Kapitel 12
Jane
Ein groß und braungebrannter Mann, die längeren Haare hatte er in einen duttähnlichen Zopf an seinem Hinterkopf befestigt, stand vor mir. Sein Gesicht wies kleine Anzeichen von Bartstoppeln auf, was vermuten ließ, dass er sich die letzten zwei Tage nicht rasiert hatte.
Daneben etwas kleiner ein sehr hellheutiger Mann, der wirkte als hätte die Sonne noch nie seine Haut berührt. Seine Haare waren kurz und rabenschwarz. Er lächelte mich freundlich an, wobei ein Grübchen auf seiner rechten Wange erschien.
Der dritte sah auf den Boden. Seine länglichen, dunkelblonden Haare hingen ihm platt und ungestylt in die Stirn. Er trug eine dunkelblaue drahtige Brille. Na toll. Ich glaubte zu wissen, wessen Begleitung ich spielen durfte.
»Also mein Name ist Lisa.« Das Mädchen in dem glitzernden Oberteil machte eine kokette Pose und der Mann mit dem Zopf zog sie an ihrem Arm zu sich.
»Ich bin Thore. Cool, dass du dabei bist. Helen, stimmts's?«
»Ja genau, freut mich.«
»Manuel.« Der Dunkelhaarige hob die Hand und sprach mit sanfter Stimme. Maja packten den Brillenträger an beiden Armen.
Doch anstatt mich anzusehen, sah er überall hin, nur eben nicht zu mir. »Das ist Gustav«, sagte sie fröhlich.
»Alles klar und wo geht's hin?«, fragte ich. Alle grinsten mich an. »Auf die Party des Semester, dorthin möchte wirklich jeder!« Maja klopfte aufgeregt ihre Handgelenke zusammen, wobei ihr schillerndes Armband ein klapperndes Geräusch erzeugte.
»Okay, hört sich gut an.« Wie zum Teufel bekam Helen diese Möglichkeit? Immerhin etwas womit ich vor Ben später angeben könnte. Damals war Ben schon ein kleiner Partylöwe. Das wird sich hoffentlich nicht verändert haben. Mit wem sollte ich denn sonst feiern, wenn Maja und ihre Freunde nicht konnten.
Wir waren ausgestiegen und liefen Maja und Manuel hinterher, die zu wissen schienen wohin es ging.
»Bist du neu hier?« Interessiert blickte Thore mich an. Ich nickte. »Ich bin erst vor nem Monat umgezogen.«
»Oh! Und was machst du hier?«, fragte Thore nicht weniger interessiert.
Ich überlegte zu lügen, aber mit der Wahrheit würde es wohl einfacher werden. Außerdem kannte Maja Helen wahrscheinlich zu gut »Ich hab mich an der Uni hier beworben.«
»Wir studieren auch alle hier.« Maja machte eine weite Geste in die Runde.
»Was willst du denn studieren?« Manuel hatte sich kurz nach hinten umgesehen und lief nun rückwärts, um meine Antwort abzuwarten.
»Ah... hm.. eh.. Ich bin noch nicht hundert prozentig angenommen, aber ich habe mich auf einen Platz an der Musikhochschule beworben.« Nun drehte sich auch Lisa und Thore um.
»Echt? Wie cool! Was genau machst du?«, fragte Lisa.
»Hmm ... Ich spiele Geige«, sagte ich so schlicht wie möglich. Diese Lüge kam mir nur schwer über die Lippen. Ich hatte wirklich nichts mit Geigenspiel am Hut. Aber was blieb mir anderes übrig.
»Sie ist wirklich gut. Ich hab euch ja gesagt, dass sie bei uns im Restaurant spielt«, sagte Maja, die mich von der Seite anstrahlte.
»Danke«, ich lächelte freundlich zurück. »Und was studieren die andern?«, fragte ich.
»Ich studiere Kunst, ich glaub das hab ich dir auch schon mal erzählt« Maja sah schüchtern zur Seite.
»Ah ja, jetzt wo du es sagst. Sorry.« Maja winkte ab. Sie musste echt gut zeichnen können. Ich konnte nicht mal ein Herz zeichnen, dessen Hälften annähernd gleich waren, weshalb ich durchaus Respekt für Leute mit diesem Talent hatte.
»Gustav und ich studieren Jura«, sagte Lisa. Ich blickte mich um. Manuel, der sich hatte zurückfallen lassen lächelte mich mit beiden Händen in den Hosentaschen an. Gustav sah nicht auf und ließ die Arme steif an seinem Körper herabhängen. Er schien nicht sonderlich begeistert.
Ich blieb stehen. »Ist alles gut?« Verdutzt sah Gustav auf, der Beinahe in mich reingelaufen wäre.
»Wenn du ein Problem hast, dann sag es gleich«, sagte ich schnell. Überrascht weiteten sich seine Augen. Er öffnete seinen Mund, als wollte er zum Reden ansetzen, doch er sagte nichts. Dann sah er wieder zu Boden.
»Ach mach dir keine Gedanken Helen. Gustav ist super schüchtern. Ein richtiger kleiner Nerd.« Maja lächelte mich aufmunternd an. Ich blickte weiter zu Gustav. »Ist es wirklich okay?« Unsicher sah er auf und nickte. Einigen war meine direkte Art zu viel, so scheinbar auch Gustav, der nun vollends überfordert wirkte, doch ich wollte wissen woran ich war.
Wir gingen durch die viel beleuchtete Stadt am Hafen entlang. Ich konnte die Lichter des Weihnachtsmarktes sehen und da es noch nicht all zu spät war, war noch sehr viel los.
Pärchen gingen am Hafen mit unfassbar gut duftenden Hefegebäck, welches mit Puderzucker bestreut war, in der einen Hand und Glühwein in der anderen spazieren.
Es roch himmlisch nach frischen Lebkuchen, als ein kleiner Junge mit einem leuchtenden Luftballon und einem Lebkuchenherz in der Hand an uns vorbei lief. Der Geruch erinnerte mich an schöne Zeiten. Andrea und ich hatten jedes Jahr einen Adventskranz gebastelt. Wir hatten Zimtstangen und Sternanis auf die Zweige geklebt. Ob sie die vergangen Jahr einen mit Helen gebastelt hatte?
Das wäre gemein. Den Adventskranz zu basteln war immer meine Aufgabe gewesen. Mit Helen hatte sie immer gebacken. Aber könnte ich es ihr wirklich übel nehmen?
»Voilà!« Lisa zeigte auf ein altes, hohes Backsteingebäude, direkt am Hafen in dessen Fenster sich das Licht der Stege spiegelte. Vor uns war eine riesige Schlange.
Was war denn hier los? Gab es irgendwas gratis? Maja meinte ja, dass es eine große Party werden würde, aber das?
»Keine Angst wir haben eine Einladung.« Maja musste mir angesehen haben, dass ich nicht wirklich motiviert war, jetzt noch lange zu warten.
Wir gingen an der Schlange vorbei direkt zum Eingang. Dort stand ein großer, breiter Türsteher. Seine Augenbrauen waren scheinbar immer so zusammengezogen, denn er blickte uns grimmig mit einer tiefen Furch zwischen den Augenbrauen an. »Einladung?«, kam es trocken von ihm. Lisa nickte und nahm eine Karte aus ihrer Tasche. Er sah sich die Karte an und ließ sie und Thore durch. Maja ging einen Schritt nach vorn, Manu stellte sich zu ihr und sie zeigte ihm zwei Karten. Er winkte uns durch. Ich ging Manuel und Maja hinterher.
»Du nicht.« Ich wandte mich um. Der Türsteher hatte Gustav den Weg versperrt.
»Ich ... Ich gehöre ... «
»Wen willst du verarschen?« Ich wollte den anderen Bescheid sagen, doch diese hatten nichts von dem Problem mitbekommen und waren bereits weitergegangen. Ich eilte zu Gustav.
»Was ist los?« Ich sah Gustav an.
»Gehört der hier zu euch?«, der bullige Türsteher sah auf mich runter.
»Ja, was glaubst du denn?«, sagte ich leicht verärgert. Der Türsteher blickte einen Augenblick zwischen Gustav und mir hin und her.
»Ist er deine Begleitung?« Ich nickte als wenn es kaum offensichtlicher ginge. Der Türsteher ließ den Arm fallen und wandte sich wieder der Schlange zu.
Gustav ging neben mir her, deutlich peinlich berührt. »Danke.«
»Ach was. Dafür nicht«, winkte ich ab.
Wir beschlossen die anderen zu suchen. Ich sah mich um, um einen Anhaltspunkt zu finden. Drinnen war es dunkel und Scheinwerfer warfen ein lila Licht an die Wände. Es waren schon einige Menschen in dem Clubgebäude und ich konnte niemanden von Gustavs Freunden sehen.
Dann aber sah ich ein Toilettenschild. Was wenn ... ? Ich sah langsam zu Gustav. Dann packte ich ihn am Arm und zog ihn hinter mir her.
»Hey, was machst du?« Gustav wehrte sich nicht und ließ sich einfach von mir mitschleifen.
Wir kamen an den Toiletten an. Davor blieb ich stehen und musterte ihn. Er trug eine schwarze Jeans und ein dunkelblaues langarm Hemd mit weißen Längsstreifen, welches über der Hose hing.
»Steck das Hemd in die Hose und kremple die Ärmel etwas hoch.« Perplex musterte Gustav mich. Ich verschwand in der Toilette und hielt meine Hände unter das eisige Wasser aus dem verkalkten Hahn. Dann ging ich wieder raus und begann Gustavs Haare zu stylen. Er wich etwas zurück, doch ließ die Tortur am Ende über sich ergehen.
Ich versuchte die Haare, die ihm in die Stirn fielen zur Seite zu streichen. Dies gelang mir überraschend gut, dafür dass ich nur Wasser an den Händen hatte. Früher hatte ich das ganze bei Ben und Thomas auch immer gemacht, wenn wir irgendwohin gingen. Mittlerweile waren Bens Haare etwas zu lang, um nur von Wasser gehalten zu werden.
Ich trat ein paar Schritte zurück und betrachtete mein Werk. Gustav fühlte sich sichtlich unwohl unter meinem Blick. Er hatte das Hemd bis obenhin zu geknöpft.
»Hast du was dagegen ein paar Knöpfe zu öffnen?« Er blickte auf sein Hemd runter. Dann legte er die Hand an den ersten Knopf.
»Du meinst ... «
»Ja.«
Er schluckte schwer doch öffnete zwei Knöpfe. Ich zupfte das Hemd etwas zu recht.
Dann schnipste ich mit beiden Händen und zeigte mit Fingerpistolen auf ihn. »Geh dich ihm Spiegel ansehen.« Zögerlich wandte er sich von mir ab und ging auf die Herrentoilette. Nach einer Weile kam er wieder raus.
»Wo ist deine Brille hin?«, fragte ich Gustav überrascht, als er durch die Tür kam.
»Ich hab sie abgenommen«, antwortet er etwas niedergeschlagen.
»Warum?« Ich sah ihn empört an. Er rieb sich mit einer Hand den Nacken.
»Das sieht doch scheiße aus.«
»Nein gar nicht! Gib mir deine Brille«, forderte ich Gustav auf.
Er holte die Brille aus seiner Hosentasche und gab sie mir. Ich setzte ihm die Brille wieder auf.
»Das bist du! Mit Brille siehst du genauso gut aus. Sei etwas selbstbewusster mit dir. Selbstsicherheit lässt dich gleich attraktiver wirken. Glaub mir. Gefällt es dir denn?« Ich lächelte ihn an und fuchteltet noch einmal an seinen Haaren rum, bis ich zufrieden war. Er nickte mit einem ehrlichen Lächeln auf den Lippen.
»Perfekt. Suchen wir die anderen.«
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