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⫷ Kapitel 41: Der Schmerz kindlichen Verzehrens ⫸

|| Es ist so weit! Wir verlassen endlich einmal Wallheim und den Palast *-* Und begeben uns auf den vorletzten Weg der Erkenntnis! Hoffentlich lernt Nanouk alles, was sie braucht ... ||


Nanouk beeilte sich schließlich, den Turm zu verlassen und nach Wallheim zurück zu kehren, ehe man ihre Abwesenheit bemerkte. Es war seltsam gerade von Adassett Worte des Zuspruchs zu erhalten, die sie sogar irgendwie berührten. Trotz seines angetrunkenen Zustandes hatte er nüchtern genug gewirkt, sodass er ihr wirres Gebrabbel verstand und irgendwie schätzte sie das.

Weniger schätzte sie die kühle Stille zwischen Nauju und ihr, die von einem Versäumnis erzählte, das ihr nicht bewusst war. Er kam am Morgen zu ihr, um sie zu wecken, eine Aufgabe, die bisher stets von Maha oder Ischka erledigt worden war, doch auf die Frage, wo die beiden Frauen denn wären, hob Nauju bloß die Schultern.

»Saghani will dir nur mitteilen, dass du dich lange genug ausgeruht hast. Du darfst mit Adassetts Meute ins Tal ziehen, besonders schick musst du dafür nicht aussehen.«

Nanouk warf ihm einen säuerlichen Blick zu und kämmte sich durch die offenen, zerzausten Haare, als Nauju sie mit einem unbeteiligten Lächeln zu Saghani brachte.

»Bevor ich dich zu ihr hinein schicke«, hielt er sie schließlich an der Schulter zurück und suchte ihren Blick. »Gibt es etwas, das du mir wegen Adassett sagen willst?«

Nanouk verzog die Brauen und legte den Kopf schief. »Wie meint Ihr das?«

Naujus Lippen kräuselten sich zu einem herablassenden Lächeln. »Maha hat von eurem kleinen Ausflug erzählt. Natürlich war dieser rein geschäftlicher Natur.«

Nanouk sank in sich zusammen. »Das war er auch.«

Naujus Augen huschten über ihr Gesicht, als er mit unzähligen Versionen seiner selbst zu ringen schien und sich nicht entscheiden konnte, wie er darauf antworten sollte.

Und das, was er schlussendlich aus den tiefsten Abgründen seiner Seele hervor riss, versetzte Nanouks Herz einen so heftigen Stich, dass sie es nicht schaffte, darauf zu antworten, ehe er sie vor Saghanis Gemächern alleine ließ.

»Vergiss mich nicht.«

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Saghani unterbreitete ihr schließlich das, was Nauju und Adassett bereits angemerkt hatten.

»Es ist wohl die beste Gelegenheit, deine Verführungskünste zu zeigen, wenn Adassett sich alleinig auf dich konzentriert. Ohne Hinrichtungen, ohne Unterbrechungen. Ich wollte dich daher die Woche entlasten, denn obwohl ich mir bereits überlegt habe, dich hierfür frei zu stellen, war ich mir nicht sicher, ob Adassett nach dir verlangen würde.«

Nanouk nickte gehorsam und auch, wenn sie sich fürchtete, ins Zittergebirge zu gehen, war sie dennoch erpicht darauf, aus Wallheim fort zu kommen.

»Ich finde, das ist eine gute Idee, anaana Saghani. Je weniger Verpflichtungen er hat, desto abhängiger wird er von meiner Gesellschaft sein. Außerdem«, fügte sie hinzu und lächelte, »war es gewiss klug, ihn warten zu lassen.«

Saghani erwiderte ihr Lächeln wissend und strich ihr dann über die Wange. »Ich war letztes Mal ein wenig streng mir dir«, sagte sie schließlich und Nanouks Lächeln erstarb.

»Nein, es war unhöflich von mir«, stritt sie rasch ab. »Euch nach Dingen zu fragen, die mich nichts angehen. Ich dachte bloß ... zu wissen, was Adassett getan hat, würde mir helfen seine Begierden und Beweggründe zu erkennen.«

Saghani atmete tief durch die Nase ein und aus. Sie trug ihre Haare erneut ungebunden, als wäre sie noch nicht bereit für den Morgen und Nanouk fragte sich, ob dies daran lag, dass ihre Lebenskraft von Tag zu Tag, trotz Naujus Behandlung dahinschwand.

Ihr seidener Morgenmantel flüsterte leise, als sie Nanouk die Haare aus dem Gesicht strich. »Es ist gut, meine Blume. Das einzige, was du verstehen musst, ist seine Widerwärtigkeit sich als Mann alles nehmen zu können, ob es ihm zusteht, oder nicht. Und wenn die Zeit gekommen ist, werden wir ihn richten.«

Nanouk nickte stumm.

»Gut. Und wisse, dass du nach deiner Rückkehr dafür belohnt werden wirst. Ich weiß, es ist nicht leicht. Trotz der sich ergebenden Möglichkeiten, bedeutet dies, dass du fast eine gesamte Woche in Adassetts Diensten stehst. Ich habe seinem Konvoi vier weitere Damen zugeteilt, sie mögen dich bei Bedarf unterstützen.«

Nanouk blinzelte sie leicht erschrocken an. »Das ist zu gütig von Euch. Doch ich denke, mit ataha Adassett werde ich schon fertig. Ihr hattet Recht. Es wird leichter mit der Zeit.«

Saghani lächelte ihr verschwörerisches Lächeln, das vielleicht eine Spur zu entzückt war.

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Man stellte Nanouk auch dieses Mal zwei Damen zur Verfügung, die sie waschen und herrichten sollten. Doch anstatt, dass man sie in die seidenen Gewänder steckte, erlaubte man ihr feste Kleidung zu tragen. Sie durfte sich in eine bis zum Hals aufschließende Tunika aus Brokat kleiden und aufgrund der bitteren Kälte auf den zwei Vorposten, in denen sie Halt machen würden, gestattete man Nanouk sogar eine gefütterte Strumpfhose anzuziehen. Die seidene Kurtisanentracht wurde in einem kleinen Handkoffer verstaut, samt Badeutensilien und dem Tonikum, welches gegen Schwangerschaften wirken sollte.

Man wollte, dass sie vorbereitet war und wäre Nanouk nicht nervös und Trotz des Wunsches, einige Tage von Wallheim fort sein zu können, sogar von einer gewissen Vorfreude erfüllt, hätte sie die Aussicht, sechs Tage lang im Bett eines Henkers zu dienen, mit angebrachter Furcht erfüllt. Sie hielt im Foyer nach Nauju Ausschau, doch er ließ sich nicht blicken und das Gefühl, etwas wirklich falsches getan oder gesagt zu haben, verstärkte sich.

Sie hätte etwas sagen müssen, als Nauju ihr gebeichtet hatte, wie furchtbar leer er sich fühlte, seit er Etamashuk'siulliq alleine Saghanis wegen getötet hatte. Doch sie hatte es nicht getan, weil sie sprachlos und verklemmt zu lange gebraucht hatte, um die erdrückende Last seiner Ehrlichkeit zu erkennen. Sie wollte es ihm jetzt sagen, in den letzten Augenblicken, ehe das, was versäumt war zu einer unüberwindbaren Barriere zwischen ihnen werden konnte.

Nanouk spürte ihr Herz nervös in der Brust schlagen, als man sie schließlich nach draußen führte, wo bereits eine Kutsche, ein großer überdachter Wagen und eine Gruppe an fünfzehn Reitern auf sie warteten. Sie schluckte beim Anblick des Karren, der in seiner Grobheit mehr einem fahrenden Gefängnis glich und stellte dann ernüchtert fest, dass es genau das war.

Vergiss mich nicht. Es gab keine Welt, in welcher Nanouk Nauju vergessen könnte und die Andeutung, dass er dies sehr wohl fürchtete, zog an ihr, als man sie in die Kutsche drängte. Doch wie sie sich mit den Gesichtern ihrer Genossinnen vertraut machte, erkannte sie, dass sie ihre Sorgen begraben musste, denn die wasserblauen Augen Injas lachten sie hinterhältig an. Sie verstand nach wie vor nicht, welchen Affront sie ihr gegenüber begangen hatte, dass Inja sie derartig verabscheute, doch machte sich keine Hoffnungen, je eine gerade Antwort aus ihr heraus zu bekommen.

Sie versuchte ihren Blick zu meiden und sah stattdessen hinaus in den Wald, der in seiner eigentümlichen Stille an ihnen vorbeizog. Sie war nervös und aufgeregt zur gleichen Zeit, doch spürte erst das dumpfe Unbehagen überhand nehmen, als sie an das gewaltige Osttor der Palastmauer kamen. Es sah ebenso imposant aus, wie jenes, welches in das westliche Zittergebirge führte, doch war das Holz hier sauber geputzt und die Eisenbeschläge poliert.

Aus dem Osten reiste die noble Gesellschaft an und entgegen Nanouks schlimmsten Vorstellungen, führte eine ebenso befestigte Straße hinter dem Tor den Gebirgszug hinab. Zwar war der Weg uneben, doch wand sich in sanften Serpentinen durch den stillen Nadelwald, sodass die Pferde samt Kutschen auf keine Probleme trafen.

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Der erste Vorposten lag noch relativ nahe an der Mauer und von den Gesprächen der anderen Kurtisanen in der Kutsche hatte Nanouk heraus gehört, dass der einzig wirklich bedrohliche Abschnitt des Weges das kurze Mittelstück war, welches sie am zweiten Tag durchqueren würden. Dort fehlte die stets gewährte Sicherheit einer durchgehend besetzten Garnison und selbst Adassetts Soldaten konnten nicht überall gleichzeitig die schleichenden Monster in Schach halten. Deswegen dienten ihnen die fünfzehn bis an die Zähne bewaffneten Männer vermutlich auch als Schutz.

Der Abend brach durch die hohen Kronen der Bäume relativ früh an und ehe man die Fackeln entzünden musste, erreichten sie den ersten Vorposten. Die Kutschen wurden entladen und die Pferde versorgt, als sich eine eigens hier stationierte Dienerschaft um das Wohl des Prinzen und seines Gefolges kümmerte. Der wuchtige Steinbau besaß zwei Stockwerke, einen Wachturm und um die Ställe war ein hoher, spitzer Eisenzaun errichtet worden. Man führte sie ins holzvertäfelte Foyer, wo sich die Soldaten lärmend und lachend aus den dicken Wintermänteln schälten und ihre Bögen und Speere an den Wandhalterungen abstellten.

Der Wirtschafter des Vorposten hieß Adassett mit einer tiefen Verbeugung Willkommen und die Kammerdienerin des Hauses führte die Kurtisanen sogleich in den zweiten Stock des Gebäudes, wo sich ihre Räumlichkeiten befanden. Doch als Nanouk den anderen Damen folgen wollte, hielt sie die Kammerdienerin mit dem Heben einer Hand zurück.

»Mir wurde zu verstehen gegeben, dass Ihr auf dem Zimmer unseres Herren zu warten habt.«

Nanouk blieb zögernd stehen und musste zuerst verkraften, dass sie die Dame siezte. Sie war es nicht gewohnt hier oben mit Respekt bedacht zu werden, sodass ihr der Rest des Gesagten, erst langsam in den Verstand sickerte.

»Mit anderen Worten«, sprang Inja ein, die ihren kleinen Handkoffer gerade hinter den letzten Kurtisanen in den Schlafsaal brachte, »bist du seine persönliche Hure, die weder entscheidet wann noch wo sie genommen wird.«

Die Kammerdienerin verzog den Mund, als wäre sie über Injas Formulierung empört und rückte sich die weiße Haube auf dem Kopf zurecht. »So ist es. Ich werde den Damen sogleich im Erdgeschoss die Badekammer vorbereiten. Euch schicke ich die Magd mit dem Wasser aufs Zimmer.«

Nanouk wusste nicht, was sie darauf sagen sollte und blinzelte auch Inja bloß stumm an. Sie war erstaunt, dass ihre gehässige Aussage implizierte, dass Saghanis Kurtisanen eine Wahl hatten, doch als sie einige Momente lang auf diesem Gedanken verweilte, kam sie zu dem Schluss, dass es sie nicht wunderte. Selbstverständlich gebührte Saghanis Kurtisanen mehr Respekt, da sie einer von Naos Getreuen direkt unterstanden. Vermutlich war eine nicht vereinbarte, übergriffige Handlung ihnen gegenüber eine Beleidigung der Herrin Wallheims schlechthin.

Und auch, als sie den Gedanken fort führte, während sie der Kammerdienerin in den zweiten Stock folgte, kam sie zu dem Schluss, dass sie Adassetts Gelüste vollständig auf sich nähme, wenn sie dadurch eines der anderen Mädchen schützen könnte. Dennoch war sie froh, dass es nicht dazu gekommen war und bedankte sich bei der Kammerdienerin.

Sie sollte von dem Gelage ebenfalls fern bleiben, hatte man ihr zu verstehen gegeben und es würde gleich noch eine Magd mit dem Abendessen kommen. Nanouk nickte mit einem Lächeln und ließ sich dann in der Stille des Zimmers neben dem Kamin auf den Boden sinken.

Das Feuer, über welchem ein Kessel voller Badewasser hing, war bereits geschürt worden und die kleinen Fenster fest mit den hier oben üblichen, dichten Vorhängen versperrt, um die Kälte zu dämmen. Das Zimmer war bei weitem nicht so imposant wie Adassetts Gemächer am Palast und dennoch eines Mannes von hohem Stande würdig. Das breite Bett aus wuchtigem Fichtenholz war mit Intarsien verziert, die Nanouk zwar vertraut vorkamen, jedoch von anderen Wesenheiten erzählten, als die spirituellen Schnitzereien an den Gebäuden ihrer Heimat.

Es sah gemütlich aus mit dem dichten Schneebärenfell auf dem Boden und den dicken Wollteppichen an den Wänden. Die Magd, welche ihr Abendessen brachte, befüllte die Wanne in der Ecke und Nanouk versuchte nicht zu genau daran zu denken, was es war, das man tatsächlich von ihr erwartete. Als die Magd wieder fort war, beeilte sie sich den Eintopf samt frischem Brot zu verdrücken und je länger sie auf Adassetts Kommen warten musste, desto unruhiger wurde sie.

Es bedeutete, dass er viel zu viel Zeit hatte, sich anzutrinken und Nanouk, die zwar nicht befürchtete, dass er handgreiflich wurde, wollte es dennoch vermeiden, ihm so zu begegnen. Zu viel Wein machte die Menschen unberechenbar, genauso, wie es Fürst Perrin nach all den Jahren Alkohols und Tabaks geworden war, den er täglich zu einem ungesunden Maß konsumierte.

Nanouk legte ihren Mantel und die Schuhe ab, als sie nicht versuchte daran zu denken, was wohl in Aalsung und schließlich in Tallik für eine Stimmung herrschte, während sie hier im Warmen saß und speiste. Und glücklicherweise musste sie auch nicht mehr viel länger warten, denn Adassetts schwere Schritte kündigten ihn bereits an. Unruhig rappelte sie sich an dem Bettpfosten auf. Adassett sperrte die Türe hinter sich ab und das Schnappen des Schlosses erinnerte Nanouk daran, dass sie hier immer noch, trotz Tapetenwechsels, eine Gefangene war.

»Du hast gar kein Bad genommen«, stellte Adassett fest, als er seinen Mantel über den Stuhl des kleinen Esstisches unter dem Fenster warf und auf die Wanne deutete.

Nanouk wandte rasch den Blick von ihm ab und spähte zum immer noch dampfenden Wasser. »Ich bin davon ausgegangen, dass man es für dich hergerichtet hat.«

Adassett lächelte verschmitzt. »Es ist nett von dir, dass du auf mich gewartet hast, aber nein. Es war für dich gedacht.«

»Das hat man mir nicht mitgeteilt.«

»Macht nichts. Du kannst dich immer noch unten bei den anderen Damen waschen.«

Nanouk schüttelte den Kopf und verschränkte die Arme vor der Brust, während sie ihre Zehen in den weichen Pelzteppich grub. »Ich muss mich nicht jeden Abend waschen«, sagte sie dann ausweichend und sah ihn demonstrativ nicht an. »Das war vor meinem Aufenthalt hier nicht notwendig und wird es auch jetzt nicht sein.«

Adassett öffnete den breiten Stoffgürtel, der seinen schwarzen Mantel zusammenhielt und ließ sich auf den Stuhl sinken. »Ich wollte dir keine mangelnde Körperhygiene unterstellen. Ich dachte bloß, dass es deinem Wohlbefinden zugute käme.«

Nanouk schnaubte. »Meinem Wohlbefinden. Weißt du überhaupt, woher ich komme?«, fragte sie dann leicht angespannt. »Mein Wohlbefinden ist recht einfach befriedigt, so wild und unzivilisiert das auch auf dich wirken mag, ist es nichts, wofür ich mich schäme.«

Adassett hob eine Augenbraue, doch hielt sie nicht auf, also fuhr Nanouk fort, die sich in dieser stillen Geste entgegen seiner Versicherung, sie nicht beleidigen zu wollen, seltsam angegriffen fühlte. Verhöhnt. Als entzöge es sich seinem Verständnis, dass man außerhalb von goldbeschlagenen Türen und holzvertäfelten Palästen ein zufriedenes Leben führen konnte.

»Wenn du Aalsung sagst, dann liegst du weit daneben«, meinte sie barsch und spürte, wie ein Teil in ihr vor den nächsten Worten zurück schreckte, als wäre ihre Vergangenheit vor dem Hof des Winterkönigs bereits ein Tabu, welches anzusprechen sie nicht wagen durfte. Und doch brannte sie auf einmal dafür, sich zu erklären, dieser ständigen Abwertung, mit welcher man sie in Wallheim bedachte, wenn man ihre Andersartigkeit bemerkte, die Stirn zu bieten.

»Tallik liegt im Westen direkt an den Fjorden und ist das meiste Jahr über von der restlichen Zivilisation abgeschottet. Nach Aalsung kommt man beschwerdefrei im Sommer und im Winter manchmal gar nicht. So kleingeistig und barbarisch es auch klingt«, setzte sie mit Vehemenz und steigendem Frust fort, den sie gegen all ihre Versuche nicht in Schach zu halten vermochte, »alles, was ich mein Leben lang hatte, was ich mein Leben lang gebraucht habe, um mein seelisches, als auch körperliches Wohlbefinden zu erfüllen, war Tallik. Eltern, Großeltern, Geschwister, Freunde, eine Gemeinschaft, die weit jenseits dessen liegt, womit sich Nao und sein kranker Hof in den Tälern rühmt. Sie nennen euch Getreue, doch könntet ihr zerstrittener und verbitterter nicht sein.«

Nanouk schnitt sich das Wort ab und musste energisch Luft holen, als sie spürte, wie ihre Hände anfingen zu zittern. Das Zittern arbeitete sich ihre Arme nach oben, bis es ihre Schultern und schließlich ihren Brustkorb erreichte, als drohte ihr das Herz gleich hier auf den Boden zu springen.

»Nanouk-«, fing Adassett mit einer Stimme an zu sprechen, die so ruhig war, dass sie ihm beinahe schon wütend den Blick zuwandte. Zwischen seinen Brauen erschien eine Falte.

»Es ist mir so egal, wer auf diesem Thron sitzt, warum ihr euch gegenseitig in die Suppe spuckt und diesen irrwitzigen Tanz um Naos Mitte tanzt. Ich hatte alles, was ich zum glücklich sein gebraucht habe«, fuhr sie ihm ins Wort und verkrampfte ihre Zehen im Fell, aus Angst noch hier umzukippen, wenn sie nicht aufpasste. Endlich fernab von Wallheims lauschenden Wänden und den immer wachsamen Augen Ischkas, erlaubte sie es sich, zu straucheln.

Selbst in Naujus Gegenwart hatte sie sich stets um Haltung und Fassung bemüht, konnte nicht zulassen, dass sie sich ihren ehrlichen Gefühlen hingab und hatte stets bangen müssen, dass ihre trotzigen Wahrheiten bloß eine Abkürzung zu ihrer Hinrichtung verhießen.

»Ich war wirklich, wirklich glücklich in Tallik«, fuhr sie trauriger fort, als Adassett sie bloß weiterhin anblickte, die Falte zwischen seinen Brauen nun tiefer als zuvor. »Ich habe nie davon geträumt meinem einfachen Leben entfliehen zu können. Mich haben Märchen über Prinzen in schimmernden Rüstungen aus Gold nie gekümmert. Ja, es war hart, es war kalt, es war nicht immer einfach, doch es hat mir gefallen, denn ich hatte alle, die ich gebraucht habe immer bei mir. Bis Nao und sein Hof, bis du sie mir allesamt genommen hast.«

Nanouk biss die Zähne fest zusammen und presste ihre Lippen aufeinander, als sie spürte, wie sich das Zittern in ihrem Herzen ausbreitete und als dumpfe Kälte durch ihre Glieder kroch. Ihre nächsten Worte waren umrahmt von Tränen, die sie mit aller Kraft zu unterdrücken versuchte, denn obwohl sie sich unsäglich gekränkt fühlte, wusste sie doch, dass Tränen nichts daran ändern konnten.

»Nichts und niemand hier oben würde mich je zum Bleiben bewegen können. Kein Schmuck, kein königliches Interesse, keine Versprechungen auf Samt und Seide und der einzige Grund, weshalb ich immer noch hier bin, ist der, dass ich nicht gehen kann, ehe ich meine Kameraden in Sicherheit weiß. Und weil«, stieß sie heftig aus, um das Schluchzen in die Knie zu zwingen, »ich keinen verfluchten Schritt gehen kann, ohne nicht jedes Mal daran erinnert zu werden, was es ist, das ich bin.«

Sie löste ihre verschränkten Arme, doch nur, um sich die Hand schützend auf ihr rechtes Bein zu legen. Ihre Fingernägel stachen selbst durch die gefütterte Strumpfhose auf ihrer Haur. »Ich bin vollkommen und endgültig nutzlos. Kann nur jeden Morgen darauf hoffen, dass mir Naos Getreue mit Nachsicht begegnen, sich an meiner Art, an meiner Wildheit, ergötzen und mich irgendwie auf andere Weise als nützlich empfinden. Und alles, was ich je wollte, war-«

Nanouk brach abrupt ab, als sich ihre Lungen derartig verkrampften, ihr die nächsten Worte untersagten, dass sie sich endlich aus ihrer starren Haltung löste und gegen den Bettpfosten sackte.

Hier war sie also, die Wahrheit, die sie sich selbst all die Jahre verboten hatte auch nur zu betrachten, weil sie so unerreichbar geworden war wie der Frühling. Nanouk wusste nicht, wieso sie mit einem Mal hier zusammen brach, vielleicht, weil Adassett auch bisher nie mit Hohn oder Spott reagiert hatte, ihr nie das Gefühl gab, dass ihre Tränen, noch ihr Gebrechen, etwas waren, wofür sie sich zu schämen hatte. Weil er vielleicht ebenso eine Schuld auf sich geladen hatte, die es ihm gar nicht erlaubte, über solch eine tiefgreifende Schwäche zu urteilen.

»Alles, was ich jemals wollte«, fuhr sie mit tränenerstickter Stimme fort, »war gemeinsam mit meinem ataaq über das Leben zu lernen. An seiner Hand die Nordlichter deuten und die Bachläufe lesen, den Robben und Möwen beim Spielen zuzusehen und den Zug der Vögel betrachten. Mich in den warmen Sommermonaten dem Erbringen der Gaben widmen, gemeinsam mit ihm die Glyphen der Gebete malen, sie als Rauch hinauf zu den Ewigen zu schicken und die Sterne zählen. Die Ewige der Jahreszeiten darum bitten, uns den Frühling wieder zu bringen, ihre Lieder zu singen und im Gegenzug Aisanas Segen zu erhalten.«

Sie brach auseinander, als sich diese kindlichen, verzweifelten Wahrheiten aus den Tiefen ihrer Verdrängung nach oben drückten, um sie in wütender Trauer zu erschlagen. Warum hatte sie diese Dinge nicht erleben dürfen?

»Ich wollte meiner kleinen Anjij das Bogenschießen beibringen und Imiaq Geduld lehren. Wollte dem immerwährenden Druck meiner Mutter, endlich einen Mann zu finden, nachgeben und ein Leben führen, das mehr für mich und meine Familie bereithält als den Tod. Wollte meinen ataaq zu Grabe tragen, wenn er ruhig im Schlaf von uns gegangen ist und nicht dabei zusehen, wie er in seiner Würde gebrochen, als Aussätziger, der den Hirngespinsten der alten Gebräuche verfallen war, bei der Jagd ums Leben kommt, weil es niemanden sonst gab, der ihm diese Aufgabe abnehmen konnte. Und am allerschlimmsten ist es, mich für das zu schämen, was ich hätte sein sollen«, schloss sie wütend und fasste sich energisch in den Nacken, wo die Glyphe der angakkuq prangte.

»Doch ihr habt mir diese Grundlage genommen, die Boten der Ewigen allesamt getötet, schon lange, bevor auch mein Dorf schlussendlich den Glauben verloren hat und angakkuq mehr zu einem widerlichen Schandfleck, einem Schimpfwort für jene wurde, die versagt hatten, die Ewigen zu erweichen! Ich hätte das alles haben können, wenn es euch nicht gäbe!«

Nanouk brach ab, als ihre Lungen keine weiteren Worte mehr erlaubten und sie schlug sich die Hände vors Gesicht. Zu viele absichtlich verdrängte Wahrheiten lauerten mit einem Mal in ihrem Geist, drohten sie verhöhnend zu zerreißen und Nanouk befiel der Drang, sich vor sich selbst zu verstecken. Sich vor dem wütenden und traurigen Kind zu verbergen, welches sie selbst anschrie und verurteilte für das, was aus ihnen geworden war.

Adassett erhob sich aus dem Stuhl und Nanouk erkannte, wie er zu ihr hinüber kam. Sie wandte sich ab von ihm, damit er nicht sah, wie wütend sie ihre eigenen Tränen machten.

»Ich verstehe -«

»Du verstehst gar nichts«, fauchte sie aufgelöst und senkte die Hände mit einer zornigen Geste.

Adassett streckte den Arm aus und berührte sie am Unterarm, doch als sie seine warmen Finger auf ihrer nackten Haut spürte, entlud sich all der angestaute Frust auf ihr Leben. Sie konnte es nicht mehr ertragen ständig berührt zu werden, wenn es den anderen gerade passte und ehe sie sich versah, hatte sie mit der Faust ausgeholt.

Das Geräusch ihrer Knöchel auf Adassetts Kiefer drang hohl und knirschend in dem kleinen Raum nach und Nanouk stolperte erschrocken vor Adassett zurück gegen den Bettpfosten. Ihre Hand fing sofort an zu pochen und sie holte keuchend Luft, als Adassett ebenfalls einen verblüfften Schritt zurück wich. Er blinzelte verdattert und griff sich an die Lippen, die in sekundenschnelle von scharlachrotem Blut bedeckt waren.

Er schüttelte ächzend den Kopf und blickte auf seine blutverschmierten Finger herab, als begreife er nicht ganz, was soeben geschehen war.

»I-Ich-«, fing Nanouk entsetzt an und drückte sich die pochende Hand an die Brust.

»Nein, nein«, winkte Adassett mit verzerrtem Gesichtsausdruck ab. »Ich schätze, das habe ich verdient.« Er wischte sich mit dem Handrücken über den Mund, doch erkannte ebenso wie Nanouk, dass es das nur schlimmer machte. Seine Lippe war aufgesprungen und Nanouk spürte noch genau welche Knöchel hart und schmerzhaft gegen seine Zähne geschlagen waren.

Adassett hielt sich die Hand vor den Mund und ging hinüber zur Wanne, wo er sich eines der Handtücher aus dem Schrank nahm und ins Wasser tauchte, um sich das Blut aus dem Gesicht zu wischen.

»Das wollte ich nicht«, krächzte Nanouk mit erstickter Stimme und über den Schock ihrer gewalttätigen Antwort auf Adassetts ungewollte Berührung, vergaß sie sogar die lähmende Trauer.

»Oh doch«, lachte Adassett schließlich mit einem gezischten Schmerzenslaut und ließ sich auf den Wannenrand sinken, als er das feuchte Tuch auf seine Lippen drückte. Er warf ihr einen belustigten Blick zu. »Das wolltest du.«

Nanouk presste die Lippen zusammen und kam vorsichtig näher, um die Ausmaße ihres Schlages zu erfassen. Sie griff zögerlich nach dem Tuch und Adassett überließ es ihr bereitwillig.

»Wie schlimm ist es?«, fragte er dann mit leichter Erheiterung in der Stimme und Nanouk hob das Tuch von seiner Lippe.

»Halb so wild«, sagte sie kurz angebunden und wurde sich der Nähe bewusst, die ihrer Inspektion gefolgt war. Sie drückte das Tuch wieder auf sein Gesicht und wich zurück.

»Ich hätte das nicht tun dürfen«, sagte Adassett dann mit durch das Tuch gedämpfter Stimme und runzelte die Stirn. Nanouk verschränkte die Arme fest vor der Brust. »Wie geht's deiner Hand?«

Nanouk hob die Schulter und blickte zur Seite. »Nichts gebrochen.«

»Gut.«

Für einen Moment war es zwischen ihnen still und nur das sanfte Plätschern von Wasser, als Adassett das Tuch auswrang, war zu hören.

»Du hast Recht«, brach er dann diese Stille und rieb sich das Kiefer. »Ich weiß nicht, wie es ist, alles auf einen Schlag zu verlieren. Aber ich kenne den Schmerz von denjenigen verlassen zu werden, die man liebt. Was es mit einer Seele macht, der die wichtigsten Menschen gestohlen werden.«

Nanouk blickte zu ihm zurück und schluckte. Sie lehnte sich wieder gegen den Bettpfosten und lauschte.

»Und falls es dir Trost spendet ... ich weiß, was es ist, das du ersehnst. Ich habe Reiki kennen gelernt, da war ich selbst nicht mehr als ein Kind und durch ihn bin ich angakkuq Silawesi begegnet.«

»Die dir das pijjari beigebracht hat?«

Adassett lächelte kurz und erschlagen. »Genau. Meine Mutter wollte nie, dass ich mich damit beschäftige. Schließlich sollte ich wie mein Vater den militärischen Weg unserer Familie einschlagen. Und das habe ich dann unweigerlich, als mein Vater an den Hof beordert wurde.«

Er schluckte hart und seine linke Hand verkrampfte sich schlagartig um das feuchte Tuch in seiner Hand.

»Wo sind sie jetzt?«, fragte Nanouk mit gesenkter Stimme und schalt sich gleich darauf einen Dummkopf. Diese Frage in Anbetracht Adassetts Umständen zu stellen, versprach die Türe zu einer Konversation zu öffnen, von der sich Nanouk nicht sicher war, ob sie diese führen konnte.

»Gestorben«, kam Adassetts knappe Antwort und Nanouk forschte auf seinem Gesicht nach der Regung, die ihn auch damals in seinen Gemächern beinahe den Verstand gekostet hatte.

»Das tut mir Leid«, murmelte sie.

Adassett schnaubte und zwang sich seine Muskeln zu entspannen, doch Nanouk erkannte den Tremor unter seiner Haut, welcher bis jetzt immer Anzeichen seiner Verletzlichkeit gewesen war. Ein Beweis dafür, dass unter seiner kalten Maske, dem harten Stein seiner Hülle, immer noch ein Mann weilte, der fehlbar, menschlich und unbeschreiblich gebrochen sein musste. Nanouk mochte ihm nicht für all seine Gräueltaten verzeihen, doch sich selbst eine Heuchlerin schimpfen, wenn sie ihm diesen Schmerz aberkannte.

»Das muss es nicht«, schnitten seine Worte dann beinahe schon zornig durch den Raum. »Ich alleine bin hierfür verantwortlich. Niemand sonst.«


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