Kapitel 8
Elisha
Wer ist da?
Schniefend blicke ich zwischen dem Mädchen und dem Mann umher, erkenne langsam das Grinsen auf ihren Gesichtern und kriege es erneut mit der Angst zu tun. Sie meinen den König, der nur da ist, um mir das Leben zu nehmen, warum auch immer. Bei dem Gedanken an meinem Tod überzieht mich eine kalte Gänsehaut. Ich möchte noch nicht streben, ich bin noch jung, ich habe es verdient zu leben. Oder? Panisch schüttle ich dir Hand des Mannes ab, woraufhin ich sie direkt flach auf meiner Wange spüre. »Schlag noch einmal meine Hand weg und ich persönlich werde dich umbringen«, knurrt der wütende Wolf und zieht mich dann gewaltsam aus meiner Sitzposition, weswegen ich mich an ihn festhalten muss, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, was ihn aber anscheinend ebenfalls stört.
»Machst du dich an jedem so ran, du Schlampe?«, sofort nehme ich meine Finger von ihm und versuche dir schwarzen Punkte vor meinen Augen wegzubekommen. Ich mache mich nicht an ihn ran! Was denkt er bitte von mir?! Und ich bin keine Schlampe, also..mir entweicht erneut eine Träne, die geradewegs auf seine Hand fällt, die um meinen Hals geschwungen ist. Glücklicherweise bemerkt er dies nicht, stattdessen zerrt er mich einfach an den Haaren nach draußen und schubst mich dann in einen langen, kalten und dunklen Gang, ehe er mich weiter zu einer Tür drängt. Ich hatte noch nie einen Freund.
Als eine Tür geöffnet wird und ich unerwartet hart nach draußen gestoßen werde, kneife ich schmerzhaft meine Augen zusammen, da ich seit einer Zeit schon kein Tageslicht zu Augen bekommen habe. Die frische Luft kann ich nicht genießen, denn bevor ich mich überhaupt orientieren kann, werde ich rücksichtslos weitergedrängt, ehe ich spüre wie mein Körper zu frieren beginnt. Erst nach paar Minuten, indem ich über den nassen Boden geschleift wurde, gewöhnen sich meine Augen endlich an das Licht und ich kann mich endlich umschauen. Doch am liebsten würde ich sie wieder schließen und sie nie wieder aufmachen. Um mich herum sehe ich wütende Wölfe, die bloß auf meinen Tod warten.
Krampfhaft versuche ich dem lauten Gerufe keine Beachtung zu schenken, schließe dabei wieder meine Augen und presse sie fest aufeinander. Die Last auf meinem Herz wird schwerer, ich spüre wie mir das Atmen immer schwerer fällt und ich bin mir sicher, dass das mein Ende sein wird. So werde ich also sterben. Durch dir Hand meines Alphas und um mich herum meine Artgenossen, die dies befürworten. Mein Hass gegenüber Werwölfen war noch nie so stark wie jetzt gerade. Wie können sie ihren eigenen Artgenossen so etwas antun?
»Bestimmt ist sie eine Hexe, schaut doch mal ihre Haare! Am besten verbrennt der König sie«, schadenfroh höre ich gleich darauf weitere Stimmen, die dem Fremden zustimmen. Eine Hexe!? Wo sind wir denn bitte gelandet, 1756? Natürlich bin ich keine Hexe! Nur weil ich rote Haare habe heißt das noch lange nicht, dass ich kein Wolf bin. Verletzt fangen meine Lippen an zu beben. Überforderung übernimmt meinen Körper – alles tut mir weh, meine Füße, meine Beine, mein Bauch, meine Hände , mein Rücken, mein Kopf, mein Herz.
Wo ist mein Vater, wenn ich ihn brauche?
Wo ist mein Bruder, der meine Nerven zwar immer strapaziert, nach dem ich mich gerade aber so sehne? Wo ist meine Mutter, die versucht hat mich vor den fremden Wölfen zu bewahren? Ich kann nicht mehr, ich möchte einfach nicht mehr – es tut weh zu wissen, dass man von so vielen Menschen verabscheut wird. Dafür kann ich doch nichts? Schließlich kann ich doch gar nicht entscheiden, wie ich auf der Welt geboren werde. Es ist doch nicht meine Schuld, oder? Stockend traue ich mich meine Augen zu öffnen, meine Sicht ist erstmals verschwommen, da ich erneut angefangen habe zu weinen. Jetzt wissen alle, wie schwach ich bin.
Um das aber zu verhindern blinzle ich meine Tränen so gut wie es geht weg und schaue dann unsicher, sowie verängstigt in sie Gesichter der verschiedenen Leute, sie sich um mich herum versammelt haben. Sie sind etwa zehn Meter von mir entfernt und doch sehe ich jede Spur von Zorn und Ekel in ihren Augen.
Augenblicklich senke ich wieder meinen Blick und spüre gleich darauf wieder meine zahlreichen Tränen.
»Elisha«, als ich meinen Namen höre, hebe ich hoffnungsvoll meinen Kopf, doch gleich danach schaue ich verwundert in ein fremdes Gesicht. Habe ich etwa Halluzinationen? Niemand hat Elisha gesagt. Verwirrt bemustere ich den jungen Mann vor mir und frage mich, ob er mich auch quälen will. Er scheint meinen Ausdruck lesen zu können, die vielen verschiedenen Emotionen spiegeln sich in meinem Gesicht wieder – Angst, Verzweiflung, Erschöpfung und Panik. Der Braunaäugige dagegen tritt mir fast schon ausdruckslos stark entgegen. Er strahlt ebenfalls eine Aura aus, der ich nicht gewachsen bin. Sofort fällt mir auf, dass ein Beta sich vor mir befindet. Seine Anwesenheit zwängt mich aber glücklicherweise nicht in dir Knie.
Meine Finger schließen sich um meine Arme, die Außentemperatur macht mir schwer zu schaffen – mein ganzer Körper zittert ununterbrochen, meine Füße sind nackt und berühren den kalten Boden des Waldes, der mir eigentlich Ruhe einbringen sollte, doch in diesem Moment so verdammt groß und unberechenbar wirkt. Meine Aufmerksamkeit wird wieder auf den Beta vor mir gelenkt.
»Ich habe eine Überraschung für dich«, ich schrecke bei seiner Stimme zusammen. Was..was für eine Überraschung? Ich will keine Überraschung! Flehend schüttle ich meinen Kopf, versuche ihn von seinem nächsten Schritt anzuhalten. Auf eine Überraschung von einem Komplizen des Alphas verzichte ich gerne.
Während ich meinen Kopf hin und her schüttle stechen mir meine Haare in einem strahlenden rot hervor, sie heben sich im Kontrast meiner blassen Haut noch mehr ab und würde ich mich nicht in solch einer Situation befinden, würde ich sie zusammen binden. Ich schlucke schwer und schaue wieder in das Gesicht des Betas, der mich boshaft anlächelt. Der Dunkelhaarige fängt langsam an zu nicken, ehe er einen Schritt nach hinten tätigt, wobei ich jede seiner Bewegungen mit einem scharfen Blick nachverfolge. Was hat er vor?
»Oh doch«, und bevor die Worte seinen Mund verlassen, breiten sich seine Arme so aus, als würde er mich herzlich empfangen. Seine Aura strahlt alles andere als Herzlichkeit aus, eher strahlt sie puren Hass aus. Hass auf mir.
»Verwandle dich, du hast die Ehre gegen den Beta des Königs anzutreten.«
Für einen kurzen Moment scheint alles still zu stehen. Der Wind weht nicht mehr, die Wölfe um mich herum sind verstummt und mein Herz hat aufgehört zu schlagen. Doch im nächsten Moment höre ich alles wieder und mir bewusst, was mein Gegenüber von mir verlangt. Nämlich etwas unmögliches und gleichzeitig meinen direkten Tod.
Meine Nerven liegen blank, meine Augen sind weit aufgerissen, mein Mund am beben und meine Beine drohen zusammen zu brechen.
Das...das verlangt er doch nicht wirklich..ich..ich gegen einen Beta? Jedem hier ist bewusst, dass es nichts mit Chancengleichheit zu tun hat, zumal ich nicht einmal in der Lage bin mich zu verwandeln.
Das ich verlieren und dabei sterben werde ist sicher, nicht nur, weil er offensichtlich einen starken Rang besitzt, sondern auch, weil ich nicht einmal mit meiner Wölfin kommunizieren kann.
Finger auf meiner Wange drängen mich aus meinen Gedanken und katapultieren mich in einem Schlag zurück in dir Realität. Sofort fahre ich in mich zusammen, als ich realisiere, dass ich gerade erneut berührt werde.
»Na komm, nicht so schüchtern«, amüsiert er sich über meinen sichtbaren Panikzustand, während er mir zart über mein Gesicht streichelt und seine andere Hand in meine Haare fährt. Ich verziehe schmerzvoll mein Gesicht, als auch er an meinen Haaren zieht, genauso, wie es der andere Mann in diesem Raum gestern getan hat. »Ich hasse es zu warten«, knurrt er mich an, woraufhin ich zurückschrecke und bitterlich anfange zu weinen. Er wird mich zerfleischen und niemand würde mir zu Hilfe eilen.
Nach dem ich erneut meinen Kopf geschüttelt habe, knurrt er mich wiederholt an, bevor er sich in Sekundenschnelle unerwartet in seinen Wolf verwandelt und vor mir ein riesengroßes Biest anstatt eines Mannes steht. Wie ein schreckhaftes Reh schreite ich einen Schritt von ihm weg, er aber nimmt mich in sein Visier, so, als wäre ich seine Beute und wahrscheinlich bin ich das auch. Ängstlich strecke ich meinen Arm aus, um ihn von mir fernzuhalten, als er einen Schritt zu mir tätigt.
Mit Tränen überströmten Wangen versuche ich meine Situation klarzumachen, doch er kann oder will es nicht verstehen. Oh Gott wie ich mich hasse. Ich hasse alles an mir, mein Aussehen, meine Krankheit und meine verdammte Dummheit und die ständige Hilflosigkeit.
Der Wolf fängt mich langsam an zu umkreisen, ich werde immer unruhiger und verfolge ihn mit jedem Schritt, fange innerlich an um Erlösung zu beten und versuche einen Fluchtplan zu entwickeln. Es würde aber nichts bringen, ich bin umzingelt von Wölfen, die fast schon sehnsüchtig darauf warten, dass der Beta Hackfleisch aus mir macht.
Panisch fahre ich zusammen und trete nach hinten, woraufhin ich zu Boden falle und sehe, wie der Beta zum Angriff ansetzt. Angstverzerrt drehe ich meinen Kopf zur Seite und starre hilfesuchend um mich umher, bis zwei Augenpaare sich in meine bohren und mein Körper eine neue Stufe von Angst entdeckt zu haben scheint. Giftig Grüne Augen.
Nein, nein das kann nicht sein! Ich bilde mir alles ein! Ich-
»Mate«, ehe ich realisieren kann, an wen sich das mächtige Knurren meines Oberalphas gerichtet hat, werde ich auch schon umher gerissen und mir wird die Luft zum atmen abgeschnürt, während sich Krallen tief in meine Schulter bohren.
Und als ich in wenigen Sekunden alles in mich einwirken lasse, tue ich etwas, wovon ich dachte, dass ich es niemals tun könnte: Ich schreie. Ich schreie ohrenbetäubend laut und voller Panik, Verzweiflung und Überförderung. Meine Lungen brennen und mein gesamter Körper scheint erdrosselt zu werden. Ich spüre die offene Wunde an meinen Schultern, doch meine Schmerzen sind mein geringstes Problem.
Während alles um mich herum mich in eine tiefe Dunkelheit dringt, schafft es mein Gehör noch ein kräftiges, lautes und würdevolles Knurren aufzunehmen.
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