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⫷ Kapitel 25: Ein Zugeständnis des Vertrauens ⫸

Das Ende der Woche kam in viel zu großen Schritten näher. Nanouk wurde abwechselnd von Maha und Ischka geholt, die beide ziemlich schweigsam waren. Doch während sie das bei Ischka keineswegs störte, bescherte es Nanouk bei Mahas Stille ein unbehagliches Gefühl. Irgendetwas war mit Siku vorgefallen, über das Maha nicht sprechen wollte. Nanouk bohrte vorsichtig nach, doch die andere Frau machte mit einem entschuldigenden Lächeln dicht. Nanouk ließ sie gewähren, obwohl es sie brennend interessierte, was Nauju gegenüber Saghani gemeint hatte, als er sagte, sie wäre nicht wie Maha.

Also ertrug Nanouk die Lektionen unter Ischka ebenso schweigsam. Injas wasserblaue Augen folgten ihr auf Schritt und Tritt, wann immer sie sich bewegte, als wollte sie ergründen, weshalb Nanouk mit keinem Sterbenswort erwähnte, wer tatsächlich hinter dem Diebstahl stand. Nanouk blendete ihre Umgebung ab, als sie versuchte sich die Lektionen so gut es ging zu merken.

Zuweilen bediente sie sich Analogien, verglich das Einschenken bei Tafel mit der Robbenjagd und das Knicksen mit dem Fischfang. Jede dieser Tätigkeiten war eine in sich perfektionierte Handlung, die man als Laie vielleicht gar nicht erkennen konnte. Für eine Kurtisane mochte der Umgang mit dem Speer verständnislos und kompliziert sein, doch wusste man einmal um die simplen Grundregeln eines guten Standes, war alles weitere beinahe intuitiv.

Und genauso stellte es sich mit dem Hofieren heraus. Nanouk hatte keinen Sinn hinter den eleganten, akribischen Gesten erkannt, weil sie als Laie darauf herabgeblickt hatte. Doch nachdem sie Ischka für mehrere Tage gelauscht hatte, entwirrte sich der befremdende Stolz, den die Kurtisanen Wallheims bei ihrer Arbeit verspürten.

Eine gute Kurtisane zu sein war ebenso aufwendig und verlangte nach der selben Perfektion und Übung, wie eine Möwe aus dem Himmel zu schießen.

Doch eine Sache wollte Nanouk auch nach mehreren Stunden Übung nicht gelingen. Zu Schreiten wie eine edle Dame. Die Sonne senkte sich bereits und tauchte die Wolkendecke in ein feuriges Rot, welches das Gold- und Silbergarn in den Tuniken der Mädchen zum Glühen brachte. Sie saßen schon den ganzen Nachmittag in Ischkas Salon und lernten, wie man richtig ging. Dazu hatten sie die Sitzmöbel an den Rand des Zimmers geschoben, um auf dem samtenen Teppich genügend Platz zum Schreiten zu haben.

Eigentlich war es eine verstörend schöne Abenddämmerung, Nanouk hatte die letzten Stunden des Tages immer am meisten geliebt. Im Sommer, wenn das Geschrei und Gelächter der Dorfbewohner über den Fjord hallte, die Sonne auf den winzigen Wellen tanzte, wie um Saibiki zu necken, hatte sich Nanouk nichts schöneres vorstellen können, als mit den anderen Kindern am Strand zu spielen. Sie hatten waghalsige Manöver mit den Kajaks vollführt, waren um die Wette gepaddelt und an den besonders warmen Tagen sogar barfuß ins Meer gewatet.

»Die Abenddämmerung ist ein ganz besonderer Augenblick«, hatte ihr ataaq stets zu sagen gepflegt. »Wenn Utaaki sich zur Ruhe begibt und Onori den Himmel überlässt, schweben viele Geister durch die Lüfte. Angelockt von der geballten Energie des Wechsels sammeln sie sich in der Gischt und dem Staub, der durch die Luft tanzt. Streiten um die Aufmerksamkeit ihrer Schöpfer.«

»Wie Ebbe und Flut?«

»Nein, mikkituq, Ebbe und Flut kämpfen nicht um die Aufmerksamkeit von Utaaki und Onori. Ebbe und Flut sind ein Tanz den Saibiki zu Ehren Onoris vollführt. So kalt und ungebunden die Ewige des Meeres auch ist, gibt es eine Stimme, der sie gebannt lauscht. Doch verwechsle ihre Liebe zum Mond niemals mit dem, was sie für die Landwesen empfindet. Geräts du zwischen die Gezeiten, so zermalmt sie dich erbarmungslos.«

Ob nun Ebbe oder Flut herrschte, ob das Meer mit dem Mond tanzte, oder die Sonne in zufriedener Stille lauschte, vermochte Nanouk hier oben nicht zu deuten. Es hätte ein wundervoller Abend sein können, doch Ischka hatte alles daran gesetzt, ihr diesen zu verderben.

Die Hüterin der Etikette ließ Nanouk bereits das siebte Mal den kleinen Abschnitt des freigelegten Teppichs entlang gehen. Doch wie auch schon die sechs Male davor, ließ Ischka ihren Fächer aufgebracht zusammen schnappen.

»Deine Beine sind viel zu gebeugt«, herrschte sie und deutete mit dem Fächer auf Nanouks Knie. »Deine Schultern hängen grobschlächtig und unelegant nach vorne, als würdest du Steine schleppen und nicht deinen Körper durch den Raum tragen.«

Nanouk blieb mit einem unterdrückten Seufzen stehen. Es war schwer ihr Bein nicht zu beugen, wenn jeder Schritt einen immer noch scharfen Schmerz ihre Narbe entlang schickte und ihren Muskel krampfen ließ.

»Du siehst aus, als würdest du durch die Gänge schleichen und deinem Herren die Kehle durchschneiden wollen, anstatt ihm bei Tische deine schönste Seite zu zeigen – die ganz nebenbei weder die linke, noch die rechte ist. Du musst deine Beine strecken, jeder Schritt hat wie ein Konzert für sich zu sein.«

Nanouk rollte mit den Schultern und rieb sich den verspannten Nacken. Stolzieren war anstrengend, das Kinn gereckt zu halten eine ständige Tortur und die Brust heraus zu strecken fürchterlich mühsam. Nanouk wollte sitzen, nur noch sitzen und die Augen schließen.

»Wie anaana Saghani aus einem Trampel wie dir eine sinnliche Liebhaberin machen will, ist mir schleierhaft. Dir steht sogar ataha Nauju zur Verfügung und deine körperliche Grazie grenzt noch immer an die eines Schweines! Verführungskünste waren wohl in dem Loch, aus dem du gekrochen kamst, nicht von Nöten.«

Nanouk knirschte mit den Zähnen, als die Mädchen hinter ihr leise tuschelten und kicherten. Sie wollte sich keine Feinde machen, doch nach tagelanger verbaler und körperlicher Tortur, riss ihr der Geduldsfaden.

»Das mag sein«, bemühte sie sich mit ruhiger Stimme zu sagen. »Doch wenigstens hat man den Kindern da, wo ich her komme, Manieren beigebracht, die sich nicht nur auf das unterwürfige Gekrieche vor der Obrigkeit beschränken.«

Nanouk störte es nicht, dass Ischka sie nicht leiden konnte, es war ihr auch völlig gleich, wenn man ihre Erscheinung als grobschlächtig und ungepflegt entwertete, doch den Seitenhieb auf ihre Herkunft, ihre Familie und ihr Dorf ließ sich mit keiner Geduld dieser Welt hinunterschlucken. Als sähe Ischka in Nanouk bloß eine barbarische Wilde, die keinerlei Charakter oder Bedeutung besaß. Woher nahm Ischka daher diese Kränkung, die Nanouks Anwesenheit darstellte? Weshalb richtete sie ihren geballten Hass auf eine junge Frau, die sie noch nicht einmal kannte?

»Es reicht!« Ischkas Stimme erklang schrill und die Dame deutete mit dem Fächer auf die Türe. Wie schon an dem Tag, an dem Adassett in ihren Salon geplatzt war, bildeten sich rote Flecken auf ihrem Hals und die Ader auf ihrer Stirn trat nun deutlich hervor. Ischka war kurz davor die Nerven zu verlieren.

»Du benimmst dich, als würdest du nicht hier her gehören«, fauchte sie und blickte Nanouk hasserfüllt von oben herab an. »Die Arroganz, die durch jede deiner Bewegungen, jedes deiner Worte spricht, ist widerlich. Du glaubst, du seist etwas besseres, dass du dich unseren Bräuchen nicht beugen müsstest, dass du, nur weil du das Rot der Könige trägst, über allem und jedem hier stehst.«

Nanouk wollte widersprechen, doch hielt den Mund. Ischkas Vorwürfe klangen zu spezifisch, zu persönlich, als dass es einen Sinn hätte, sie auszubessern. Die rote Schärpe, die man ihr täglich umlegte, hatte keinerlei Bedeutung für Nanouk, die nicht in Verbindung mit ihrem Status als Sklavin stand. Es war in ihren Augen weder ein Privileg, noch etwas erstrebenswertes, doch Ischka sah das allem Anschein nach ein wenig anders. Und da würden ein paar Widerworte auch nichts ändern.

»Du denkst, nur weil ataha Adassett um deinen Beischlaf gebeten hat, seist du uns allen von Grund auf überlegen.« Ischka machte einen drohenden Schritt auf Nanouk zu, die jedoch keinen Millimeter weit zurück wich. Das letzte Mal hatte sie Ischkas Hand unerwartet getroffen, doch sollte die Dame es auch dieses Mal darauf anlegen, sie zu schlagen, würde sich Nanouk dies nicht erneut gefallen lassen.

Als hätte Ischka diese Entschlossenheit in ihrem Blick erkannt, blieb sie vor Nanouk stehen und begnügte sich damit, ihren Blick angewidert an ihr herab wandern zu lassen.

»Ich möchte, dass du anaana Saghani auf dem Fest morgen nicht bloßstellst«, zischte sie dann mit eisiger Ruhe. Es war mucksmäuschenstill in dem Salon, als nicht einmal Inja wagte zu kichern.

»Du wirst ataha Adassett mit keinem einzigen deiner frevelhaften Worte behelligen. Du wirst schweigen, während er sich mit dir vergnügt. Und das wird er.«

Nanouk spürte, wie ihr das Herz trotz widerspenstigem Trotz in die Kehle hüpfte.

»Ataha Adassett ist bei weitem nicht so sanft wie ataha Nauju. Er ist wild und ungezügelt. Warum anaana Saghani jemand völlig unreifen wie dich zu ihm schickt, will sich mir nicht offenbaren, doch bei der ungehobelten Natur deiner Vergehen, kann ich es mir am ehesten noch als Strafe vorstellen. Denn nichts züchtigt eine Kurtisane eher, als ataha Adassetts rücksichtslose Begierde im Bett.«

Nanouk musste gegen all ihre Vorsätze nun doch beunruhigt schlucken. Nauju hatte ihr zwar immer wieder versichert, dass Adassett ihr nicht schaden könnte, doch änderte das nichts an der Tatsache, dass sie immer noch mit ihm ins Bett steigen musste. Einfach loslassen, denk nicht daran, lass es einfach geschehen, versuchte sie sich selbst Mut zuzureden.

Doch ihr wurde durch ein sanftes Klopfen an der Türe jeder weitere Gedanke erspart und Ischka hieß denjenigen herein. Nanouk betrachtete die Dame für einige wenige Momente und kam nicht umhin, sich seltsam betroffen zu fühlen.

Ischka bemühte sich um die jungen Mädchen in Wallheim, das hatte Nanouk die vergangene Woche in unzähligen Augenblicken erkennen können. Auch, wenn sie immer noch Kurtisanen aus ihnen machte, waren ihre Lektionen stets begleitet von der Aufforderung mit sich selbst im Reinen zu leben. Jede Arbeit war eine Form der Selbstverwirklichung, eine Möglichkeit durch Perfektion Stolz zu verspüren und das erste Mal realisierte Nanouk, dass diese Haltung Wallheim gegenüber vielleicht die einzig erträgliche war.

Wie viele dieser Mädchen hatte man vor eine Wahl gestellt? Wie viele waren einfach in dieses Verhältnis gezwungen worden? Ischka mochte gehässig und kalt ihr gegenüber sein, doch jedes Mal, wenn sie mit Inja sprach, die Tuniken der Mädchen zurecht zupfte, oder mit ihren stechenden Augen nach dem Rechten sah, erkannte Nanouk nun, dass sie dies aus einem tief verankerten Pflichtgefühl heraus tat. So wie sie selbst geschworen hatte, alles daran zu setzen, die Kinder aus dem Palast zu befreien.

Nun allerdings unterbrach Nauju ihre grüblerischen Gedanken. »Auf ein Wort.«

Ischka scheuchte die Gruppe nach draußen, ohne Nanouk eines letzten Blickes zu würdigen.

»Es wird schon Nacht«, setzte Nauju schließlich an, als die Türe kraftvoll hinter ihm zugezogen wurde.

Nanouk stieß die Luft schwer durch die Nase aus, sagte jedoch nichts, als Nauju neben sie trat.

»Ich dachte mir, ich erlöse dich heute ein wenig früher«, fuhr er dann fort und Nanouk erkannte aus den Augenwinkeln, wie er zu ihr nach unten blickte. »Da du morgen ja einiges zu überstehen hast und die Kraft brauchst.«

Nanouk wandte sich schließlich zu Nauju um und wollte ihm an den Kopf werfen, dass sie gerade nicht in der Stimmung für seine Neckereien war, als sie seine Miene erblickte. Bemüht ruhig, nicht schadenfroh.

»Ich fürchte«, setzte sie daher an, »dass es für Ischka keine Rolle spielt, ob sie mich heute, oder in einer Woche weiter beschimpft.«

Naujus Augen funkelten amüsiert. »Ich habe es mitbekommen. Mach dir nichts draus, ich finde deine lauernde Haltung äußerst ansprechend.«

Nanouk rollte mit den Augen und Nauju drückte sie sanft aber bestimmend aus dem Salon. »Ich dachte mir, ich zeige dir etwas, damit du morgen nicht völlig verzagst.«

Nanouk kniff nur die Lippen zusammen, als sie sich von Nauju durch Wallheim führen ließ und wurde erst misstrauisch, als sie durch die Hintergänge in den fünften Stock zu den Badesälen gelangten.

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»Ganz sicher nicht«, verweigerte sich Nanouk schließlich, als Nauju sie durch die marmorne Vorhalle des Badetraktes geführt und schließlich ans Ende eines stillen Korridors gebracht hatte.

Nauju, der gerade die breite, mit Holzintarsien verzierte Türe aufsperrte, hielt inne. »Vertrau mir, das hier ist der schönste Platz in ganz Wallheim. Aber verrate es nicht Saghani, denn das hier ist ihr ganz persönlicher Privatbadesaal.«

Er drückte die Türe auf und obwohl Nanouk sich nach wie vor nicht sonderlich wohl dabei fühlte, folgte sie Nauju ins Innere. »Wenn Saghani nichts davon wissen soll, warum gehen wir dann überhaupt hier her?«, wollte sie wissen und konnte mit einem raschen Blick nicht feststellen, weshalb dieser Badesaal anders oder besser sein sollte als der, in den Ischka sie gebracht hatte.

»Weil«, fing Nauju wieder an und packte sie am Handgelenk, um sie weiter in den Saal zu ziehen, »du nirgendwo sonst in Wallheim einen so guten Blick auf die Welt hast, wie hier.«

Nanouk richtete ihre Aufmerksamkeit das erste Mal zu den Fenstern hin und trat dann tatsächlich mit ungetrübtem Staunen an das Glas heran.

Die Sonne floss als glühendes Metall über die winzigen Wellen tief unter ihnen, als sie mit letzter Kraft hinter dem Horizont hervor spähte. Als wollte sie sich noch nicht zur Ruhe betten, doch zwang sie ihr müdes Auge dazu, sich der Traumwelt hinzugeben. Das Meer lag unendlich weit zu ihren Füßen und Nanouk hielt den Atem an.

An den Fjorden konnte man bei gutem Wetter, wenn man weit genug hinaus paddelte ebenfalls die Krümmung der Welt erblicken, doch von hier oben wurde dieser Eindruck sogar noch verstärkt. Als stünde sie tatsächlich am Rand der Welt und das erste Mal wurde Nanouk bewusst, wie mächtig die Ewige des Meeres sein musste, wenn sie all dieses Wasser befehligte.

Und dann blickte Nanouk in den Himmel und erkannte die ersten, kräftigen Sterne auf dem marineblauen Hintergrund, der samten weich wie ein Teppich über die Welt sank.

Nauju ließ sie los und ging zum Beckenrand hinüber, wo er einen kleinen Holzkoffer abstellte. »Ich dachte mir, weil du dich augenscheinlich stets nach meinem anderen Handwerk verzehrst, gestatte ich dir einen Augenblick meiner Kunst beizuwohnen.«

Nanouk riss sich los und erkannte erst jetzt, dass das nicht sein Arzneikoffer war, sondern der Kasten für sein Zupfinstrument. Für einen Moment blinzelte sie durch das schwindende Licht auf die Leier und dann hinauf in Naujus Gesicht.

»Erinnert Sie Euch an die Sterne? Die Melodie?«, platzte es aus Nanouk heraus, ehe sie sich zügeln konnte.

Nauju senkte seinen Blick hinunter zu dem Instrument in seinen Händen, ehe er antwortete. »An den Ort dahinter«, sagte er dann seltsam andächtig und sank auf den Beckenrand.

»Wie meint Ihr das?«, fragte Nanouk, die immer noch mitten im Saal stand und nicht umhin kam, sich merkwürdig entrückt zu fühlen, als sie ihn betrachtete.

Die Art und Weise, wie seine Schultern nach vorne sanken, als er die Leier auf seinen Oberschenkel stellte, hatte nichts von einem Mann, dem Nanouk gewillt war irgendeine Gewalttat zu unterstellen. Wie konnte irgendjemand auf die Idee kommen, ihn als General zu betiteln? Er sah so schmerzhaft zerbrechlich aus, dass Nanouk beinahe weh ums Herz wurde. So ekelhaft Nauju auch sein konnte, irgendetwas hatte sich tief in sein Herz gekrallt und ließ es nicht mehr los.

Es gab in seiner Seele eine Wunde, die so fürchterlich sein musste, dass keine Worte existierten, um diese zu beschreiben. Und als Naujus filigrane Finger das erste Mal über die Saiten huschten, war Nanouk wie gebannt. Sie betrachtete seine schmale Silhouette gegen das nun endgültig verblassende Sonnenlicht und beobachtete seine geschickten Hände, welche dem Musikinstrument jene Klänge entlockten, die in ihr selbst eine schmerzhafte Sehnsucht auslösten.

Ihre Augen tränten, als sie sich so leise wie möglich, um sein Spiel nicht zu unterbrechen, auf den Boden sinken ließ und als der letzte Ton schließlich in dem steinernen Badesaal verklungen war, holte sie verstohlen Luft.

»Wer hat Euch das angetan?«

Naujus Hände glitten an dem Holzrahmen herab und Nanouk versuchte in sein Gesicht zu blicken, konnte aber durch seine in die Augen gefallenen Strähnen, nicht erkennen, was sich auf seinen Zügen abspielte.

»War es das, was Saghani zu Euch sagte? Über Eure Geschwister?«

Daraufhin wurden Naujus Hände augenblicklich still und Nanouk schluckte beklommen. Sie dachte, sie hätte etwas falsche gesagt, doch gerade, als sie sich entschuldigen wollte, hob Nauju lachend den Kopf.

Das Lachen jedoch war erneut verzogen von den Tränen in seiner Stimme. »Sie sind lange fort, Nanouk. Aber weißt du, was das schlimmste daran ist?«, fragte er dann mit gezwungen unbeschwerter Tonlage.

Nanouk schüttelte den Kopf.

»Dass das Gefühl der Erleichterung, noch am Leben zu sein, größer ist, als das Gefühl des Verlustes.«

Nauju sah sie nicht an, sondern wandte den Kopf hinüber zum Fenster, wie in ihrem Zimmer, als er ihr seine Bedingung unterbreitet hatte.

»Dann ist es doch ein wenig grausam«, sagte Nanouk leise, die mit einem kräftigen Schlag ihres Herzens daran erinnert wurde, dass sie selbst mit dieser Schuld zu kämpfen hatte, »von Saghani, Euch das zum Vorwurf zu machen.«

Nauju presste die Lippen zusammen, rührte sich jedoch nicht. Erst, als er leicht die Nase hochzog, hob er eine Schulter und sagte: »Sie kann zu mir sagen, was sie will, denn sie kennt meine Schwäche besser als ich selbst.«

Nanouk kaute auf der Innenseite ihrer Wange herum und knetete ihre Hände im Schoß. Es machte sie unbeschreiblich befangen diesen Mann erneut weinen zu sehen, es stach ihr im Herz und sie wünschte sich, es gäbe etwas, das sie zu ihm sagen könnte. Ihm einen Arm um die Schultern zu legen und zu versichern, dass alles gut ginge. Doch stattdessen fragte sie:

»Was ist Eure Schwäche?«

Nauju lachte erneut auf und schüttelte den Kopf, während er sich mit Daumen und Zeigefinger über die Augen fuhr. »Hast du es noch nicht gemerkt?«

Nanouk verzog die Augenbrauen und zupfte an den blauen Bändern ihres Gewandes herum. Sie hatte sich natürlich ihren Teil schon dazu gedacht. Die Art und Weise, wie Nauju über diesen Ort hier sprach, wie er in seiner gezwungenen Unbekümmertheit durch Wallheim stolzierte und nicht zuletzt, was er von ihr im Gegenzug verlangt hatte.

»Ich bin ein Feigling«, durchbrach Naujus Stimme dann jedoch forsch und verurteilend den Raum zwischen ihnen. Er richtete das erste Mal einen Blick auf ihr Gesicht und Nanouk musste sich nun selbst davon abhalten, beschämt die Augen niederzuschlagen.

»Ich bin weitaus weniger, als du denkst und doch immer noch mehr als ich verdiene«, fuhr er schließlich fort.

Nanouk rutschte in eine aufrechte Position und streckte ihr schmerzendes Bein aus. Es gab zwar selbst in den Badesälen niedrige Liegesofas, doch sie wollte nicht aufstehen, aus Furcht, dass es diesen sonderbaren Augenblick ruinierte.

»Ihr hasst es hier. Warum auch immer Ihr zu einem der fünf Getreuen des Winterkönigs zählt, es war nie Eure Entscheidung, hier her zu kommen.«

Das machte sogar sehr viel Sinn. Nauju hatte ihr an ihrem ersten Tag hier selbst gesagt, dass er einmal genau an Nanouks Stelle gewesen war. Doch was auch immer ihn dazu veranlasst hatte diesen Titel aufzunehmen ...

»Ist es Saghani?«, fragte Nanouk und die Luft stockte in ihren Lungen. »Liebt Ihr sie? Habt Ihr das alles hier für Sie getan?«

Doch daraufhin schnaubte Nauju lediglich und schüttelte den Kopf. »Du hast eine seltsame Vorstellung von der Liebe, wenn es das ist, was dir bei unserer Beziehung durch den Kopf geht.«

Nanouk kniff die Lippen zusammen und hob leicht beschämt die Schultern. »Dann erklärt mir doch, weswegen Ihr Euch alles von ihr gefallen lasst, obwohl sie diejenige ist, die Euch doch so dringend braucht.«

»Ich liebe nicht auf diese Weise«, sagte er dann seltsam defensiv und seine Augen wanderten über sie. »Und warum sollte ich Wallheim unerträglich finden? Mir stehen hier sämtliche Türen offen«, fügte er hinzu und was auch immer noch zuvor aus seinem ockernen Blick gesprochen hatte, die gefährliche Wahrheit einer Verletzlichkeit, die ihn mit einem einzigen Hieb zu Boden werfen konnte, wurde von der spiegelglatten Maskerade eines herablassenden Lächelns verdeckt.

Nanouk ließ die Luft langsam ausströmen, als sie merkte, dass sie den Moment verpasst hatte, ihm mehr zu entlocken. »Nicht gar so merkwürdig, wenn man davon ausgeht, dass in Euch eine Wunde klafft, die nicht einmal Eure Heilkunst, keine Zerstreuung der Welt zu schließen vermag«, sagte sie dennoch leise und darauf bedacht, seine Regungen auf ihre Worte zu erfassen.

Naujus Lächeln wurde eine Spur breiter, als seine Finger abwesend über den Holzrahmen der Leier glitten. »Diese Wunde«, sagte er dann und stand auf, »gehört mir alleine. Versuche nicht, sie zu schließen, denn das ist meine Bürde.«

Nanouk verzog die Lippen zu einem unzufriedenen Strich, doch bohrte nicht noch einmal weiter.

»Ich sollte mich um dein Bein kümmern«, seufzte Nauju schließlich und streckte ihr eine Hand hin.

Nanouk griff zögerlich danach und ließ sich von ihm aufhelfen, eine Geste, die sich neben allem, was er hier in Wallheim tat, seltsam intim anfühlte.


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