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⫷ Kapitel 18: Blutwald ⫸

Das Foyer Wallheims war ein riesiger Raum. Eine breite Treppe führte hinauf zu einer Galerie, von welcher unzählige Gänge abzweigten und ins Innere des Gebäudes führten. Doch die Hauptattraktion war ein großer, flacher Brunnen aus weißem Stein, der in der Mitte des Foyers stand und den Raum durch die Wärme des darin fließenden Wassers aufheizte.

Nanouk war so überrascht, dass sie für einen Moment sogar vergaß, sich unwohl zu fühlen.

Das Wasser sprudelte an der Spitze eines Felsgebildes ans Tageslicht und floss leise plätschernd über mehrere moosbedeckte Steinstufen in das breite Auffangbecken. Überall an den Seiten, neben Türen und Bänken standen breite Pflanzentröge in denen unzählige Blumen, Sträucher und Kräuter sprossen und die warme Luft mit einem betörenden Duft erfüllten. Nanouk war völlig fassungslos, als Maha sie an der Seite des Foyers entlang führte und sie schließlich neben der hohen Doppeltüre des Eingangs in ein kleines Nebenzimmer brachte.

Im ganzen Foyer, wie in dem Kämmerchen tummelten sich unzählige Dienerinnen in den hübschen, bestickten Tuniken, knicksten vor Saghani und eilten zwischen den Gästen hin und her. Nanouk schwirrte der Kopf, als sich einige Frauen an Saghani wandten und sie mit Informationen, Anliegen und Hinweisen überschütteten.

In der kleinen Kammer, welche Nanouk als Ankleideraum einordnete, gab es einige Bänke, Schränke und Haken, an denen feine Mäntel, Schals und Boas hingen. Auf dem langen, auf Hochglanz polierten Tisch in der Mitte stand eine flache, große Schachtel, die in schwarze Seide gewickelt war.

»Das hier«, seufzte Saghani, als sie sich für einige Augenblicke von den emsigen Frauen losreißen konnte, »ist für dich.« Sie deutete geschäftig auf die Schachtel und widmete sich dann wieder ihrer Kleidung.

Nanouk schluckte, als sie daran dachte, wer ihr dieses Geschenk gebracht hatte. Sie wollte nichts mit Reiki zu tun haben, ihre Knie wurden weich, als sie daran dachte, was die alte Frau in der Küche über ihn erzählt hatte. Warum hatte er ein Auge auf sie geworfen? Woher wusste er überhaupt von ihrem Aufenthalt hier?

Sie blickte sich um, doch keine der Damen beachtete sie und auch Maha war damit beschäftigt mit einem Mädchen mit fuchsfarbenem Haar zu plaudern. Sie war ein zartes Kind, konnte kaum älter sein als Nanouk und dennoch steckte sie bereits in dieser leichten, freizügigen Tracht, die Nanouk nun selbst trug.

Unruhig wischte sie sich die schweißnassen Hände an der Seide trocken und trat an die Schachtel heran. Vorsichtig hob sie den Deckel an und erhaschte einen Blick auf hellen Pelz. Nun doch neugierig öffnete sie die Schachtel vollständig und zuckte, als ihr ein zusammengefalteter Zettel entgegen flatterte. Hastig griff sie danach, ehe er zu Boden sinken konnte und öffnete die Notiz.

Nanouk konnte nicht lesen. In Tallik hatte man den Kindern zwar das Alphabet beigebracht, doch für wirkliche Leseübungen – oder Schreibübungen – hatte immer die Zeit gefehlt. Die Händler konnten Lesen und Schreiben, Rechnen ebenfalls, aber da diese Aufgabe in Ajats Familie ausgeführt wurde, hatte sich Nanouk nie damit beschäftigt. Gelegentlich hatte ihr Ajat Worte in den Schnee geschrieben, bis sie frustriert mit diesem nach ihm geworfen hatte. Ihr selbst war Symbolik vertraut. Ihr ataaq hatte ihr beigebracht, wie man Glyphen malte. Auf teurem Papier mit noch teurer Tinte, die im Feuer in wundervoll bunten Grün- und Blautönen verbrannte.

»Sie signalisieren die Nordlichter, die Verbindung zwischen uns und den Geistern.«

Nanouk schluckte und spürte, wie sich ihr Atem beschleunigte, als sie an ihren Großvater dachte, an die Einblicke, die sie erhalten hatte können, ehe man ihn und alles wofür er stand verleugnete. Und überdies schob sich langsam, aber unmissverständlich die Glyphe, welche sie auf Naujus Unterarmen erspäht hatte.

Nanouk schüttelte den Kopf und richtete ihre Aufmerksamkeit zurück auf den Zettel in ihren Händen, auf die schiefe, makellose Schrift in Form von Wörtern, die sie nicht lesen konnte. Vielleicht war das letzte Wort hier Freund oder Brand, sie konnte es nicht sagen. Hastig schob sie sich das Stück Papier unter die Schärpe, da sie der Inhalt nun umso brennender interessierte.

Sie streckte die Finger nach dem weichen Pelz aus und zog den Mantel langsam aus der Schachtel. Mit einem unguten Gefühl faltete sie das Kleidungsstück auseinander und spürte noch im gleichen Augenblick, wie sie von einer dumpfen Furcht gepackt wurde.

Das hier war ihr Mantel.

Obwohl der schmutzige Gelbstich verschwunden war, die weißen und hellbraunen Fellstücke gereinigt worden waren, erkannte sie nach wie vor an der Innenseite des rechten Oberschenkels einen verwaschenen, rostroten Fleck. Eine Warnung? Nanouk unterdrückte die Panik so gut sie konnte. Woher hatte Reiki ihren Mantel? Der einzige, der wusste, wo er lag, der ihn eigenhändig von ihren zitternden Schultern gezogen hatte, war Ijiraq. Konnte es sein? War das der Grund für das Bedauern und die Hast in seinen Worten, als er sie alleine im Schnee zurück ließ? Oder war dies nach allem nichts weiter als ein Trick? Nanouks Hände verkrampften sich in dem weichen Fell.

»Ach«, bemerkte Saghani und ihre abschätzige Tonlage ließ Nanouk heftig zusammenzucken. »Ich verstehe nicht, weshalb das seinen Weg in deinen Besitz finden musste, doch es schickt sich nicht, ein Geschenk direkt vom königlichen Hof abzulehnen.«

Nanouk starrte Saghani stumm zurück an, nickte dann jedoch und schlüpfte in ihren Mantel. Er fühlte sich schmerzlich vertraut an, die zerkratzten, doch nun polierten Schnallen waren schwer und lagen gewohnt in ihren Fingern und das erste Mal, seit sie hier oben die Augen geöffnet hatte, fühlte sie sich ihrer Heimat wieder nahe.

Bis ihr wieder einfiel, wer diesen Mantel geschickt hatte und dann war es um ihre Fassung erneut geschehen.

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Saghani führte ihre Eskorte mit erhobenem Haupt und blitzenden Saphiren hinaus vor die Flügeltüre und hin zu den Kutschen. Nanouk ließ sich ohne Widerworte von Maha in die kleinere der beiden schieben und lächelte ihr bemüht zu, als sie ihr versicherte, dass der Weg bloß kurz war.

Nanouk saß eingeklemmt zwischen acht anderen Mädchen, die mit bunten, federbesetzten Fächern herumwedelten und sich über dies und das unterhielten.

Die Fahrt war erstaunlich sanft und Nanouk blickte schweigend aus dem kleinen Kutschfenster. Der verschneite Nadelwald zog rasant an ihnen vorbei, bis die schwermütigen Tannen den spitzen Fichten wichen. Dicht an dicht standen die schlanken Bäume nebeneinander und verdrängten mit ihren hohen Baumkronen sämtliches Licht im Unterholz.

Nanouk richtete sich auf, als sie trotz fehlenden Lichts üppige Gestrüppe erblickte, die sich in unregelmäßigen Abständen zwischen den Stämmen durch die Schneedecke bohrten. Teilweise lehnten sie an den Stämmen, als hätten sie versucht die glatte Rinde zu erklimmen. Irgendetwas an diesen Gestrüppen weckte jedoch Nanouks Alarmbereitschaft.

Spindeldürre Äste, die ohne Blätter spitz zuliefen, weiß wie Knochen waren und in viel zu geraden Bögen in den Himmel aufragten. Nanouk folgte diesen merkwürdigen Gebilden mit den Augen, als sich eine dumpfe Kälte in ihrer Magengrube bildete. Die Zweige und Äste trennten und verbanden sich in ihr vertrauten Mustern, bis sie schließlich zwischen der dichten Schneedecke die dunklen, riesigen Augenhöhlen eines Raubtierschädels erblickte.

Nanouk sog erschrocken die Luft ein, als sie realisierte, was sie bis eben noch mit Vegetation verwechselt hatte. Ein Skelett. Ein riesiges Raubtierskelett mit Kiefern so lang wie ihr ganzer Arm, Zähnen so dick wie ihr Handgelenk und einem Körper, der zu nichts anderem als einem Schneeleoparden gehören konnte. Doch war dieses Skelett hier gigantisch. Nanouk spürte ihre eigene Kurzatmigkeit wie aus weiter Ferne, als sie nun immer mehr solcher zerfallenen Skelettkörper erblickte.

»Das ist der Blutwald«, kommentierte Nanouks Sitznachbarin und schüttelte sich. »Von dem hältst du dich besser fern.«

Nanouk wandte sich zu ihr um und starrte die junge Frau entsetzt an. »Wie kommen diese Tiere hier her? Warum sind sie so riesig?«

Doch die junge Frau hob nur die Schultern. »Irgendwer bringt sie dorthin. Zwischen die Bäume, wo sie dann auf Ewigkeit zwischen den Stämmen stehen und warten.«

»Warten worauf?«, fragte Nanouk schockiert und räusperte sich, als ihre Stimme dünn und hoch in ihren eigenen Ohren vibrierte.

Doch ihre Sitznachbarin hob nur die Schultern. »Vielleicht auf jemandem, der ihre Genossen verschont.«

Nanouk starrte weiterhin aus dem Fenster, obwohl ihr die Härchen auf den Armen allesamt zu Berge standen. Sie hatte erst einmal ein so großes Tier erblickt.

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Nanouk war noch immer völlig neben sich, als sie den gruseligen Wald voller Skelette schließlich hinter sich gelassen hatten und die Kutschen anhielten. Der schwarze Palast ragte als kaltes Ungetüm vor ihnen in die Höhe und Nanouk musste den Kopf weit in den Nacken legen, um überhaupt den Himmel sehen zu können.

Sie hatten auf einem kleinen Platz Halt gemacht, der nahtlos in den Nadelwald überging, der sich auch hier eng an die Palastmauern drängte. Noch dazu war Nebel aufgezogen, oder die Wolken schwebten hier so tief, dass sie sich zwischen den spitzen Fichten verfingen und hängen blieben. Nanouk musste beim Aussteigen acht geben, nicht zu straucheln und war erleichtert, als Maha ihr auch gleich zur Seite stand.

Als sie aber ihren Fuß auf den Schnee setzte, machte sich eine unheimliche Endgültigkeit in ihr Platz. Sie konnte nicht mehr zurück, sie würde dem Winterkönig gegenüber treten, ganz gleich, wie wenig sie bereit dazu war. Sie hatte den Angriff eines Eisdämons überlebt, doch ein Eisdämon war kein Winterkönig und Nanouk war sich mit einem Mal nicht mehr sicher, wovor sie sich mehr fürchtete.

»Du siehst vollkommen verängstigt aus«, bemerkte Maha, als sie Nanouk durch den Schnee nach vorne zu Saghanis Kutsche zog. Um sie herum sammelten sich die anderen Damen und wurden von einer Schar Dienern empfangen, die auf der breiten Treppe in den Palast hin auf sie gewartet hatten.

Nanouk brachte es nicht zustande zu lächeln, als sie den Blick erneut hob. Sie mussten sich am westlichen Tor befinden, ein Seiteneingang, denn sie konnte keinerlei Kutschen anderer Gäste erkennen, von denen Maha und die anderen Frauen ständig sprachen. Auch gab es auf dieser Seite des Palastes kaum Fenster von denen Nanouk erst welche in weiter Ferne hoch hoben zwischen dem schartigen Gestein der Mauer erblickte.

Doch sie wurde aus ihrer Beobachtung gerissen, als eine Gruppe an Reitern aus dem südlichen Wald kam und nicht unweit des Tores Halt machten.

Nanouk sackte der Magen in die Beine und ihr Herz jagte ihr in den Hals, als sie die schwarzen Pferde erblickte, die mit geblähten Nüstern weiße Wolken in die eisige Luft bliesen. Ihre Reiter waren allesamt in dunkle Wollmäntel gehüllt, mausgraue Tuniken und zerkratzte Lederplatten, die noch voller Blut waren.

Nanouk suchte die Gruppe an Soldaten ab, denn auch bevor sie ihn erblickte, wusste sie, dass Adassett unter ihnen sein würde. Dennoch blieb sie wie angewurzelt stehen, als sie den Hünen erblickte, der die Zügel seines Pferdes stramm zog, bis es aufhörte nervös auf der Stelle zu tänzeln. Auch die anderen Pferde scheuten, als Saghani ihren kristallblauen Blick von den Dienern hinüber zu den Neuankömmlingen richtete.

»Was für ein Zufall«, sprach Saghani laut und ihre Stimme hallte über den kleinen von Wald eingeschlossenen Platz. »Der Schlächter und seine Meute.«

Die sieben Männer blieben trotz des Hohns in Saghanis Stimme stumm und warfen ihr nur finstere Blicke zu. Der Prinz allerdings führte sein massiges Ross aus der Gruppe hervor und stieg schließlich ab. Er landete mit einem dumpfen Knirschen im Schnee, sodass das Sattelgeschirr und die Schnallen an seiner Kleidung klirrten. Der weite Federkragen ließ ihn nach wie vor riesenhaft erscheinen und in Nanouk verkrampfte sich alles, als sie in sein düsteres Gesicht blickte.

»Du hast Glück, dass ich meine Jagd bereits beendet habe. Andernfalls hätte ich vielleicht Lust diese um einen Kadaver zu bereichern.«

Adassetts Stimme war genauso rau und tief, wie Nanouk sie im Gedächtnis hatte und sie hielt ohne ihr Zutun die Luft an. Die Erinnerung an Aalsung flammte in ihr auf, der Moment, indem dieser Mann jegliche Hoffnung in ihr mit einem einzigen Schwung seines kräftigen Armes zerschmettert hatte. Und als seine Versäumnisse dazu geführt hatten, dass der Eisdämon-

Nanouk schnitt sich selbst den Gedanken ab, ehe sie die grausigen Geschehnisse auf dem Schneepfad erneut handlungsunfähig machen konnten.

Saghani zeigte aber selbst auf diese Anmaßung des anderen bloß ein gefährlich ruhiges Grinsen. »Mir ist zu Ohren gekommen, dass du weitaus weniger erfolgreich bei deiner Jagd bist, als du hier so schamlos verkündest.«

Adassett verschränkte die Arme vor der Brust und kam knapp vor Saghani zum Stehen, sodass er auf sie herabblicken konnte. Nanouk beobachtet den verbalen Schlagabtausch zwischen den beiden mit kaltem Grauen, als Maha die anderen Damen mit den Dienern in den Palast schickte.

»Nanouk.«

Ihr Name durchbohrte die eisige Starre, in welcher Nanouk sich befunden hatte, wie eine Harpune und riss sie zurück ins Hier und Jetzt. Mit Entsetzen stellte sie fest, dass Saghani sich zu ihr gewandt hatte und den Arm ausstreckte. Nanouk musste dem Drang widerstehen, sich unter die übrigen Damen zu mischen und schleunigst ins Innere des Palasts zu flüchten. Doch irgendwie schaffte sie es ihre schweren Beine vom Boden zu lösen und als Maha wieder neben ihr auftauchte, um sie zu stützen, schaffte sie es sogar ihr schmerzendes Bein durch den Schnee zu ziehen, um neben die Herrin Wallheims zu treten.

»Kommt dir ihr Gesicht bekannt vor?«

Saghanis Stimme klang schadenfroh, als hätte sie auf diesen Moment bereits seit Nanouks Ankunft in Wallheim gewartet. Sie spürte förmlich, wie sich Saghani ihren vermeintlichen Triumph auf der Zunge zergehen ließ.

Adassetts Blick fiel von Saghani auf Nanouk und sie erstarrte auf der Stelle, als sie in das helle Braun seiner Augen schaute. Seine Narbe zeichnete sich klar auf seiner gebräunten Haut ab, zerteilten sein Gesicht waagrecht, wie ein Pinselstrich und hob seine markanten Wangenknochen hervor. Nanouk wusste, dass sie wegschauen sollte, sich diesem schweren Blick entziehen musste, doch brachte es nicht einmal zustanden zu Atmen, als Adassett sie durch seine zotteligen, schwarzen Stirnfransen hindurch nieder starrte.

Dann schnaubte er herablassend und nahm seine stechenden Augen endlich von ihrem Antlitz. »Deswegen bist du also so schadenfroh? Wegen einer Hure?«

Nanouk biss die Zähne zusammen, blieb jedoch still. Was konnte sie schon gegen diesen Hünen ausrichten? Sie hatte es versucht und auf ganzer Länge versagt. Demut und Angst lähmten ihre Glieder und entfachten ein Feuer der Beschämung in ihrem Gesicht. Sie spürte, wie Maha ihr eine feste Hand auf die Schulter legte.

»Du solltest vorsichtig sein, Adassett«, warnte Saghani, doch wich das raubtierhafte Lächeln nicht von ihren Zügen. »Du vernachlässigst deine Pflichten als Wächter des Berges. Schließlich ist sie ganz alleine mit einem deiner Pferde durch den Wald bis an mein Tor geritten. Du hast nicht einmal einen Kundschafter ausgeschickt, um nach ihr zu suchen.«

Gegen Ende hin wurde Saghanis Stimme schneidend und kalt, der Ausdruck in ihren Augen war so verurteilend, dass Nanouk einen seltsamen Stich verspürte. Saghani war wirklich aufgebracht, entrüstet darüber, dass Adassett sie zum Sterben zurück gelassen haben könnte. Als läge Saghani tatsächlich etwas an ihr und Nanouk schluckte heftig.

Saghani war kein Monster. Sie kümmerte sich um sie.

Auf Saghanis Worte hin schien es dem Hünen tatsächlich für einen Augenblick die Sprache verschlagen zu haben, denn er blickte sie einfach stumm von oben herab an, ehe er blinzelte und das erste Mal, seit er von seinem Pferd gestiegen war, huschte etwas anderes als kalte Gleichgültigkeit durch seinen Blick.

Er sah Nanouk ein zweites Mal an und sein Blick wanderte an ihr hinab, bis er erkannte, wie sie ihr Handgelenk umklammerte. Und dann blickte er zurück in ihr Gesicht. Er sah für den Bruchteil einer Sekunde ehrlich irritiert aus, doch entkam ihm kurz darauf schon erneut ein gehässiges Lachen.

»Und du glaubst, Nao kümmert eine von deinen dreckigen Huren mehr als mich?«

Nanouk zuckte zusammen, doch Saghani betrachtete nur ihre Nägel, als sie die Schultern leicht hob. »Ich denke, was Nao kümmert, ist deine Fahrlässigkeit das zu tun, was du zu tun hast. Du versäumst deinen Pflichten nachzukommen, was mich bei dem bedauernswerten Zustand deiner männlichen Eskorte nicht weiter wundert. Was deine Innigkeit mit Nao direkt angeht, so mische ich mich nicht ein.«

Adassetts Lippen verzogen sich zu einem gehässigen, verurteilenden Grinsen. »Verwechsle unsere Positionen nicht. Du magst zwar die Königin der Huren sein, doch immer noch eine Hure. Vergiss nicht, welchen Preis du gezahlt hast.«

Saghanis Lächeln wich von ihrem Gesicht, als eine irre Mordlust durch ihre kristallblauen Augen glitt. »Was du in deiner Arroganz übersiehst, ist die Fähigkeit des Lauerjägers. Der Vogel rühmt sich seiner Federn, tanzt auf der Nase des Wolfes und wiegt sich in der Sicherheit der Lüfte unter seinen Flügeln. Gib acht, Adassett, dass dir dein Hochmut nicht zu sehr zu Kopf steigt. Irgendwann endet auch der Flug des Vogels im Grab.«

Adassett sagte nichts mehr darauf, als prallte diese Drohung einfach an seinem schwarzen Mantel ab und für einen Augenblick war es Nanouk, als wäre sein Schweigen weitaus unheilvoller als jegliches vernichtende Wort, das er an Saghani richten konnte.

Saghani sah zufrieden aus, als sie die Gruppe an Männern beobachtete, wie sie allesamt absaßen und ihre Pferde durch ein am Rande des Platzes gelegenes Tor führten.

Nanouk fühlte förmlich, wie sich eine Last von ihren Schulter hob, als der Hüne und seine Soldaten schließlich nicht mehr zu sehen waren. Saghani deutete Maha und ihr den Dienern zu folgen und Nanouk setzte sich humpelnd in Bewegung.

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Im Inneren des Palastes fühlte sich Nanouk, als schlossen sich die hohen, schwarzen Wände über ihr zusammen, wie ein Grab. Die Decke verlor sich hoch oben in der Schwärze, als sie durch leerer Korridore geführt wurden. Weder Teppiche noch Gemälde täuschten dieser düsteren Residenz Freundlichkeit vor und Nanouk fühlte wie sich ihr die Brust einschnürte.

Sie war bereits nach diesem kurzen Stück schon erschöpft, spürte, wie sich die Schmerzen der Wunde über ihren gesamten Körper ausbreiteten und ihr das Atmen erschwerten. Man führte sie um scharfe Biegungen und breite, flache Treppen hinauf, bis sie schließlich in einem kleinen Saal ankamen, von dem zwei Korridore abzweigten, ihnen gegenüber jedoch bloß ein hohes, schmales Tor aufragte. Zu beiden Seiten der schwarz glänzenden, aus halb opakem Kristall bestehenden Torflügel, standen die ersten Wachen, die Nanouk seit dem Betreten erblickte.

Sie blieb keuchend stehen und lehnte sich gegen die kalten Wände, als einer der Diener nun zu den Wachen schritt und einige Worte mit ihm wechselte. Der Wachmann in schwarzer Rüstung nickte und verschwand durch das hohe, schwarze Tor.

Saghani wandte sich unter dessen an die Palastdiener und erklärte ihnen, dass sie ihre Eskorte bereits in den Festsaal führen sollte. Dann wandte sie sich mit einem Lächeln in den Augen an Nanouk.

»Du brauchst dich nicht fürchten«, sprach sie zu ihr und legte ihr eine warme Hand an die Wange.

Nanouk schluckte, als sie fest stellte, dass sie tatsächlich zitterte. Gedanklich hatte sich diesen Augenblick vollkommen abgeblendet, sie konnte sich nicht erklären, weshalb der Winterkönig sie sehen wollte.

»Aber ich fürchte mich«, gab sie schließlich mit erstickter Stimme zu, nicht in der Lage an sich zu halten.

Adassetts plötzliches Erscheinen, wie er sie genannt hatte, wühlte sie auf, legte ihre Angst wieder bar und raubte ihr jeglichen rationalen Gedanken. Bevor sie Fürst Perrin erblickt hatte, war Nanouk noch nie einem Adeligen entgegen getreten und einem König zu begegnen stand weit unten auf der Liste an Dingen, die Nanouk gerne erleben würde.

Saghani lächelte daraufhin jedoch breit und aufmunternd. »Sorge dich nicht. Du bist in Wallheim stets willkommen. Was auch geschieht, du findest bei mir stets Zuflucht.«

Nanouk biss sich auf die bebenden Lippen und nickte, da sie gar nicht in Worte fassen konnte, was sie in diesem Moment empfand. Und weil sie fürchtete in haltlose Tränen auszubrechen, wenn sie es wagte den Mund zu öffnen.

Saghani lächelte ihr ein letztes Mal zu, als der Wächter wieder durch das Tor trat.

»König Nao empfängt nun das Mädchen.«

Saghani legte ihr eine Hand auf die Schulter und ging mit ihr vorwärts, als der Wächter seine Hellebarde vor das Tor hielt. »Nur das Mädchen, Wallwacht.«

Saghani blieb stehen, Missbilligung breitete sich auf ihren Zügen aus, doch verlautbarte sie diese nicht. Stattdessen drückte sie ein letzte Mal Nanouks Schulter und wandte sich zum Gehen.

»Ich erwarte dich im Festsaal.«

Nanouk nickte und ging mit schlotternden Knien auf das glänzende Tor zu.


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