Kapitel 15
Teilnahmslos zog er sich das neue Shirt über, während ich den Boden unter den Füßen verlor.
Mein Kopf drehte sich. Für einen Moment verschwamm der Raum mitsamt Draco zu einem Strudel. Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen, keinen sinnvollen.
Alles war leer.
Ich war leer.
"Du kannst gehen, wenn du willst." Seine Stimme war stumpf. Er setzte sich auf die Kante von Blaise Bett. Starrte auf den Boden. Mit der Erwartung, ich würde aus diesem Zimmer stürmen und ihn samt allem was ich weiß zurücklassen.
Mit der Erwartung, jeder würde so reagieren, wenn er von dem Mal erfahren würde.
Oder schlimmer -
"Aber bitte versprich mir es niemandem zu erzählen."
Meine Beine zitterten, nein. Eigentlich zitterte mein ganzer Körper wie Espenlaub.
Immer noch starrte ich auf die Stelle, an der er gerade noch stand.
Auf die Höhe seines linken Arms.
Auf die dunklen Striche die sich in seine Haut gebrannt hatten.
Er war doch noch so jung.
"Entweder du sagst etwas, oder du gehst." Seine Füße wippten nervös auf und ab.
Doch ich war nicht in der Lage etwas zu sagen.
Mein Mund war wie verschlossen. Selbst wenn ich könnte, was sollte ich sagen?
Langsam ließ ich mich auf den Boden sinken. Mein Mund leicht geöffnet, falls sich doch die richtigen Worte in meinem Mund bilden sollten.
Der Boden gab mir ein wenig Halt, doch ich war mir nicht sicher, wie lange mein Kopf diesen Wirbelsturm noch im Zaum halten konnte, bevor er ausbrach.
Ich die Kontrolle über meinen Körper verlieren würde.
Stille. Riesige und unaufhaltsame, dunkle Stille.
Ich hatte einen Deal mit dem Teufel im schwarzen Anzug gemacht.
Blind für etwas unterschrieben und mit hoher Wahrscheinlichkeit meine Seele verkauft.
Doch auch wenn mir der Gedanke Angst machte, verspürte ich nicht das Bedürfnis zu gehen.
Zu wenig wusste ich von allem, was sich hier vor meinen Augen offenbarte.
Draco hatte sich mir anvertraut.
Er hatte mir sein Vertrauen geschenkt.
Und ich hatte versprochen ihm Sicherheit zu schenken.
Verdammt, wie auch immer das möglich sein sollte.
Er war ein Todesser. Und wahrscheinlich dazu noch der Jüngste.
Wie konnte es soweit kommen?
Mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen bei dem Gedanken, wie er Voldemort gegenüberstand. Wie der Zauber sich durch sein Fleisch brannte. Wie er schmerzvoll das Gesicht verzog. Ein eiskalter Schauer lief über meinen ganzen Körper.
"Maura." Er war aufgestanden. Sein Körper überragte meinen. Seine Augen fixierten mich auf dem Boden.
"Ich werde nichts sagen.", flüsterte ich.
"Willst du gehen?" Ich schüttelte nur leicht den Kopf.
Nein. Aber ich weiß auch nicht, was ich will.
Ich sollte rennen, so weit und so schnell ich nur konnte.
Aber was war richtig und was war falsch?
Wusste ich das überhaupt noch?
"Schau mich an."
Wieder ein Kopfschütteln. Auch das konnte ich nicht.
Ich konnte hier sitzen. Ich konnte abwarten bis das überwältigende Gefühl vorbeiging.
Falls es überhaupt jemals vorbeigehen würde.
Ich konnte versuchen die Oberhand über meine Gedanken und Gefühle zu behalten, nicht die Kontrolle zu verlieren.
Doch plötzlich prasselten tausend Fragen wie ein Regenschauer auf mich herab.
Voldemort. Todesser. Zauberkrieg. Muggelstämmige. Halbblüter.
Was würde mit den Menschen passieren. Meschen wie Hermione?
Hatte Draco jemals jemandem weh getan?
Mein Herz verkraftete diese Gedanken nicht.
Die Kontrolle rutschte mir aus den Händen.
"Hast du jemals jemandem wehgetan?", murmelte ich.
Er kniete sich vor mich. Doch ich nahm ihn kaum war.
Wie ein Schatten spürte ich seine Präsenz, mehr aber auch nicht.
"Nein."
"Wieso -"
"Das werde ich dir nicht sagen."
Nervös zog ich an meinen Fingern, musste irgendwas tun um meinen Kopf abzulenken.
"Wieso?"
Er setzte sich hin. Seine Beine verschränkt. Nur wenige Zentimeter von mir entfernt.
"Ich habe gesagt ich werde dich nicht in Gefahr bringen und alles was du weißt, bringt dich in Gefahr. Deswegen kann ich es dir nicht sagen, Maura."
Seine Worte ergaben Sinn. Irgendwo. Irgendwann.
Doch ich wollte keinen Sinn. Ich wollte wissen wieso.
Ich wollte Antworten auf jede einzelne Frage.
"Weiß es jemand?"
"Außer dir? Nein."
Langsam hob ich meinen Blick. Glitt über seinen Körper. Seinen Arm. Bis hin zu seinem blassen Gesicht. Seinen grauen Augen. Gefüllt mit Traurigkeit.
Und so viel Wut auf diese Welt.
"Ich verstehe das nicht." Er atmete tief ein und langsam wieder aus.
"Irgendwann wirst du es verstehen."
"Irgendwann ist mir zu spät."
"Ich bringe dich nicht in Gefahr. Das könnte ich mir in keinem dieser Leben verzeihen. Bitte, vertrau mir. Du musst mir vertrauen."
Vertrauen.
Das Stichwort des heutigen Abends.
Für mich saß dort Draco. Das Puzzle setzte sich nicht zusammen.
Es fehlte ein riesiges Stück, welches mich das gesamte Bild betrachten ließ.
Ich versuchte es zu finden. In seinem Verhalten in den letzten Tagen. In den Schlagzeilen die ich allesamt gelesen hatte. Aber es fanden sich keine neuen Teile an.
Das Loch blieb.
"Ich bin dir nicht böse, wenn du aussteigen willst. Ich hätte es dir von Anfang an sagen sollen. Es war egoistisch es nicht zu tun. Ich wollte noch ein bisschen mehr Zeit mit dir verbringen."
Ich fuhr mir durch die Haare. Würde am liebsten 50 Mal hintereinander durchfahren um mich irgendwie abzulenken.
"Okay halten wir fest -.", begann ich, doch meine Stimme gab einen Moment lang nach.
Ich schluckte schwer.
"Seit den Sommerferien bist du ein Todesser. Denn davor habe ich dich oft genug kurzärmlig gesehen. Du verschwindest Hals über Kopf aus Hogwarts und kommst erst nach den Ferien zurück. Mit dem dunklen Mal auf deinem Arm. Dein Vater sitzt in Askaban. Und Voldemort -"
Meine Brust schnürte sich zu. Ein prickelndes Gefühl machte sich in meinem ganzen Körper breit. Ich hatte das Gefühl nicht Atmen zu können. Alles stand in Flammen und drohte mich niederzubrennen. Die Oberhand über meinen Körper hatte ich abgegeben. Sie war mir aus der Hand gerutscht und auf dem Boden zersprungen. Ich rang nach Luft, doch da kam nichts. Nichts füllte meine Lungen. Ich stützte mich haltsuchend auf dem Boden ab. Begann zu Husten.
Dann spürte ich Draco's Arme um meinen Körper. Seine Stimme, die versuchte zu mir durchzudringen. Doch sie war nur ein weit entfernter Ton, ein Piepen.
Die Verzweiflung drohte mich zu übermannen.
"Maura. Du musst atmen." Ich hustete, spürte salzige Tränen in meinem Mund.
Die Panikattacke versetzte mich in die Zeit kurz nach dem Tod meiner Schwester.
Es war zu viel. Es war alles viel zu viel.
Ich spürte wie Draco mich hoch hob, kurze Zeit später wieder auf dem Bett niederließ. Er legte sich neben mich, verteilte Küsse auf meinem Scheitel, streichelte meinen Rücken, meinen Arme, meine Wange. Fing die Tränen auf die unkontrolliert liefen.
"Alles wird gut.", flüsterte er in mein Ohr. Ich versank mein Gesicht an seinem T-Shirt. Spürte die Wärme die sein Körper ausstrahlte, spürte seinen viel zu schnellen Herzschlag.
Roch den vertrauten Geruch von Minze.
Er war immer noch Draco.
Ich rief mir sein Lächeln ins Gesicht. Unseren ersten Kuss auf dem Astronomieturm. Rief mir das Gefühl ins Gedächtnis, welches ich über den Sommer gefühlt hatte. Das er mir gefehlt hatte. Und das ich beschloss, für ihn da zu sein. Ich versuchte mich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren.
Auf seine Arme um meinen Körper und seine Lippen auf meiner Haut.
Mein Herzschlag beruhigte sich. Meine Lungen füllten sich allmählich wieder mit Luft.
Langsam kam ich zurück zu ihm, zurück aus dem Feuer.
"Schau mich an.", flüsterte er. Und ich schaute ihn an.
Schaute in die Augen, die ich schon so lange nicht mehr vergessen kann.
Noch nie hatte mich jemand so schnell etwas fühlen lassen, wie Draco.
Ich konnte es mir nicht einmal selbst erklären.
Als hätten wir einander gefunden in seiner dunkelsten Zeit.
"Geht's wieder?"
Ich nickte nur. Wandte meinen Blick nicht von seinen Augen ab. Suchte Halt den ich dringend gebrauchen konnte. Suchte alles, was mir vertraut war.
Sah die blauen Sprengel. Und kam endgültig wieder zur Ruhe.
"Mir schwirren tausende von Fragen im Kopf."
Er strich mir eine Haarsträhne hinters Ohr. Seine Hand verweilte an meiner Wange.
Die Kälte seiner Ringer war ein angenehmer Kontrast zu der Hitze die in meinem Körper herrschte.
"Ich weiß. Aber du brauchst Ruhe. Ich will dir für einen Abend nicht noch mehr zumuten. Soll ich dich in dein Zimmer bringen?"
Das Gefühl ohne ihn zu sein löste Unruhe in mir aus.
"Nein. Ich will bleiben."
"Bist du sicher? Ich kann verstehen wenn du -"
"Ich habe dir versprochen ich bleibe, also bleibe ich." Unterbrach ich ihn.
Wenn er hätte Lächeln können, hätte er es jetzt getan.
"Okay. Ich werde dir alle Fragen beantworten, die dich nicht gefährden. Ist das ein Deal?"
Ich ließ mich zurück auf seine Brust fallen.
"Du darfst niemanden verletzten der Unschuldig ist, Draco. Ich weiß nicht, ob ich damit umgehen könnte."
War ich naiv?
Oder einfach nur verliebt?
Wieso hatte ich keine Angst?
"Ich -." Seine Stimme brach. Und ich wusste, dass er mir etwas verschwieg.
Und ich war bereit, es herauszufinden.
Auch wenn es irrsinnig erschien. Naiv.
Mir würden so viele Wörter einfallen, die beschrieben wie schlecht diese Idee war.
Doch ich konnte mir ein Leben ohne Draco nicht mehr vorstellen.
Und wenn das Leben für uns so aussehen sollte, war ich bereit für ihn zu schweigen.
"Bleibst du bei mir heute Nacht? Bitte lass mich nicht alleine.", flüsterte ich, als ich langsam in einen Schlaf glitt, der mir Alpträume versprach.
"Ich lass dich nie wieder alleine, Maura."
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