Kapitel 3
Luc
Mit einem weiten Schritt brachte ich mich gerade rechtzeitig in Position, die in Ohnmacht gefallene Violinistin vor einem Treffen mit dem Boden zu bewahren.
»Hören Sie mich?«, fragte ich sicherheitshalber und drehte ihr viel zu blasses Gesicht sanft zu mir. Zuvor hatte ein zartes Rot ihre Wange geschmückt. Dies war nun vollkommen verschwunden »Hallo?«, fragte ich erneut mit vorsichtigen Klaps auf ihre Wange. Sie schien weg zu sein.
Ich überprüfte die Atmung, welche deutlich spürbar war. Mit zügigen Schritten legte ich sie auf dem Sofa in dem Privatzimmer ab, so, dass sie auf der Seite lag, sollte sie sich übergeben oder ähnliches. Den gläsernen Tisch schob ich kurzerhand mit dem Fuß bei Seite. Ich nahm ihr zierliches Handgelenk und maß ihren Puls, welcher viel zu schnell war.
»Die Jungs haben ihn rausgebracht. Die Papiere sind unterschrieben, aber...« James tauchte hinter mir auf. Ich nickte. Er musste nicht zu Ende reden. »Bring mir ein kaltes Tuch«, gab ich die knappe Anweisung und James verschwand augenblicklich durch die Tür. Ich legte ein Kissen zwischen die Knie der jungen Frau und hob eines ihrer Augenlieder an. Diese waren nach hinten gedreht. Wohlmöglich hatte sie einen Anfall.
Sie schien nicht zu krampfen, also konnte ich Epilepsie ausschließen. Der zu hohe Puls würde für eine kreislaufbedingte Ohnmacht sprechen. Es schien ihr schon nicht gut gegangen zu sein, als sie in das Büro platzte.
Eine kleine Flamme der Wut zündete in meiner Brust. Was hatte dieses Mädchen hier verloren? Warum war sie nicht auf ihrem Platz und spielte Geige? Das könnte mir noch einige unschöne Probleme bescheren.
»Helen?« Ich hörte eine Stimme etwas weiter entfernt.
»Helen?« Erneut ertönte die Stimme, welche zunehmend besorgt klang. Ich kontrollierte den Atem und den Puls. Da beides nicht auffällig war im Vergleich zu vorher, folgte ich der Stimme, die immer panischer zu werden schien. Hinter der Sicherheitstür, im Flur der zum öffentlichen Teil des Restaurants führte, entdeckte ich die Kellnerin mit bunten Strähnen im Haar.
»Suchen Sie jemanden?«, fragte ich kühl, woraufhin sich die Kellnerin mir mit einem Glas Wasser in der Hand zu wandte. Die Sorge stand ihr ins Gesicht geschrieben.
»Ich glaube Ihre Freundin hat sich verlaufen«, sagte ich und nahm ihr, so die Aufgabe einer Antwort ab.
»Wo ist sie?«, fragte sie und lief schon durch die Sicherheitstür, die ich aufgehalten hatte. Etwas genervt schnaubte ich und folgte, der hektischen Kellnerin. »Vierte Tür links«, sagte ich knapp. Die Kellnerin eilt den Flur hinunter und schob sich durch den Türspalt, da ich die Tür offen gelassen hatte. Mit gelassenen Schritten folgte ich ihr.
»Helen! Helen hörst du mich? Oh nein, was machen wir jetzt?« Sie kniet neben der Violinistin und sah mich Hilfe suchend an.
»Abwarten«, gab ich mit verschränkten Armen zur Antwort.
»Abwarten? Wir müssen einen Arzt rufen, was wenn sie ...«
»Das ist nicht nötig«, unterbrach ich die Kellnerin, welche mir mit ihrer schrillen, aufgeregten Stimme gehörig auf die Nerven ging.
Ich ging zu den beiden, beugte mich zu der Violinistin, nahm erneut den Puls und kontrollierte die Atmung. »Es geht ihr den Umständen entsprechend gut. Nichts Besorgnis erregendes. Wissen Sie was passiert ist?«, fragte ich die Kellnerin, während ich erneut die Augenlieder anhob.
»Helen meinte sie hätte Kopfschmerzen und hat mich nach Schmerztabletten gefragt.«
»Hat sie Migräne?«
»Ich weiß nicht. Sie hat nichts gesagt.«
»Hier«, sagte James, welcher gerade neben mir aufgetaucht war. Ich nahm das nassfeuchte Tuch entgegen. Vorsichtig schob ich die seichten, braunen Locke der Violinistin zur Seite und legte das kalte Tuch in ihren Nacken.
»Haben Sie Kontaktdaten, von Familie oder Freunden?«
»Ne, ich geh fix jemanden fragen.« Ich nickte kurz und die Kellnerin lief davon. Mehr als unzufrieden betrachtete ich die junge Frau vor mir. Es war ein Problem. Ich wusste nicht, was sie gesehen hatte. Wenn Scotty, trotz meiner klaren Warnung darüber zu schweigen, redete, was er sicher tat, da er seinen Boss so schätzte und ihm komplett untergeben war, musste ich beweisen, dass sie unwissend war.
In all meinen Jahren, war mir das noch nie passiert. Ich war bekannt dafür, dass die Abwicklung meiner Geschäfte hoch diskret war. Es kratze erheblich an meinem Ego, das dieses Mädchen mein gutes Ansehen in Verruf gebracht haben könnte.
»Was wirst du tun?«, fragte James, weshalb ich zu ihm blickte.
»Er wird reden«, fügte er an.
»Ich weiß. Allein um mich zu blamieren, nachdem ich das Angebot seines Bosses abgelehnt und ihn der Art behandelt habe.« Ohne Gnade.
»Kümmerst du dich drum?« Ich schwieg, während ich auf das Mädchen runterschaute, denn ich war mir selbst nicht sicher. Wenn ich zu lang wartete ... Palazzo würde nicht stillhalten.
Er würde erwarten, dass wir aktiv wurden. Wenn er überhaupt heute abwartete und nicht heute schon nach seiner Rache suchte. Ich hatte sie ganz schön gepiesackt. Sie waren uns aber auch reichlich lächerlich entgegengetreten. Scotty würde sich gut versteckt halten müssen, wenn er redete.
Doch am meisten graute es mir vor dem Gespräch mit Vater.
»Du weißt das Palazzo ... «
»Sei still«, unterbrach ich James mit einer Kälte und Nachdrücklichkeit, die das Meer zufrieren lassen würde, bevor er mich noch mehr in Rage brachte.
Er senkte sein Kopf und trat einige Schritte zurück. Er hatte verstanden. Jeden Moment könnte die Kellnerin zurück sein, oder jemand anderes. Ein Klopfen an der Tür bestätigte meine Vermutung.
»Ja?«, sagte ich und Mrs. Houston trat ein.
»Entschuldigen sie vielmals Mr. Capello. Ich habe nicht darauf geachtet. Es ist mir entgangen.«
»Schon gut. Haben Sie jemanden von der Dame hier erreicht?«
»Nein, Sir. Ich habe niemanden erreichen können.«
»Hat sie Erkrankungen angegebenen?«
»Nein, Sir. Sie hat auch noch nie Problem gemacht. Sie war immer unauffällig. Ihre Kollegen meinten es ginge ihr heute nicht sehr gut. Ich werde ihr gleich kündigen. So ein Verhalten ist nicht zu ...«
Ich hob eine Hand und Mrs. Houston hielt inne. Etwas in mir mochte die Worte von Mrs. Houston nicht. Ich wollte sie nicht kündigen lassen. Ihr Geigenspiel hatte mir etwas gegeben, nach dem ich lange gesucht hatte.
»Sagen Sie ihr einfach, sie soll sich beim nächsten Mal krank melden, wenn es ihr nicht gut geht.«
»Jawohl, Sir.«
»Sie können gehen.« Mrs. Houston verbeugte sich und macht auf dem Absatz kehrt. Sie war eine giftige Frau, aber sie war höchst verschwiegen und erledigte ihren Job herausragend gut.
Kaum dass sie verschwunden war, ertönte ein Stöhnen von dem Sofa und die Violinistin räkelte sich. »Ahh, was ein gutes Schläfchen.« Was zum? Ich konnte nicht umhin ein fassungsloses Schnauben von mir zu geben.
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