Helen
»Deine Hand bitte.« Erst jetzt da ich meinen Blick von dem Ring löste und zu Luc sah bemerkte ich, dass sich mein Mund vor Schock geöffnet hatte, weshalb ich ihn schnell wieder schloß.
Ich überlegte fieberhaft welche Hand die richtige war. Andrea und Thomas trugen ihren Ehering an der rechten Hand, also musste es die Linke sein. Ich hielt Luc meine linke Hand hin. Er sah auf meine Hand runter und beugte sich dann vor, um nach meiner rechten Hand zu greifen. Zärtlich schob er den Ring auf meinen Ringfinger.
Luc hielt meine Hand weiterhin in seiner und sah mich an. Ich starrte auf den zierlichen Ring, welcher so schön und einzigartig war, dass ich mich nicht davon losreißen konnte.
In der Mitte war ein runder nicht zu großer Diamant. Links und rechts daneben 3 feine, länglich geschliffene Diamanten, die von dem runden in der Mitte ausgingen und kaum über den Ring hinausragten. An den Seiten war ein filigranes Blumenmuster eingraviert.
Ich erwiderte endlich Lucs Blick. Ein liebevolles Lächeln, welches mich komplett durcheinander brachte und einen heißen Schauer über meinen Rücken laufen ließ, zeichnete sich auf seinen geschwungenen Lippen ab. Seine Augen blickten tief in meine und sahen aus wie geschmolzene Schokolade.
»Die rechte Hand ist wohl besser, wenn du gleich Violine spielst.« Er hatte Recht. Der Ring könnte mich wirklich beim Greifen stören. Daran hatte ich gar nicht gedacht.
»Du siehst umwerfend aus.« Luc strich eine Haarsträhne zurück, die scheinbar der Haarnadel entkommen war, nur um dann mit seiner Hand an meinem Gesicht zu verweilen. Er strich mit seinen zarten Fingern an meinem Ohr vorbei, über meine linke Wange, meinen Kiefer und schlussendlich zu meinem Kinn, welches er ganz sanft anhob.
Was tat er da? Mein Herz macht einen Salto nach dem anderen und kam bei dem plötzlichen Rhythmuswechsel ins Stolpern. Ich rührte mich nicht, nicht ganz sicher, ob ich nicht wollte, oder nicht konnte. Seine Finger hinterließen kribbelnde Spuren auf meiner Haut. Ganz langsam nahm er seine Hand zurück und sah dabei auf meine Lippen. Mein Herz pochte so laut in meiner Brust, dass Luc es hören musste, da war ich mir sicher.
Würde er mich jetzt küssen? Der Gedanke kam so schnell, dass ich ihn nicht stoppen konnte. Seine Augen wanderten zu meinen. Ich sollte und durfte so nicht fühlen. Luc war niemand, auf den ich mich einlassen sollte. Kathi hatte wohl recht gehabt, mit dem was sie gesagt hatte und so sehr ich mich dagegen sträubte und so falsch es auch sein mochte, es war ein so schönes Gefühl, welches sich in mir ausbreitet und meinem gesamten Körper ein so leichtes Gefühl gab, als würde ich fliegen.
Ich räusperte mich und unterbrach den Blickkontakt. Meine Wangen brannten, mein Herz überschlug sich. Es war gespielt. Daran musste ich von nun an denken. Es war nicht echt.
Ich stieg aus und der kalte Windhauch, der mir entgegenschlug kühlte meine Wangen. Regentropfen fielen auf meinen Kopf und ich hielt zum Schutz eine Hand über meinen Kopf. Plötzlich hörte der Regen auf und als ich nach oben sah, ragte ein schwarzer, gespannter Regenschirm über mir.
Luc hielt mir seinen rechten Arm hin und bedeutete mir mich einzuhaken. Zögerlich legte ich meine Hand auf seinen Arm und in der anderen hielt ich meine Geige. Wir gingen zum Hintereingang, der mit der großen Glastür kaum weniger pompös war. Zumindest schützte uns nun eine Überdachung vor dem Regen und ich konnte wieder etwas Abstand zwischen mich und Luc bringen. Als hätte er meine Gedanken gelesen, beugte Luc sich zu mir runter und flüsterte mit einer ruhigen, tiefen Stimme in mein Ohr. »Wird es dir zu viel, sag es.«
Ich schielte zu Luc unfähig gleichmäßig zu atmen, da sein Gesicht so dicht an meinem war und nickte. Abwartend sah Luc mir in die Augen, bis er wieder etwas mehr Abstand zwischen uns brachte. »Geh du schon rein.«
Fragend löste ich mich von seinem Arm. Er lächelte mir nur zu und ging zum vorderen Eingang, vor dem die Journalisten gierig warteten einen pikanten Schnappschuss machen zu können.
Wahrscheinlich musste Luc vorn reingehen für die Öffentlichkeit, da er auch ein Spender der Uni war. Ich hatte Mitleid mit ihm, dass er sich den ganzen Menschen ausliefern musste, aber es war für ihn wohl nur halb so schlimm. Er war es wohl gewohnt, wenn ich an die ganzen Artikel über dachte. Wie er wohl all das so gut geheim hielt, was er wirklich tat? Körperverletzung? Betrug?Eventueller Mord?
Ich sah ihm hinter her. Den Regenschirm hatte er wieder geschlossen und hielt ihn nun fest in der rechten Hand. Mit starken Schritten verschwand er hinter der Sandsteinmauer des Gebäudes, weshalb ich entschied das Gebäude zu betreten.
Alles glänzte golden und hochwertig. Der große Kronleuchter in der Eingangshalle warf ein warmes Licht auf den bräunlichen Stein des Fußbodens.
»Helen!«
Ich erblickte Sofi, die hoch und runter hüpfte und wild mit einer Hand in meine Richtung winkte. Ich fühlte mich gleich etwas besser und ging direkt zu ihr. Ich hielt nach David Ausschau.
»David ist noch nicht da. Aber er ist schon auf dem Weg. Außerdem, du siehst großartig aus Helen!« Sofi machte eine erstaunte Geste und musterte mich von unten nach oben.
Ich lächelte. »Danke. Du siehst auch toll aus«, sagte ich ehrlich und bedeutete, dass sie in dem klassischen, eng sitzenden Kleid mit Dreiviertelarm, welches hochgeschlossen war, ebenfalls sehr gut aussah.
Ich sah mich in der Eingangshalle um, es waren schon super viele Menschen da. Allesamt in edle Sachen gekleidet. Ich erkannte einige Dozenten, denen ich irgendwann mal in der Uni begegnet war. Aber der Großteil war mir komplett unbekannt. Eine unangenehme Nervosität machte sich in mir breit. Würde ich vor all dieses Menschen spielen müssen?
»Wollen Sie etwas trinken?« Noch in meine Gedanken vertieft, wollte ich bereits ablehnen, als ich Anton neben mir erkannte an Stelle eines Kellners. Überrascht sah ich ihn an. Was machte er hier? Charmant lächelnd hielt er mir und Sofi ein Glas spritzigen Sekt hin.
»Danke schön«, sprach eine mir mittlerweile zu vertraute Stimme, die ich noch nicht wieder erwartete hatte. Der Träger der Stimme nahm Anton das Glas ab und stieß mit dem für Sofi bestimmten Glas an, welches Anton noch in der Hand hielt. Luc, der neben mir aufgetaucht war, trank einen Schluck aus dem Glas, gefüllt mit sprudeligem Sekt.
Das Lächeln auf Antons Gesicht verschwand unmittelbar nachdem er Luc ansah. Er hielt das Glas hoch und ohne Luc aus den Augen zu lassen nahm er ebenfalls einen Schluck des Sekts.
»Mr. Capello.« Mit einer trocknen, kühlen Stimme, die ich noch nie von Anton gehört hatte, setzte er das Glas von seinen Lippen ab.
»Mr. Palazzo«, erwiderte Luc mit einem ebenfalls untypisch warmen, freundlichen Ton.
Ich sah zwischen den beiden hin und her. Kannten sie sich? Luc legte einen Arm um meine Taille, zog mich so dichter zu sich ran und sah mich mit einem träumerischen Blick an.
Antons Mundwinkel hoben sich erst leicht, ein kurzes belustigtes Schnauben und seine Mundwinkel hoben sich zu einem freudigen Lachen.
»Freut mich Sie hier zu sehen. Helen ist Ihre Begleitung?« Luc nickte. Anton tat es ihm gleich, so als hätte er es bereits gewusst. Sofi bekam große Augen und sah mich mit unzähligen Fragen im Gesicht an.
»Welch eine ...« Anton machte eine kurze Pause und suchte nach einem passenden Wort » ... Überraschung«, endete er seinen Satz, wobei er dem Wort Überraschung eine besondere Betonung verlieh. Mich beschlich das Gefühl, dass die Beiden nicht wirklich gut aufeinander zu sprechen waren.
»Helen und ich studieren an der selben Universität«, erklärte Anton.
»Ich weiß.«
»Daher kennen wir uns.«
»Natürlich.« Lucs Antworten kamen aalglatt, wie aus der Pistole geschossen.
Dieses knappe Gespräch fühlte sich wie ein Gefecht an und Luc schien die Oberhand zu haben. Beide Männer starrten sich an. Meine Augen huschten immer wieder zwischen Luc und Anton hin und her. Auch Sofi schien die Anspannung zu bemerken. War Anton einer von Lucs Rivalen, die er angesprochen hatte? Aber warum? Anton war wirklich nett und zuvorkommend. Ich hätte gedacht sie würden sich gut verstehen.
»Wir sollten uns vorbereiten.« Mit einem Blick zur Seite zeigte mir Sofi, dass dies die Gelegenheit war, die beiden Männer ihren Kampf alleine ausfechten zu lassen. Wenn Anton eine der Personen war, weshalb Luc mich zu seiner Verlobten machte, dann musste ich mich jetzt wie eine verhalten. Wenn es nicht so war machte ich mich eben zum Deppen. Wenn das alles vorbei war, würde ich Luc sowieso nicht wiedersehen.
Ich legte eine Hand auf Lucs muskulöse Brust und sah zu ihm auf. Er blickte mich an. Absolut nicht überrascht, dafür aber interessiert. Ich stellte mich knapp auf die Zehenspitze und hauchte einen Kuss auf seine Wange. Seine Augen blickten mich liebevoll an.
Während mein Herz erneut Purzelbäume schlug, wirkte Luc ruhig und gelassen. Als Schauspieler hätte er definitiv auch Karriere machen können, ohne blutende Menschen in seinem Büro sitzen zu haben.
»Geht nur. Wir sehen uns später«, sagte er und gab mich frei.
»Seine Begleitung?« Aufgeregt wiederholte Sofi diese Frage mehrfach auf dem Weg. Ich nickte irgendwann.
»Oh mein Gott.« Sie quietsche neben mir und ich bedeutete ihr still zu sein.
»Wann ist das passiert? Wie?« Ich schloss kurz die Augen und sah dann verzweifelt zu Sofi.
»Zu viele Fragen. Ich verstehe schon.« Sie machte eine Geste, als würde sie ihren Mund abschließen und den Schlüssel in eine Tasche ihres Kleides stecken, die nicht existierte. Wir begaben uns an unseren Platz und ich bereitet alles vor.
»Das ist unsere erste Violine für diesen Abend.« Ich blickte auf. Mr. Lorenz stand mit mehreren Personen vor uns.
»Die lang verschollene Tochter von Jennifer Kuhn.« Die Frauen und Männer in schicken Anzügen machten erstaunte Gesichter und begangen anerkennend zu tuscheln.
Mr. Lorenz stellte mir die Damen und Herren vor. Ich begrüßte alle Frauen und Männern mit einem höflichen Guten Abend und gab ihnen die hat. Einige von ihnen erkannte ich als Dirigenten des Nationalen Orchesters darunter auch Marie Landers eine Ikone im Violinenspiel.
Ich lächelte, obwohl ich mich unsagbar unwohl fühlt. Ich hätte gerne so etwas gesagt wie, es freut mich Sie kennenzulernen oder, ich habe schon von Ihnen gehört, Sie sind mein großes Vorbild. Doch ich konnte nichts davon sagen. Ich war viel zu aufgeregt, sodass mir all die Worte im Hals stecken blieben. Das war der Grund, warum ich und Claire nie auf der selben Stufen stehen können werden. Sie hatte einfach eher das Zeug dazu sich als Violinistin zu inszenieren und wichtige Kontakte zu knüpfen.
Erwartungsvoll sahen mich die Menschen an.
»Ms. Bold ist sehr schüchtern und zurückhaltend«, klärte Mr. Lorenz.
»Ich bin heute noch nervös, wenn ich spiele. Das ist ganz normal. Ich bin sicher du wirst das sehr gut machen«, sagte Marie Landers lachend und streifte mit ihrer Hand meine Schulter.
Es freute mich so sehr diese Worte von einer so erfolgreichen Violinistin zu hören, dass ich augenblicklich voller Energie war, was aber auch dafür sorgte das meine Nervosität nich weiter wuchs.
»Danke, ich ... ich gebe Mühe«, gab ich kleinlaut von mir. Mit einem motivierenden Lächeln ging Marie Landers auf ihren Platz im Saal und auch die anderen folgten ihrem Beispiel, nach dem sie noch ein kurzes Gespräch mit Mr. Lorenz geführt hatten.
Ich sortierte meine Notenblätter und stimmte meine Geige. Mein Finger spielten nervös an den kleinen Knöpfen zum Feinstimmen. Jetzt war ich nur noch angespannter. Wenn das hier schief ging würde ich alle enttäuschen Mr. Lorenz und eines meiner größten Vorbild.
Gerade als ich am verzweifeln war und kurz davor war eine Panikattacke zu bekommen, spürte ich einen Blick auf mir und als ich auf sah, traf mein Blick den von Luc. Er stand mit einem Weinglas in der Hand an einem Runden Tisch mit bodenlanger Tischdecke und nickte mir aufmunternd zu. Ich lächelte ihm zu und nahm die Ruhe die sein Anblick mir schenkte dankend an.
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