
Kapitel 36
Helen
Es waren mehrere Tage vergangen, in denen Luc kaum da war. Daher war ich größten Teils allein in seiner Wohnung gewesen. Er hatte mir die Nummern der Wachen im Foyer gegeben und auch Carlos', Paolas und Marcos Nummer für Notfälle.
Paola schien Lucs Schwester zu sein und konnte mich ganz offensichtlich nicht leiden. Dass mich jemand noch weniger leiden konnte als Carlos, grenzte an ein Wunder.
Marco war etwas verrückt, aber ich mochte ihn wirklich. Er war der einzige aus dieser Gruppe, der mich wie ein Mensch behandelte. Carlos war von meiner bloßen Anwesenheit genervt. Paola schien einen unbeschreiblich Hass mir gegenüber zu empfinden und Luc bereitet ich seit wir uns kannten mehr und mehr Umstände.
Ich wusste immer noch nicht, was Luc genau tat, aber er schien ein sehr beschäftigter Mann zu sein. Ich sah ihn fast nie. Ab und zu, wenn ich den ganzen Tag in der Wohnung fest saß, kam eine der riesigen in schwarze Anzüge gekleidete Wachen und schaute nach dem Rechten.
Ich fühlte mich langsam aber sicher eingesperrt und ich hasste dieses beklemmende Gefühl in meiner Brust, welches von Tag zu Tag wuchs. Kathi und Ben sah ich auch nur selten, da sie viel für die Uni zu tun hatten.
In unserem gemeinsamen Chat, konnte ich aber heraushören, dass sie sich überraschend viel über Luc ausgetauscht hatten. Das Tattoo, welches ich in der Innenseite von Lucs Oberarm gesehen hatte, hatte auch Ben bemerkt.
Dieses einfache Symbol entfachte wilde Diskussionen und Spekulationen über die Herkunft und Bedeutung. Ben meinte ich solle mich von Luc fern halten. Nur gut, dass Ben nicht wusste, dass ich nun bei Luc wohnte. Zumindest vorerst.
Denn seine Nachforschungen zu Lucs Tattoo ergaben, dass das Zeichen oft im Zusammenhang mit politischen Verbrechen auftauchte.
Kathi hatte Artikel gefunden, die darüber berichteten, dass es dabei meist um Steuerhinterziehung, Veruntreuungen von Gelder, Morddrohungen und Erpressungen ging.
Das ließ das bereits bestehende ungut Gefühl noch größer werden. Ich musste es langsam akzeptieren, dass ich wohl ähnliches in Lucs Büro beobachtet hatte. Ich fragte mich nur, wie Luc den Strafe entgehen konnte. Es musste doch irgendwelche Indizien gegen Luc und vielleicht auch seine Familie geben?
Kathi war nämlich in die tiefen der Klatschpresse eingedrungen und fand Artikel über Luc, die ihn als den ältesten und gut aussehenden Sohn der Familie Vitiello darstellten, einer Unternehmerfamilie, der die Geschäfte seines Vaters übernahm.
Es waren nahe zu Lobeshymnen, da er sich wohl auch sozial engagierte und bereits in so jungem Alter erfolgreich war. Dazu waren einige Fotos von Luc zu sehen auf irgendwelchen Veranstaltungen und einen riesigen Haufen an Berichten und Kritik zu dem Restaurant, in dem ich auch arbeite.
Nach der Sache beim Paintball, betrachtete ich Luc mit noch mehr Ehrfurcht. Ich fühlte mich in seiner Wohnung sicher. Doch ich zweifelte immer mehr, ob ich mich sicher fühlen sollte.
Was wusste ich schon über Luc, außer, dass er ganz offensichtlich ein Genie im Umgang mit Waffen war, von, zu meist weiblichen Journalistinnen, umschwärmt wurde und mit mysteriösen, bösen Menschen zu tun hatte.
Auch wenn ich Kathi und Ben kaum sah, sah ich wenigstens Dr. Hill und Sofi jede Woche. Luc hatte nicht gefragt, warum ich wöchentlich zum Psychologen ging. Wahrscheinlich interessierte es ihn einfach nicht, oder er dachte sich seinen Teil. Er brachte mich widerspruchslos hin und holte mich auch wieder ab.
Die wenigen Male, die Luc und ich uns sahen, wirkte er sehr distanziert und unnahbar. Er schien sich mir gegenüber sehr geändert zu haben und ich verstand nicht ganz warum.
Er sprach sehr wenig mit mir und wenn, dann waren es irgendwelche organisatorischen Sachen. Aber immerhin war er nicht mehr so verächtlich. Wobei ich mich fragte, was besser war. Luc wirkte auf mich immer unheimlicher.
Eines Abends war Luc von seiner Arbeit zurückgekommen und hatte eine Verletzung in seinem Gesicht. Seine Lippe war auf geplatzt. An diesem Abend schien er wirklich sauer zu sein, weshalb ich mich nicht getraut hatte ihn anzusprechen. Er hatte sich einfach ein Glas und eine Weinflaschen genommen und war in eines der Zimmer verschwunden, die ich nicht betreten durfte, hinter dessen Tür ich aber sein Arbeitszimmer vermutete.
Den größten Teil der Zeit wirkte er nur noch kalt ohne jegliche Emotion. Was mir immer wieder einen Schauer über den Rücken jagte. Um so glücklicher war ich, wenn ich dieser Wohnung entfliehen konnte, um mit Sofi an einem Musikprojekt zu bearbeiten, welches Mr. Harno uns aufgegeben hatte.
Kathi und Ben hatten mich zu einem Adventsbacken eingeladen, immerhin war in einer Woche schon der 3. Advent und ich hatte bisher nicht viel von meiner liebsten Zeit im Winter mitbekommen.
In Lucs Wohnung war es nicht weihnachtlich dekoriert und auch sonst spielte die besinnliche Zeit keine Rolle, während ich hier in der Wohnung vor mich hin grübelte oder Geige spielte.
Ich hatte Luc einmal dabei entdeckte, wie er sich in dem Wohnzimmer mit einem Glas Wein auf das Sofa gesetzt hatte und einfach dem Geigenspiel lauschte, ohne etwas zu sagen. Als ich fertig war hatte er mich eine Weile fast träumerisch gemustert, doch so schnell dieser Ausdruck auf seinem Gesicht aufgetaucht war, verschwand er auch wieder, als er meinen Blick bemerkte. Sein Gesicht wirkte wieder leer und unbeteiligt und schon verschwand er wieder in seinem Arbeitszimmer.
Aus all diesen Gründen hatte ich bisher auch keine Zeit gefunden, ihn über meine Verabredung mit Ben und Kathi zu informieren. Es war schon späterer Abend und Luc war noch nicht wieder zurück. Ich saß ungeduldig im Wohnzimmer auf dem Sofa. Mein Bein zuckte hoch und runter. Ich hatte Angst ihn zu fragen, denn ich konnte nicht abschätzen, wie er reagieren würde.
Gerade als ich mir die Worte in meinem Kopf zusammenlegte, hörte ich das mittlerweile vertraute Piepen anstatt des Schlüssels, wenn sich die Tür öffnete.
Luc kam herein und stand mit einem hellen grauen Anzug im Eingangsbereich. Sein Blick richtet sich auf mich und ich zwang mich nicht wegzusehen. Seine braunen Augen wurden schmaler und er musterte mich interessiert.
Er wechselte seine eleganten schwarzen Schuhe zu gemütlichen Hausschuhen, die jeder, der die Wohnung betrat tragen musste, oder sollte. Marco war öfter zu Besuch und wir bestellten Essen. Dabei erzählte Marco mir ganz verschiedenen Sache, die für mich meist keinen Zusammenhang hatten. Am häufigsten aber redete er über seinen Meister, der ihm ganz tolle Sachen beibrachte und mir sofort sympathisch wurde nur vom Erzählen.
Luc legte seine Aktentaschen, die er gelegentlich mit sich trug, auf dem Esstisch ab und lockert seine Krawatte. »Möchtest du etwas?« Ich schluckte schwer und stand abrupt auf. Die Hände vor dem Körper verschränkt, sah ich auf den Boden und nickte.
»Ich höre?«
Erneut schluckte ich in dem Versuch den Kloß zu vertreiben, der sich bereits in meiner Kehle bildete. »Ich wollte mich mit Kathi und Ben treffen, am Wochenende«, sagte ich klein laut.
»Das ist gut. Ich bin am Wochenende ohnehin verhindert. Ich werde Carlos Bescheid sagen.« Was? Warum denn Carlos? Luc musst meine Gedanken gelesen haben. Es war das erste Mal seit ich hier war, dass ich ihn schmunzeln sah. »Hast du dich noch nicht mit Carlos angefreundet?« Ich schüttelte leicht den Kopf. »Nein, nicht wirklich.«
»Carlos ist ein kalter Stein. Nur wenig schafft es, das Herz des alten Brocken zu erweichen.« Zu meinem Unglück bot Luc nicht an, dass jemand anderes fuhr. Ich verstand sowieso nicht, warum ich nicht einfach allein mit der Bahn fahren konnte. Was sollte schon passieren wenn lauter Menschen um mich herum waren?
»Wie geht es dir?« Überrascht schaute ich Luc an. Ich hatte nicht erwartet, dass er sich nach mir erkundigte. Ich nickte unbestimmt, da ich keine direkte Antwort auf die Frage geben konnte.
»Es tut mir leid.« Perplex über seine Worte, beobachte ich Luc, wie er sich Wein in ein Glas goss.
Sein Gesicht wirkte nicht als würde ihm etwas leid tun. Wie immer wirkte er gleichgültig und sah mich nicht mal an. Sein Blick war auf das Weinglas gerichtet, welches er elegant schwang. Der tiefrote Wein darin schwappte von einer Seite zur anderen.
Luc trank wirkich häufig Wein, wie ich in den letzten Tagen mitbekommen hatte. Er schloss genüsslich die Augen und hielt das Glas unter seine Nase. Zufrieden öffnete er die Augen, legte das Glas an seine Lippen und ließ die rote Flüssigkeit durch den leicht geöffneten Spalt seiner Lippen in seinen Mund fließen.
»Als Wiedergutmachung für die letzten Tage, lass und etwas kochdn.« Ich wollte ihn davon abhalten doch er zog bereits sein Jackett aus und ignorierte mich komplett. Er löste seine Krawatte, nahm sie ab und öffnete die Knöpfe am Ärmel seines Hemdes.
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