51 - Your stare was holdin...
Call Me Maybe - Carly Rae Jepsen
Was war denn bitte mit ihm los? Erst ließ er mich wieder allein - was ja nicht das erste Mal ist - und nun war er so kurz und knapp, selbst zu seinem besten Freund Easton?
Easton schien ähnliche Gedanken über Charons Verhalten zu hegen, denn auch er schaute etwas verwirrt mit zusammengezogenen Augenbrauen in die Dunkelheit vor uns. Doch dann fing er sich. "Na dann mal weiter", vorsichtig kämpften wir uns mit mir heran. "Mein Auto steht gleich dort vorn."
"Ist es endlich wieder repariert ja?", hakte ich nach und hätte mir am liebsten eine Schelle gegeben.
Offentsichlich, Iva. Sonst wäre er ja nicht mithergefahren.
Ich sah am Rande, wie erneut seine Mundwinkel loszuckten, doch wieder gab er keinen Kommentar ab. Das konnte man ihm allmählich hoch anrechnen. "Ja funktioniert wieder alles. Es war ja nicht... allzu schlimm beschädigt", erläuterte er, um mich dann mit der nächsten Frage aus der Bahn zu werfen. "Wie waren denn eigentlich deine Unitage? Haben sie dir gefallen?"
Okay, Themawechsel anscheinend.
Ich beschloss darauf einzugehen und nickte. "Ja, war bisher echt gut. Ich habe auch einmal Habeck getroffen."
"Ach ja Habeck. Der hat sich bestimmt gefreut. So viele Vorlesungen sind es ja nicht mehr, bis das Schnupperprogramm auch schon wieder vorbei ist. Pass schön auf, dass die dir das Zertifikat auch geben. Das brauchst du unbedingt für deine Bewerbung", wies er mich an und wühlte dann in seiner Hosentasche. Etwa drei Meter von uns entfernt blinkte ein Auto auf.
"Ja klar, ich pass da auf", beruhigte ich ihn. "Ein paar Vorlesungen sind es ja noch."
"Wann hast du die nächste?"
"Am Freitagnachmittag."
Er nickte und irgendwie störte es mich, dass er nicht vorschlug, mich hinzufahren. Aber vielleicht sollte ich das auch als Kompliment werten, dass er mich ja endlich als fähig genug sah alleine zur Uni zu watscheln und er keinen Babysitter zu spielen braucht.
Easton machte mir die Beifahrertür auf und mit seiner stützenden Kraft ließ ich mich wenig elegant auf den Beifahrersitz plumpsen. "Danke", murmelte ich verlegen.
"Kein Ding", kam es leise von ihm, ehe er die Tür zumachte und sein Auto umrundete.
Mir fiel auf, dass er in den letzten paar Minuten mal wieder kurz nett sein konnte.
Ob diese arrogante und überhebliche Art sonst nur sein Schutzschild war? Wobei, Schutzschild vielleicht auch nicht. Eher schien er bewusst auszuwählen, zu wem er nett war und zu wem nicht. Und wieso fühlte ich mich geschmeichelt, dass ich in diesem Augenblick mal zu denen gehörte, zu denen er nett war?
Die Fahrertür ging auf und er schob sich hinter das Lenkrad.
Ich verfolgte aufmerksam mit, wie sich seine Muskeln am rechten Arm bewegten und sich anspannten, als er das Auto anschaltete und einen Gang einlegte. Generell war seine Haut schön gebräunt und er wirkte nicht übermäßig trainiert, soweit ich das jedenfalls begutachten konnte-
Schnell richtete ich mein Gesicht wieder nach vorn, um ihn nicht weiter anzustarren. Er machte es einen aber auch schwer ihn nicht anzuhimmeln.
Selbst die Heizung schaltete er für mich an.
"Ähm danke auf jeden Fall fürs Fahren", sagte ich hastig. Meine Güte, mit dem Satz hätte ich aber auch noch warten können bis Zuhause.
Zu meiner Überraschung merkte ich, dass sich meine Übelkeit plötzlich etwas gebessert hatte und die Bauchschmerzen ebenfalls.
Seltsam.
Ob das im Zusammenhang mit meiner Traurigkeit von vorhin stand? Und ich mich nun wieder sicher und geborgen fühlte, bei jemanden, der mir im Grunde doch ganz angenehm war?
Ich riss die Augen auf.
Himmel, hoffentlich war das nicht der Grund.
Easton legte seinen linken Arm auf der Tür ab, die rechte Hand behielt er am Lenkrad und die grünen Augen zuckten kurz zu mir herüber. "Alles gut, passt schon."
Schweigen hüllte uns wieder ein und ich wusste nicht so recht, was ich sagen sollte.
Es war aber auch eine vertrackte Sache zwischen uns.
Mal konnten wir miteinander super gut umgehen, irgendwie vertraut - mal gingen wir uns wieder an die Kehle und fletschten die Zähne - und dann noch diese Spannung, die allmählich unmöglich nur einseitig sein konnte.
Unsicher schaute ich zu ihm herüber - und ertappte ihn doch tatsächlich dabei, wie er einen kurzen Augenblick seitlich auf meine nackten Beine herunterspähte
Mein Gesicht erhitzte sich prompt.
Hatte ich das gerade wirklich... richtig gesehen?
So viel dazu. Zum Thema Spannung.
Er schien nicht bemerkt zu haben, dass ich es bemerkt hatte oder aber er überging die Situation gekonnt. An sich waren das gute Voraussetzungen, um ihn im geeigneten Moment doch mal ein wenig zu prüfen, wie lange er die Selbstkontrolle behielt.
Aber das musste ich mir noch für ein anderes Mal vorbehalten.
"Stört es dich, wenn ich ein bisschen Musik anmache? Ich muss einfach irgendwie immer Musik beim Autofahren hören", sagte er und die Finger seiner rechten Hand schwebten schon über dem Bildschirm, der in der Amatur eingearbeitet war.
"Ach nein", ich schüttelte den Kopf. "Mach ruhig an. Bin mal gespannt, was um die Zeit überhaupt noch läuft."
Nun gut, dann würden wir eben jetzt wieder lieb zueinander sein. Ich brauchte genug Kraft für mein neues Vorhaben.
Er grinste und schien nicht im Entferntesten zu ahnen, was ich im Stillen plante. Irgendwie ist er... süß. "Finden wir es doch mal heraus." Er drückte einen der Senderbuttons und die Töne von Call Me Maybe füllten den kleinen Raum des Sportwagens aus.
Unwillkürlich musste ich nun auch grinsen. "Oh. Ein Klassiker." Meine Fußspitzen wippten wie von allein zum Takt mit und obwohl ich den Song mehr als nur hundertmal schon gehört habe - dieses Mal war es irgendwie anders.
Er lachte darüber - und stimmte jetzt auch noch in den Gesang ein. "Don't ask me, I'll never tell, I looked to you as it fell and now you're in my way..."
Mit offenem Mund hörte ich ihm zu.
Dass er sich das auch vor mir traute, viele würden sich nichtmal dazu überwinden. Und seine seine Stimme erstmal... er hatte ja mal eine wunderschöne Stimme.
Er blickte in seinem Gesang zu mir herüber und unterbrach sich. "Nicht starren, mitsingen! Da muss man mitsingen."
Also stimmte ich anfangs leise, doch dann immer lauter werdens mit ein.
"Your stare was holdin'
Ripped jeans, skin was showin'
Hot night, wind was blowin'
Where you think you're going, baby?Hey, I just met you, and this is crazy
But here's my number, so call me, maybe
It's hard to look right at you, baby
But here's my number, so call me, maybe..."
Wir sangen alles mit und legten unseren gesamten restlichen Elan in diesen Song. Easton trommelte mit seinen Fingern auf dem Lenkrad mit, die Haare waren schon lange nicht mehr ordentlich und ich lächelte breit wie ein Honigkuchenpferd.
Würde er mich nicht nach Hause fahren und wäre alles nicht so gekommen, wie es nun gekommen ist... hätte ich dann diese Seite überhaupt mal an ihm gesehen?
Schließlich endete der Song und der nächste Song in einem ähnlichen Stil kam. Auch hier kannten wir die Lyrics und grölten lauthals mit.
Es war einfach urkomisch mitten in der Nacht mit Easton durch Brokenville und über die Landstraße zu mir nach Hause zu brettern. In den Ohren die Klänge von Rock und Pop Songs und beide wippten wir ohne Hemmungen zur Melodie mit.
Wir hielten schneller vor meinem Haus als ich es gedacht hätte und das Radio verstummte.
Meine Bauchschmerzen und die Übelkeit waren... waren fast verschwunden.
"Ich wollte letztes Mal schon sagen, dass ihr echt schön wohnt", gestand er mit einem Blick auf mein Haus und den Garten. Dann stieg er aus und bevor ich meine Tür aufmachen konnte, öffnete er sie schon und bot mir seine Hand an.
Zögernd ergriff ich sie und ließ mir von ihm helfen. Unsere Augen verhakten sich für eine Sekunde ineinander, dann war der Moment auch schon vorbei und er entzog seine Hand meiner, als ich auf meine beiden Füße zu Stehen kam.
Etwas enttäuscht - ich meine, womit habe ich denn jetzt wieder gerechnet - stakste ich zu meinem Gartentor. Ich brauchte dieses Mal keine Hilfe beim Laufen. Das Sitzen hatte mir wohl gut getan.
Easton folgte mir. "Ich bringe dich noch zur Haustür", rechtfertigte er sich, als er meinen irriterten Blick bemerkte.
So, als würde er das ja immer machen, wenn er mich heimbrachte.
Vor meiner Tür angekommen, kramte ich nach meinem Schlüssel. Es war seltsam, wie still es aufeinmal um uns herum war. Man hörte nur das leise Rauschen des Windes im Blätterdach der Bäume, die auf unserem Grundstück standen. Ich steckte den Schlüssel ins Schloss, schloss die Tür auf und drehte mich dann nochmal zu ihm herum.
Er hatte die Hände in den Hosentaschen vergraben und fing gleich meinen Blick auf.
"Danke nochmal... wirklich", meinte ich leise.
Er lächelte mich an. Keine Spur von Überheblichkeit. "Ich habe zu danken für das großartige nächtliche Konzert."
Daraufhin musste ich nur lachen und verstummte, als ich seinen undeutbaren Blick auf mir spürte. Räuspernd strich ich mir eine meiner Haarsträhnen aus dem Gesicht. Der Wind hatte echt deutlich abgekühlt und Easton tat mir in seinem Shirt echt leid. Mir war schon mega kalt gewesen. Im Auto nicht mehr, aber vor dem Club auf alle Fälle. "Warte hier, ich hole dir noch einen Pullover von meinem Vater. Dann musst du nicht frieren."
"Mach dir keine Umstände, ich hab doch die Autoheizung-"
"Doch, doch", bestand ich darauf. "Warte einen kleinen Moment ja?" Ich ging in den Flur hinein und Easton lehnte sich leise lachend an den Türrahmen an.
Charon wäre mit Sicherheit ganz frech mit in das Haus hineingekommen.
Aber Charon war ja auch generell frech, merkte ich im Inneren verärgert an. Aber was brachte es schon, wenn ich mich weiter über ihn aufregte.
Es war nur erschreckend, wie schnell sich das Blatt wenden konnte. Erst verstand ich mich einigermaßen mit Charon, jetzt plötzlich mit Easton und war genervt von Charons Verhalten.
Ich schüttelte den Kopf, um die Gedanken zu vertreiben.
Zügig suchte ich nach einem Pullover in dem Zimmer meines Vaters. Ein Dunkelgrauer geriet in meine Hände und mit diesem Stück zog ich zurück zum Flur. Easton wartete nach wie vor geduldig auf mich, das Mondlicht beschien silbrig seinen Körper und seine grünen Augen blitzten mich selbstbewusst an. Mir wurde mal wieder gänzlich der Atem geraubt.
Verdammt, dieses Anhimmeln musste stoppen.
"Hier", ich hielt ihm den Pullover entgegen.
"Danke", er fasste zu und obwohl genug Platz dafür war, berührten dabei seine Hände meine. Ein wild leckendes Feuer bahnte sich meinem Arm entlang nach oben.
Ich hielt den Atem an und schaute zu ihm hoch.
Er blickte zu mir herunter, wieder dieser undeutbarer Ausdruck in dem Grün, der kurzzeitig aufflackerte. "Gute Nacht, Iva. Schlaf schön."
Hastig ließ ich den Pullover los und biss mir auf die Unterlippe. "Danke, Easton. Du auch."
Seine Lippen kräuselten sich zu einem leichten Lächeln, dann machte er kehrt und lief auf sein Auto zu. Bevor er einstieg, zog er sich den Pullover über und reckte für mich sichtbar einen Daumen in die Höhe. "Passt", rief er herüber. Ein letzter Blick, dann setzte er sich in sein Auto und fuhr los.
Meinungen zu Eastons Verhalten? Zu der Stimmung zwischen den beiden? Warum bietet er plötzlich nicht mehr an, Iva zur Uni zu fahren?😏❤️
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro