18 - Welches Wiedersehen?
Scheisse, wie peinlich.
Meine Wangen fühlten sich unglaublich heiß an, als er die Kappe dann nachdenklich zwischen seinen Finger drehte, bis er sie mir in meine Richtung hinhielt. Allerdings ohne aufzustehen.
Offenbar wollte er, dass ich sie mir abholen komme.
Es wurde ja immer erniedrigender.
Als nächstes würde noch passieren, dass ich in meinem Schockzustand vor ihm stolpernd zu Boden gehe. Das würde in dieser unangenehmen Situation herzlich gut hereinpassen.
Andererseits wollte ich die Kappe zurück und dieser Stift schrieb echt gut. Es wäre ein Jammer, nur wegen dieser.... dieser Sache und dieser Vorgeschichte auf die Kappe zu verzichten.
Wie gesagt, ich würde ihn eh nie wieder sehen und wie konnte es bitte noch peinlicher als ohnehin schon werden?
Also stand ich mit einem letzten Blick auf den eifrig arbeitenden Tate auf und ließ mich von meinen weichen Gummibeinen zu seinem Tisch tragen.
Er nahm es sich nicht, seinen Blick demonstrativ langsam an mir herunter und wieder hochgleiten zu lassen, dabei zog er keine Miene.
Easton wirkte so viel unergründlicher als Charon und Charon war ja schon ein Fall für sich. Doch Easton schien in allem irgendwie gefasster. Das was Charon im Gesicht halbwegs abzulesen war, spielte hinter der Miene von Easton.
Ein heißer Schauer rollte über meinen Rücken und Erinnerungen von dem letzten Mittwochabend wurden erneut wachgerüttelt.
War seine Reaktion jetzt eigentlich ein gutes oder schlechtes Zeichen?
Gleich war ich bei ihm, ein Stückchen noch, noch zwei Schritte - dann versuchte ich meine Hand nach der Kappe auszustrecken, um nicht komplett an ihn heranzutreten.
Für mich sehr unerwartet zog er seine Hand ein Stück weg.
Das war nicht gut von ihm, denn ich verlor aus irgendeinem Grund den Halt, kippte nach vorne - und landete mit dem Oberkörper fast auf seinem Tisch, hätte er mich nicht mit beiden Händen an den Schultern festgehalten.
Unsere Gesichter waren nicht mehr als nur zehn Zentimeter voneinander entfernt und das hätte mir sonst nichts ausgemacht, aber nicht unter diesen Umständen.
Zum Glück registrierte ich aus den Augenwinkeln, dass nur wenige diesen Unfall mitbekommen hatten und sich nun wieder wichtigerem zuwandten.
Nichtmal seine Tischnachbarin hatte das mitbekommen.
Allerdings war mir dieser Vorfall vor ihm schon unangenehm genung.
Das Grün konnte sich ungehindert in meine Augen bohren. Es war, als würde ich auf das Blätterdach von einem üppigen Wald mit seinem Licht- und Schattenspiel schauen.
"Hoppla", flüsterte er und lächelte mich überheblich an. "Na mensch, mit dir habe ich doch schon die Bekanntschaft gemacht."
Das war der Moment, in dem ich mich aufrichtete und seine Hände von mir abschüttelte. "Mhm und wie", schoss es aus mir heraus und funkelte ihn aufgebracht an.
Nochmal lass ich mich nicht wie ein Depp behandeln, dass das klar ist. Da konnte er noch so gut aussehen.
Dieses Mal würde ich ihn stehen lassen.
Jawohl.
Also musste ich mich jetzt beruhigen, tief durchatmen und ein ebenso schönes, arrogantes Lächeln herzaubern wie er.
Er hob eine Augenbraue und ich fühlte mich bestätigt. "So ich merke schon. Du schlägst mit den gleichen Waffen zurück ja?"
Ich lehnte mich ein Stück zu ihm weiter nach vorn. So weit, dass sich nur einer von uns noch ein kleines Stück vorbeugen müsste, um den anderen zu küssen. So weit, dass ich langsam seinen Duft wahrnahm - herb wie bei Tate, aber irgendwie anders, einnehmender. Auf jeden Fall angenehm. "Wer weiß das schon", antwortete ich, die Stimme hatte ich genauso gesenkt wie er.
Easton lächelte leise in sich hinein. Er schaute auch nicht wie beim letzten Mal meine Lippen an. Nein, er konzentrierte sich voll und ganz auf meine Augen - und zog sich dann unerwartet vor mir zurück, um sich wie die Ruhe in Person an seine Stuhllehne sinken zu lassen. Jetzt stellte er mich mit dieser Geste noch lächerlicher hin. "Nur mal so ein Tipp."
"Ich höre?", murrte ich nun wieder allmählich so gereizt wie vor ein paar Sekunden.
"Vielleicht solltest du in Zukunft deinen Stift ein bisschen besser unter Kontrolle behalten", sagte er sowas von oben herab und hielt mir nun die Stiftkappe in meine Reichweite.
Meine Augen formten sich zu zwei schmale Schlitze.
Er hingegen jedoch hob nur erneut arrogant eine Augenbraue an und hielt mir die Kappe weiter hin.
Wie? Mehr kommt da nicht mehr?
Nun gut, sollte mir recht sein. Dann würde ich eben die Kappe nehmen, so tun als hätte man sich kein zweites Mal gesehen und wieder auf meinen Platz zurückkehren.
Dieser Kerl war wirklich um Längen unausstehlicher als Charon.
Misstrauisch und ohne ihm zu antworten, streckte ich meine Hand nach der Kappe aus. Ich bekam sie tatsächlich zu fassen, doch er hielt sie weiterhin fest.
"Was denn noch?", presste ich zwischen meinen Zähnen hervor.
Wieder dieses überhebliche Lächeln. "Und wenn du jemanden schon beobachtest, dann macht man das auch etwas... etwas mehr undercover."
Oh man, jetzt nahm er mich ja vollkommen auseinander. War klar, dass er das jetzt noch zum krönenden Abschluss bringen musste.
Mir war klar, dass ich das nicht bestreiten konnte und was gutes darauf kontern - das konnte ich erst recht nicht. Mein Kopf glühte vor Wut. Ich war wütend auf ihn und sein doofes Gehabe und ich war wütend auf mich, weil ich mich so unglaublich dumm anstellte.
Und mit dem hatte ich das Tanzen genossen?
Pah.
"Dankeschön. Ich werde mir das für die Zukunft merken." Es kostete mir meine ganze Mühe, nicht vor ihm in die Luft zu gehen.
Außerdem würden mich die anderen Leute hier sonst wegen meienr Lautstärke braten, weil ich dann garantiert nicht mehr so leise reden würde wie jetzt.
Easton schmunzelte. "Auf Wiedersehen, Iva." Endlich ließ er die bescheuerte Stiftkappe los.
Ich sah ihn schmalllippig an. "Welches Wiedersehen?" Ich ließ die Frage offen im Raum stehen, drehte mich um und steuerte zurück an meinen Tisch - um gleich darauf in Tates völlig verwirrtes Gesicht zu schauen.
"Frag nicht", murmelte ich finster und setzte mich wieder hin.
Tate sah in die Richtung, aus der ich hergekommen war und wieder zurück zu mir. "Du kannst doch jetzt nicht ernsthaft erwarten, dass ich als dein bester Freund nicht wissen möchte, was da gerade los war", erwiderte er verständnislos. "Das mit Charon war ja schon komisch. Aber was ist denn mit ihm und dir? Und wieso kommt der mir so bekannt vor? War das etwa der andere, der am Mittwochabend bei dir gewesen ist?"
"Ja."
Er lehnte sich weiter zu mir herüber, gleichzeitig versuchte er mit einem Auge Easton im Blick zu behalten. "Und ist mit ihm etwas passiert?"
"Starr doch da nicht so herüber!", meinte ich stattdessen.
"Ich kann hinstarren wo ich will." Er rollte mit den Augen, drehte dann aber seinen Kopf nun komplett zu mir. "Also?", wiederholte er fordernd, um auf seine Frage eine Antwort zu bekommen.
Ich seufzte. "Nein, mit ihm ist auch nichts passiert. Ich hab mit ihm ein bisschen länger Zeit verbracht als mit Charon. Aber wir haben nur getanzt, mehr nicht."
"Irgendwie glaube ich dir das nicht so ganz."
Ja, kein Wunder. Weil es da noch einen Teil gab, den ich dir verschwiegen habe und ich nicht wusste, mit wem ich diesen Teil erlebt hatte.
Ich war mir langsam sicher, dass ich ihm auch davon bald erzählen würde, aber erstmal noch nicht.
"Und ich glaube langsam nicht mehr, was für ein Pech ich habe. Der eine arbeitet jetzt bei der Werkstatt von deinem Vater und der andere geht auf deine Uni. Super. Ach und zu guter letzt sitzen wir jetzt hier, anstatt was schönes essen zu gehen und nachher auf meiner Arbeit werde ich dann verhungern."
Tate gab ein brummendes Geräusch von sich. "Nun gut. Unter diesen Umständen schreit es ja förmlich nach einer Gefälligkeit. Dann gehen wir jetzt eben zu Subway."
Ein begeistertes Strahlen überzog sofort meine bis eben niedergeschlagene Miene. "Oh wirklich? Und holen wir da auch wieder Kekse?"
Er versuchte ein Lächeln zu unterdrücken, als er seine Sachen wieder in den Rucksack sortierte. "Ja, wir holen da auch gerne wieder Kekse."
Es dauerte nichtmal eine Minute, da hatten wir wieder alles beisammen und verließen die Uni.
Leider schoss mein Blick nochmal unkontrolliert in eine ganz bestimmte Richtung - und zu meiner Überraschung beobachtete er genauestens, wie Tate jetzt einen Arm über meine Schulter legte. Eilig wandte ich mich von Easton ab und warf lieber Tate ein Lächeln zu.
Er hatte es tausend Mal mehr verdient als dieser... dieser arrogante stolze Löwe.
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