogen ins Eck neben der Türe und machte einen Satz auf den Fremden zu, riss ihm seine Kapuze vom Kopf und entblößte jenes irritierende Rot, welches er als Teil seines Fiebertraumes gedacht hatte. Der Fremde ließ ihn gewähren und schenkte ihm sogar ein erkennendes Lächeln.
»Du bist meinem Rat gefolgt.«
»Ajat!«, herrschte seine Großmutter aufs Neue und stieß ihn selbst für ihre Größe heftig gegen die Schulter. »Wie respektlos! Du tropfst den ganzen Boden nass! Und du warst schon wieder alleine in der Nacht auf der Jagd!«
»Was hat das alles zu bedeuten? Ich erkenne Euch! Ihr gehört dem Winterkönig!«, beschuldigte Ajat den Fremden.
Amka und Anatna holten erschrocken Luft, als Amka das Blut abwusch. »Du solltest wirklich nicht hier sein, Ajat«, mahnte sie ihn und versuchte sich zwischen ihn und ihre entblößte Tochter zu schieben.
»Das ist doch wohl das geringste unserer Probleme«, stieß Ajat aus und wusste gar nicht, was er mit all diesen plötzlich aufschäumenden Gefühlen machen sollte.
»Ich gehöre ihm nicht mehr«, sagte der Fremde und trat um den Tisch herum, um Anatna Platz zu machen. »Nanouk hat mich erlöst.« Er schwang sich den weiten Pelzmantel um die Schultern und schloss die Schnallen an der Brust. »Doch sie hat noch eine Aufgabe zu erfüllen. Ich werde nun losziehen, um mit den Advokaten der Ewigen zu sprechen, damit ihr Weg so leicht wie möglich zu beschreiten ist. Doch danach ist sie von ihren Pflichten entbunden, sofern sie das will.«
Ajat schüttelte den Kopf. »Seid Ihr ein angakkuq?«
Der Fremde schmunzelte. »Nein, diese Macht besitze ich nicht. Ich bin einfach einer derjenigen, die den angakkuq antworten, wenn sie ihre Gebete verbrennen.«
Ajat wich zurück. »Ihr seid-«
»Sina-wa'siulliq«, lächelte der Fremde und verneigte sich vor Amka, seiner Großmutter und vor ihm, ehe er in schwarze Schatten entfloh und keine Sekunde später vom Erdboden verschluckt war.
- Nanouk -
Nanouk erwachte desorientiert. Um sie herum roch es nach warmer Glut, brennendem Holz und würziger Suppe. Vor allem aber roch es warm und herzhaft. Es fiel ihr unglaublich schwer ihre Lider zu heben und das nicht nur, weil ein steter ermüdender Kopfschmerz hinter ihren Augen pochte. Beinahe erwartete sie die vertäfelte Decke Wallheims über sich zu erkennen, bunte Seidentapete zu erspähen und amüsantes Gelächter zu vernehmen, doch der Anblick des Raumes, in welchem sie erwachte, war überraschend simpel und ebenso vertraut.
Schwere, schlichte doch umso dichtere Teppiche hingen neben dem massiven Kachelofen an den Wänden und bedeckten den Boden neben ihrem Ruhelager. Sie versuchte sich aufzusetzen, als ein scharfer Schmerz durch ihren Arm zuckte und sie sich ermattet gegen die Wand lehnte.
»Vorsicht«, erklang die Stimme Anatnas und kurz darauf kam sie ihr zu Hilfe. Sie drückte ihr einen Becher voll warmen Tees in die Hände und Nanouk leerte ihn in einem Zug.
»Wie lange-«
»Shh«, machte Anatna und füllte den Becher wieder auf. »Eine Woche. Mal warst du wach, dann wieder lange Zeit nicht.«
»Ich erinnere mich nicht«, krächzte Nanouk und drehte ihren Arm nach außen, um die Quelle des Schmerzes zu ergründen.
Feiner Verband, der bestimmt ein Vermögen gekostet hatte, war um ihren Unterarm geschlungen und Nanouk stieß die Luft langsam durch die Nase aus. Eine Woche war schrecklich viel Zeit, wenn man an Nao dachte, der nur darauf wartete, die Menschheit zu vernichten. Sie konnte nicht sagen, wie schnell sich sein Wahnsinn ausbreitete, wie rasant der schwarze Kristall alles Leben erdrückte und Nanouks Herz machte einen schmerzhaften Satz. Sie war jetzt schon zu spät und eine Woche klang nach unendlich viel verpasster Zeit.
»Dein ...«, fing Anatna an, doch hielt dann inne, als sie nach Worten haschte, die sich ihr entzogen. »Derjenige, mit dem du -«
»Reiki«, sagte Nanouk und räusperte sich.
»Genau«, murmelte Anatna und beäugte sich eindringlich. »Er kam gestern zurück zu dir.«
Nanouks Herz machte einen Satz, als sie ihre Verletzung mit Reiki in Verbindung brachte, oder eher mit dem, wovor er sie gerettet hatte. Was es war, das ihn zu ihr und nach Tallik gezogen hatte und hätte den Tee beinahe verschüttet, wenn Anatna nicht eingriff.
»Ich muss ihn auf der Stelle sehen«, krächzte sie und räusperte sich heftig.
»Kommt nicht in Frage«, schüttelte Anatna den Kopf und half Nanouk sich vollständig aufzusetzen. »Bevor du nicht einen Laib Brot und einen Kessel voll Suppe gegessen hast, kommst du nicht einmal aus deinem Bett.«
Großmütter, dachte Nanouk verzweifelt bei sich und lächelte wehmütig. Anatna ließ sie nicht aus den Augen, als Nanouk gehorsam Suppe in sich hinein löffelte und schwören konnte, dass dies das beste war, das sie je in ihrem Leben schmecken durfte.
»Niemand weiß, dass du hier bist. Nur deine Mutter und ... Ajat«, erklärte Anatna schließlich. »Dein ... Reiki«, wieder warf sie Nanouk einen beunruhigten Blick zu, »er wollte, dass dein Kommen geheim bleibt, weil er dich wieder mitzunehmen gedenkt. Ich habe Amka versprochen, sollte ich hier sein, wenn du erwachst, dass ich dir das ausrede.«
Nanouks Herz hüpfte ihr in den Hals, als sie an Ajat dachte und ließ den Löffel mit zitternden Fingern sinken. »Ich muss aber wieder mit ihm gehen«, sagte sie und schluckte schwer. »Meine Aufgabe ist noch nicht erfüllt. Ich muss den Ewigen der Seele nach Hause schicken.«
Anatna runzelte mitleidig die Brauen. »Du redest wirr. Wie Inuksuk damals.«
Nanouk holte stockend Luft, als sich ein Lachen vermischt mit Tränen aus ihren Lungen kämpfte. »Genau. Mein Großvater hatte aber Recht.«
Anatna schnalzte mit der Zunge. »Dann hat Reiki also nicht gelogen, als er sagte, er wäre Sina-wa'siulliq?«
Nanouk lachte atemlos und blinzelte energisch. »Nein. Er ... er ist es wirklich. Und deswegen muss ich zu ihm. Es ist noch nicht vorüber. Es gibt noch Bindungen, die gebrochen werden wollen«, wisperte sie.
Anatna seufzte und wischte sich die mehligen Hände sauber. »Also gut. Wenn Amka mich aufknüpft deswegen, dann weiß ich zumindest, dass meine Seele in guten Händen liegt.«
Nanouk rutschte aus dem rudimentären Bett und zog sich ihre vertraute, feste Wollkleidung an, die ihr von Anatna zurecht gelegt worden war.
»Und Geistermann hin oder her«, raunte Ajats Großmutter schließlich und öffnete ihr mit einem diebischen Funkeln in den Augen die Türe, »selbst für einen Adeligen ist ein sehr adretter, junger Mann.«
Nanouk holte empört Luft und musste dann anfangen zu lachen. »Jung. Er ist so alt wie das Leben selbst, schäm dich, Mütterchen!«
Anatna kicherte jedoch bloß und winkte sie aus dem Haupthaus.
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Die Sonne war hinter dichten Wolken verschwunden, als Nanouk ins Freie trat. Das Dorf war wie sie es in Erinnerung hatte, voller Leben und Geschäftigkeit, als hätte sich seit ihrer Entführung nichts geändert. Doch das überraschte Nanouk nicht, es erweckte sogar eine bestimmte Erleichterung in ihr. Zu wissen, dass das Leben für alle anderen trotz allem weitergehen konnte und würde, hatte sie sich in den dunklen Stunden in Wallheims Gängen selten ausmalen können. Zu stark war sämtlicher Gedanke an ihre Heimat mit Furcht und Angst verzerrt gewesen. Ein weiteres Mal wurde sie von dem Gefühl eingeholt, welches sie bei ihrer Ankunft hier ereilt hatte. Dass das Mädchen, das ihre Eltern vermissten gar nicht mehr existierte. Tallik war unverändert geblieben, doch sie selbst nicht.
Nanouk beeilte sich durch das rege Treiben zu huschen, sich nicht anmerken zu lassen, wie fremd sie sich fühlte und war nicht erstaunt, dass man sie kaum eines zweiten Blickes würdigte. Mit ins Gesicht gezogener Kapuze und gesenktem Kopf wäre es auch ein Wunder gewesen, wenn man sie erkannte. Sie verließ Tallik schließlich nach Süden, weil sie ein sanftes Zupfen in der Brust dorthin zog. Zu Reiki.
Doch als Nanouk den einsamen Pfad hin zum Wald einschlug, begegnete sie zuvor jemand anderem. Sie blieb wie angewurzelt stehen, als sie am Waldrand eine dunkle Silhouette erblickte, die sich bewaffnet mit Pfeil und Bogen durch den Tiefschnee kämpfte. Es war ihr klar gewesen, irgendwo in den hintersten Winkeln ihrer verängstigten Existenz wusste Nanouk, dass sie Ajat unweigerlich begegnen würde, doch nun, da sie sich sicher war, dass das dort er selbst war, wusste sie nicht mehr, wie sie sich verhalten sollte.
Sollte sie nach ihm rufen? Abwarten, ehe er verschwand, umkehren? Sie erinnerte sich daran, was Reiki ihr gesagt hatte, wie er sich den Tod wünschend durch das Zittergebirge gekämpft hatte, um sie ein letztes Mal sehen zu können. Wie konnte sie ihm jemals wieder in die Augen blicken?
Doch als hätte er gemerkt, dass er nicht mehr alleine war, drehte sich Ajat um. Und sah sie.
Er legte sich die Hand an die Stirn und Nanouk erkannte den Moment, in dem er realisierte, wer sie war. Als könnte er unter ihre Kapuze blicken. Seine Hand sank an seine Seite zurück und sie hob zaghaft ihren Arm. Und dann stieß Ajat einen gellenden Freudenschrei aus, der so laut durch die Waldausläufer hallte, dass Nanouk zusammenzuckte. Er fing an zu laufen, ließ seinen Bogen in den Schnee fallen und war so schnell bei ihr, dass ihr die Luft bereits aus den Lungen wich, noch ehe Ajat sie in eine feste, knochenbrechende Umarmung zog.
Mit einem Mal war alles zurück. Ihre gemeinsame Zeit auf der Pirsch zwischen dem stillen Weiß, Ajats Neckereien, wann immer sie eine Jagd verfrüht aufgrund des Nebels abbrach. Doch bloß, um Ajat und sich selbst vor dem Grauen zu bewahren, wie sein Bruder im Nebel zu verschwinden, ihm diese Qual zu ersparen und dann war sie selbst von ihm gegangen.
Sie erinnerte sich an ihre Fausthiebe, die Ajat stets mit einem Lachen, doch nicht ob ihrer Schwäche, sondern aufgrund ihrer Bedeutung ertragen hatte. Weil er Recht hatte und sie bloß zu verklemmt und stur gewesen war, um das zuzugeben.
Sie erinnerte sich an seine Bemühungen sie aus ihrer harten Schale zu lösen, sich selbst einen Weg hinein zu schaffen und wie sie ihn ständig in mürrischer Abweisung abgeschmettert hatte.
Sie erinnerte sich an das Schlittenfahren auf den Hügeln im Westen, erinnerte sich an ihre Wettläufe und Schneeballschlachten und erinnerte sich an die unzähligen Stunden, welche sie als Kinder heimlich weinend gemeinsam verbracht hatten, weil das Leben ungerecht und unbarmherzig war.
Nanouk konnte den Duft von Tannen an ihm riechen, warmes Fell und kaltes Leder, Tauwetter und es brach ihr das Herz, dass sie nicht bleiben konnte, weil die Welt nach wie vor Forderungen an sie stellte, denen sie sich fügen musste.
»Ich habe dich so, so lange gesucht«, erklang endlich jene vertraute Stimme, die Nanouk durch so viele Schwierigkeiten begleitet hatte, immer gut gelaunt erklungen war und niemals scheiterte, ihr Gemüt zu besänftigen. Ajat vergrub sein Gesicht in ihrer Kapuze und sie lachte atemlos auf, als sie ihn nach all den fürchterlichen Wochen endlich wieder in Armen hielt.
»Wie immer warst du grässlich bei der Fährtensuche«, scherzte sie matt und spürte das Brennen von Tränen in den Augen. »Du hast Ewigkeiten gebraucht.«
Ajat stieß ein abgehacktes Lachen aus und Nanouk spürte, wie er heftig gegen seine eigenen Tränen ankämpfte. »Ich dachte, du wärst tot. Ich war im Zittergebirge, bin dem schmalen Pfad gefolgt bis-«, er brach ab und holte Luft. »Bis ich auf die zerfetzten Körper stieß und dann waren sämtliche Spuren verloren.«
Nanouk drückte Ajat an sich, obwohl ihr Arm schmerzhaft protestierte und stieß ein Schluchzen aus, als sie an Qiuq dachte, an den Moment, in welchem Ajat erkannt haben musste, dass sämtliche Versuche zu spät kamen. Sie sank mit einem weiteren Schluchzen in den Schnee und vergrub ihr Gesicht in Ajats Mantel. Sie konnte ihm nicht ins Gesicht sehen, nicht nach allem, was sie getan hatte und nach allem, was sie erlebt hatte. Es war so ungerecht, ihn mit dem Grauen der letzten Wochen zu belasten, diesen schrecklichen Teil ihrer Welt in seine zu tragen und es zerriss sie beinahe vor Sehnsucht, als sie sich ihre frühen Kindheitstage zurückwünschte.
»Nanouk?« Ajat klang bestürzt und löste ihre verkrampften Hände aus seinem Mantel, ehe er sich vor sie in den Schnee kniete.
»Kirschblüten«, schluchzte sie und vergrub das Gesicht in ihren Händen.
»Was meinst du-«
»Heidekraut, Orangenwein und das Gefühl von flüssiger Seide.«
Ajat blinzelte sie verdutzt an und legte den Kopf schief, als Nanouk ihn das erste Mal wirklich anblickte. »Wasserdampf und Lilien«, weinte Nanouk. »Ich habe mit geschworen, dir alles mitzubringen, was ich dort oben finden kann. Damit wir uns über die Dekadenz des Hofes lustig machen können. Aber jetzt stehe ich hier und habe nichts als Leid für dich.«
Ajat atmete tief durch die Nase aus und strich ihr vorsichtig mit den behandschuhten Fingern die losen Strähnen aus dem Gesicht. Und dann grinste er amüsiert und schelmisch, wie immer.
»Tja. Ich bin über alle Maßen enttäuscht, dass deine Wunderprinzen anscheinend, neben ihren ganzen Kostbarkeiten, doch zu arm für Zuckermarillen waren.«
Nanouk starrte ihn vor den Kopf gestoßen an, war so verdutzt von seiner Aussage, dass ihr sogar das Schluchzen versiegte. Und dann musste sie anfangen zu lachen. »Es tut mir so Leid«, keuchte sie und zog die Nase hoch.
»Dass du mir keine Zuckermarillen mitgebracht hast? Nanouk, das war-«
»Dass ich nicht an dich denken konnte«, unterbrach sie ihn und ließ sich von Ajat auf die Beine ziehen. »Dass ich nur an mich gedacht habe. Dass ich neben Wallheim, den Sternen und unseren Freunden ... nichts zulassen konnte. Dass jede Sekunde, in der ich an dich oder daheim gedacht hätte, bloß dazu führen würde, dass Nao mir mit noch schlimmeren Dingen droht.«
»Also wenn das erste, dass du mir mitteilen musst, mit Kirschblüten zu tun hat«, fing Ajat grinsend an, »dann kann es ja gar nicht so schlimm gewesen sein.«
Nanouk verschluckte sich an ihrem Lachen und schlug Ajat gegen die Schulter.
»Ich werde dir eines Tages alles erzählen«, versprach sie schließlich, als sich Ajat nach seinem Bogen bückte.
»Oh oh«, machte er und Verunsicherung schlich sich in seinen Blick. »Das hört sich bitterböse nach dem Lebewohl an, von dem dein Märchenprinz gesprochen hat.«
Nanouk schnappte empört nach Luft und schüttelte den Kopf, als Ajat feixte. »Er ist kein Märchenprinz!«
Ajat hob die Schultern und wischte selbstzufrieden den Schnee von seinem Bogen. »Du wirst mir aber zustimmen, wenn ich sage, dass er genau die Art von ätherischer Schönheit besitzt, vor der ich dich damals gewarnt habe.«
Nanouk stieß ein Schnauben aus. »Bloß, dass Reiki kein Prinz ist.«
»Ich weiß«, meinte Ajat rasch und der belustigte Ausdruck verschwand von seinem Gesicht. »Er hat behauptet ... Sina-wa'siulliq zu sein.«
Nanouk schluckte und nickt ein Mal knapp.
»Tja, damit kann ich mich dann doch nicht messen«, scherzte Ajat daraufhin beinahe gezwungen und Nanouk rollte mit den Augen.
»Es tut mir Leid, dass ich schon wieder gehen muss.«
Ajat schluckte und nickte mit einem verunsicherten Ausdruck auf dem Gesicht. »Das heißt, du kommst wieder?«
Nanouk blinzelte ihn verdutzt an und legte den Kopf schief. »Natürlich. Ich werde immer zu denjenigen zurück kommen, die mich brauchen. Wenn ich eins gelernt habe«, begann sie mit wild klopfendem Herzen und blickte Ajat mit einem schüchternen Lächeln an.
»Neben dem Kniefall, meinst du?«, fragte er dazwischen und Trotz seines Witzes, flackerte Unbehagen in seinen dunklen Augen auf.
»Ja, neben dem auch«, lachte Nanouk, wurde daraufhin jedoch wieder ernst. »Neben der Aussichtslosigkeit und der Angst, neben der beklemmenden Fremdbestimmung durch Mächte weitaus größer als ich, vor allem aber inmitten all der Furcht und der Unschuldigen, die an diesem Hof ihre Unschuld mit eigenen Händen erdrosseln mussten, habe ich eins gelernt.«
Nanouk schluckte und packte Ajat fest an den Schultern, der sie mit einer Mischung aus Furcht und Bestürzung anblickte.
»Das Leben selbst ist zu kurz, um verpasste Augenblicke zu bedauern. Und ich habe nicht vor jemals wieder einen Augenblick zu verpassen. Derjenige, der mir diese Weisheit vor Augen führte, mag jetzt fort sein«, zwang Nanouk sich zu sagen und presste ihre Lippen zusammen, ehe sie weitersprach. »Aber ich verstehe endlich, wieso er nicht warten konnte.«
Ajat beäugte sie mit misstrauisch verzogenen Augenbrauen. »Wie viele Männer hast du dort oben denn getroffen?«
Nanouk rollte mit den Augen und unterdrückte ein Lächeln. »Ajat.«
»... Ja?«
»Du bedeutest mir viel. Sehr, sehr viel. Das, was du für mich getan hast, ist weit jenseits dessen, was ich je von dir verlangt hätte, doch mittlerweile verstehe ich auch, dass manche Beweggründe nicht zur Gänze nachvollziehbar sind. Manchmal wünschen wir uns nichts sehnlicher, als für einen geliebten Menschen sterben zu dürfen, weil die Einsamkeit ohne ihn fürchterlicher ist, als der Tod selbst.«
Nanouk schloss die Augen und biss sich fest auf die Lippe. Ajat starrte sie bloß weiterhin an, schweigend und mit großen Augen.
»Denn manchmal«, presste Nanouk hervor, »sind wir eben egoistisch, weil wir uns nicht vorstellen mögen wie es ist, wenn man selbst zu den Hinterbliebenen gehört. Aber ich sehe es jetzt. Ich werde dich nicht zurück lassen. Dieses Mal schwöre ich, dass ich alles tun werde, Berge versetzen, Ozeane leeren und die Sterne vom Himmel holen, damit du nicht noch einmal erfahren musst, wie es ist ohne jemanden zu leben, den du liebst. Damit ich es auch nicht erfahren muss.«
Ajat starrte sie mit halb offenem Mund an, ehe er sich fing. Er blinzelte vor den Kopf gestoßen und er stieß ein verblüfftes Lachen aus. »Also ... ha. Ich ... hm. Du ... ähm. Du-«
Nanouk wischte sich die Träne von der Wange und rollte mit den Augen. »Die Welt braucht mehr von deiner Sorte. Nicht von demjenigen, der in den Wald geht, um zu sterben, sondern von demjenigen, der sämtlicher Härte derart gefühlsoffen entgegenblickt.«
»Das hast jetzt du gesagt«, stammelte er peinlich berührt und stieß die Luft heftig aus.
»Und ich habe jedes Wort davon auch so gemeint.« Nanouk strich sich die Haare aus dem Gesicht und lehnte sich flink zu Ajat, um ihm einen Kuss auf die Wange zu drücken. Sie konnte die Gefühle für ihn momentan nicht entwirren, dafür stand zu viel auf dem Spiel, doch sie wusste, dass sie es bereute, sollte sie am Ende ihres Weges doch nicht mehr hier her zurück finden. Letzten Endes war sie selbst wohl ein wenig egoistisch, ihn mit diesen Worten zu überfallen, auch wenn sie allesamt wahr waren.
»Und wehe du gehst noch ein Mal alleine auf die Jagd«, fuhr sie ihn gespielt erzürnt an und hieb ihm fest gegen die Schulter.
»Ach, und du darfst alleine in den Wald?«, entgegnete er ebenso empört und packte sie am Handgelenk.
»Ich habe schließlich einen Advokaten, der mir die Hand dabei hält«, grinste sie und Ajat schürzte die Lippen. »Ich passe auf mich auf. Versprochen.«
Ajat wurde daraufhin wieder ernst und nickte einmal. »Du weißt, dass ich dich ... «, er gestikulierte beschämt mit der Hand in der Luft. »Auch ... ?«
Nanouk nickte ebenfalls. »Auch, ja.«
»Obwohl du von anderen gesprochen hast?«
Nanouk legte den Kopf schief, als sie ein sanftes Ziehen in der Brust verspürte und sich zum dunklen Forst umwandte. Als rufe Reiki nach ihr.
»Es gibt viele Bindungen, die ich mittlerweile mein Eigen nenne, ja«, sagte sie dann mit einem wehmütigen Lächeln. »Du bist mein Freund, Ajat, so vieles mehr als das. Du bist mein Anker in dieser Welt. Weißt du noch, wie wir darüber gescherzt haben, dass ein Schiff niemals frei sein und gehen kann wohin es will, solange es einen Anker besitzt, der es an den Meeresgrund kettet?«
Ajat hob eine Augenbraue. »So ungefähr?«
»Ich verstehe jetzt, dass das alles nicht richtig war. Ein Schiff ohne Anker mag frei sein, doch ebenso einsam, ziellos. Das, was ein Schiff ohne Anker ist, ist Saibiki, doch wir sind bloß Menschen. Ein Anker zieht dich zurück zur Heimat, zur Erde, zu fruchtbarem Boden. Zum Ort deines Anfangs. Nach Tallik. Du bist mein Anker, Ajat. Aber fürs erste muss ich gehen.«
Ajat nickte. »Du bist weise geworden«, murmelte er und zog ihre Kapuze vom Kopf. »Erinnere mich, dass ich bei deiner Rückkehr anfange nach weißen Haaren zu suchen.«
Er zupfte an ihren Haarsträhnen und Nanouk schlug seine Hand lachend zur Seite, als sie sein Grinsen erwiderte. »Du bist ein Idiot.«
»Weiß ich doch. Also. Viel Glück bei der Jagd, kleiner Bär.«
Nanouk grinste schief. »Dir auch.«
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Reiki empfing sie zwischen den länger werdenden Schatten der Tannen.
»Hast du das Armband?«, wollte sie wissen und er nickte.
»Wir werden mit den Tariaksuk reisen«, sagte Reiki und fing an durch den Wald zu gehen. »Ihre Schatten werden uns bedecken, damit wir durch das Zittergebirge gelangen können. Denn durch die Welt der Geister zu springen, wäre zu riskant.«
Nanouk blickte sich verstohlen um, als sie in den Augenwinkeln dunkle Schemen aufflackern sah. »Bedeutet das, dass wir den gesamten Weg zu Fuß gehen müssen? Ich bin immer noch nicht genesen. Selbst nach einer Woche nicht und Y-«, sie brach ab, als sich ihr gesamter Geist zusammenzog und drohte sie in einen erneuten Abgrund zu stoßen.
Yuka wird dir nie wieder helfen können.
Reiki warf ihr einen Blick zu und blieb dann stehen. »Ja, wir werden das Gebirge zu Fuß besteigen müssen. Das heißt, ich werde. Du wirst auf meine Schultern klettern«, grinste er belustigt und Nanouk wollte ihm sagen, wie lächerlich das war, als Reiki bloß mit den Augen rollte und in einer Wolke sanften Rauchs verschwand.
Keinen Moment später schüttelte ein riesiger Schneebär sein Rückenfell und legte seinen breiten Schädel schief.
»Achso«, lachte Nanouk und streckte vorsichtig ihre Hand nach dem dichten Pelz aus. »Was eine Woche Dauerschlaf anrichten. Ich hatte beinahe vergessen, dass du kein böser Geist sein musst, um deine Gestalt zu biegen.«
Die Augen des Schneebären blitzten amüsiert auf. Ich halte es dir nicht vor, kleiner Bär. Die Betonung lag dabei auf klein und Nanouk war versucht dem Schneebären eine Kopfnuss zu verpassen.
Wenn alles so läuft, wie geplant, dann wirst du zu keinem weiteren Gewaltakt gezwungen sein, sagte Reiki jedoch andächtig, als hätte er ihre Gedanken erraten und hielt ihr eine Pranke hin, damit sie sich auf seinen Rücken ziehen konnte.
»Was ist der Plan?«
Der Schneebär machte sich auf den Weg und Nanouk stellte mit Staunen fest, dass sie selbst in der anbrechenden Nacht winzige Flecken aus Sonnenlicht in seinem Pelz flimmern sah. Genauso wie das Gefieder des riesigen Raben, wie das sanfte Licht eines jeden Urahns.
Die Tariaksuk haben mir gestattet deine Bitte im Voraus zu erfüllen. Wenngleich sie sich nicht um mich, sondern um Nao kümmern werden.
Nanouk zog beschämt den Kopf zwischen die Schultern, als sie in den Schatten um sie herum immer wieder ein neugieriges Paar Augen aufblitzen sah. »Konntest du sie besänftigen?«
Der Schneebär stieß ein dumpfes Brummen aus. Die meisten jedenfalls. Ich bin nicht Paka, noch Paka'siulliq, doch mein Name trägt selbst unter den Toten ein andächtiges Gewicht.
Nanouk atmete erleichtert aus und fühlte sich bereits besser, als die dunklen Schemen lautlos immer enger zu ihnen aufschlossen.
Ich habe meine Gefährten gerufen, fuhr der Schneebär fort. Jene, die noch übrig sind. Schrecke dich also nicht.
Nanouk atmete tief ein und aus und nickte dann. »Ich reite auf dem Leben, was soll mir da schon groß geschehen? Du warst derjenige, der meinte, es gäbe in diesen Wäldern nichts, wovor ich mich zu fürchten hätte.«
Der Schneebär reckte seinen Kopf und drückte seine weiche Stirn gegen Nanouks Hände. Ich habe auch nach Adassett gesucht, fuhr er fort und Nanouks Herz machte einen heftigen Sprung. Er hat sich in den Osten zurück gezogen, um seine Mitstreiter zu sammeln.
»Also weiß er, dass wir ...«
Er weiß, dass wir kommen. Ja. Er hat sich bereit erklärt Naos Zorn auf sich zu ziehen, damit wir mit den Tariaksuk zwischen seinen Fingern hindurch schlüpfen können.
Die Erleichterung wich banger Furcht. »Nein«, sagte sie vehement. »Wir können ihn Nao nicht alleine entgegentreten lassen.«
Der Schneebär stieß ein tiefes Seufzen aus. Außer ihm gibt es niemanden mehr.
»Was ist mit Saghani?«
Hmm, brummte Reiki und Nanouk duckte sich tiefer in das Fell an seinem Nacken. Er sagte mir, eine Spionin hätte ihm berichtet, dass sie sich samt der vom Glück gesegneten in Wallheim verschanzt hätte. Sie zieht gehüllt in den Pelz Atashoq'siulliqs stet ihre Kreise um das Anwesen.
»Weil sie weiß, dass nun, da Adassett nicht mehr über das Gebirge wacht, der Akhlut kommen wird, um sie zu töten?«
Doch daraufhin erzitterten die mächtigen Schultern des Schneebären, als würde er lachen. Nein, uki. Akhlut hat sich uns angeschlossen. Sie wacht über den langsam kriechenden Kristall und reißt ihn nieder, wenn er zu nahe an ihre Schützlinge wächst.
Nanouk holte scharf Luft, als sie den Waldrand erreichten, der sie direkt zu den Fjorden im Westen des Südwalds ausspuckte. Das Meer brodelte an den abgebrochenen Eisschollen empor, schäumte in mächtigen Wellen gegen die Küste und erfüllte die Nacht mit dem Brüllen unzähliger Vergeltungsrufe.
Nanouks Hände verkrampften sich in Reikis Pelz, als sich aus den Fluten ein mächtiger Jäger emporhievte. Das Meerwasser glänzte auf der glatten Haut des Schwertwalkopfes im Mondlicht und tropfte von seinen stiftartigen Zähnen. Der Akhlut stieß ein Zischen aus, welches in ein kehlig schrilles Kreischen umschlug, das Nanouk sämtliche Haare zu Berge stehen ließ. Seine scharfe Rückenflosse stach aus dem zerwühlten Pelz hervor, welches seinen Rücken bedeckte und an den kräftigen Wolfsbeinen herab hing.
»Bei den Geistern«, hauchte Nanouk, als sich der Rachegeist mit einem Fauchen schüttelte, das weder nach Wal, noch nach Wolf klang und seine schwarzen Augen langsam auf ihr zu ruhen kamen.
Fürchte dich nicht vor ihm.
»Das ist leichter gesagt, als getan«, knurrte Nanouk und wagte kaum zu atmen, als der Akhlut die Zähne bleckte.
Der Rachegeist schüttelte sich und verteilte funkelndes Salzwasser um sich herum, das um seine Gestalt glitzerte wie Fischschuppen.
Nanouk senkte den Kopf als Gruß und der Akhlut ließ ein tiefes Grollen vernehmen. Bindung, hallte es in Nanouks Verstand und sie versteifte sich. Saibiki sieht dich, kennt sie doch dein Fleisch und Blut.
Nanouk schluckte, doch Reiki gab keinerlei Anzeichen von Unruhe von sich, also nickte sie Akhlut zu und dieser machte sich auf den Weg. Dort, wo seine Tatzen den Kies und die Gischt berührten, verschwamm sein Körper mit dem Ufer und flackerte im Mondlicht.
Selbst Ijiraq wird sich uns anschließen, fuhr Reiki fort, als die Fjorde unter ihnen mit einem merkwürdigen Zeitraffer vorbeizogen. Mal blinkten die Sterne dicht neben ihnen, dann hüllte vollkommene Dunkelheit ihre Körper ein, nur um von Eis und Meer abgelöst zu werden.
»Was hat er schon zu verlieren, wenn die Menschheit vergeht?«, fragte Nanouk beunruhigt, als sich das Zittergebirge in unvorstellbarer Geschwindigkeit neben ihnen aufwarf und sich die steilen Klippen viel zu schnell näherten. »Seine nächste Mahlzeit?«
Der Schneebär seufzte. Sein Zweck seid ihr Menschen. Ohne euch gäbe es auch für ihn nichts mehr, das sich zu leben lohnt.
Nanouk stieß ein Schnauben aus. »Mit wem versuche ich hier überhaupt zu diskutieren. Leben ist für dich Leben.«
Der Schneebär brummte zustimmend. Es geht hierbei nicht um ein friedliches Ende, Nanouk. Es geht beim Leben niemals darum, sämtliche Aspekte in Frieden zu vereinen. Die Natur des Lebens ist ein Wettlauf gegen die Zeit und man gewinnt nicht gegen die Zeit, ohne dabei andere zu töten.
»Dafür, dass wir gerade dabei sind in unseren Tod zu laufen, klingt das nicht sonderlich ermunternd«, brummte Nanouk und versuchte sich vor dem immerwährenden Blick des Akhlut zu verstecken.
Ich meine das auch nicht als Drohung oder Warnung, sinnierte Reiki. Es ist, was es ist. Sich gegen den Zahn der Zeit zu erwehren, sich gegen den ewigen Kreislauf aus Jagd und Ruhe zu stemmen, ist vergebene Müh. Es gibt ein Gleichgewicht zwischen Sina-wa und Ninri und bloß, wenn jemand von außen dieses Equilibrium wagt zu kippen, muss sich die Welt bemühen, es wieder zu richten. Und in diesen wenigen Momenten der gesetzlosen Natur, wird sich auch Ijiraq demjenigen anschließen, der sein Leben zu schonen ersucht.
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