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⫷ Kapitel 17: Der Jäger und seine Beute ⫸

Auch am nächsten Morgen erschien Ischka an Nanouks Türe, aber diesmal nur, um sie abzuholen und anschließend in die Küchen zu bringen, wo sie wieder neben den anderen Frauen saß und Gemüse schnitt.

Sie schnappte einige Gespräche auf, die sich wie ein leises Lauffeuer in den Küchen ausbreiteten.

»Reiki hat dieses Mal neun getötet!«

»Ich würde ebenfalls nicht gegen ataha Adassett antreten wollen.«

»Neun! Die armen.«

»Lieber erfriere ich, als dass ich ausblute.«

Nanouk blickte sich ungläubig um, doch keine schien dieses Gesprächsthema als ungewöhnlich zu empfinden, die Frauen tuschelten aufgeregt durcheinander und Nanouk fühlte sich seltsam einer Wirklichkeit entrückt, die sie hier in Wallheim umschließen wollte.

»Bevor du erfrierst, fressen dich die Krähen bei lebendigem Leibe. Er kann Tiere befehligen«, raunte die eine.

»Schwachsinn, natürlich stürzt sich alles dort draußen auf ein bisschen Fleisch, das so willig geboten wird«, dementierte die nächste.

»Ich finde es schlimmer, dass er es nicht zu Ende bringt, sondern die Tiere den Rest erledigen lässt. Als wolle er sich nicht die Hände schmutzig machen.«

»Nicht schmutziger als ohnehin schon.«

»Wer ist Reiki?«, fragte Nanouk laut an die an ihrem Tisch sitzenden Damen gewandt. Sie hatte bisher noch nie das Wort an eine von den anderen gerichtet und nun verstummten die sieben Frauen und blickten sie an.

»Du fragst, wer Reiki ist?« Die älteste in der Runde, die Nanouks Großmutter hätte sein können, blickte sie ein wenig ungläubig an.

Nanouk nickte nur und ließ ihre Hände sinken.

»Bist du denn völlig grün hinter den Ohren? Reiki!«

Doch Nanouk schüttelte nur kurz den Kopf und verzog den Mund. »Tut mir Leid, ich kenne ihn nicht.«

Die alte Dame blickte sich kurz um, als hätte sie Angst, dass man sie belauschte. »Reiki ist König Naos Schoßhund. Er ist ein fürchterlicher Geselle, allein seine Aura sprüht schattenhafte Schwärze in alle Richtungen. Er ist ein Unhold.«

»Ein Dämon«, flüsterte Nanouks Banknachbarin mit gesenkter Stimme.

»Er frisst Kinder, Dienerinnen, jeden, den sein Herr und Gebieter ihm überlässt. Er ist grausam und kaltblütig. Und vor allem ein Lügner. Ein gut aussehender, charmanter Lügner.«

»Er tut einfach alles, was der König ihm befiehlt«, nickte die alte Dame und selbst in ihre erfahrenen Augen mischte sich ein Hauch von Angst.

»Bete, dass du ihm niemals begegnen musst. Anaana Saghani hat einen Schutz für uns hier in Wallheim erwirkt.«

Nanouk lauschte diesen Geschichten mit Unbehagen. Es klang viel zu sehr nach dem Gewäsch, das man sich auch in Tallik zwischen den Hütten erzählt hatte. Und wenn tatsächlich ein Dämon im Palast hauste ... wie sollte sie dann jemals an die Kinder heran kommen? Viel schlimmer noch.

»Ich habe morgen eine Audienz beim König«, stellte sie fest. »Wird er dort sein?«

»Er weicht niemals von König Naos Seite.«

Nanouk schluckte benommen. Es wurde immer besser. Doch nach diesem beunruhigenden Gespräch schien eine unsichtbare Mauer zwischen ihr und den anderen zumindest zum Teil eingerissen worden zu sein. Man bedachte sie wenigstens nicht mehr gänzlich mit abschätzigen Blicken, doch das Gerede über diesen Reiki, bescherte ihr einen flauen Magen.

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Am Nachmittag traf Saghani samt ihrer Eskorte wieder in Wallheim ein. Es wurde laut, als die Mädchen und Frauen den Zurückkehrenden entgegen schwärmten. Musik wurde gespielt, Essen herumgereicht und sogar ein eigener Festsaal nur für die Heimkehrenden zur Verfügung gestellt. Nanouk beäugte das Geschehen mit Neugierde, konnte sich aber nicht weiter über die anderen Höflinge erkunden, denn Nauju fing sie ab, um sie in ihr Krankenzimmer zu bringen.

»Was feiern sie?«, fragte Nanouk, als Nauju an ihrem Bett saß und mit seinen warmen Fingern die Salbe auf ihrem Bein verstrich.

Nauju hob kurz den Blick. »Oh, sie verprassen das Geld, welches sie bei den Wetten gewonnen haben«, sagte er schulterzuckend, erntete dadurch allerdings bloß einen schockierten Blick von Nanouk.

»Wetten?! Wer würde denn jemals gegen Adassett wetten?«

»Sie wetten nicht wer gewinnt«, berichtigte Nauju. »Sie wetten, wer von den beiden sie töten darf.«

Nanouk starrte ihn nur weiterhin mit stummem Entsetzen an. Nauju richtete sich ein wenig auf und begutachtete ihr Gesicht. »Das hat man dir gar nicht gesagt.«

Nanouk schüttelte den Kopf. Ijiraq hatte lediglich davon gesprochen sich von den Festen des Winterkönigs fernzuhalten. Doch nicht von welchen und weshalb.

»Tja, wenn den Leuten langweilig wird, sie in Geld schwimmen und der Tag lang ist, dann muss man sich ja irgendetwas einfallen lassen.«

»Und deswegen wetten sie auf Menschenleben? Wenn ihnen die Zeit auf der Zunge zergeht und sie Gold ohne Ende haben, warum setzt sich dann niemand gegen diese abscheulichen Praktiken durch?«, fragte sie erzürnt und konnte einfach nicht begreifen, wie es Menschen gab, die in der Lage waren, aus einer Hinrichtung ein Wettspiel zu machen.

Doch Nauju hob bloß erneut unbeteiligt die Schultern. »Warum sollten sie? Sie haben alles, was sie wollen. Vollgefressen, faul und gemütlich. Ich dachte, du wüsstest wie der Adel lebt.«

Nanouk schüttelte nur den Kopf. Wie konnte irgendjemand still daneben sitzen und diese Abscheulichkeiten passieren lassen? Doch sie blieb stumm und schluckte das Gefühl des Verrats, der Enttäuschung und der Machtlosigkeit hinunter. Was konnte sie schon ausrichten mit einem lahmen Bein und nichts in der Hand?

Auch Nauju schwieg, ob aus Betroffenheit oder Teilnahmslosigkeit vermochte Nanouk nicht zu sagen. Sie wusste nur, dass das bedrückende Gefühl in ihrer Brust immer stärker wurde und sie sich einmal mehr den Rat ihres ataaq herbeisehnte. Sie dachte an ihren Traum und das Gefühl der Einsamkeit wurde beinahe unerträglich.

»Was war das für ein Stück, das Ihr gestern gespielt habt? In dem Musikzimmer«, wollte Nanouk schließlich wissen, als Nauju seine Sachen packte, jetzt jedoch kurz inne hielt.

»Nichts besonderes. Eine Melodie eben.«

Nanouk nickte, nun doch ein wenig enttäuscht, dass er nicht mehr zu sagen hatte. »Sie klang wunderschön.«

Daraufhin wandte sich Nauju zu ihr um und bedachte sie mit einem selbstgefälligen Grinsen. »Natürlich war sie das. Alles an mir ist wunderschön, ich könnte dir auch anderes zeigen-«

»Vergesst, dass ich gefragt habe!«, unterbrach sie ihn energisch und spürte, wie ihr die Hitze in die Wangen stieg.

»Dann ruh dich gut aus, Nanouk. Du wirst deine gesamte Kraft morgen brauchen«, grinste Nauju und verschwand aus ihrem Zimmer.

Aber was auch immer diese Melodie für ihn bedeutete, hatte er mit keinem Spott der Welt aus seinen ockernen Augen drängen können und Nanouk fragte sich in der Dunkelheit ihres Zimmers, was es wohl war, das Nauju so verzweifelt herbeisehnte. Welcher Teil in seiner Melodie ihrer eigenen Sehnsucht entsprach.

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Nanouk wurde am nächsten Morgen früh geweckt. Maha trat in ihr Zimmer, fröhlich, geschäftig und mit rosigen Wangen, sodass Nanouk ein Gefühl der Erleichterung verspürte, sie wohlauf zu sehen. Sie schob sich extra aus dem Bett, um sie zu umarmen. Es war selbst nach nur zwei Tagen, in denen sie mit Ischka hatte vorlieb nehmen müssen, eine wahre Erleichterung ihre goldblonden Haare und die freundlichen grauen Augen zu sehen.

»Uff«, stieß Maha erstaunt aus und erwiderte Nanouks Umarmung zögerlich, doch herzlich. »Ich hoffe deine Verzweiflung rührt nicht von ataha Naujus Aufdringlichkeit her!« Sie lachte dabei, also schüttelte Nanouk ebenfalls lächelnd den Kopf.

»Nein. Nicht unbedingt. Ich war nur ... ich habe mich einsam gefühlt, als du fort warst. Vor allem nachdem, was die anderen Frauen über diesen Reiki erzählt haben.«

Maha beäugte sie mit leicht belustigtem Blick und deutete ihr schließlich zu folgen. »Ach? Nein, keine Sorge, Reiki zeigt kein Interesse an uns. Nicht auf diese Art jedenfalls. Ich habe meine Nacht mit ataha Siku verbracht«, raunte sie Nanouk zu, als sie durch den Korridor und dann die Treppen langsam hinunter stiegen.

Nanouk horchte auf, bei der Nennung dieses Namens. Maha wirkte zufrieden, sie sah aus, als hätte sie es tatsächlich nett gehabt und Nanouk wunderte sich, weshalb Ijiraq sie vor jemandem warnte, der offensichtlich selbst bei einer so kritischen Frau wie Maha leichte Röte auf den Wangen hervorrief. Sie beobachtete Maha aus zusammengekniffenen Augen, sodass sie erst merkte, wo sie sich befanden, als Maha sie in einen Waschraum brachte.

Es war ein anderer, als der, in dem sie ihren ersten Tag in Wallheim verbracht hatte, obwohl er diesem ähnlich war. Auch hier gab es Regale voller Seife, weicher Tücher, Porzellanschalen mit getrockneten Blütenblättern, Ölen und schränkeweise sorgfältig aufgehängte Tuniken. Schwarze, wie bunt bestickte.

Nanouk legte den Kopf schief, als sie vier andere Mädchen und Frauen erblickte, die bereits erwartungsvoll neben der gefüllten Wanne standen und allerlei Badeutensilien in Händen hielten. Misstrauisch blickte Nanouk zwischen ihnen und Maha hin und her.

»Es geht heute früh los«, meinte Maha auf ihren fragenden Blick hin und deutete auf die Wanne. »Du hast heute deine Audienz beim König und anaana Saghani möchte, dass du sorgfältig gewaschen und eingekleidet wirst.«

Nanouk öffnete den Mund, doch ihr fielen keine Worte darauf ein, die sie wagte zu äußern. Wie hatte sie das vergessen können? Über das seltsame Gefühl der Sehnsucht, als sie an Naujus Melodie dachte und dann die Wiedersehensfreude mit Maha, hatte sie vollkommen vergessen, dass sie heute an den Hof gehen musste. Um dem Winterkönig unter die Augen zu treten.

»Du siehst aus, als hättest du saure Milch getrunken«, schalt sie Maha gleich daraufhin und schob sie hinüber zur Wanne. »Das ist eine Ehre. Er lässt für gewöhnlich niemanden an sich heran bis auf seine fünf Generäle und Reiki.«

»Generäle?«

Maha winkte ab. »Ach, du magst sie seine Getreuen nennen, doch finde ich, Generäle passt einfach besser. Schließlich haben sie alle ... nun.« Die junge Frau verzog das Gesicht, als hätte sie sich zu viel herausgenommen. »Sie alle sind schließlich im Kampf erprobt.«

Nanouk schnaubte düster durch die Nase. »Adassett macht selbst dem Gemunkel im Tal in dieser Hinsicht alle Ehre.«

»Ataha Adassett«, verbessert sie Maha und deutete Nanouk nach vorne zur Wanne zu treten. »Und ja, ich verstehe deine Neigung. Dennoch ist er ein Mann des hohen Standes und als solchen müssen wir ihn auch adressieren.«

Nanouk hielt sich zurück, zu verlautbaren, was sie von Männern hohen Standes hielt und verdrängte Adassetts angsteinflößendes Gesicht aus ihren Gedanken. Er hatte ihr nicht nur beinahe das Handgelenk gebrochen, sondern auch ihr einziges Jagdmesser gestohlen, ganz zu schweigen davon, was er sich zu Schulden hatte kommen lassen, indem er Qiuq nicht retten konnte.

Nanouk überließ sich zerknirscht den vier Damen, die sie energisch und bevormundend abschrubbten, ihre Nägel putzten und ihre Haare in warmem Wasser ausbürsteten. Als wäre sie kein Mensch, sondern ein Zuchtstute, welche auf dem Wochenmarkt von ihrer schönsten Seite zu zeigen war. Sie wollte dem Winterkönig aber nicht vorgeführt werden wie ... ein Stück Ware. Oder wie ein Stück warmes Fleisch.

Nanouks Nackenhaare prickelten, als sie an Fürst Perrin zurückdachte, sich überhaupt an die grausigen Minuten in der Halle des Handelskontors zurückerinnerte. Kam ein Fürst wie er an einen Hof wie diesen? Bei dem Gedanken Fürst Perrin hier in den Gängen zu begegnen, drehte sich ihr der Magen um. Doch sie bezweifelte, dass sie jemals wieder irgendjemandem aus ihrem alten Leben begegnen würde. Dafür war sie zu tief im Zittergebirge, zu nah an der Quelle allen Übels.

Mit Ajat gemeinsam hatte sie jahrelang hinter vorgehaltener Hand geschimpft, sich über den Winterkönig und seine Schmeichler lustig gemacht, Freude daran gefunden seine ungebrochen geglaubte Macht über sie alle als Einbildung abzutun. Doch dies waren bloß Hirngespinste zweier Kinder gewesen, die darüber hinausgewachsen waren die Versäumnisse der Welt persönlich zu nehmen, bis man diesen Versäumnissen einen Namen geben hatte können. Und jegliche zuvor besessene Haltung vor der Härte des Lebens war zerschellt.

Sie hatte sich immer ausgemalt dem Winterkönig all diese Wut entgegen zu schleudern – aber in einer anderen Welt, unter anderen Umständen. Bewaffnet mit scharfer Zunge und blitzendem Speer, nicht in flüchtiger Kleidung und lahmem Bein. Ajat hätte ihr beigestanden und sie, wenn es sein musste, auch eigenhändig hinauf ins Gebirge getragen, damit sie dem Winterkönig vor die Füße spucken konnte. Und dann hätte er gelacht, ihr heftig auf den Rücken geschlagen und behauptet, sie hätte den Charme eines wilden Schneebären.

Nanouk schluckte und versuchte den drückenden Ballon der Trauer aus ihrer Lunge zu zwingen. Denk nicht mehr an ihn. Das war einmal.

Hier hatte sie niemanden mehr, außer Maha und die leise Vermutung, dass sie in Wallheim besser aufgehoben war, als am Hof, wo Adassett lebte. Ihr blieb nichts anderes übrig als zu tun, was man ihr auftrug und zu versuchen nicht negativ aufzufallen. Nicht negativer jedenfalls, als sie es bereits getan hatte, auch wenn Nauju ihre Aufmüpfigkeit noch immer mit Erheiterung aufgenommen hatte.

Also ließ sie sich ohne Widerworte trockenrubbeln und anschließend von Maha in eine seidene Tunika stecken. Der Stoff war so fein, dass Nanouk ein Schauer über den Rücken lief. Wie eine kühle Frühlingsbrise, wie die Berührung einer Feder schmiegten sich die vielschichtigen Lagen um ihren Körper. Ein etwas robusterer, mit blauem Enzian bestickter Brokat drückte die feinen Lagen um ihre Körpermitte fest und reichte ihr knapp bis zu den Knien. Die Seidentücher fielen kaum länger bis zu den Waden und Nanouk hoffte vergebens, dass sie vielleicht dieses Mal doch in eine Hose schlüpfen durfte. Aber alles, was ihre nackten Beine von der Außenwelt abschirmte, waren erneut die weißen Strümpfe und lächerliches, leichtes Schuhwerk.

Das einzige, was die leichte Tracht zusammenhielt, war ein blutroter Seidengürtel, den Maha ihr um den Bauch band. Auch ihre Haare durfte sie nicht lassen, wie sie es gewohnt war. Anstatt, dass man ihr die Strähnen zu einem dicken Zopf flocht, drückte Maha Nanouk vor einer breiten Frisierkommode auf einen gepolsterten Schemel und griff nach einem Kamm.

»Nein«, entkam es Nanouk noch bevor Maha ihre Haare berühren konnte. Sie lehnte sich nach vorne, versuchte verzweifelt ihrem Spiegelbild auszuweichen und wandte sich um.

Maha blickte sie mit zusammengekniffenen Augen an und schaute dann hinüber zum Fenster, in dem sich die ersten Sonnenstrahlen zeigten. »Nein? Nanouk, es ist Tradition, dass sich die Mädchen Wallheims die Haare hochbinden. Wir dürfen nicht trödeln, denn anaana Saghani möchte pünktlich zum Vormittagsbankett am Schloss sein.«

Nanouk schluckte hart, als sich ihre Finger in ihren Haaren verkrampften. Wie konnte sie es erklären, dass es außer Frage stand, ihren Nacken zu entblößen? Alleine an den Schandfleck unter ihrem Atlaswirbel zu denken, versetzte sie ihn tiefe Unruhe.

»Bitte«, brachte sie völlig erstarrt hervor, nicht fähig ihre Angst und ihre Schande in Worte zu fassen.

»Nanouk ...«

»Es ist alles so ungewohnt«, brachte Nanouk hervor und zwang sich dazu ihre klammen Finger zu lösen. »Die Haare als schützendes Gewicht auf dem Rücken zu fühlen, beruhigt mich.«

Daraufhin seufzte Maha und ließ die Hand mit dem Kamm sinken. »Achso.« Sie klang ehrlich bestürzt dabei und legt den Kopf schief. »Das tut mir Leid, ich hatte gar nicht daran gedacht. Es gibt auch schöne, traditionelle Frisuren in Wallheim, die nicht zwangsweise reine Hochsteckfrisuren sind«, lächelte Maha dann aufmunternd und Nanouk ließ ihre Haare zögerlich los.

»Danke.«

Maha hielt Wort. Sie erlaubte sich lediglich einige Zöpfe zu einer Krone auf ihrem Haupt zu flechten, damit sie ihr nicht ins Gesicht hingen. Nanouk entspannte sich, blickte aber dennoch starr auf ihre Hände, da sie der dunkle Blick aus dem Spiegel nach wie vor zu verurteilen schien.

Als Nanouk aber Mahas Hände betrachtete, die aus den Laden der Frisierkommode Schatullen gefüllt mit unglaublich filigranen Schmuckstücken hervorholten, kam das Gefühl der Panik augenblicklich zurück. Maha, die Nanouks kreidebleiches Gesicht im Spiegel erhaschte, stellte die Schmuckschatullen ungläubig auf die Kommode.

»Schmuck willst du auch keinen tragen? Nein, tut mir Leid, der Saphir ist das Hauszeichen anaana Saghanis, du wirst ihn tragen.«

Nanouk schluckte gegen die Bitterkeit in ihrem Rachen an und spürte, wie sich bereits ein kalter Schweißfilm auf ihrer Haut bildete. Kein Schmuck, dachte sie benommen bei sich, als ihr das funkelnde Silber und Gold vor Augen verschwamm. Sie konnte schlichtweg nicht. Nicht, wenn ihr die eisige Kälte der See wieder und wieder in den Kragen stürzte und das erschrockene, verblüffte Gesicht ihres Bruders vor ihren Augen verschwamm. Es war doch bloß ein verirrter Sonnenstrahl gewesen.

Doch noch ehe sie etwas erwidern konnte, wurden Stimmen vor dem Waschsalon laut und Mahas Aufmerksamkeit wurde ganz und gar von Saghanis wütendem Tonfall gefangen, der durch die Türe drang.

»Es ist mir völlig gleich, was er bringt und wen er sucht«, fauchte die Dame erbost. Die Stimme ihres Gegenübers war allerdings nicht zu vernehmen. »Das kann er ihr doch auch noch am Hof überreichen, ich will ihn hier in Wallheim nicht sehen. König Nao weiß das!«

Die Türe zum Waschraum öffnete sich und Nauju schlüpfte herein, während Saghani draußen weiter zeterte.

»Ataha Nauju«, sagte Maha überrascht, als sie und die vier anderen Damen sich verneigten.

Naujus helle Augen huschten einmal im Raum umher und erfassten Nanouks wächsernes Gesicht. »Vielleicht solltet ihr der Herzensguten zur Hand gehen. Na los«, grinste Nauju amüsiert und deutete den Frauen, den Raum zu verlassen.

Mit einem unbehaglichen Seitenblick zu Nanouk, nickte Maha und scheuchte die anderen ebenfalls hinaus. »Ich bin bald zurück.«

Als sich die Stimmen hinter der Türe entfernten, schluckte Nanouk und das Geräusch fühlte sich in der plötzlichen Stille laut in ihren eigenen Ohren an. Sie hob den Blick, als Nauju seufzte. Sein Mundwinkel zuckte, als er unterdrückte, was ihm auf der Zunge lag und gemächlich zu Nanouk und der Frisierkommode hinüber schritt.

»Saghani ist immer so aufgebracht wenn Naos Bluthund hier auftaucht.«

Nanouk, die sich gezwungen hatte, zu beruhigen, erbleichte aufs neue. »Reiki ist hier

Nauju hob nur eine belustigte Augenbraue und suchte in ihrem Gesicht nach einer Antwort auf die unausgesprochene Frage in seinem Kopf, fand sie und fing an zu grinsen. »Oh ja, die grausame Bestie, die Naos blutigem Handwerk nachgeht steht vor Wallheims Toren. Und verlangt nach dir.«

Nanouk stockte der Atem, als sie erschrocken zurück zur Tür blickte. »Was will er von mir?«

Nauju hob nur die Schultern, als er sich mit der Hüfte gegen die Kommode lehnte. »Das zu erfahren reizt mich seit deiner Ankunft ebenso sehr wie Saghani.«

Nanouk schluckte und zwang sich wegzusehen. Stattdessen betrachtete sie Nauju dabei, wie er anfing den Schmuck aus den Schatullen zu nehmen und zu inspizieren.

»Warum ist Saghani dermaßen aufgebracht, wenn sie ... Naos Diener Rede und Antwort zu stehen hat? Ich dachte, sie und der König würden sich verstehen.«

Nauju hob seine Augenbrauen und fuhr mit dem Daumen seiner manikürten Hände über einen großen, geschliffenen Saphir, der Teil eines unglaublich feinen Haarnetzes aus Gold war.

»Sie sind sich einmal nahe gestanden«, sagte er dann leise, doch die dunklen Gedanken, die in seiner Stimme mitschwangen, verpufften alsbald er wieder anfing zu grinsen. »Verrate ihr bloß nicht, dass ich das gesagt habe. Sie würde mich mit ihren Zähnen in der Luft zerfetzen!«

Nanouk versuchte einen Sinn hinter seinen Worten zu verstehen, die vielen Schichten seines makaberen Humors abzutragen, doch scheiterte. »Warum sollte mich das interessieren? Ich bin kaum eine Woche hier.« Und gedenke auch nicht länger als nötig zu bleiben.

»Ein einhalb, um genau zu sein«, berichtigte sie Nauju geschäftlich und ließ das Haarnetz zurück auf den Tisch gleiten. »Ich dachte, ich hätte da so etwas ähnliches wie Wissbegierde in deinem Blick gesehen«, fügte er mit einem listigen Funkeln in den Augen hinzu. »Du brennst darauf zu erfahren, was es wohl ist, das Saghani so aufbringen kann.«

Ihre Blicke trafen sich, Naujus hinterlegt mit genau dieser Haltung, welche Nanouk seit ihrer ersten Begegnung die Zähne blecken ließ. Herablassung und ein Hauch von sicher geglaubter Überlegenheit, als wisse er um Nanouks Weg aus dieser Zwickmühle und teilte es ihr bloß deshalb nicht mit, weil er sie gerne straucheln sah.

Also schwieg sie trotzig um ihr letztes, verbliebenes Ehrgefühl nicht zu verlieren, von welchem sie ohnehin kaum eines mehr besaß. Schließlich stand sie praktisch nackt vor diesem kampferprobten General, wie Maha sie allesamt genannt hatte und war seinen neugierigen Blicken ausgesetzt. Doch konnte Nanouk an Naujus schlanker Statur absolut nichts kriegerisches erkennen, das sie sehr wohl alleine bei dem Gedanken an Adassetts Ausstrahlung verspürte.

»Ich frage mich«, begann Nauju zögerlich, als müsse er überlegen, was er sagte. »Was meinst du, Nanouk? Ein Wolf, der am Verhungern ist, wird wohl kaum die Beute aufgeben, die er für sich sicher glaubt, oder?«

Nanouk runzelte irritiert die Brauen. Der Themenwechsel war so abrupt, dass sie sogar überdies vergaß, an Reiki zu denken, der sich irgendwo hier in Wallheim aufhielt. »Natürlich gibt ein Wolf, der am Verhungern ist, seine Beute nicht auf.«

Nauju blickte sie interessiert an. »Auch nicht, wenn ein kräftiger Konkurrent kommt, um ihm die Beute streitig zu machen?«

»Ist der Wolf alleine? Hat er ein Rudel, Welpen?« Nanouks Verwirrung vertiefte sich, als sie versuchte zu verstehen, weshalb sie auf einmal über die Jagd sprachen. Vor allem, nachdem Nauju ihr explizit gesagt hatte, dass dies nicht die Art von Arbeiten waren, welche man hier von ihr erwartete.

Nauju lachte amüsiert. »Er hat wohl Welpen, das könnte man so sagen.«

»Dann wird er seine Beute verteidigen.«

Nauju bedachte sie mit einem forschen, belustigten, doch ebenso nachdenklichen Blick. »Und meinst du, kann sich die hungrige Möwe hinter den raufenden Parteien vorbei schleichen, ehe der ebenso hungrige Jäger kommt?«

Nanouk verzog das Gesicht. »Wenn Ihr einen Jäger in dieses Beispiel einbringen möchtet, dann fürchte ich, geht der Wolf und sein Kontrahent leer aus.«

»Und die Möwe?«, wollte Nauju wissen und drehte einen ebenfalls mit Saphiren besetzten Ring zwischen den Fingern.

Nanouk schnaubte, langsam wurde ihr diese geheimniskrämerische Fragerei zu bunt. »Die Möwe? Die landet gemeinsam mit der gestohlenen Beute im Kochtopf. Warum erfragt Ihr das alles? Ich bezweifle, dass Ihr nach einer geeigneten Strategie für die Jagd sucht.«

Nauju biss sich auf die Unterlippe, als er sie erneut mit diesem verschwörerischen Blick musterte. »Dabei hast du die entscheidende Frage noch gar nicht gestellt«, sagte er und legte den Ring ebenfalls zurück auf die Kommode.

Er beugte sich näher zu ihr hinunter und drückte ihr Kinn leicht nach oben, sodass Nanouk ihn irritiert anblinzelte. Er war ihr noch nie so nahe getreten und die Nähe seines Gesichts brachte ihr Herz zum Stolpern. Er roch nach frischer Wäsche und dem rückständigen Duft von Kräutern, Erde und Kork. Sein Blick fiel auf ihre Lippen, die sie nun unruhig und abweisend zusammenkniff.

»Wer ist wohl der Jäger, Nanouk?« Seine Stimme war leicht und leise, mehr wie ein sanfter Hauch, doch vollkommen frei von seinen üblichen Neckereien, sodass Nanouk eine merkwürdige Regung verspürte. Er hatte noch nie so nachdenklich gewirkt wie eben, als er sie aus seinen unnatürlich hellen Augen musterte und seine weißen Haare feine Schattierungen über sein Gesicht zeichneten.

Als sie ihm aber keine Antwort gab, teils, weil sie nach wie vor viel zu irritiert über den Inhalt dieser Frage war, teils, weil sie so nahe an seinem Gesicht nicht wagte zu sprechen, ließ Nauju ihr Kinn los und trat andächtig von ihr zurück.

»Saghanis Blau steht dir übrigens ausgezeichnet. Das Rot ... weniger.«

Nanouk blickte an sich herab und verspürte erniedrigende Scham darüber, dass ihre Kleidung so durchsichtig und ihr Ausschnitt viel zu tief war. Sie rümpfte die Nase, als Naujus Augen genüsslich an ihr auf und ab wanderten.

»Erzähl mir am Abend, was du von unserem ruhmreichen König hältst.«

Verärgert verschränkte Nanouk die Arme vor der Brust. »Ihr kommt nicht mit?«

Nauju lachte dieses Mal laut und unbefangen, als hätte sie einen unglaublich komischen Witz gemacht. »Ich vermeide es, wo ich kann. Leider werde ich am Ende der Woche, so wie jeder, in Naos Festsaal Platz nehmen.«

»Wie jeder?«, presste Nanouk mit einem Funken Furcht in den Adern.

»Jeder seiner fünf Getreuen.«

»Seine Generäle?«

Nauju verzog den Mund über diesen Ausdruck. »Nenn die anderen wie du willst.«

Er zwinkerte ihr zu, als Nanouk bereits wieder den Mund für eine Myriade an Fragen öffnete, doch keine Sekunde später öffnete sich die Türe zum Waschraum und Maha trat gemeinsam mit Saghani ein.

Die Herrin Wallheims sah genauso beeindruckend und furchteinflößend aus, wie Nanouk sie in Erinnerung hatte. Doch in dem hellen Licht wirkte sie sogar noch eine Spur bedrohlicher, als in dem gedämpften Licht ihres Krankenzimmers. Der Schmuck in ihrem Haar und um ihren Hals funkelte blendend im Licht der Glaslampen. Ihr schwarzer Mantel, mit dem weiten, eleganten Pelzkragen verlieh ihr eine Haltung, die Nanouk beinahe an eine richtige Königin denken ließ.

Sie sah auf irgendeine verstörende Weise aus wie ein Raubtier, das auf den ersten Blick wunderschön und weich wirkte, jedoch keine Sekunde benötigte, um ihre Fänge zu zeigen. Wie eine Wölfin, dachte Nanouk bei sich und wunderte sich, ob diese Eingebung durch Naujus merkwürdige Fragen über die Jagd entstanden war.

»Und? Weswegen hat dir Nao seinen kleinen Schoßhund aufgezwungen?«, wollte Nauju wissen und trat zurück, als Maha sich wieder an Nanouk zu schaffen machte. Diese versuchte das Zittern in ihren Gliedmaßen zu unterdrücken und nicht zu heftig vor der Berührung des kalten Metalls auf ihrer Haut zurück zu zucken.

»Er hat ein Geschenk gebracht«, erklärte Saghani verstimmt und rückte sich das tief ausgeschnittene, nachtblaue Samtkleid zurecht. Als sie sich bewegte blitzten unzählige, winzige Schmucksteine auf dem Stoff auf, welche das Kleid tatsächlich wie den funkelnden Nachthimmel aussehen ließen.

»Für dich«, fügte Saghani dann hinzu und blickte in Nanouks Richtung. »Er hat darauf bestanden. Warum auch immer du ihn interessieren solltest.«

Es klang nicht wie ein Vorwurf, mehr wie eine völlig legitime Frage, auf die Nanouk aber selbst keine Antwort wusste. Nauju hingegen grinste in sich hinein und begutachtete völlig übertrieben den Inhalt eines der Porzellangefäße auf dem Regal.

»Schön. Mir soll es einerlei sein. Lass mich sie ansehen.«

Saghani begutachtete Mahas Werk und verstärkte durch ihren akribischen Blick bloß das Gefühl, eine Zuchtstute zu sein. Nanouk sagte nichts, lächelte bloß – wie sie hoffte – dankbar und ließ sich von allen Seiten betrachten.

»Bloß hast du ihr die Haare nicht hochgebunden«, bemerkte Saghani ein wenig unzufrieden. »Du weißt, was sie signalisieren. Unterwürfigkeit. Es ist billig.« Ihr Gesichtsausdruck verzog sich zu einer angewiderten Grimasse, doch als Maha ihr erklärte, was es damit auf sich hatte, glätteten sich ihre Züge ein wenig.

»Na schön. Doch was ist denn das?« Saghani trat wieder an Nanouk heran und strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Dabei glitten ihre Fingerkuppen über Nanouks Narbe und sie spannte sich kaum merklich an. »Ach. Wenn deine Haut nicht so dunkel wäre, würde man diesen Makel gar nicht sehen. Was meinst du, Nauju?«

Nanouk biss die Zähne noch ein wenig fester zusammen, als sie sich zusammenreißen musste, nicht unter Saghanis Berührungen hinweg zu tauchen. Sie merkte auch ohne Kommentare, dass sie anders aussah, als die meisten hier in Wallheim. Dass ihre Nase breiter und flacher war, ihre Haut gebräunt und vom Wetter gezeichnet, ihr Körper sehnig statt rund und weich, wie Mahas und ihre Wangenknochen Aufgrund des langen Hungers scharf hervorstachen.

Sie blickte hinüber zu Nauju, den Saghani unverblümt nach seiner Meinung gefragt hatte und in Nanouk ballte sich die Wut und die Scham zusammen, als er ihr dieses Mal jedoch ungebrochen in die Augen blicke und dann mit seinem üblichen Lächeln die Schultern hob.

»Deine Saphire reflektieren das Antlitz des Betrachtenden ohnehin so mannigfaltig, dass es keine Rolle spielt, was sie sonst noch trägt.«

Saghani stieß einen empörten Laut aus und bedeutete dann Maha und Nanouk sich in das Foyer zu begeben. Nanouk warf einen letzten Blick über die Schulter und erkannte Nauju, der ihr zuzwinkerte.


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