31 - Er ist nicht wie ich
Charon schmiss mir den Autoschlüssel zu. "Kannst ja schonmal den Motor starten, ich ziehe mir noch eine andere Hose an."
"Ist wohl auch besser so", murmelte ich und nahm die verdreckte Arbeitshose in Augenschein. Tate würde ausflippen, wenn das ganze Öl auf einem seiner Sitze kleben würde. Dann machte ich mich auf den Weg zur Fahrertür, klemmte mich hinter das Lenkrad und schmiss den Motor an.
Tief im Inneren grummelte ich vor mich hin und meine Laune sank stetig weiter.
Nicht zu fassen, dass Tate jetzt ernsthaft Charon mitnehmen wollte, nur weil er dann sein Auto fahren konnte. Warum fuhr Charon dann eigentlich nicht bei Tate mit? Schließlich müsste er unbedingt sein Auto im Auge behalten. Was mit Tates Wagen passieren würde, müsste ihm doch total egal sein.
Mein Magen knurrte und erinnerte mich daran, dass ich einen totalen Hunger hatte. Ich hatte extra auf das Abendessen mit Dad verzichtet, um einen schönen großen Burger verdrücken zu können und was kam dabei herum?
Nichts.
Kein Essen, kein Burger.
Miesepetrig beschloss ich, einfach schon aus der Werkstatt herauszufahren und mich mit zu Tate auf den Hof zu stellen - doch ich sah nirgends das helle Leuchten von Scheinwerfern.
Irritiert hielt ich an, im selben Moment wurde die Beifahrertür aufgerissen. "Hattest du vorgehabt zu flüchten?", hörte Charon mich amüsiert fragen. Als er einstieg und die Tür hinter sich schloss, umhüllte moch sofort wieder dieser saubere Duft nach frisch aus der Dusche gestiegen.
Ich spannte meinen Kiefer an und schüttelte den Kopf, dabei blickte ich ihn nicht an, sondern ließ meine Augen weiter über den Platz wandern.
Wo steckte Tate denn bitte?
"Wollen wir dann oder möchtest du den Start verpassen?" Ich sah aus den Augenwinkeln, wie er sich entspannt nach hinten lehnte und den Arm auf der Tür abstützte.
"Ich warte noch auf Tate."
"Ach da kannst du lange warten."
Mein Kopf drehte sich automatisch zu ihm. Im Halbdunkeln schienen seine blauen Augen mehr denn je zu leuchten. "Wie meinst du das denn jetzt?"
"So weißt du das gar nicht?" Er zog erneut eine Augenbraue hoch.
"Was weiß ich nicht?", hakte ich irritiert nach.
"Tate holt noch Venice ab. Er dachte sich, wenn ich jetzt auch mitkomme, dann kann er ja Venice ebenfalls fragen, ob sie mitmöchte. Ist ja auch nur eine Person mehr."
Mir blieb vor Fassungslosigkeit der Mund offen stehen.
Bitte?!
Okay, jetzt war der Abend richtig versaut.
Ich dachte echt, Tate meinte mit wir, dass nur er und ich etwas unternahmen - und nicht noch andere Menschen, mit denen ich gar nicht so viel persönlich zutun haben wollte. Wenn er sich mittlerweile mit Charon gut verstand, dann soll er eben mit ihm was allein machen. Stattdessen ging er wie selbstverständlich davon aus, dass ich auch was mit Charon machen wollte.
Und das mit Venice? Brauche ich gar nicht weiter erwähnen. Der ist mir ihr doch erst letztens auch allein essen gewesen und in den Club gegangen.
Und mit mir mal alleine einen Abend zu verbringen schaffte er dann nicht?
Pure Enttäuschung durchflutete meine Adern und meine Finger fühlten sich plötzlich ungewöhnlich kalt an.
Ich konnte nichtmal versprechen, ob ich dann überhaupt zu Venice nett sein würde, denn verdammt nochmal. Ich wollte mit meinem besten Freund über die Piste heizen, dabei würden wir beide zum Song Highway to Hell grölen und uns die Seele aus dem Leib gackern.
Ich hatte nicht vorgehabt, mit einer nervenraubenden Ablenkung namens Charon über die Strecke zu rasen und dabei so gut wie gar nicht konzentriert sein zu können. Und vor meiner Nase würde mein bester Freund mit dieser Komischen Charons Auto durch die Gegend lenken.
Das war doch zum Kotzen.
"Offentsichtlich wusstest du das nicht", kam es nun von Charon. "Ich hatte gedacht, er hat es dir gesagt."
"Nee... das hat er nicht", antwortete ich langsam. "Ich staune auch, dass du ihn mit deinem Auto allein fahren lässt."
"Naja, er hat Venice mit an Bord. Da wird er eh nicht schnell fahren, jedenfalls schätze ich Tate da so ein. Ihm war es lieber, dass ich auf dich aufpasse. Du sollst wohl so ein kleiner Kamikaze Fahrer sein." Er stupste mir sanft mit seinem Ellbogen in die Seite und die Stelle fing von der Berührung sofort an wärmer zu werden.
Meine Augen zuckten zu ihm herüber. "Staune, dass du da auf ihn hörst. Muss doch ein total langweiliger Abend für dich werden, so als Babysitter."
"Ach ich seh mich nicht als Babysitter, das ist doch Eastons und dein Ding."
"Wie kommst du denn jetzt darauf?", fuhr ich ihn gereizt von der Seite an.
"Naja, ich habe doch mitbekommen, dass er dir mit den Schnupperkursen an seiner Uni helfen will und dass du dich da letztens auch bei ihm gemeldet hast. Ich hoffe nur, du kommst nicht nach eurem Tanz im Club auf falsche Gedanken und siehst da mehr. Denn Easton sieht das wirklich nur als Babysitterjob und dass er der Tochter von dem besten Kumpel seines Vaters einen Gefallen macht."
Wieso musste er denn diesen Mist auch nochmal hochkramen? Es war schon demütigend genug gewesen, es von Easton zu hören und jetzt fing Charon auch noch damit an.
Allein deswegen werde ich mich schon zusammenreißen und nur das Nötigste mit Easton kommunizieren.
Diese arroganten Kerle.
Ich lächelte Charon schmalllippig an. "Welche falschen Gedanken denn? Ihr denkt auch beide nur weil ich jünger bin als ihr, dass ich euch beide sofort hinterhersabbere."
Charon grinste. "Ach bei mir kannst du ruhig weitersabbern, aber bei Easton solltest du dir das sparen. Also ich meine, musst du natürlich auch nicht. Aber ich als sein bester Kumpel sehe oft genug, wie ihm die Mädchen die Herzen zu den Füßen legen und er sie nichtmal ansieht."
"Und du bist da jetzt viel besser?"
Zu meiner Überraschung huschte ein ernster Ausdruck über Charons Gesicht. "Natürlich nicht. Aber ich bin auch nicht wie er."
Das stimmte irgendwie auch wieder.
Allrdings konnte ich mir das nächste trotzdem nicht verkneifen. "So und wie bist du dann? Bist du etwa der Typ, der die Herzen sieht und mit denen herumspielt?", fragte ich abfällig.
Solche Kandidaten konnte ich ja mal gar nicht leiden. Wie oft mussten die Mädchen aus meiner alten Schule darunter leiden, weil ein Typ mehrgleisig fährt.
Selbst in diesem Halbdunkeln konnte ich erkennen, wie jetzt auch Charon seine Augen zu zwei schmale Schlitze verzog. "Interessant, was du so von mir denkst", raunte er und plötzlich schwebte sein Gesicht dicht vor mir.
Ein heißer Schauer rauschte mir über meinen Rücken. Meine Güte, der Kerl war ja mal blitzschnell. Unwillkürlich musste ich daran denken, wie schnell er wohl wäre, wenn er etwas Bestimmtes wollte. Wenn er mit jemanden vertrauter ist und das Mädchen von einem Moment auf den anderen zu sich ziehen würde, um sie zu küssen.
Ich schluckte, versuchte aber meine selbstbewusste Haltung weiter zu bewahren. Er sollte bloß nicht denken, dass er mich jetzt damit aus mein Konzept bringen würde. "Du machst es einen ja bei deinen ganzen Andeutungen auch gar nicht anders möglich."
"Da muss ich dir wohl recht geben", sein warmer Atem strich hauchzart über meine Lippen. "Trotzdem muss dir aber mittlerweile aufgefallen sein, dass ich bisher sehr ehrlich zu dir gewesen bin."
In diesem Punkt behielt er wohl recht.
"Stimmt", pflichtete ich ihm widerwillig bei.
"Und da ich weiterhin zu dir erhlich sein möchte, lass ich deine Aussage mit Herzen herumspielen auch nicht offen im Raum stehen", seine dunkle Stimme klang sehr gefasst und mit einem Mal lehnte er sich wieder zurück in seinen Sitz, sein durchbohrender Blick ruhte dabei unentwegt auf mir. "Vielleicht meinen viele, dass ich mit Herzen herumspiele. Ich lerne eben gerne neue Menschen kennen, nur hat das vielleicht nicht immer etwas für mich zu bedeuten oder es stellt sich heraus, dass sie aufeinmal doch nicht mehr so interessant für mich sind", er zuckte mit den Schultern. "Easton hingegen hat nur für ein einziges Mädchen Augen, was zu einhundert Prozent mit Herzen herumspielt. Und nichts ist schlimmer, wenn man ständig sieht, wie Hoffnungen unerfüllt bleiben bei einem Menschen, den man gern hat."
Zugegeben, ich war ziemlich überrascht und auch etwas beeindruckt von Charon. Ich hätte nicht damit gerechnet, dass er am Ende doch so offen ist.
Natürlich hatte er mir damit auch indirekt ein paar Sachen klar gemacht: Ja, ich gefiel ihm. Aber er legte sich nicht gern fest und Achtung, er ist schnell gelangweilt.
Noch eine Warnung mehr für mich.
"Du bist wirklich erschreckend ehrlich", entfuhr es mir.
Charon schenkte mir ein undeutbares Lächeln. "Ich weiß."
Mit seinen pechschwarzen Haaren, diesem Lächeln und seiner selbstbewussten Köperhaltung kam es mir so herüber, als hätte ich einen schwarzen Engel neben mir zu sitzen, der wie gesagt Teufel und weißes Engelchen in einem kombinierte.
Ja, er ist ehrlich, was zum Beispiel das Engelchen auf der einen Schulter verlangen würde - aber er hatte es auch faustdick hinter den Ohren und war nicht einzuschätzen - was zu dem Teufelchen auf der anderen Schultern passte.
Unsere Blicke verhakten sich wieder einmal ineinander und es vergingen ein paar Sekunden, bis ich dann das Wort erhob.
"Nun. Dann bin ich ja jetzt bestens über euch beide aufgeklärt."
Unerwartet lachte er leise auf. "Zumindestens was das betrifft. Ja, darüber bist du jetzt bestens aufgeklärt."
"Trotzdem hätte ich nicht gedacht, dass du mir das sagen würdest."
"Nun ja", setzte er an und fuhr mit den Fingern seiner rechten Hand sanft über das Amaturenbrett. "Es war nicht grundlos. Ich weiß eben, welche Sorte Mädchen auf Easton steht. Außerdem wollte ich nur mal aus eigenem Interesse nachfühlen - und dich vorwarnen, falls du Interesse an ihm hast."
"Vorwarnen?", schnappte ich das Wort auf.
Er ließ seine rechte Hand sinken, das strahlende Blau zog mich erneut in den Bann. "Naja, Easton wird heute auch da sein. Er liebt Autos genauso wie Tate und ich. Und seine Beifahrerin ist meine Cousine Adriana - seine große Liebe."
Nuuuuuun. Eure Vermutungen sind der Hammer. Viele werden sehen, dass sie ansatzweise und teilweise goldrichtig lagen.
Was sagt ihr zu dem, was Charon ein bisschen ausgeplaudert hat?
Tja und nun ist auch das Geheimnis gelüftet, wer alles so am Rennen teilnehmen wird: Charon und Iva, Tate und Venice und Easton und Adriana...
Habt einen schönen Samstag❤️
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