73 - Ich weiß, dass du weißt
Tate blickte so lange in Richtung Flur, dass ich mir schon langsam Sorgen machte, als er sich endlich abwandte und sich wieder zu uns drehte. "Tja ähm", machte er. "Ich schätze, dann sollten wir den Abend komplett aufheben oder?" Er blickte erst zu mir und dann zu Easton.
Easton wirkte reichlich nachdenklich, nickte dann aber und steckte seine Hände in die Hosentaschen. "Ja... ist wahrscheinlich besser so."
"Na dann, ich nehme dich mit nach Hause Iva", meinte Tate und lächelte mich an.
Frustriert hätte ich innerlich aufgeschrien.
Auch wenn ich natürlich total verwirrt war - ich wollte noch nicht gehen. Ich wollte hierbleiben und das mit Easton klären - nur würde Tate widerum verwirrt sein. Wobei, vielleicht wäre das auch gar nicht so schlimm, aber so gesehen musste ich eh heute irgendwie nach Hause wegen meinem Vater und unserem geplanten Ausflug morgen früh. Sonst müsste Easton extra nochmal los und... naja vielleicht sollte ich meine Gedanken doch besser nochmal sortieren, ehe ich wieder mit ihm allein war.
Alleine schon wegen dieser Sache mit Charon.
Ach man, was ist das bitte nur für ein Abend gewesen.
Schnell erwiderte ich Tates Lächeln, innerlich hoffend, dass es nicht allzu aufgesetzt aussah. "Danke."
Wir gingen als kleine verbliebene Gruppe in den Flur und Tate und ich schlüpften hier in unsere Schuhe. Während Tate mit seinen Schnürsenkeln etwas länger beschäftigt war, wandte ich mein Gesicht vorsichtig in Eastons Richtung. Dieser fing sofort mein Blick auf. Obwohl er mindestens genauso verwirrt und gedanklich aufgewühlt wie ich schien, wich der warme Ausdruck nicht aus seinen Augen.
Das beruhigte mich irgendwie.
Offentsichtlich musste sich nach heute erstmal jeder seine Gedanken zu allem machen.
Tate richtete sich in diesem Moment pustend wieder auf. "Man, diese verdammten Schnürsenkel. Ich kaufe nächstes Mal doch Schuhe mit Klettverschluss."
Diese Aussage zauberte mir dann doch ein kleines Lächeln auf die Lippen. "Machst du eh nicht."
"Dann werden es eben Stiefel - so ne Cowboyboots", grinste er, ehe er auf Easton zuging und sich von ihm verabschiedete. "Auch wenn das alles bisschen durcheinander heute war - hab ich mich sehr über die Einladung gefreut. Das Essen war sehr lecker und ich hoffe, wir können den Filmabend demnächst nachholen... Natürlich, wenn sich alle anderen wieder beruhigt haben."
Easton ging auf seinen Handschlag ein. "Ich hoffe doch." Ich wusste nicht, wie sehr Tate Easton mittlerweile einschätzen konnte, doch für mich schien Easton eher nicht so überzeugt zu sein, dass dieser Filmabend demnächst stattfinden wird.
Um ehrlich zu sein: Ich zweifelte selbst daran.
Adriana war im Streit mit Easton und mir, Charon schien auch was davon zu wissen, versuchte es aber für sich zu behalten und Venice und Charon hatten sich in der Wolle - nicht zu vergessen, dass Charon wahrscheinlich jetzt nach diesem unfreiwilligen Geständnis auch das Weite vor mir gesucht hatte.
Also ja.
Der Filmabend wird sicher demnächst starten... sicher nicht.
Tate lief an mir vorbei zur Tür, worauf ich nun unschlüssig stehenblieb und nicht wusste, wie ich mich von Easton verabschieden sollte. Natürlich sind wir uns heute ein paar Mal ziemlich nahe gekommen, doch die ganzen Situationen haben mich wieder ziemlich verunsichert.
Zum Glück nahm mir Easton die Entscheidung ab, trat zu mir vor und schloss seine Arme um mich. Als ich seinen wohligen Duft wahrnahm, hätte ich am liebsten sofort zufrieden aufgeseufzt. Das altbekannte Kribbeln setzte sofort ein, als sich unsere Körper berührten und auch ich merkte, wie er sich mit einem Mal anspannte.
Seine Lippen strichen hauchzart über mein Ohr. "Schreibst du mir, wenn du Zuhause bist?"
Meine Mundiwnkel bogen sich nach oben und mein Herz hüpfte aufgeregt auf und ab. "Ja", flüsterte ich.
Beim Zurücktreten sah er mich an und ich wusste, ihm lag noch etwas auf der Zunge, doch ich spürte allzu deutlich hinter mir, wie Tate auf mich wartete.
Also tauschten wir einen letzten langen Blick aus, unsere Hände strichen beim Auseinandergehen übereinander, dann folgte ich Tate hinaus in die die kühle Nachtluft. Mein bester Freund zog die Haustür der Henrys hinter sich zu, stopfte seine Hände in die Taschen seiner Jeansjacke und lief neben mir auf dem Gehweg her.
Untypischerweise hüllte uns Schweigen ein und ich konnte bis zu mir spüren, dass es in seinem Kopf ratterte und er nur noch nicht wusste, mit was er als erstes anfangen sollte.
Deshalb wartete er wohl ab, bis nach etwa einer Minute sein roter Chevi in Sichtweite kam, er das Auto aufklickte und wir uns hineinsetzten. Er steckte den Schlüssel in das Zündschloss, drehte ihn und ließ den Motor aufbrummen. Dann fuhren wir schon aus dieser Straße mit den beschaulichen Stadthäusern heraus.
Als wir an der ersten Ampel anhielten, konnte er schließlich nicht mehr stumm sein.
"Ich bestehe darauf, dass du mir alles erzählst."
Mein Kopf ruckte hoch und ertappte blickte ich zu ihm herüber.
Er verzog seine Mundwinkel zu einem schiefen Grinsen. "Ach komm schon Iva. Ich weiß, dass du mehr weißt von dem, was heute losgewesen ist."
"Ähm", fing ich an zu stammeln und wusste nicht ganz so recht, wie ich am besten anfangen sollte.
Mein bester Freund stocherte derweil unachgiebig weiter. "Ach und ich weiß auch, was ich da gerade eben zwischen Easton und dir gesehen habe."
"Zwischen Easton und mir?", wiederholte ich, meine Stimme klang etwas piepsig und ich könnte schwören, dass ich nun rot anlief.
Tates Grinsen wurde breiter. "Ihr beide habts gemacht oder? Als wir noch im Stau waren, habt ihr-"
"Tate!", fuhr ich ihn empört an und versuchte dabei meine verräterischen zuckenden Mundwinkel zu glätten. "Wir haben es nicht... gemacht."
"Dann habt ihr aber zumindestens rumgemacht."
Ich schwieg und mir biss mir auf Lippe.
Er lachte darauf. "Hah, wusste ich es doch! Und Adriana hat garantiert irgendwie davon Wind bekommen, ich weiß nur noch nicht, wie das alles zusammenpasst - mensch Iva, jetzt sag doch auch mal was", unterbrach er sich mitten im Satz.
Ich schaute fieberhaft überlegend nach vorn. Die Ampel hatte umgeschalten. "Es ist grün."
Frustriert stöhnte er auf. "Ivaaa, du weißt, was ich meine." Trotz allem trat er auf das Gaspedal und der Wagen ruckte nach vorn über die Kreuzung. "Ich will alles wissen - seit wann haltet ihr euch nicht mehr zurück? Es war sowieso ein Wunder, dass ihr euch überhaupt zurückgehalten habt-"
"Wie meinst du das denn?", redete ich irritiert in seinem wild sprudelnden Erzählen herein.
"Ich bitte dich, das war doch langsam total offentsichtlich mit euch." Er warf mir im Fahren einen langen vielsagenden Blick zu.
"Tate, schau lieber nach vorn", wies ich ihn unruhig an.
"Also bei mir ist alles bestens unter Kontrolle", beruhigte er mich. "Und nun rede endlich, ich platze vor Neugier."
Ich schüttelte den Kopf. "Ich will erst wissen, warum nach deinen Worten " das langsam so offentsichtlich" war?"
"Ist das dein Ernst?" Tate lachte. "Also bei dir war ich mir sowieso klar, dass du volle Kanne auf Easton stehst, nur wollte ich dich nicht weiter damit aufziehen. Und weil man als bester Freund die Augen überall hat, habe ich ihn auch ein bisschen beobachtet... Und da habe ich mitbekommen, wie er dich angeschaut hat - und du natürlich ihn. Das Knistern war doch für jeden spürbar. Ich war nur sehr gespannt darauf, ob er diese Sache zwischen sich und Adriana wirklich beenden wird - moment mal. Vorhin, als du in seinem Zimmer warst, nachdem Adriana weggerannt ist. Du hast den Streit live mitbekommen, weil Adriana wegen euch ausgetickt ist oder? Als Easton dir vorhin nachgegangen ist, habe ich mir eh schon meinen Teil gedacht... aber sie hat euch nachgeschnüffelt und ist dann in die Luft gegangen oder? Und sag mir bitte, dass Easton die Eier dazu hatte, sie zurechtzuweisen und du es nicht übernommen hast."
Mit aufgerissenen Augen schaute ich zu Tate herüber. "Hast du die letzten Wochen wieder zu viele deiner Kriminalspezialshows gesehen?"
Stolz reckte er seinen Kopf. "Tja, man nennt mich auch Sherlock. Und?", wollte er nun wissen.
"Und es stimmt alles", gab ich zu. "Auch, dass Easton sie zurechtgewiesen hat."
"Dann hat er meinen Segen."
Ich lachte laut auf. "Bist du mein Vater?"
"Nein, dein bester Freund - aber auch der muss seinen Segen erteilen."
"Das ist mir... neu."
"Das Gesetz wurde im Stillen erlassen."
"Du bist unverbesserlich."
"Genau wie du", scherzte Tate weiter mit mir herum. "Und nun zu dem Fall in der Küche. Venice und du... ihr wart leichenblass. Und Charon habe ich schon lange nicht mehr so angefressen gesehen. Was ist denn bitte in der kurzen Zeit passiert, in der ihr euch was zu trinken holen wolltet? Ich habe mir über euren Zustand echt Sorgen gemacht."
"Ja also das...", ich faltete meine Hände im Schoß. Sei es drum, ich hätte so oder so vorgehabt, mit Tate darüber zu reden. Ich musste dringend mit jemanden darüber sprechen und klar, es war für Venice und Charon in diesem Fall echt blöd - doch darauf wollte und konnte ich jetzt keine Rücksicht nehmen. "Venice hat da was erzählt."
"Okay...", antwortete Tate gedehnt. "Und das war... für Charon so schrecklich?"
"So nun auch wieder nicht", ich seufzte. "Also schön. Ist wahrscheinlich jetzt unangenehm für beide, aber... kannst du dich noch an den Kuss von diesem Unbekannten im Club erinnern?"
"Nein..."
Strinrunzelnd fuhr ich zu ihm herum. "Du kannst dich nicht erinnern?"
"Doch doch", nickte Tate. "Ich ahne es nur langsam..."
"Ach ja, hab vergessen, dass Sherlock neben mir sitzt."
Ich weiß, wieder ein Cut an dieser Stelle. Aber das Kapitel würde sonst ewig gehen :) Habt noch einen schönen Sonntag und bis nächste Woche ❤️
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